Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 03.03.2021 – AN 2 K 20.01433
Titel:

Rückforderung von Ausbildungsförderung wegen rechtsmissbräuchlicher Vermögensübertragung 

Normenkette:
BAföG § 20 Abs. 1 Nr. 4, § 28 Abs. 2, § 50 Abs. 4, § 1
Leitsätze:
1. Durch den Auszubildenden rechtsmissbräuchlich übertragene Vermögensgegenstände werden seinem Vermögen weiterhin fiktiv zugerechnet, obgleich sie im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr vorhanden sind. Eine Vermögensübertragung ist missbräuchlich und steht im Widerspruch zur Nachrangigkeit der Ausbildungsförderung, wenn der Auszubildende Vermögen überträgt, um es der Vermögensanrechnung zu entziehen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Wirksamkeit eines Darlehensvertrages spricht die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten. Gegen die Wirksamkeit spricht, wenn Inhalt und Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht dargelegt werden, ein plausibler Grund für den Abschluss des Vertrages fehlt, die Durchführung des Darlehensvertrages nicht der Vereinbarung entspricht oder das Darlehen nicht von vornherein im Antragsformular angeben wird. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rückzahlungspflicht, Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung, rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung, Darlehen unter Angehörigen, Auflösung eines Depots zur Tilgung des Darlehens
Fundstelle:
BeckRS 2021, 11969

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger studierte seit dem Wintersemester 2013/2014 im Studiengang … ( …) an der ... in … Am 20. Juli 2015 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2015 bis 9/2016 und machte folgende Angaben:
Ausbildungsvergütung brutto 600,00 EUR, Bargeld 5,00 EUR, Bank- und Sparguthaben 6,00 EUR, Bauspar- und Prämiensparguthaben 5.202,00 EUR, „Riester-Rente“ 1.919,00 EUR, Schulden 5.018,00 EUR.
2
Der Kläger erhielt zunächst Ausbildungsförderung i.H.v. 319,00 EUR nach Maßgabe des früheren Bewilligungsbescheides vom 13. Februar 2015 unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
3
Zuvor war dem Kläger für den Bewilligungszeitraum 9/2012 bis 7/2013 Ausbildungsförderung i.H.v. 397,00 EUR, für den Bewilligungszeitraum 10/2013 bis 9/2014 i.H.v. 538,00 EUR bewilligt worden. Mit Bescheid vom 13. Februar 2015 wurden für den Bewilligungszeitraum 10/2013 bis 9/2014 413,00 EUR und für den Bewilligungszeitraum 10/2014 bis 9/2015 319,00 EUR und eine Nachzahlung i.H.v. 95,00 EUR festgesetzt. Gegen den Bescheid hatte der Kläger am 9. März 2015 Widerspruch eingelegt. Ein Darlehen i.H.v. 2.500,00 EUR zum Erwerb des Führerscheins sei nicht vermögensmindernd berücksichtigt worden. Mit Schreiben vom 15. März 2015 hatte der Kläger dann eine Neuberechnung des Anspruches für den Zeitraum März 2015 bis September 2015 unter Berücksichtigung von Schulden i.H.v. 3.200,00 EUR (2.500,00 EUR Darlehensvertrag für Führerschein, 700,00 EUR wegen Zahlungen des Vaters vom 16. Februar und 5. März 2015) beantragt. Sein Depot bei …sei aufgelöst worden. Mit dem Fondsvermögen habe er Geld zurückgezahlt, welches ihm sein Vater seit dem 15. September 2014 geliehen habe. Im Zeitraum vom 30. August 2014 bis 12. März 2015 habe er keine Ausbildungsförderung erhalten. Nach Vorsprache beim Beklagten hatte der Kläger seinen Antrag zurückgezogen. Mit Schreiben vom 31. März 2015 hatte der Kläger erklärt, die Rücknahme des Antrags zu „stornieren“. Mit Schreiben vom 8. April 2015 hatte der Beklagte mitgeteilt, dass keine Neuberechnung für die Zeit von März 2015 bis September 2015 erfolge, da der Bewilligungszeitraum durch den Bescheid vom 13. Februar 2015 festgelegt worden sei.
4
Bezüglich des streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums 10/2015 bis 8/2016 reichte der Kläger auf Nachfrage des Beklagten einen Kontoauszug ein, aus dem u.a. folgende Bewegungen hervorgingen:

Buchung und Wertstellung

Verwendungszweck

Betrag

20. Juli 2015

GUTSCHRIFT

Umbuchung

+150,00 EUR

15. Juli 2015

DAUERAUFTRAG

Umbuchung für …

+200,00 EUR

1. Juli 2015

DAUERAUFTRAG

… monatliche Rate als Kredit wegen gekürztem Bafög 4. Semester April-September 2015

+204,52 EUR

15. Juni 2015

DAUERAUFTRAG

Umbuchung für F. KG

+200,00 EUR

1. Juni 2015

DAUERAUFTRAG

… monatliche Rate als Kredit wegen gekürztem Bafög 4. Semester April-September 2015

+204,52 EUR

15. Mai 2015

DAUERAUFTRAG

Umbuchung für …

+200,00 EUR

4. Mai 2015

DAUERAUFTRAG

… monatliche Rate als Kredit wegen gekürztem Bafög 4. Semester April-September 2015

+204,52 EUR

15. April 2015

DAUERAUFTRAG

Umbuchung für …

+200,00 EUR

8. April 2015

GUTSCHRIFT

… monatliche Rate als Kredit wegen gekürztem Bafög 4. Semester April - September 2015 (204,- Euro + 1,52 Euro) 204,52 Euro

+1,52 EUR

8. April 2015

GUTSCHRIFT

… monatliche Rate als Kredit wegen gekürztem Bafög 4. Semester April - September 2015

