Titel:
Rückforderung von Aufstiegsfortbildungsförderung wegen Unterschreitens der Teilnahmequote
Normenketten:
AFBG § 7, § 9a, § 16, § 27a
SGB X § 24, § 41 Abs. 1 Nr. 3, § 42
Leitsätze:
1. Die Heilung einer unterbliebenen Anhörung durch Nachholung gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X kann auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geschehen, sofern dem Beteiligten die entscheidungserheblichen Tatsachen rechtzeitig vor Erlass des Widerspruchsbescheids zur Kenntnis gebracht werden, so dass er auf die Entscheidung der Widerspruchsbehörde Einfluss nehmen kann, und die Widerspruchsbehörde das Vorbringen ausweislich des Widerspruchsbescheids zur Kenntnis nimmt und erwägt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG enthält für das Tatbestandsmerkmal der regelmäßigen Teilnahme eine definierte gesetzliche Pauschalierung, so dass die Aufstiegsfortbildungsförderung bei einer geringeren Teilnahmequote - unabhängig vom Grund dafür und vom erfolgreichen Abschluss der Fortbildung - zurückgefordert werden muss. (Rn. 36, 45 und 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Etwaige Härten aufgrund der Teilnahmequote sind dadurch abgemildert, dass eine vergleichsweise hohe Fehlzeitenquote von bis zu 30% förderungsrechtlich unschädlich ist und es Teilnehmern an Fortbildungsmaßnahmen offen steht und ohne weiteres zumutbar ist, ggf. gemäß § 7 Abs. 4a AFBG ausdrücklich den Abbruch bzw. die Unterbrechung der Fortbildungsmaßnahme aus wichtigem Grund zu erklären. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rückforderung von Aufstiegsfortbildungsförderung, pauschalisierte Teilnahmequote, Krankheit, ausdrückliche Erklärung des Abbruchs oder der Unterbrechung, Aufstiegsfortbildungsförderung, Rückforderung, Teilnahmequote, Unterbrechung, Anhörung, Nachholung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 11971
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Erstattungspflicht von Aufstiegsfortbildungsförderung.
2
Unter dem 19. April 2017, eingegangen bei dem Beklagten am 5. Mai 2017, beantragte der Kläger für den Zeitraum 1. April 2017 bis 30. September 2020 Aufstiegsfortbildungsförderung zum staatlich geprüften Techniker - … … … … … … … … … … … … (künftig: Akademie). Die Fortbildungsmaßnahme umfasst insgesamt 490 Stunden im Präsenzunterricht sowie sechs Leistungskontrollen. Mit Bescheid vom 22. Mai 2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger Aufstiegsfortbildungsförderung in Gestalt von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren in Höhe von insgesamt 5.334,00 EUR, fällig zum 1. Mai 2017 (in Höhe von 2.133,60 EUR als Zuschuss und im Übrigen darlehensweise). Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen, dass der Kläger jeweils zum 1. Oktober 2017 und 30. September 2020 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringt.
3
Mit Schreiben vom 4. September 2017 forderte der Beklagte den Kläger auf, bis spätestens zum 1. Oktober 2017 den Nachweis des Bildungsträger vorzulegen. Hierauf teilte der Kläger mit Schreiben vom 23. September 2017 mit, eingegangen bei dem Beklagten am 26. September 2017, der Bildungsträger habe ihm mitgeteilt, dieser werde den Nachweis erst nach Beendigung des heute abgeschlossenen ersten Semesters übersenden. Er bitte daher, die Vorlagefrist um eine Woche zu verlängern.
4
Mit Bescheid vom 11. Oktober 2017 setzte der Beklagte eine Rückforderung in Höhe von 2.133,60 EUR fest. Zur Begründung ist in dem Bescheid sinngemäß im Wesentlichen ausgeführt, bis heute liege der erforderliche Teilnahmenachweis nicht vor, sodass der Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 2017 aufzuheben gewesen sei.
5
Ebenfalls unter dem 11. Oktober 2017 übersandte die Akademie den Teilnahmenachweis vom selben Tag, eingegangen bei dem Beklagten am 12. Oktober 2017, wonach der Kläger in der Zeit vom 1. April 2017 bis 30. September 2017 an 35 von insgesamt 70 Präsenzstunden teilgenommen habe. In demselben Zeitraum hätten keine Leistungskontrollen stattgefunden.
6
Daraufhin bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 13. Oktober 2017 erneut Aufstiegsfortbildungsförderung in Gestalt von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren in Höhe von 5.334,00 EUR, fällig zum 1. Mai 2017 (in Höhe von 2.133,60 EUR als Zuschuss und im Übrigen darlehensweise). Auch dieser Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung, dass der Kläger jeweils zum 9. Februar 2018 und 30. September 2020 einen Nachweis des Bildungsträger über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringt. Mit Schreiben vom selben Tag teilte der Beklagte dem Kläger insbesondere sinngemäß mit, eine regelmäßige Teilnahme liege vor, wenn die Teilnahme an 70% der Präsenzstunden und bei Fernunterricht an 70% der Leistungskontrollen nachgewiesen sei. In dem vorgelegten Teilnahmenachweis sei lediglich die Teilnahme an der Hälfte der angefallenen Präsenzstunden bestätigt. Nachdem die Fehlzeiten mehr als 30% betragen würden, werde für den Zeitraum 1. Oktober 2017 bis 31. Januar 2018 nochmals ein Teilnahmenachweis angefordert, wobei um Einreichung bis 9. Februar 2018 gebeten werde. Bei erneuten Fehlzeiten von mehr als 30% oder ausbleibender Vorlage des Nachweises müssten die unter Vorbehalt gewährten Leistungen zurückgefordert werden. Der Kläger erhalte bereits heute Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
7
Mit Schreiben vom 15. Januar 2018, eingegangen bei dem Beklagten am 23. Januar 2018, teilte der Kläger sinngemäß im Wesentlichen mit, er könne für den Zeitraum 1. Oktober 2017 bis 31. Januar 2018 keinen Teilnahmenachweis erbringen. Die Akademie habe ihm schriftlich mitgeteilt, der Teilnahmenachweis werde zum Ende des zweiten Semesters Ende April übersandt, wobei alle Ämter für Ausbildungsförderung hierüber informiert seien. Er sei während allen Präsenzphasen anwesend gewesen, bis auf den … Dezember 2018, an dem er wegen Krankheit verhindert gewesen sei.
