Inhalt

VG München, Beschluss v. 29.01.2021 – M 13 S 21.442
Titel:

Coronabedingte Beschränkung einer Versammlung

Normenketten:
BayVersG Art. 15 Abs. 1
11. BayIfSMV § 3, § 7
VwGO § 54 Abs. 1, § 80 Abs. 5
ZPO § 45 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 2, Art. 8 Abs. 1
Leitsätze:
1. Unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch, wenn der Ablehnende die bloße Tatsache beanstandet, ein Richter habe an einer Vor- oder Zwischenentscheidung mitgewirkt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 7 Abs. 1 11. BayIfSMV konkretisiert die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestands-, wie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. In die versammlungsrechtliche Gefahrenprognose dürfen Ereignisse im Zusammenhang mit anderen Versammlungen einbezogen werden, soweit sie hinsichtlich des Versammlungsthemas, des Ortes, des Datums oder des Teilnehmer- und Organisatorenkreises bei verständiger Würdigung Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die behördliche Anordnung einer zeitlichen Verlegung einer Versammlung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist unzulässig, wenn der gewünschte Zeitrahmen der Versammlung unabdingbar zur Erreichung ihres Zwecks ist. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versammlungsrecht, Untersagung des sich fortbewegenden Teils der Versammlung, Beschränkungen bzgl. Zeit und Teilnehmerzahl, Gefahrenprognose, Nächtliche Ausgangssperre, Untersagung, Beschränkung, Zeit, Teilnehmerzahl, nächtliche Ausgangssperre, Corona, Ablehnungsgesuch, offensichtlich rechtsmissbräuchlich, Vollziehung, aufschiebende Wirkung, öffentliche Sicherheit, öffentliche Ordnung, Gesundheitssystem, Überlastung, Schutz, Gesundheit, Leben, Querdenker, zeitliche Vorverlegung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 31.01.2021 – 10 CS 21.323
Fundstelle:
BeckRS 2021, 1179