+203,00 EUR

16. März 2015

DAUERAUFTRAG

Umbuchung für …

+200,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 04.02.2015

- 500,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 15.01.2015

- 200,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 02.01.2015

- 500,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 15.12.2014

- 200,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 03.12.2014

- 500,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 17.11.2014

- 200,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 24.09.2014 für Tablet fürs Studium

- 319,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 30.10.2014

- 500,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 15.10.2014

- 200,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 03.10.2014

- 500,00 EUR

13. März 2015

ONLINE-UEBERWEISUNG

… Rückzahlung geliehenes Geld vom 15.09.2014

- 200,00 EUR

13. März 2015

GUTSCHRIFT

…DEPOT: …

+3.406,16 EUR

5. März 2015

GUTSCHRIFT

… Vorschuss

+500,00 EUR

16. Februar 2015

DAUERAUFTRAG

Umbuchung für …

+200,00 EUR

4. Februar 2015

GUTSCHRIFT

Umbuchung fuer …

+500,00 EUR

15. Januar 2015

DAUERAUFTRAG

Umbuchung für …

+200,00 EUR

2. Januar 2015

GUTSCHRIFT

… Vorschuss

+500,00 EUR

15. Dezember 2014

DAUERAUFTRAG

Umbuchung für …

+200,00 EUR

3. Dezember 2014

GUTSCHRIFT

… fuer …

+500,00 EUR

17. November 2014

DAUERAUFTRAG

Umbuchung für …

+200,00 EUR

30. Oktober 2014

GUTSCHRIFT

… Vorschuss

+500,00 EUR

15. Oktober 2014

DAUERAUFTRAG

Umbuchung für …

+200,00 EUR

3. Oktober 2014

GUTSCHRIFT

Umbuchung fuer …

+500,00 EUR

5
Bereits mit Antragstellung hatte der Kläger Umsatzanfragen zum Konto von …und …für den Zeitraum 15. Februar 2015 bis 19. Juli 2015 eingereicht, aus denen die jeweiligen Kontobewegungen spiegelbildlich hervorgingen, und zudem auch eine Kontobewegung „DAUERAUFTRAG … Umbuchung für …“ mit Buchung und Wertstellung i.H.v. 200,00 EUR zum 15. September 2014 hervorging. Bezüglich der Zahlungseingänge vom 15. September 2014 bis 4. Februar 2015 hatte der Kläger handschriftlich vermerkt, dass es sich um geliehenes Geld handele, welches er seinem Vater zum 13. März 2015 durch Depotauflösung zurückbezahlt habe. Bezüglich der Überweisungen vom 13. März 2015 hatte der Kläger handschriftlich vermerkt, dass es sich um Rückzahlungen des geliehenen Geldes an seinen Vater handele, die durch die Auflösung seines Depots möglich seien. Sein Vater habe ihm Geld vorgestreckt, da er von 10/2014 bis 3/2015 keine laufenden Zahlungen der Ausbildungsförderung bekommen habe. Er habe nur eine Rückzahlung von 95,00 EUR bekommen und habe deshalb das Depot auflösen müssen, um seinem Vater das Geld zurückzuzahlen, welches dieser ihm im Zeitraum 10/2014 bis 3/2015 geliehen habe. Bezüglich der Gutschriften vom 16. Februar 2015 und 5. März 2015 sowie der Gutschriften vom 16. März 2015 bis 15. Juli 2015 hatte der Kläger vermerkt „Geliehenes Geld, welches ich meinem Vater noch schulde“. Aus den eingereichten Depotauszügen ergibt sich, dass das gekündigte Depot nach dem Vermögensbildungsgesetz bis zum 1. Januar 2015 gesperrt war. Klägerseits wurde durch den Kläger oder seine Mutter auf Nachfrage angegeben, dass der Kläger im Zeitraum vom 29. Juli 2014 bis 20. Juli 2015 folgende Beträge geliehen bekommen habe: „6.166,54 EUR (lt. Kontoauszug)“, „319,00 EUR (bar)“. Es seien nach Depotauflösung zurückbezahlt worden: 3.500.00 EUR, 319,00 EUR. Es verblieben Restschulden i.H.v. 2.666,54 EUR und 2.500,00 EUR aus Darlehensvertrag bzgl. des Führerscheins.
6
Mit Bescheid vom 11. August 2016 gab der Beklagte dem Kläger bekannt, dass Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2015 bis 8/2016 nicht bewilligt werde und forderte einen Betrag i.H.v. 3.509,00 EUR zurück. Es ergebe sich folgende Berechnung: seit 2013 bewilligte Leistung: 8.784,00 EUR, abzüglich erfolgter Auszahlung: 12.612,00 EUR, zurückgefordert worden seien: 319,00 EUR, ergebe eine Rückforderung von 3.509,00 EUR. Die Weiterleistung sei unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgt. Die Auszahlung für September 2016 werde auf Grund des Auslandsstudiums des Klägers einbehalten.
7
Mit Schreiben vom 25. August 2016 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. August 2016 ein. Der Kläger habe für die Überweisungen vom 13. März 2015 i.H.v. 3.500,00 EUR von seinem Vater eine Gegenleistung erhalten, weswegen kein rechtsmissbräuchlicher Übertrag vorliege. Vom 1. Oktober 2014 bis 12. März 2015 habe der Kläger wegen des noch ausstehenden Bescheids keine Ausbildungsförderung erhalten. Sein Vater habe ihm monatlich einen Vorschuss zur Deckung der Lebenshaltungskosten überwiesen. Dies habe solange gehen sollen bis der Kläger wieder laufende Zahlungen und die Rückzahlung für den Zeitraum ab Semesterbeginn erhielte. Mit dem Bescheid und der damit verbundenen Nachzahlung habe das vorgestreckte Geld an den Vater zurücküberwiesen werden sollen. Dies habe der Kläger mündlich, auf Basis eines innerfamiliären Vertrauensverhältnisses, mit den Eltern vereinbart. Ein Bankdarlehen sei für ihn nicht in Betracht gekommen, da er monatlich die Ausbildungsförderung und die Nachzahlung erwartet habe. Es sei für ihn nicht vorauszusehen gewesen, dass der Beklagte seinen Antrag erst im März 2016 abschließend bearbeiten würde. Die Leistungen