8
Mit Schreiben vom 5. Februar 2018, eingegangen bei dem Beklagten am 6. Februar 2018, übersandte die Akademie dem Beklagten einen Teilnahmenachweis vom 5. Februar 2018, wonach der Kläger „in der Zeit vom 1. Oktober 2017 bis 1. Februar 2017“ an 30 von insgesamt 36 Präsenzstunden teilgenommen habe. In dem Zeitraum sei eine Leistungskontrolle zu bearbeiten gewesen, die der Kläger nicht absolviert habe.
9
Mit Bescheid vom 6. Februar 2018 setzte der Beklagte eine Rückforderung in Höhe von 2.133,60 EUR fest. Begründet ist der Bescheid sinngemäß im Wesentlichen dahingehend, die Fortbildungsstätte habe angegeben, dass auf den Präsenzunterricht 490 und auf die Bearbeitung der Fernlehrbriefe 2020 Zeitstunden entfielen. Aufgrund der übersandten Teilnahmenachweise ergebe sich insgesamt eine Teilnahmequote von 61,32%. Eine bisher zu bearbeitende Leistungskontrolle habe der Kläger nicht absolviert. Die geleistete Förderung werde vollständig zurückgefordert, da die Fehlzeiten mehr als 30% aufwiesen. Die Bewilligung habe unter dem Vorbehalt der Rückforderung gestanden.
10
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 13. Februar 2018, eingegangen bei dem Beklagten am 15. Februar 2018, Widerspruch ein. Er führte sinngemäß im Wesentlichen aus, er sei seit April 2014 in seinem Alltag durch eine chronische …erkrankung erheblich eingeschränkt. Dies sei auch der Grund der häufigen Fehlzeiten. Die Fehlzeitenquote von 30% können nicht in derselben Weise auf chronisch kranke Menschen angewendet werden. Entsprechende Atteste habe er während des Präsenzunterrichts dabei gehabt. Als er diese habe abgeben wollen, habe die Akademie dies nicht für notwendig erachtet. Es habe geheißen, es sei nicht schlimm, wenn er ab und zu fehle. Für die Bearbeitung der Aufgaben habe er noch bis Mitte April Zeit. Die Fächer Politik und Deutsch habe er bereits vollständig bearbeitet, aktuell bearbeite er das Fach Naturwissenschaft. Dem Schreiben war in Kopie ein Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales - Landesversorgungsamt vom 8. Juni 2016 beigefügt, der für den Kläger ab dem 4. Februar 2016 einen Grad der Behinderung von 20 ausweist.
11
Mit Schreiben vom 21. Februar 2018 legte das Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen den Widerspruch der Regierung von Niederbayern zur Entscheidung vor. Darin ist sinngemäß im Wesentlichen ausgeführt, der Bewilligungsbescheid sei aufzuheben gewesen, weil der Kläger nach Hinweis auf die Folgen unzureichender Teilnahme lediglich eine Teilnahmequote von insgesamt 61,32% erzielt habe. Unerheblich sei, ob für die Abgabe der Aufgaben eine Frist bis Mitte April gesetzt sei, da die erforderliche Teilnahmequote bereits hinsichtlich der Präsenzstunden nicht erreicht sei. Die nachträglich vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen könnten auch nicht als rechtzeitig angezeigte Ausbildungsunterbrechung angesehen werden. Darüber hinaus sehe das AFBG keine gesonderte Fehlzeitenquote für chronisch kranke Menschen vor.
12
Mit Schreiben vom 8. Mai 2018, eingegangen bei dem Beklagten am 16. Mai 2018, übersandte der Kläger eine Kopie seines Schwerbehindertenausweises, gültig ab 21. Januar 2018, der einen Grad der Behinderung von 50 ausweist. Außerdem legte er ärztliche Bescheinigungen betreffend Fehltage vor.
13
Mit Eingang bei dem Beklagten am 10. August 2018 legte der Kläger zudem einen Teilnahmenachweis der Akademie vom 25. Juli 2018 vor, wonach er in der Zeit vom 1. April 2017 bis 31. März 2018 an 76 von insgesamt 140 Präsenzstunden teilgenommen und in diesem Zeitraum eine Leistungskontrolle zu bearbeiten gewesen sei, die er absolviert habe. Darüber hinaus legte er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sowie eine ärztliche Bescheinigung vor.
14
Mit Schreiben vom 20. August 2018 teilte die Regierung von Niederbayern dem Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen mit, nach Überprüfung des Vorgangs könne dem Widerspruch abgeholfen werden. Der zweite Teilnahmenachweis vom 5. Februar 2018 sei seitens der Akademie nicht korrekt ausgefüllt. Die Frist zur Abgabe der Leistungsnachweise sei - wie im Widerspruch vorgetragen - noch nicht abgelaufen gewesen. Der nunmehr vorgelegte Teilnahmenachweis bestätige die Abgabe einer Leistungskontrolle. Aufgrund der Dauer des Lehrgangs werde empfohlen, einen dritten Teilnahmenachweis anzufordern und den Kläger darauf hinzuweisen, dass eine chronische …erkrankung keine Fehlzeiten über 30% rechtfertige.
15
Mit Bescheid vom 27. August 2018 half der Beklagte dem Widerspruch des Klägers ab und bewilligte ihm erneut Aufstiegsfortbildungsförderung über insgesamt 5.334,00 EUR in Gestalt von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren, fällig zum 1. Mai 2017 (in Höhe von 2.133,60 EUR als Zuschuss und im Übrigen darlehensweise). Auch dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung, dass der Kläger jeweils am 30. September 2019 und 1. Oktober 2020 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringt. In dem Bescheid ist der Hinweis enthalten, die chronische Erkrankung des Klägers rechtfertige keine Fehlzeiten über 30%.
16
Mit Schreiben vom 11. April 2019 übersandte die Akademie dem Beklagten einen Teilnahmenachweis vom selben Tag, wonach der Kläger im Zeitraum 1. April 2017 bis 31. März 2019 an 88 von insgesamt 280 Präsenzstunden teilgenommen sowie zwei von drei zu bearbeitende Leistungskontrollen absolviert habe.
17
Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 16. April 2019 sinngemäß im Wesentlichen mit, die Förderung werde hinsichtlich der regelmäßigen Teilnahme an der Maßnahme unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung geleistet. Die Unterbrechung der Maßnahme aus wichtigem Grund sei umgehend mitzuteilen und nachzuweisen. Bezüglich der erforderlichen regelmäßigen Lehrgangsteilnahme werde nochmals darauf hingewiesen, dass auch eine chronische Erkrankung keine Fehlzeiten über 30% rechtfertige. Aus dem vorgelegten Teilnahmenachweis ergebe sich eine Teilnahmequote von lediglich 60,60%. Da die Fehlzeiten 30% überstiegen, werde - wie auch mit Bescheid vom 27. August 2018 festgesetzt - ein erneuter Teilnahmenachweis zum 30. September 2019 angefordert. Es werde um Einreichung bis spätestens 1. November 2019 gebeten.
18
Mit Schreiben vom 22. April 2019 teilte der Kläger mit, er versichere, sein Bestes zu geben und an den künftig anfallenden Pflichtseminaren teilzunehmen. Leider sei es immer schwierig, im Voraus zu sehen, wann er den nächsten Krankheitsschub bekomme. Mit Schreiben vom 21. Mai, 4. September und 24. Oktober 2019 teilte der Kläger mit, er könne krankheitsbedingt leider nicht an Präsenzveranstaltungen im Zeitraum 20. bis 25. Mai, 4. bis 7. September bzw. 6. bis 9. November 2019 teilnehmen. Dem zuletzt genannten Schreiben war zudem ein Aufnahmeschreiben der … … … beigefügt, wonach der Kläger vom … … … … … Rehabilitationsmaßnahme durchführe. In den Schreiben vom 21. Mai, 4. September und 24. Oktober 2019 führte der Kläger jeweils aus, er werde den verpassten Stoff selbstverständlich im Hausstudium nacharbeiten.
19
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 11. November 2019 setzte der Beklagte eine Rückforderung in Höhe von 2.133,60 EUR fest. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, bis heute liege kein Teilnahmenachweis zum 30. September 2019 vor.
20
Mit Schreiben vom 15. November 2019 teilte der Kläger sinngemäß im Wesentlichen mit, er habe den Teilnahmenachweis nicht übersandt, da er sich bei dem Beklagten für die genannten Zeiträume krankgemeldet habe. Nunmehr komme er der Bitte nach und übersende den Nachweis. Er empfinde die aktuelle Lage als äußerst belastend, da er aus seiner Sicht seinen Pflichten nachgekommen sei, soweit er diese erfüllen könne. Er habe bereits einen Großteil der Prüfungen absolviert. Abwesenheiten seien seiner Krankheit geschuldet, mit der er aktuell sehr zu kämpfen habe. Seit Juni 2019 sei er auch nicht mehr in der Lage, seinen Beruf auszuüben. Aus der Rehabilitationsmaßnahme sei er arbeitsunfähig entlassen worden. Leider habe sich diese mit den Präsenzveranstaltungen überschnitten, weshalb er an diesen nicht habe teilnehmen können. Er versuche trotz seiner Erkrankung so weit wie möglich an den vorgezogenen Prüfungen teilzunehmen und erarbeitete sich den Prüfungsstoff im Heimstudium. Er sei wegen seiner Erkrankung extrem eingeschränkt, was für ihn äußerst belastend sei. Er könne versichern, dass der Abschluss des Lehrgangs nicht gefährdet sei. Er würde sich nur um etwas Rücksicht freuen. Nach dem übersandten Teilnahmenachweis der Akademie vom 15. November 2019 nahm der Kläger im Zeitraum 1. April 2017 bis 30. September 2019 an 88 von insgesamt 350 Präsenzstunden teil und absolvierte zwei von insgesamt vier zur bearbeitenden Leistungskontrollen.
21
Mit Schreiben vom 20. November 2019 legte das Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen das Schreiben des Klägers vom 15. November 2019 der Regierung von Niederbayern als Widerspruch vor. Hierzu führte das Landratsamt im Kern aus, mit dem zuletzt eingereichten Teilnahmenachweis werde lediglich eine Teilnahmequote von 45,95% bestätigt. Die Abhilfe des Widerspruchs sei somit ausgeschlossen. Auch stellten die vereinzelt gemeldeten Krankheitstage keine Ausbildungsunterbrechung dar.