seien für den Kläger für diesen Zeitraum nicht wie erwartet ausgefallen, da er am 13. März 2015 lediglich eine Nachzahlung von 95,00 EUR erhalten habe. Er sei somit gezwungen gewesen sein Spardepot bei der … aufzulösen, damit er seinem Vater das geliehene Geld habe zurückzahlen können. Da die siebenjährige Sperrfrist des Depots wenige Wochen zuvor, am 1. Januar 2015, geendet habe, sei dies möglich gewesen. Die Nachzahlung i.H.v. 95,00 EUR und der Betrag des aufgelösten Depots i.H.v. 3.406,16 EUR hätten zusammen 3501,16 EUR, d.h. ca. 3.500,00 EUR ergeben. Dieser Betrag sei dazu verwendet worden, dem Vater das geliehene Geld zurückzuerstatten. Es sei für jede einzelne Überweisung im Verwendungszweck „Rückzahlung“ mit dem genauen Datum angegeben. Das vorgestreckte Geld sei weder Schenkung noch überobligatorische Unterhaltsleistung gewesen, sondern ein geliehener Betrag, der mit der Nachzahlung und der Auflösung des Depots zurückerstattet worden sei. Da er im Februar 2012 eine Berufsausbildung zum … abgeschlossen habe, seien die Eltern ab diesem Zeitpunkt nicht mehr für ihn unterhaltspflichtig gewesen. Er sei damals volljährig gewesen und habe sein eigenes Geld verdienen können. Deswegen seien die Eltern auch über die mündliche Vereinbarung hinaus dazu berechtigt gewesen, das geliehene Geld zurückzufordern. Die Gegenleistung zu diesen Überweisungen an seinen Vater sei das Vorstrecken der nicht ausbezahlten Ausbildungsförderung gewesen. Die Gegenleistung sei daher im Vorfeld geleistet worden. Mit anderen Worten habe er im Zeitraum 1. Oktober 2014 bis 12. März 2015 von seinen eigenen Ersparnissen im Depot gelebt.
8
Mit Bescheid vom 25. Juni 2020 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Rückforderung i.H.v. 3.509,00 EUR sei auf Grund der Auflösung des Vorbehaltes der Rückforderung erfolgt. Im Rahmen der Antragsbearbeitung für den Bewilligungszeitraum 10/2015 bis 8/2016 sei festgestellt worden, dass der Kläger ein höheres Vermögen zum Zeitpunkt der Antragstellung gehabt habe, als ursprünglich im Rahmen der Weiterleistung berücksichtigt worden sei. Nach der Verwaltungspraxis seien Vermögenswerte auch dann dem Vermögen des Auszubildenden zuzurechnen, wenn er sie rechtsmissbräuchlich übertragen habe. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Auszubildende Teile seines Vermögens unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte übertragen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (FamRZ 1983, 1174) gelte eine Vermögensverfügung eines Auszubildenden dann als rechtsmissbräuchlich, wenn er einen Vermögensgegenstand ohne Gegenleistung unentgeltlich einem Dritten übertrage. Auch das Verwaltungsgericht Regensburg habe in einem gleichgelagerten Fall ausgeführt, dass es grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich zu bewerten sei, wenn der Auszubildende Vermögen an einen Dritten unentgeltlich übertrage, anstatt es für seinen Lebensunterhalt zu verbrauchen (VG Regensburg, U.v. 15.2.2005 - RN 4 K 04.1362). Ungeachtet der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit habe dies förderungsrechtlich zur Folge, dass das übertragene Vermögen dem Auszubildenden weiterhin zugerechnet werde und auf den Bedarf nach dem BAföG angerechnet werde. Dies gelte auch dann, wenn der Auszubildende sein Vermögen auf Angehörige übertrage, ohne eine Gegenleistung zu erhalten.
9
Unstreitig habe der Kläger am 13. März 2015, mithin vier Monate vor Antragstellung, in mehreren Teilzahlungen einen Betrag i.H.v. insgesamt 3.819,00 EUR auf seinen Vater übertragen. Der zeitliche Zusammenhang sei vorliegend offenkundig gegeben. Die vom Kläger behaupteten Forderungen könnten sein Vermögen nicht mindern, denn wenn überhaupt liege nur eine mündlich geschlossene Vereinbarung zwischen Angehörigen vor.
10
Nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen zur steuerlichen Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen Angehörigen vom 1. Dezember 1992, 25. Mai 1993 und 6. Mai 1994 in NJW 1994, 3151ff., das auch im Ausbildungsförderungsrecht anzuwenden sei, könnten derartige Verträge nur Berücksichtigung finden, wenn sie einem Fremdvergleich standhielten, mithin die Vertragsbedingungen fremdüblich seien. Hierzu gehöre insbesondere die Ausreichung des Darlehens gegen Sicherheit und entsprechende Verzinsung bei regelmäßiger Zahlung der Darlehenszinsen, die Schriftlichkeit des Vertrages, die Festlegung einer konkreten Fälligkeit und die unbare Abwicklung des Geldgeschäftes. Auch wenn dieser Fremdvergleich nicht in der Strenge anzuwenden sei, komme ihm zumindest indizielle Bedeutung zu. Den Antragsteller treffe eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Der Missbrauchsgefahr sei durch strenge Anforderungen an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit von Verträgen zu begegnen (vgl. VG Ansbach, U.v. 10.9.2015). Daher sei auf die objektiven Merkmale des Fremdvergleichs abzustellen. Auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes setze eine Anerkennung voraus, dass das behauptete Darlehen klar und eindeutig auf Grund objektiver Anhaltspunkte von einer Unterhaltsgewährung oder einer verschleierten Schenkung abzugrenzen sei. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung (VG Ansbach, U.v. 12.10.2016 - 2 K 06.00652) scheide ein Schuldenabzug nach § 28 Abs. 3 BAföG aus, wenn der Schuldner aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, wie etwa wegen Erfüllung von Unterhaltsleistungen, nicht ernstlich mit der Geltendmachung der Forderung rechnen müsse.