22
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2020 wies die Regierung von Niederbayern den Widerspruch zurück (Ziff. 1 des Bescheids). Die Kosten Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt (Ziff. 2 des Bescheids). Verfahrenskosten wurden nicht erhoben (Ziff. 3 des Bescheids). Zur Begründung ist sinngemäß im Wesentlichen ausgeführt, der Bewilligungsbescheid vom 22. Mai 2017 in der Fassung vom 13. Oktober 2017 und 27. August 2018 sei mit dem Vorbehalt verbunden gewesen, einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme unter anderem zum Ende der Maßnahme zu erbringen. Dieser Nachweis sei nicht erbracht. Eine regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme sei Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem AFBG. Eine solche liege vor, wenn die Teilnahme an 70% der Präsenzstunden und bei Fernunterricht an 70% der Leistungskontrollen nachgewiesen sei. Bei Fernunterrichtslehrgängen manifestierte sich die Teilnahme auch in der Bearbeitung von Leistungskontrollen. Der sparsame Umgang mit öffentlichen Mitteln gebiete es, auch bei der Förderung der Teilnahme am Fernunterricht Vorkehrungen zu treffen, dass mangelndes Engagement der Fortbildungsteilnehmer ausgeschlossen werde. Aufgrund der förderungsunschädlichen Fehlzeitenquote von 30% unabhängig davon, ob Ausfälle begründet seien, sei eine weitere Differenzierung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten entbehrlich. Einzelne Atteste für einzelne Krankheitstage könnten aufgrund der großzügigen Fehlzeitenregelung nicht mehr anerkannt werden. Bei längerer Abwesenheit aus wichtigem Grund sei der Lehrgangsteilnehmer aufgefordert, einen Abbruch oder eine Unterbrechung der Lehrgangsteilnahme anzuzeigen. Hierauf sei der Kläger auch in dem Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 2017 in der Fassung vom 13. Oktober 2017 und 27. August 2018 hingewiesen worden. Ebenso sei er darauf hingewiesen worden, dass eine chronische Erkrankung keine Fehlzeiten über 30% rechtfertige. Sollte dem Kläger die Teilnahme aufgrund der Erkrankung nicht ausreichend möglich gewesen sein, so wäre es nötig gewesen, eine Entscheidung zu treffen, die Maßnahme zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt - zu dem eine regelmäßige Teilnahme möglich gewesen sei - fortzusetzen. Das Bestehen der Abschlussprüfung - dem Ziel der Förderung - sei für die Leistungsgewährung irrelevant, da Teilnehmer gerade nicht nur für Fähigkeiten bzw. Eignung gefördert würden, sondern für die zielstrebige Vorbereitung auf einen positiven Prüfungsabschluss durch regelmäßige Teilnahme an der Fortbildung. Zur Überprüfung der Lehrgangsteilnahme seien Teilnahmenachweise zu erbringen. Der Bewilligungsbescheid sei aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, wenn Leistungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt worden seien und der entsprechende Vorbehalt greife. Die Teilnahmequote bis zum 30. September 2019 belaufe sich hier auf lediglich 45,95%. Auch könne keine regelmäßige Teilnahme mehr für die Gesamtmaßnahme erreicht werden. Daher sei der Bewilligungsbescheid insgesamt aufzuheben und der Teilnehmer habe die erhaltenen Leistungen insoweit zu erstatten. Die Aufhebung stelle keine Ermessensentscheidung dar, auch liege kein Vertrauenstatbestand vor.
23
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2020, eingegangen bei Gericht am 20. Oktober 2020, Klage erhoben.
24
Er trägt sinngemäß im Wesentlichen vor, er sei schwer krank und habe die geforderte Teilnahmequote nicht erreichen können. Er empfinde es als diskriminierend, dass diese Teilnahmequote auch bei schwer kranken Menschen wie ihm gefordert werde und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht beachtet würden. Zwar habe er lediglich eine von vier Leistungskontrollen bearbeiten können. Er wisse, dass diese Lernkontrollen Hilfen für den Lehrgangsabschluss seien. Allerdings sei er regulär zu den Abschlussprüfungen zugelassen worden, sodass seine Leistungen „gepasst“ hätten. Deswegen sei für ihn nicht ersichtlich, warum nunmehr - nach bestandener staatlicher Abschlussprüfung - Aufstiegsfortbildungsförderung zurückgefordert werde. Außerdem sei er nicht in der Lage, den geforderten Betrag zu zahlen. Aufgrund seiner Krankheit habe er seinen Arbeitsplatz verloren. Er leide seit mehreren Jahren an einer chronisch … … … Er habe die Fortbildungsmaßnahme trotz schwieriger Bedingungen und hoher Fehlzeiten im regulären Zeitraum erfolgreich abschließen können.
25
Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.
26
Der Beklagte beantragt
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Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheids.
28
Die Parteien haben auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
29
Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte das Gericht aufgrund des beiderseitigen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
30
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
31
1. Die nach Auslegung des klägerischen Begehrens gemäß § 88 VwGO als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthafte Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 11. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die streitgegenständliche Rückforderung in Höhe von 2.133,60 EUR beruht auf § 16 Abs. 2, Abs. 3 AFBG. Es handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt war.
32
a) Offen bleiben kann, ob das AFBG in seiner bis zum Ablauf des 31. Juli 2020 geltenden Fassung (nachfolgend: AFBG a.F.) mit Ausnahme der hier nicht entscheidungserheblichen §§ 10, 12, 17a AFBG n.F. oder insgesamt in der neuen, ab dem 1. August 2020 geltenden Fassung Anwendung findet. Zunächst ist die Übergangsregelung nach § 30 Abs. 1 AFBG nicht einschlägig, wonach für Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung, die bis zum 31. Juli 2020 abgeschlossen wurden, das AFBG a.F. anzuwenden ist. Denn hier hat der Kläger die bis 30. September 2020 laufende Maßnahme erst mit den zeitlich nachfolgenden Prüfungen - also nach dem Stichtag des 31. Juli 2020 - (erfolgreich) abgeschlossen. Fraglich ist auch, ob die Übergangsregelung nach § 30 Abs. 2 AFBG einschlägig ist, wonach das AFBG a.F. mit Ausnahme der §§ 10, 12, 17a Anwendung findet, sofern die Maßnahme vor dem 31. Juli 2020 begonnen, aber noch nicht abgeschlossen wurde. Vorliegend ist letztlich unklar, ob und inwieweit der Kläger in dem für die Anfechtungsklage regelmäßig maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2020, seine Abschlussprüfungen bereits abgeschlossen hatte bzw. inwieweit es in diesem Zusammenhang auf den Abschluss der Prüfungen oder des Prüfungsverfahrens ankommt. Allerdings stimmen die hier entscheidungserheblichen Vorschriften nach §§ 7, 9a, 16 Abs. 2, 3, 27a AFBG sowohl in der alten als auch in der neuen Fassung weitgehend, jedenfalls inhaltlich überein. Da hier aus dem AFBG a.F. und n.F. dieselben Ergebnisse folgen, bedarf die Anwendbarkeitsfrage letztlich keiner Entscheidung.
33
b) Der angegriffene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist die erforderliche Anhörung nachgeholt worden. Verfahrensrechtlich sind vorliegend nach § 27a Halbs. 1 AFBG a.F. die Vorschriften des SGB X anwendbar. Zwar hat die Beklagte den Kläger entgegen § 24 Abs. 1 SGB X nicht angehört, bevor sie den streitgegenständlichen Rückforderungsbescheid erlassen hat. Auch sind keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die nach § 24 Abs. 2 SGB X ein Absehen von der Anhörung hätten rechtfertigen können. Zudem sieht § 42 Satz 2 SGB X im Unterschied zur Parallelvorschrift nach § 46 VwVfG ausdrücklich vor, dass sich die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 42 Satz 1 SGB X nicht auf unterbliebene und nicht nachgeholte Anhörungen erstreckt. Jedoch wird nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X der Verfahrensfehler einer unterbliebenen Anhörung geheilt, sofern diese nachgeholt wird. Dies kann auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geschehen, sofern dem Beteiligten die entscheidungserheblichen Tatsachen rechtzeitig vor Erlass des Widerspruchs zur Kenntnis gebracht werden, so dass er auf die Entscheidung der Widerspruchsbehörde Einfluss nehmen kann, und die Widerspruchsbehörde das Vorbringen ausweislich des Widerspruchsbescheids zur Kenntnis nimmt und erwägt (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand September 2020, § 41 SGB X Rn. 15 ff.). So liegt der Fall hier, da die Ausgangsbehörde dem Kläger in dem angegriffenen Bescheid mitgeteilt hat, die Rückforderung beruhe darauf, dass der geforderte Teilnahmenachweis zum 30. September 2019 nicht vorgelegt worden sei, der Kläger sodann im Widerspruchsverfahren unter Erläuterung seiner Erkrankung den fraglichen Teilnahmenachweis übersandt hat und schließlich der Widerspruchsbescheid hierauf eingegangen ist, etwa indem dort sinngemäß ausgeführt ist, eine Differenzierung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten sei entbehrlich, auch chronische Erkrankungen rechtfertigten keine Erhöhung der förderungsunschädlichen Fehlzeitenquote von 30% bzw. dass eine Entscheidung des Klägers über eine etwaige Unterbrechung der Maßnahme nötig gewesen wäre.
34
c) Der angegriffene Bescheid erweist sich auch in materieller Hinsicht als rechtmäßig.
35
aa) § 16 Abs. 2 AFBG sieht vor, dass der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben ist und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin die erhaltenen Leistungen insoweit zu erstatten hat, soweit Leistungen nach dem AFBG unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt wurden und der entsprechende Vorbehalt greift. Weiter bestimmt § 16 Abs. 3 Halbs. 1 AFBG a.F. bzw. § 16 Abs. 3 Satz 1 AFBG n.F., dass der Bewilligungsbescheid insgesamt aufzuheben und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin die erhaltenen Leistungen zu erstatten hat, wenn der Teilnehmer oder die Teilnehmerin in einem Nachweis des Bildungsträger nicht die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nachweist und diese bis zum Ende der Maßnahme nicht mehr erreicht werden kann. Dies gilt indes nach § 16 Abs. 3 Halbs. 2 AFBG a.F. bzw. § 16 Abs. 3 Satz 2 AFBG n.F. nicht, sofern die Maßnahme aus wichtigem Grund abgebrochen wird und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin bis zum Abbruch regelmäßig an der Maßnahme teilgenommen hat. Hinsichtlich der Rechtsfolge von § 16 Abs. 3 AFBG ist anerkannt, dass der Bewilligungsbescheid insgesamt - also hinsichtlich Maßnahme- und Unterhaltsbeitrag - aufzuheben ist, wobei die erhaltenen Leistungen zurückzuerstatten sind (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 16 Ziff. 2.3). Schließlich bestimmt § 16 Abs. 5 AFBG für den Fall, dass der Bewilligungsbescheid bei einer aus mehreren Maßnahmeabschnitten bestehenden Vollzeitmaßnahme insgesamt aufgehoben wird, dass der Unterhaltsbeitrag nur für die Maßnahmeabschnitte zu erstatten ist, an denen der Teilnehmer oder die Teilnehmerin nicht regelmäßig teilgenommen hat.