11
Die genannten Kriterien seien offensichtlich nicht erfüllt. Ein wirksamer Darlehensvertrag setze u.a. voraus, dass die Darlehensvereinbarung zeitlich vor einer Auszahlung der Darlehensvaluta erfolge. Ferner erfolge die Auszahlung grundsätzlich vor der Rückzahlung. Es sei nicht dargelegt, wann der Kläger die Darlehensvereinbarung mit dem Vater getroffen habe und ob sie zeitlich vor der Auszahlung der Valuta erfolgt sei. Der Kläger habe lediglich geltend gemacht, dass er sich von seinem Vater für den Zeitraum 10/2014 bis 3/2015 Geld habe leihen müssen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, da er in diesem Zeitraum keine laufenden Zahlungen der Ausbildungsförderung erhalten habe. Auch die Rückzahlung des angeblichen Darlehens sei nicht nach der Auszahlung der Valuta erfolgt, denn auch nach den am 13. März 2015 erfolgten Rückzahlungen an den Vater habe dieser im Zeitraum ab dem 16. März 2015 bis 15. Juli 2015 nachgewiesenermaßen weitere regelmäßige Zahlungen i.H.v. insgesamt 1.818,08 EUR überwiesen. Insgesamt sei eine Abgrenzung zum Unterhalt bzw. einer Schenkung nach objektiven Gesichtspunkten nicht möglich. Letztlich sei es nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger bei einem solchen verfügbaren Eigenvermögen überhaupt eine solche Darlehensvereinbarung getroffen haben sollte, insbesondere da der Kläger selbst mitgeteilt habe, dass die Sperrfrist für die Auflösung des Depots bereits zum 1. Januar 2015 geendet habe. Mithin sei das Bestehen einer Rechtspflicht des Klägers zur Zahlung der 3.819,00 EUR zu Gunsten des Vaters nicht belegt. Die Zahlung sei in zeitlichem Zusammenhang sowie rechtsgrundlos erfolgt, da keine Rückzahlungspflicht nachgewiesen worden sei, und stehe im Widerspruch zum Gesetzeszweck. Der Kläger müsse sich das an seinen Vater übertragene Guthaben förderungsrechtlich weiterhin zurechnen lassen, auch wenn er am Tag der Antragstellung zivilrechtlich nicht mehr Inhaber des Vermögens gewesen sei. In der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 13. Februar 2007 - AN 2 K 05.02021 - sei in einem gleichgelagerten Fall ausgeführt worden, dass es keine Rolle spiele, dass der Depotinhalt zum Antragszeitpunkt bereits auf das Konto der Eltern übertragen worden sei, da der Tatbestand der rechtmissbräuchlichen Vermögensweggabe greife. Zu Gunsten des Klägers sei auf die Anrechnung des Tablets im Wert von 319,00 EUR verzichtet worden und lediglich 3.500,00 EUR angerechnet worden.
12
Am 24. Juli 2020 hat der Kläger Klage erhoben.
13
Er beantragt wörtlich:
1. Aufhebung des Bescheides vom 11.08.2016 (Bewilligungszeitraum 10/2015 - 08/2016) und des Widerspruchbescheides vom 25.06.2020
2. Anerkennung der Rückzahlungen an den Vater über 3.500,- Euro im März 2015 als Gegenleistung für erhaltene Zahlung vom Vater von 10/2014 - 02/2015
3. Keine Berücksichtigung des hierfür aufgelösten VL-Vertrages als zurechenbares Vermögen für den Bewilligungszeitraum 10/2015 - 08/2016
14
Der Kläger habe am 27. Juli 2014 fristgerecht und vollständig einen Antrag auf Leistung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2014 bis 9/2015 gestellt. Die Antragstellung sei damit zwei Monate vor Beginn des Bewilligungszeitraums erfolgt. Ihm habe daher bis zum Erhalt eines neuen Bescheides nach § 50 Abs. 4 Satz 1 BAföG eine monatliche Zahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung i.H.v. 538,00 EUR gemäß dem Bescheid vom 5. Dezember 2013 zugestanden, die er aber nicht erhalten habe. Damit er dennoch seine Lebenshaltungskosten habe decken können, habe ihm sein Vater alle zwei Wochen Geld gegeben. Diese Leistungen hätten mit Erhalt des neuen Bescheides und der damit verbundenen Nachzahlung an seinen Vater zurückerstattet werden sollen. Hätte der Beklagte im Zeitraum 10/2014 bis 2/2015 Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet, wozu er verpflichtet gewesen sei, wäre mit dem Bescheid vom 13. Februar 2015 eine Rückforderung gekommen und sein Vermögen aus dem VL-Vertrag wäre stattdessen an den Beklagten geflossen.
15
Die Vermögensverhältnisse des Klägers hätten sich in allen Bewilligungszeiträumen nicht grundlegend geändert. Deswegen sei er davon ausgegangen, dass er mit dem Bescheid für den Bewilligungszeitraum 10/2014 bis 9/2015 eine Nachzahlung erhalte, die etwa den monatlichen Zahlungen von 538,00 EUR aus dem vorherigen Bescheid entspreche. Seine Vermögenswerte seien bekannt gewesen. Dass die Vermögensberechnung grundlegend anders ausfalle als in den vorherigen Bescheiden, sei für ihn nicht absehbar gewesen.
16
Der Kläger habe zwar unstrittig am 13. März 2015 insgesamt 3.819,00 EUR in Teilbeträgen an seine Eltern gezahlt. Jedoch sei jede einzelne dieser Vermögensübertragungen mit „Rückzahlung“ und dem zugehörigen Zeitpunkt gekennzeichnet gewesen. Der Zeitpunkt gebe an, wann sein Vater ihm das Geld überwiesen habe. Für jeden einzelnen Übertrag sei eine gleichwertige Gegenleistung erbracht worden. Sie seien eindeutig und unstrittig zuordenbar. Eine rechtsmissbräuchliche Vermögensverfügung ohne Gegenleistung liege nicht vor, auch keine „innerfamiliäre Verschiebung“. Die im Widerspruchsbescheid erwähnten Urteile seien keine gleichgelagerten Fälle und auf die Situation des Klägers nicht übertragbar.