36
Nach § 9a Abs. 1 Satz 1 AFBG hat der Teilnehmer oder die Teilnehmerin regelmäßig an der geförderten Maßnahme teilzunehmen. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift müssen die Leistungen des Teilnehmers oder der Teilnehmerin erwarten lassen, dass er oder sie die Maßnahme erfolgreich abschließt. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass es nicht darauf ankommt, ob Auszubildende die Fortbildungsmaßnahme tatsächlich erfolgreich abschließen oder aber eine etwaige Abschlussprüfung nicht bestehen (OVG Münster, B.v. 12.4.2012 - 12 A 236/12 - BeckRS 2012, 51121). Bewusst bürdet der Gesetzgeber Teilnehmern einer Förderungsmaßnahme nicht das Risiko des (endgültigen) Nichtbestehens einer Prüfung etwa am Ende einer mehrjährigen Ausbildung auf, um die mit dem AFBG verfolgte Anreizwirkung nicht zu konterkarieren und keine Hemmschwelle für Fortbildungsinteressierte aufzubauen (so BT-Drucksache 18/7055, Seite 38). Nach § 9a Abs. 1 Satz 3 AFBG wird regelmäßig von der Möglichkeit des erfolgreichen Abschlusses der Maßnahme ausgegangen, solange Teilnehmer diese zügig und ohne Unterbrechung absolvieren und sich um einen erfolgreichen Abschluss bemühen. Nach § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG liegt eine regelmäßige Teilnahme vor, wenn die Teilnahme an 70% der Präsenzstunden und bei Fernunterrichtslehrgängen an 70% der Leistungskontrollen nachgewiesen wird. Hierdurch wird das Tatbestandsmerkmal der regelmäßigen Teilnahme im Rahmen einer Pauschalierung gesetzlich definiert (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 9a Ziff. 2.1). Dies ergibt sich zudem aus der Begründung des Gesetzgebers. So war zum AFBG in seiner Fassung vor dem 1. August 2016 eine Differenzierung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten anerkannt. Mit der Neufassung des Gesetzes in der Fassung ab dem 1. August 2016 wollte der Gesetzgeber gerade diese mit Abgrenzungs- und Auslegungsproblemen verbundene Differenzierung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten mit Hilfe eines Systemwechsels dahingehend ablösen, dass pauschal lediglich auf eine Teilnahmequote abgestellt wird, die allerdings mögliche Fehlzeiten großzügig berücksichtigt. In diesem Sinne ist in der Gesetzesbegründung zur Novellierung des AFBG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des AFBG vom 16. Dezember 2015 ausgeführt, in der Vergangenheit sei eine komplizierte und einzelfallorientierte Kasuistik von Entschuldigungsgründen gebildet worden, deren Prüfung mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden gewesen sei (BT-Drucksache 18/7055, Seite 38). Die notwendige regelmäßige Teilnahme sei auf 70 Prozent der Präsenzunterrichtsstunden gesetzlich pauschaliert. Diese Pauschalierung sei zunächst in der Verwaltungspraxis erprobt worden. Sie habe sich als angemessen und interessengerecht erwiesen. Auf der einen Seite stehe das Interesse an einer vollständigen Teilnahme, die letztlich Grundlage der Förderung sei. Auf der anderen Seite bestehe die Notwendigkeit für eine zielorientierte und effektive Förderung, die die Lebensumstände der typischen Geförderten förderrechtlich ernst nehme. Diese Geförderten stünden „mitten im Leben“. Sie müssten oft Beruf, Familie und Aufstiegsfortbildung im Alltag miteinander vereinbaren. Dies führe zu einem gewissen Maß an objektiv nicht vermeidbaren Fehlzeiten, sei es etwa durch Krankheit - eigene oder von Kindern - oder durch Kinderbetreuungsengpässe aufgrund von Schließzeiten (so im Ganzen BT-Drucksache 18/7055, Seite 38).
37
Im Übrigen bestimmt § 9a Abs. 1 Satz 5 AFBG, dass die Förderung hinsichtlich der regelmäßigen Teilnahme an der Maßnahme unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung geleistet wird. Schließlich hat nach § 9a Abs. 2 Satz 1 AFBG der Teilnehmer bzw. die Teilnehmerin insbesondere sechs Monate nach Beginn sowie zum Ende der Maßnahme einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme vorzulegen.
38
bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe war der Beklagte hier - ohne dass ihm Ermessen eingeräumt gewesen wäre - gehalten, wie mit Bescheid vom 11. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2020 geschehen, bereits geleistete Maßnahmebeiträge in Gestalt von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren in Höhe von 2.133,60 EUR zurückzufordern.
39
(1) Hier stand die gesamte geleistete Aufstiegsfortbildungsförderung gemäß §§ 9a Abs. 1 Satz 5, 16 Abs. 2 und 3 AFBG unter dem Vorbehalt der Rückforderung. So ergingen die Bewilligungsbescheide stets unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen ergangen, dass der Kläger jedenfalls zum 30. September bzw. 1. Oktober 2020 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringt.
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(2) Der Kläger kann gemäß § 16 Abs. 3 AFBG in einem Nachweis des Bildungsträgers die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nicht nachweisen. Denn der Kläger hat jedenfalls zum 30. September bzw. 1. Oktober 2020 keinen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbracht. Auch aus dem zuletzt vorgelegten Teilnahmenachweis der Akademie vom 15. November 2019 geht hervor, dass er in der Zeit vom 1. April 2017 bis 30. September 2019 lediglich an 88 von insgesamt 350 Präsenzstunden und 2 von 4 Leistungskontrollen teilgenommen hat. Dies entspricht einer Teilnahmequote von 35% hinsichtlich der Präsenzstunden und 50% betreffend die Leistungskontrollen, so dass die pauschalierte Teilnahmequote aus § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG von 70% jeweils deutlich unterschritten ist.
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(3) Der Kläger kann die geforderte Teilnahmequote von 70% auch nicht mehr nach § 16 Abs. 3 AFBG a.F. erreichen. Da für die Fortbildungsmaßnahme insgesamt 490 Präsenzstunden vorgesehen sind, standen mit Blick auf den zuletzt vorgelegten Teilnahmenachweis vom 15. November 2019 nach dem 30. September 2019 noch 140 Präsenzstunden aus (490 Präsenzstunden abzüglich 350 Präsenzstunden bis 30. September 2019). Sofern unterstellt wird, der Kläger hätte noch alle ausstehenden 140 Präsenzstunden besucht, ergäbe sich eine Teilnahme an 228 (88 + 140) von insgesamt 490 Präsenzstunden, was einer Teilnahmequote von etwa 47% entspräche. Ähnliches gilt hinsichtlich noch zwei ausstehender Leistungskontrollen. Da im Gesamtzeitraum der Fortbildungsmaßnahme sechs Leistungskontrollen zu absolvieren sind, könnte der Kläger allenfalls noch eine Teilnahme an vier von insgesamt sechs Leistungskontrollen erreichen, was einer Teilnahmequote von etwa 67% entspräche, also ebenfalls die geforderte Teilnahmequote von 70% unterschreiten würde.