17
Es sei nicht vorauszusehen gewesen, dass der Bescheid des Beklagten erst zum 13. Februar 2015, etwa 7 Monate nach Antragstellung, erstellt werde. Dass der Beklagte zur Weiterzahlung verpflichtet gewesen sei, sei ihm als Laie nicht bewusst gewesen. Für eine Aufnahme eines Kredits über mehrere tausend Euro bei einem Finanzinstitut bzw. einen Kreditvertrag mit seinen Eltern, der einem Fremdvergleich standhalte, habe es keinen Anlass gegeben, da er nicht davon ausgegangen sei und auch nicht habe ausgehen können, dass sich die Bearbeitung seines Antrages vom 27. Juli 2014 bis 13. Februar 2015 hinziehen würde. Zahlreiche halbmonatliche „Kreditverträge“ mit den Eltern, die „einem Fremdvergleich“ standhielten, seien in dieser Situation mehr als lebensfremd gewesen. Auch die Auflösung seines Bausparvertrages, um für ein paar Tage die Lebenshaltungskosten zu decken, wäre lebensfremd gewesen. Es sei für ihn nicht absehbar gewesen wie lange die Bearbeitung dauern würde. Da es sich um einen Folgeantrag gehandelt habe, habe man mit einer zügigeren Bearbeitung als beim Erstantrag rechnen dürfen. Er habe daher täglich mit dem Bescheid und einer damit verbundenen Nachzahlung etwa in Höhe des Satzes des Bewilligungszeitraumes 10/2013 bis 9/2014 und einer anschließenden monatlichen Ausbildungsförderung rechnen dürfen. Nur wenn zum 27. April 2014 absehbar gewesen wäre, dass er den Zeitraum von 10/2014 bis 2/2015 würde überbrücken müssen, wäre ein Bankkredit oder die Auflösung des Bausparvertrages eine Option gewesen. Die Sperrfrist des VL-Vertrages habe erst im März 2015 geendet, sodass dieser nicht habe genutzt werden können. Mit dem neuen Bescheid vom 13. Februar habe er eine Förderung von einmalig 95,00 EUR erhalten, weswegen er zusätzlich zu dieser Förderung den Inhalt seines Depots an seinen Vater überwiesen habe. Der Vater habe ihn als Gegenleistung finanziell unterstützt, damit er seine Lebenshaltungskosten habe decken können. Die an den Vater überwiesene Summe entspreche der gleichwertigen Gegenleistung an den Kläger.
18
Der Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
19
Der Beklagte verweist darauf, dass die Bewilligungszeiträume 10/2013 bis 9/2014 und 10/2014 bis 9/2015 bereits Gegenstand der Klage vor dem Verwaltungsgericht Ansbach (U.v. … - …) und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (B.v. … - …) gewesen seien. Beide Verfahren hätten ergeben, dass der damals streitgegenständliche Bescheid vom 13. Februar 2015 bzgl. beider Bewilligungszeiträume rechtmäßig ergangen sei. Nur ergänzend werde ausgeführt, dass eine Verpflichtung des Beklagten zur Weiterleistung für den Bewilligungszeitraum 10/2014 bis 9/2015 nicht bestanden habe. Die Voraussetzungen für eine Weiterleistung hätten nicht vorgelegen. Zum einen sei die Höhe des Vermögens unklar gewesen, zum anderen sei das Formblatt 3 (Einkommenserklärung der Eltern) nicht innerhalb der Weiterleistungsfrist eingereicht worden.
20
Im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum 10/2015 bis 8/2016 gehe es um die durch die Auflösung des Vorbehalts entstandene Rückforderung. Im Rahmen der Antragsbearbeitung sei festgestellt worden, dass der Kläger ein höheres Vermögen zum Zeitpunkt der Antragstellung gehabt habe als ursprünglich im Rahmen der Weiterleistung berücksichtigt worden sei. Im Übrigen werde auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift vom 3. März 2021, und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 11. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2020 ist rechtmäßig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
23
Die dem Kläger auf seinen Antrag vom 20. Juli 2015 hin geleistete Ausbildungsförderung stand nach § 50 Abs. 4 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Rückforderung, ohne dass es eines besonderen Bescheides bedurft hätte, in dem dieser Vorbehalt festgelegt würde (vgl. Ramsauer in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2020, § 50 Rn. 34). Ist Ausbildungsförderung lediglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden, so ist gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 BAföG der Bewilligungsbescheid aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, wenn die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen haben. So liegt der Fall hier. Der Kläger hatte zu keinem Tag im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum Anspruch auf Ausbildungsförderung. Denn die an den Vater geleisteten Zahlungen i.H.v. insgesamt 3.500,00 EUR sind dem Vermögen des Klägers fiktiv hinzuzurechnen.
24
1. Gem. § 1 BAföG besteht auf individuelle Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch nach Maßgabe des BAföG, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Gem. § 11 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet (Bedarf). Auf den Bedarf ist gem. § 11 Abs. 2 Halbs. 1 BAföG nach Maßgabe der §§ 27 bis 30 BAföG das Vermögen des Auszubildenden anzurechnen. Nach § 28 Abs. 2 BAföG ist hierbei grundsätzlich der Wert des Vermögens im Zeitpunkt der Antragstellung entscheidend.
25
Vor Beginn der Ausbildung und Stellung des Antrags darf der Auszubildende demnach grundsätzlich nach Belieben mit seinem Vermögen verfahren, ohne dass er dadurch einen möglichen Anspruch auf Ausbildungsförderung gefährdet. Abweichendes gilt jedoch in Fällen rechtsmissbräuchlicher Vermögensübertragungen. Durch den Auszubildenden rechtsmissbräuchlich übertragene Vermögensgegenstände werden dem Vermögen des Auszubildenden weiterhin fiktiv zugerechnet, obgleich sie im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr vorhanden sind (vgl. hierzu im Ganzen Knoop in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2020, § 28 Rn. 10). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein solcher Rechtsmissbrauch vor, wenn die Vermögensübertragung im Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck steht. Die fiktive Vermögensanrechnung bezweckt die Durchsetzung des Nachrangs staatlicher Ausbildungsförderung, der in § 1 BAföG verankert ist. Eine Vermögensübertragung steht dann im Widerspruch zur Nachrangigkeit der Ausbildungsförderung i.S.v. § 1 BAföG, wenn der Auszubildende Vermögen überträgt, um es der Vermögensanrechnung zu entziehen (vgl. hierzu im Ganzen BVerwG, U.v. 14.3.2013 - 5 C 10/12 - juris Rn. 19).
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a) Von einer solchen Zweckbestimmung ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Auszubildende Vermögen auf einen Dritten überträgt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten (BVerwG, U.v. 14.3.2013 - 5 C 10/12 - juris Rn. 19). Wird geltend gemacht, über das Vermögen sei nicht unentgeltlich verfügt worden, weil mit der Verfügung Darlehensverbindlichkeiten bei nahen Verwandten getilgt worden seien, finden die Kriterien Anwendung, die für die Bewertung der Abzugsfähigkeit derartiger Darlehensschulden im Rahmen des § 28 Abs. 3 BAföG maßgeblich sind (vgl. VG München, U.v. 25.10.2012 - M 15 K 12.1367 - juris Rn. 30). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Frage, ob ein behauptetes Darlehen unter nahen Angehörigen als Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG anzuerkennen ist, allein maßgeblich, ob ein Darlehensvertrag zivilrechtlich wirksam geschlossen worden ist und dies von dem insoweit darlegungspflichtigen Auszubildenden nachgewiesen werden kann. Um der gerade im Ausbildungsförderungsrecht bestehenden Missbrauchsgefahr zu begegnen, ist es geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit von Verträgen strenge Anforderungen zu stellen. Die Darlehensgewähr muss sich klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen, Unterhaltsgewährung abgrenzen lassen. Der behauptete Darlehensvertrag muss jedoch nicht zwingend einem strengen Fremdvergleich in dem Sinne standhalten, dass Gestaltung und Durchführung des Vertrages in jedem Punkt fremdüblich sein müssen. Denn derartige Anforderungen gehen über den Wortlaut des § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG hinaus. Zu prüfen ist damit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, ob zivilrechtlich wirksam eine Schuld begründet wurde. Allein innerhalb dieser umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände ist ein Rückgriff auf die objektiven Merkmale des Fremdvergleichs möglich (vgl. hierzu im Ganzen BVerwG, U.v. 4.9.2008 - 5 C 30/07 - BVerwGE 132, 10).
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Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Indiz für die Wirksamkeit des abgeschlossenen Darlehensvertrages, die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten. Gegen die Wirksamkeit spricht hingegen, wenn der Inhalt der Abrede und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt werden, wenn ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann oder der bezeichnete Grund nicht dazu geeignet ist, den Darlehensvertrag von einer Schenkung oder Unterhaltsgewährung abzugrenzen oder wenn die Durchführung des Darlehensvertrages nicht der Vereinbarung entspricht und die Abweichung nicht nachvollziehbar begründet werden kann. Ferner kann als Indiz gegen einen wirksamen Vertrag gewertet werden, wenn der Auszubildende eine etwaige Darlehensverpflichtung nicht von vornherein in seinem Antragsformular bezeichnet, sondern zum Zwecke der Saldierung erst angibt, nachdem er der Behörde gegenüber nachträglich einräumen musste anrechenbares Vermögen zu besitzen. Dagegen kann es für die Wirksamkeit eines Vertrages sprechen, wenn das Darlehen zu dem Zeitpunkt, als der Auszubildende es zum ersten Mal offenlegte, bereits zurückgezahlt worden ist (vgl. hierzu im Ganzen BVerwG, U.v. 4.9.2008 - 5 C 30/07 - BVerwGE 132, 10).
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b) Im Rahmen der Frage, ob die Vermögensübertragung rechtsmissbräuchlich erfolgte, ist es zudem gerechtfertigt und gegebenenfalls im Einzelfall auch geboten, zusätzlich zur Unentgeltlichkeit auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen der unentgeltlichen Vermögensübertragung und der Beantragung von Ausbildungsförderung abzustellen. Denn ein solcher Zusammenhang spricht gewichtig für einen Rechtsmissbrauch (vgl. hierzu im Ganzen BVerwG, U.v. 14.3.2013 - 5 C 10/12 - juris Rn. 19). Ein subjektiv verwerfliches Handeln des Auszubildenden ist hingegen nicht erforderlich (BayVGH, U.v. 28.1.2009 - 12 B 08.824 - juris Rn. 43).
29
2. Nach Anwendung dieser Grundsätze ist die an den Vater erfolgte Zahlung i.H.v. 3.500,00 EUR dem Vermögen des Klägers fiktiv hinzuzurechnen.
30