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(4) Schließlich kann hier auch nicht von einem Maßnahmeabbruch oder einer Maßnahmeunterbrechung aus wichtigem Grund ausgegangen werden, die dem Kläger nach § 16 Abs. 3 Alt. 2 a.F., § 16 Abs. 3 Satz 2 n.F. bzw. § 7 Abs. 3a AFBG die Förderung jedenfalls bis zum Maßnahmeabbruch bzw. bis zur Maßnahmeunterbrechung für den Fall regelmäßiger Teilnahme bis dahin erhalten hätte.
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Einen Abbruch der Fortbildungsmaßnahme hat der Kläger schon nicht geltend gemacht. Auch in der Sache liegt die Annahme eines Maßnahmeabbruchs fern. So wird von einem Maßnahmeabbruch ausgegangen, wenn Teilnehmer nach eigener Erklärung oder konkludent das Fortbildungsziel aufgeben (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 7 Ziff. 2.1). Hier belegt aber der Umstand, dass der Kläger die Abschlussprüfung angetreten und erfolgreich abgelegt hat, dass er das Fortbildungsziel gerade nicht aufgegeben, sondern wie beabsichtigt erreicht hat.
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Auch die Annahme einer Unterbrechung bzw. von Unterbrechungen der Fortbildungsmaßnahme scheidet hier aus. Denn jedenfalls hat der Kläger etwaige Unterbrechungen nicht ausdrücklich angezeigt. Nach § 7 Abs. 4a Satz 1 AFBG ist eine Maßnahmeunterbrechung nur berücksichtigungsfähig, sofern dieser ausdrücklich erklärt wird. Gemäß § 7 Abs. 4a Satz 2 AFBG wirkt die Erklärung nur insoweit auf einen vor dem Eingang bei der zuständigen Behörde liegenden Zeitpunkt zurück, als sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt. Hier hat der Kläger etwaige Maßnahmeunterbrechungen jedenfalls nicht ausdrücklich erklärt. Auch können die Krankmeldungen des Klägers nicht als Erklärung einer etwaigen Maßnahmeunterbrechung verstanden werden. So ist schon fraglich, ob nach dem Systemwandel hin zur pauschalisierten Teilnahmequote von 70% überhaupt eher kurze, krankheitsbedingte Fehlzeiten als Unterbrechung verstanden werden können. Denn nach dem Systemwandel knüpfen Rückforderungstatbestände nicht mehr an unentschuldigten, etwa krankheitsbedingten Fehlzeiten, sondern allein an die (pauschalisierte) Teilnahmequote an. Jedenfalls können hier aber die Krankmeldungen des Klägers nicht als Unterbrechungserklärungen nach § 7 Abs. 4a Satz 1 AFBG verstanden werden. Vielmehr hat der Kläger stets seine Krankheit als solche geltend gemacht bzw. hiermit seine Abwesenheit von Präsenzstunden begründet. Damit sollen die Krankmeldungen allein die Nichtteilnahme an Präsenzstunden entschuldigen. So spricht der Kläger sinngemäß von der entschuldigten Nichtteilnahme, entschuldigten Fehlzeiten bzw. der Krankheitsmitteilung unter Versicherung, den Unterrichtsstoff zu Hause zu erarbeiten. Den Mitteilungen ist aber kein Unterbrechungswille dahingehend zu entnehmen, die Fortbildungsmaßnahme insgesamt - ggf. bis zu einer gesundheitlichen Besserung o.Ä. - unterbrechen zu wollen. Formulierungen, die Fortbildungsmaßnahme bis auf weiteres wegen Krankheit ruhen zu lassen, diese vorerst aufgeben oder pausieren zu müssen o.Ä. finden sich gerade nicht. Dass der Unterbrechungswille hinreichend zum Ausdruck kommt, ist aber schon deswegen erforderlich, weil die Unterbrechung gerade bei chronischen Erkrankungen mit erheblichen Nachteilen verbunden sein kann. So wird Aufstiegsfortbildungsförderung nach § 7 Abs. 3a, 4 AFBG im Fall der Unterbrechung wegen Krankheit lediglich für drei Monate weitergeleistet. Anschließend ruht der Anspruch auf Förderung.
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(5) Rechtlich unerheblich ist, dass der Kläger die Fortbildungsmaßnahme erfolgreich beendet hat. Denn - wie bereits dargelegt - kann und soll Aufstiegsfortbildungsförderung gerade nicht deswegen zurückgefordert werden, weil Teilnehmer die Fortbildungsmaßnahme letztlich ohne Erfolg durchlaufen haben. Aufgrund der Erfolgsunabhängigkeit der Aufstiegsfortbildungsförderung in diesem Sinne kann Ausbildungsförderung spiegelbildlich nicht deswegen belassen werden, wenn zwar die Rückforderungsvoraussetzungen vorliegen, der Teilnehmer die Maßnahme aber dennoch erfolgreich beendet hat.
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(6) Auch mit Blick auf die Rechtsfolge begegnet der angegriffene Rückforderungsbescheid keinen Bedenken. Zunächst handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt war. Mit Blick auf die Höhe der Rückforderung ist unstreitig geblieben, dass bis zum Erlass des Rückforderungsbescheids Maßnahmebeiträge in Gestalt von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren in Höhe von 2.133,60 EUR angefallen waren. Zudem war der Maßnahmebeitrag nach § 16 Abs. 3 AFBG a.F. bzw. § 16 Abs. 3 Satz 1 AFBG n.F. - soweit angefallen - vollständig zurückzufordern. So erfasst die Rückforderungsausnahme gemäß § 16 Abs. 5 AFBG lediglich Unterhaltsbeiträge, die hier nicht bewilligt waren.