a) Die Vermögensübertragung erfolgte unentgeltlich im förderungsrechtlichen Sinn. Der Kläger berief sich im Verwaltungs- und im Klageverfahren zunächst darauf, mit den Zahlungen vom 13. März 2015 seien Darlehensschulden gegenüber seinem Vater getilgt worden. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger konnte das Vorliegen eines wirksamen Darlehensvertrages jedoch nicht substantiieren. Der bloße Nachweis, dass wechselseitig Geld in entsprechender Höhe geflossen ist, genügt, wenn ein Darlehensvertrag nicht nachgewiesen werden kann, nicht für die Verneinung von Unentgeltlichkeit im förderungsrechtlichen Sinn.
31
aa) Die im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten eines Darlehensvertrages wurden nicht gewahrt, sodass insoweit kein Indiz für das Vorliegen einer Darlehensverbindlichkeit gegeben ist.
32
Zwar sind mittels der Kontoauszüge sowohl die Zahlungseingänge auf dem Konto des Klägers als auch die Zahlungen des Klägers an die Eltern mit entsprechendem Verwendungszweck belegt, mag auch die Aufteilung der Rückzahlung in einzelne Überweisungen ungewöhnlich erscheinen. Allerdings konnte der Kläger den Zeitpunkt, in dem das Darlehen vereinbart worden sein soll, nicht substantiieren. So konnte der Kläger lediglich angeben, dass die Eltern ihm für den Zeitraum, in dem er keine Ausbildungsförderung erhalten habe, Überbrückungsleistungen erbracht hätten. Wann genau eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden sein soll, wurde nicht substantiiert. Nachdem der Kläger v.a. im Verwaltungsverfahren angegeben hatte, dass die Eltern berechtigt gewesen seien, das geliehene Geld zurückzufordern, gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass für die Zahlungen keine vertragliche Basis bestanden habe. Selbst wenn der Kläger mit „vertraglicher Basis“ einen schriftlichen Vertrag meinen sollte, der nicht zwingend ist, ergäbe sich hier nichts anderes. Denn auch wann eine etwaige mündliche Abrede getroffen worden sein soll, konnte der Kläger nicht darlegen.
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bb) Vorliegend erfolgte auf den Antrag des Klägers vom 27. Juli 2014 hin keine Weiterleistung nach § 50 Abs. 4 BAföG, weswegen der Kläger von Oktober 2014 bis Februar 2015 keine Zahlungen von Ausbildungsförderung erhielt. Hierin kann zunächst ein plausibler Grund für die Gewährung eines Darlehens gesehen werden. Allerdings ist zu beachten, dass der Kläger nach den eingereichten Kontoauszügen bereits im September 2014 eine Zahlung i.H.v. 200,00 EUR erhielt, obwohl er in diesem Zeitraum noch Ausbildungsförderung i.H.v. 538,00 EUR bezog. Überdies erhielt der Kläger nach eigenen Angaben, und wie die Kontoauszüge belegen, monatlich 700,00 EUR, obwohl er nach eigenen Angaben mit einer Ausbildungsförderung i.H.v. etwa 538,00 EUR gerechnet hatte. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger auf Frage des Gerichts an, dass er auch während des vorangegangenen Bewilligungszeitraumes zusätzlich zu den 538,00 EUR Ausbildungsförderung von den Eltern die monatliche Zahlung i.H.v. 200,00 EUR als Dauerauftrag erhalten habe, da die Ausbildungsförderung nicht gereicht habe, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Auf Nachfrage des Gerichts, ob er diese 200,00 EUR nicht in den vorangegangenen Bewilligungszeiträumen als Schulden angegeben habe, erwiderte der Kläger, dass er diese nicht angegeben habe, da es hierfür keine vertragliche Basis gegeben habe. Warum jedoch die als Dauerauftrag ausgestaltete Zahlung i.H.v. 200,00 EUR in den vorherigen Bewilligungszeiträumen keine Verbindlichkeit begründen soll, im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum jedoch schon, erscheint nicht plausibel. Es mag sein, dass der Kläger „vertragliche Basis“ im Sinne eines schriftlichen Vertrages versteht. Ein solcher wäre indes nicht zwingend nötig. Nötig wäre jedoch die Begründung einer wirksamen Verbindlichkeit. Dass jedoch der Kläger auch in den vorherigen Bewilligungszeiträumen eine Verbindlichkeit begründet hätte, diese jedoch bei den vorherigen Anträgen auf Ausbildungsförderung nicht angegeben hat, erscheint nicht plausibel. Auch dass trotz der Ausgestaltung als Dauerauftrag noch einmal gesondert für den Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015, in dem der Kläger keine Ausbildungsförderung erhielt, ein Darlehen vereinbart wurde, ist nicht substantiiert. Insofern weist auch der Verwendungszweck „Umbuchung für …“ nicht auf eine Darlehensgewährung hin. Indiziell kann insgesamt auch auf die bei den Kontobewegungen angegebenen Verwendungszwecke abgestellt werden. Diese deuten sämtlich nicht auf eine Darlehensgewähr hin. So wurden für die Zahlungen i.H.v. 500,00 EUR Verwendungszwecke wie „Vorschuss“ oder „Umbuchung fuer …“ gewählt. Im Zeitraum ab dem 8. April 2015 hingegen wurden für die hier nicht streitgegenständlichen Zahlungen i.H.v. 204,52 EUR durch die Eltern als Verwendungszweck „monatliche Rate wegen gekürztem BAföG 4. Semester April - September 2015“ gewählt. Während demnach nach den Zahlungen des Klägers an seinen Vater vom 13. März 2015 ein Verwendungszweck gewählt wurde, der spezifisch auf eine Darlehensgewähr Bezug nimmt, war dies vor der erfolgten Zahlung gerade nicht der Fall.
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b) Die Vermögensübertragung erfolgte vorliegend am 13. März 2015, die Antragstellung am 20. Juli 2015. Damit ist zwar kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang, jedoch eine gewisse zeitliche Nähe gegeben, wobei auch zu beachten ist, dass es sich nicht um einen Erstantrag handelte, sondern der Kläger vielmehr bereits seit 2012 Ausbildungsförderung erhielt. Zudem ist indiziell zu berücksichtigen, dass der Erlass des Bescheides vom 13. Februar 2015 und die Überweisungen an den Vater vom 13. März 2015 in zeitlichem Zusammenhang stehen. So hätte der Kläger das Depot ohne Verlust von vermögenswirksamen Leistungen bereits zum 1. Januar 2015 kündigen können. Die Kündigung des Depots erfolgte jedoch erst im März 2015, nachdem der Bescheid des Beklagten vom 13. Februar 2015 ergangen war. In diesem Bescheid wurde die Leistung auf Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2013 bis 9/2014 verringert und für den Bewilligungszeitraum 10/2014 bis 9/2015 erstmalig auf nur 319,00 EUR festgesetzt. Die Festsetzung der Ausbildungsförderung fiel geringer aus, da insbesondere das Depot des Klägers, das im Antrag zum Bewilligungszeitraum 10/2013 und 9/2014 zunächst, im Gegensatz zu vorangehenden Bewilligungszeiträumen, nicht angegeben worden war, auf das Vermögen angerechnet wurde. Die Vermögensübertragung auf den Vater erfolgte nur etwa einen Monat nach Erlass dieses Bescheides. Sofern der Kläger geltend macht, die Notwendigkeit der Depotkündigung habe sich erst im Februar 2015 mit Erlass des Bescheides und Ausbleiben einer Nachzahlung ergeben, ist dem entgegen zu halten, dass auch eine Nachzahlung von monatlich 538,00 EUR nicht gereicht hätte um die monatlich gezahlten 700,00 EUR zurückzuzahlen. In diesem Zusammenhang ist auch auffällig, dass der Kläger gegen den Bescheid vom 13. Februar 2015 am 9. März 2015 Widerspruch einlegte und lediglich rügte, das hier nicht streitgegenständliche Darlehen zum Erwerb des Führerscheins i.H.v. 2.500,00 EUR sei nicht vermögensmindernd berücksichtigt worden. Die Angabe von Schulden auf Grund eines „Überbrückungskredits“ des Vaters erfolgte dann erst mit Schreiben vom 15. März 2015 mit der Bitte um Neuberechnung, nachdem die Rückzahlung an den Vater erfolgt war.
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3. Ist nach alledem die erfolgte Zahlung i.H.v. 3.500,00 EUR fiktiv dem Vermögen des Klägers hinzuzurechnen, besteht kein Anspruch auf Ausbildungsförderung für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum.
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Vorliegend ist eine Anfechtungsklage erhoben, sodass grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides entscheidend ist. Streitgegenständlich ist der Rückforderungsbescheid vom 11. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2020. Haben die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen, für den sie gezahlt worden ist, so ist gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 BAföG insoweit der Bewilligungsbescheid aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, als Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist. Bereits am Wortlaut der Norm wird deutlich, dass für die Bestimmung des Umfangs der Ausbildungsförderung nicht auf die Rechtslage bei Erlass des Bescheides, sondern auf die im damaligen Bewilligungszeitraum geltenden Rechtsvorschriften abzustellen ist.
37
Gegen die Berechnung des Anspruchs auf Ausbildungsförderung bestehen insofern keine Bedenken. Auch der Kläger hat diese, abgesehen von der streitgegenständlichen Frage der fiktiven Vermögenszurechnung, nicht gerügt. Der Beklagte ist insoweit nach § 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 BAföG in der Fassung vom 1. Januar 2015 i.V.m. § 66a Abs. 1 Satz 2 BAföG in der Fassung vom 1. August 2016 von einem Gesamtbedarf i.H.v. 597,00 EUR ausgegangen. Abzuziehen sind hiervon die anrechenbaren Einkommen des Klägers i.H.v. 171,70 EUR und der Eltern i.H.v. 133,65 EUR. Unter Hinzurechnung der Zahlung i.H.v. 3.500,00 EUR hat der Beklagte, nach Abzug des Freibetrags i.H.v. 5.200,00 EUR, § 29 Abs. 1 BAföG, ein Vermögen i.H.v. 3.142,41 EUR angenommen. Dieses Vermögen war auf den angepassten Bewilligungszeitraum von 11 Monaten (10/2015 bis 8/2016) zu verteilen. Denn der Kläger nahm ab September 2016 eine Auslandsausbildung auf, für welche ein eigener Bewilligungszeitraum zu bilden und der streitgegenständliche Bewilligungszeitraum entsprechend zu kürzen war, vgl. Tz. 45.4.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföGVwV). Unter Anrechnung auch des monatlichen Vermögensbetrages i.H.v. 285,67 EUR ergibt sich damit ein monatlicher Förderungsbetrag i.H.v. 5,98 EUR. Monatliche Förderungsbeträge unter 10,00 EUR werden jedoch gem. § 51 Abs. 4 BAföG nicht geleistet.
38
4. Da kein Anspruch auf Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2015 bis 8/2016 besteht, wurden die für 11 Monate geleisteten Zahlungen i.H.v. monatlich jeweils 319,00 EUR, mithin insgesamt 3.509,00 EUR, rechtmäßig zurückgefordert, § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG. Der im Bescheid vom 11. August 2016 als bereits zurückgefordert angegebene Betrag i.H.v. 319,00 EUR betrifft die Zahlung für September 2016, wie insbesondere aus Blatt 168 und 166 der Behördenakte hervorgeht.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 VwGO gerichtskostenfrei. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, §§ 711, 713 VwGO.