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d) Die Rückforderung ist auch verhältnismäßig im Einzelfall.
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Zunächst ist die Rückforderung geeignet, das legitime gesetzgeberische Ziel zu verfolgen, öffentliche Mittel der Aufstiegsfortbildungsförderung effektiv und sparsam zu verwenden. Auch ist die Rückforderung erforderlich, da mildere und vergleichbar wirksame Mittel zur Zweckerreichung nicht ersichtlich sind. Insbesondere würde die Rückforderung eines geringeren Geldbetrags öffentliche Mittel nicht in demselben Ausmaß schonen.
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Die Rückforderung ist mit Blick auf das genannte gesetzgeberische Ziel auch angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinn. Bedenken bestehen auch nicht deswegen, weil sich der Gesetzgeber mit der Neuregelung des AFBG entschieden hat, die für die Förderung erforderliche Teilnahmequote gesetzlich zu pauschalieren, sodass es bei Unterschreitung dieser Teilnahmequote nicht mehr darauf ankommt, ob Fehlzeiten entschuldigt oder unentschuldigt entstanden sind. So ist dem Gesetzgeber schon nach allgemeinen Grundsätzen auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein beträchtlicher Spielraum eingeräumt, um abstrakt generelle und insoweit regelmäßig pauschalierende und typisierende Normen zu schaffen (Greszick in Maunz/Dürig GG, Stand Oktober 2019, Art. 20 Rn. 122). Dies gilt umso mehr im Bereich der hier einschlägigen Leistungsverwaltung. Etwaige Härten sind zudem dadurch abgemildert, dass eine vergleichsweise hohe Fehlzeitenquote von bis zu 30% förderungsrechtlich unschädlich ist und es Teilnehmern an Fortbildungsmaßnahmen offen steht und ohne weiteres zumutbar ist, ggf. gemäß § 7 Abs. 4a Satz 1 AFBG a.F. ausdrücklich den Abbruch bzw. die Unterbrechung der Fortbildungsmaßnahme aus wichtigem Grund zu erklären. Einen wichtigen Grund unterstellt kann die ausdrückliche Erklärung des Abbruchs bzw. der Unterbrechung die Förderung (auch) für die zurückliegende Zeit erhalten. So wäre es auch dem Kläger zumutbar gewesen, die Fortbildungsmaßnahme zu unterbrechen. Denn den Teilnahmenachweisen der Akademie kann entnommen werden, dass dem Kläger zunächst eine regelmäßige Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme möglich war, also auch gesundheitlich Gründe dem letztlich nicht entgegenstanden. So hat der Kläger etwa betreffend den Zeitraum 1. Oktober 2017 bis 1. Februar 2018 an 30 von insgesamt 36 Präsenzstunden teilgenommen, was einer Teilnahmequote von etwa 83% entspricht. Ausweislich der vorliegenden Teilnahmenachweise belief sich die Teilnahmequote insgesamt bis zum 1. Februar 2018 auf immerhin etwa 61%. Im erweiterten Gesamtzeitraum bis 31. März 2018 sank die Gesamtquote sodann auf etwa 54%. Jedenfalls nach dem 31. März 2018 besuchte der Kläger - wie aus dem Teilnahmenachweis der Akademie vom 15. November 2019 hervorgeht - allerdings keine einzige weitere Präsenzstunde und nahm an keiner einzigen weiteren Leistungskontrolle mehr teil. Hieraus folgt, dass es - naheliegend aus gesundheitlichen Gründen - zu einem drastischen Einbruch hinsichtlich der Fähigkeit des Klägers gekommen ist, an der Fortbildungsmaßnahme teilzunehmen. Zumindest aufgrund dieses Einschnitts war es dem Kläger zumutbar, eine ausdrückliche Entscheidung hinsichtlich der Unterbrechung der Fortbildungsmaßnahme zu treffen und insoweit ggf. die Unterbrechung der Fortbildungsmaßnahme ausdrücklich zu erklären. Auf diese Weise hätte der Kläger die Maßnahme bei einer Verbesserung seines Gesundheitszustands wieder aufnehmen können und so insgesamt die geforderte Teilnahmequote von 70% noch erreichen können. Auch der grundsätzliche Verlust der Förderung für den Zeitraum der Unterbrechung sowie die damit verbundenen, nachvollziehbaren Schwierigkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten, hätten eine ausdrückliche Unterbrechungserklärung nicht unzumutbar gemacht. Denn zum einen werden Härten dadurch gemildert, dass Aufstiegsfortbildungsförderung im Fall der Unterbrechung wegen Krankheit nach § 7 Abs. 3a, 4 AFBG drei Monate weitergeleistet wird. Zum anderen obliegt es Teilnehmern einer Fortbildungsmaßnahme, ggf. anderweitig Sozialleistungen zu beantragen (so für die hochschulrechtliche Beurlaubung mit Blick auf die Förderungshöchstdauer nach § 15 BAföG BayVGH, B.v. 15.12.2016 - 12 ZB 16.1141 - BeckRS 2016, 113469). Nach alledem war dem Kläger, dem zunächst eine regelmäßige Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme möglich war, ggf. nach Intensivierung seiner bereits nach eigenem Vortrag seit 2014 bestehenden Grunderkrankung zumutbar, eine Entscheidung über eine etwaige Maßnahmeunterbrechung herbeizuführen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt strukturell nicht von Fällen, in denen Fortbildungsteilnehmer unverschuldet daran gehindert sind, ihre Fortbildungsmaßnahme fortzusetzen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1,154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.