Tenor

I. Das Gesuch, die Richter der 13. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts München wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen.
II. Der Antrag wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen Beschränkungen einer Versammlung im Stadtgebiet der Landeshauptstadt M.
2
Der Antragsteller zeigte am 26. Januar 2021 per E-Mail eine Demonstration unter dem (vorläufigen) Motto: „Mein Ziel ist, dass die jeweils Verantwortlichen (insbesondere des 10. Senats des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der 13. Kammer des M. Verwaltungsgerichts sowie des Kreisverwaltungsreferat M.) für die Demonstrationsverbote und Demonstrationsbeschränkungen in M., welche sich gegen eine unerwünschte politische Gruppierung („Querdenker“ bzw. die staatlichen Coronamaßnahmen kritisierenden Menschen) richten, vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt werden, weil sie sich nach meiner Rechtsauffassung durch ihre Handlungen, gemäß § 7 Abs. 1 Nummer 10 des Völkerstrafgesetzbuchs, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafbar gemacht haben.“ (sic) auf der L. straße in M. an. Die Versammlung solle ca. 500 Teilnehmer haben und von 18:00 bis 22:15 Uhr stattfinden. Es sei beabsichtigt, vom O.platz in Richtung K.platz, A1. straße/A. straße, T. straße, A2. straße und Siegestor zurück zur Aufstellfläche am O.platz bis zum G. S. Platz zu ziehen. Anschließend solle vom 19:30/20:00 bis 22:00 eine Kundgebung direkt vor dem Eingang des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs durchgeführt werden und anschließend vom 22:00 bis 22:15 Uhr ein stilles Gedenken stattfinden.
3
Mit Bescheid vom … Januar 2021 bestätigte die Antragsgegnerin die Versammlungsanzeige, beschränkte die Versammlung jedoch u.a. dahingehend, dass diese nur ortsfest (Ziffer 1) auf dem Streckenabschnitt der L. straße zwischen der L.str. 23 und der R. straße (Ziffer 2) stattfinden dürfe. Die Teilnehmerzahl wurde auf maximal 200 Personen beschränkt (Ziffer 3), die Dauer der Versammlung auf 135 Minuten von 17:45 bis 20:00 Uhr begrenzt (Ziffer 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Trotz des spürbaren Rückgangs der 7-Tages-Inzidenz sei auch im Hinblick auf die inzwischen auch in M. nachgewiesene Virus-Mutation größte Vorsicht geboten. Die Versammlung sei nur unter den vorgenommenen Untersagungen, Verlegungen und Beschränkungen infektiologisch und sicherheitsrechtlich vertretbar. Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen dürften im Rahmen der versammlungsrechtlichen Gefahrenprognose als Indiz für das Vorliegen einer Gefahr herangezogen werden, soweit diese bezüglich Motto, Ort, Datum oder Teilnehmer- und Organisatorenkreis Ähnlichkeiten zur geplanten Versammlung aufwiesen. Aufgrund der Identität des Teilnehmerkreises, der bundesweiten Vernetzung der Querdenker, der Zuordnung des Veranstalters und Versammlungsleiters zum „harten Kern“ der Querdenker sowie der Kontinuität, was die Köpfe der Querdenken-Bewegungen und die Organisationsstruktur betreffe, dürften die Erfahrungen aus vergleichbaren Versammlungen berücksichtigt werden. So sei es bei Querdenker-Versammlungen in Nürnberg am 3. Januar 2021 und in Fürth am 17. Januar 2021 mit jeweils etwa 300 bis 350 Teilnehmern zu zahlreichen Verstößen gegen Infektionsschutzbestimmungen, insbesondere gegen die zulässige Teilnehmerzahl, gegen die einzuhaltenden Mindestabstände sowie die Maskenpflicht gekommen. Am 20. Januar 2021 sei es bei einer Versammlung von Gegnern der Coronamaßnahmen in Lauf an der Pegnitz ebenfalls zu Straftaten gekommen und es seien drei Polizeibeamte verletzt worden. Bei der Versammlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 24. Januar 2021 habe der Antragsteller seine Ordner mehrfach zur Absperrung der Versammlungsfläche auffordern müssen. Ein dafür notwendiges eingespieltes und geschultes Ordnerteam habe er nicht vorweisen können. Zudem sei die Höchstteilnehmerzahl von 200 um bis zu 100 Personen überschritten worden, im Vorfeld seien Menschenansammlungen beobachtet worden, die ohne Maske bei Unterschreitung des Mindestabstands eng beieinandergestanden seien. Eine sich fortbewegende Versammlung sei infektiologisch nicht zu rechtfertigen, da nach den Erfahrungen mit vergleichbaren Versammlungen und aufgrund des Vorverhaltens des Veranstalters zu befürchten sei, dass die Teilnehmer im Rahmen eines Demonstrationszuges gegen infektionsschutzrechtlich notwendige Auflagen verstoßen würden und der Antragsteller nicht gewillt oder in der Lage sei, ein sich fortbewegendes Geschehen infektiologisch sicher zu steuern. Dies habe sich bei der Versammlung am 24. Januar 2021 bestätigt, bei der er trotz entsprechender Aufforderung durch die Polizei nicht in der Lage gewesen sei, die infektionsschutzrechtlichen Auflagen des Bescheids umzusetzen und gemeinsam mit seinen Ordnern den Teilnehmerzustrom zu der stationären Versammlung zu begrenzen. Die Beschränkung der Versammlung auf 200 Personen sei erforderlich, um Infektionsgefahren nach den örtlichen Verhältnissen effektiv zu begegnen. Aufgrund der Erfahrungen bei der Versammlung am 24. Januar 2021 müsse mit Verstößen gegen Infektionsschutzauflagen, insbesondere des Mindestabstands, gerechnet werden. Eine Abweichung von der Regelvermutung von 200 Personen nach oben sei auch vor dem Hintergrund der auch in M festgestellten Mutationen des SARS-CoV-2 mit einer bis zu 70% höheren Ansteckungsfähigkeit nicht zu rechtfertigen. Die Versammlung müsse zeitlich beschränkt und verlegt werden, um den Teilnehmern zu ermöglichen, die nächtliche Ausgangssperre gemäß § 3 der 11. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) einzuhalten. Die Teilnahme an einer Versammlung stelle generell keinen ähnlich gewichtigen und unabweisbaren Grund i.S.d. § 3 Nr. 7 der 11. BayIfSMV für das Verlassen der Wohnung während der nächtlichen Ausgangsbeschränkungen dar. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe die Verhältnismäßigkeit der nächtlichen Ausgangsbeschränkung bestätigt. Eine weite Auslegung der Ausnahmevorschrift des § 3 11. BayIfSMV würde die Wirksamkeit der Infektionsschutzmaßnahme konterkarieren und ihren Zweck unterlaufen. Ein weiteres Argument sei, dass der Verordnungsgeber der Religionsfreiheit durch die Aufnahme eines eigenen Ausnahmetatbestandes für die Durchführung von Gottesdiensten in der Zeit vom 24. bis zum 26. Dezember 2020 in § 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g 10. BayIfSMV Rechnung getragen und dies gerade nicht als sonstigen triftigen Grund eingeordnet habe. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb er hinsichtlich der ähnlich gewichtigen Versammlungsfreiheit anders verfahren sollte. Es sei auch kein einzelfallbezogener Grund dafür ersichtlich, dass die angezeigte Versammlung, etwa aus einem kurzfristigen Anlass oder einem sonstigen unaufschiebbaren Bedürfnis heraus, gerade während der Dauer der Ausgangssperre durchgeführt werden müsse. Dies entspreche den von der Antragsgegnerin verbindlich zu beachtenden Vollzugshinweisen zum Versammlungsrecht in Zeiten der Corona-Pandemie. Ein atypischer Fall sei nicht gegeben. Die räumliche Verlegung auf den festgesetzten Streckenabschnitt sei zur Gewährleistung eines übersichtlichen Versammlungsgeschehens erforderlich.
4
Der Antragsteller hat am … Januar 2021 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Verfassers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Januar 2021 bezüglich der Nummer 1, Nummer 3 und Nummer 4 wiederherzustellen, bezüglich Nummer 4 dahingehend, dass nur die zeitliche Verlegung aufgehoben wird.
6
Es lägen keinerlei nachvollziehbare Tatsachen vor, die auf eine unmittelbare Gefahr hindeuteten. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit könne durch das Einhalten von Abständen und Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ausreichend geschützt werden, die Polizei könne etwaige Verstöße ahnden. Er berufe sich nicht nur auf Art. 8 GG, sondern auch auf Art. 11 und 12 der Charta der Grundrechte der EU. Das Infektionsrisiko im Freien sei sehr gering, die meisten Infektionen fänden zumeist innerhalb geschlossener Räume statt. Der Antragsteller habe u.a. bei zehn Versammlungen in Ulm unter Beweis gestellt, dass er in der Lage sei, die Einhaltung von Mindestabständen als Versammlungsleiter zu gewährleisten. Das Ende der Versammlung nach 21:00 Uhr sei Teil des Hygienekonzepts und diene dazu, eine Vermischung der Teilnehmer bei der Abreise mit sonstigen Passanten zu vermeiden. Bei der Teilnahme an der Versammlung handele es sich um einen gewichtigen Grund i.S.d. § 3 Nr. 7 BayIfSMV. Es komme nicht darauf an, ob der Versammlungszweck auch untertags erfüllt werden könne, sondern darum, den Zweck der nächtlichen Ausgangssperre, nämlich Infektionsschutz und weniger Kontakte, zu gewährleisten. Er habe ein ausführliches Hygienekonzept vorgelegt, dem die Antragsgegnerin mit bloßen Vermutungen begegne. Der Antragsteller habe von der Polizei Lob für die professionelle Durchführung der Versammlung am 24. Januar 2021 erhalten. Bei dieser Versammlung sei es auch bei den vermeintlich 300 Personen zu keiner relevanten Gefahr gekommen. Die vermeintlichen Mutationen bestreite er. Die weitere Bestätigung massiver Einschränkungen der Kernbereiche von Freiheitsrechten erweise sich als geeignet, eine Strafanklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einzufordern. Aufgrund des Versammlungsmottos wurde ein Befangenheitsantrag gegen die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts München gestellt.
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Am selben Tag wurde in der Hauptsache Klage erhoben.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung verweist sie auf den streitgegenständlichen Bescheid.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
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1. Das Ablehnungsgesuch vom 29. Januar 2021 ist unzulässig, weil es offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist. Als rechtsmissbräuchlich ist ein Ablehnungsgesuch zu qualifizieren, wenn das Gesuch gar nicht oder nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können und mit der Art und Weise seiner Anbringung ein gesetzeswidriger und damit das Instrument der Richterablehnung missbrauchender Einsatz dieses Rechts erkennbar wird. Liegen diese Voraussetzungen vor, entscheidet der Spruchkörper über das Ablehnungsgesuch abweichend von § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 45 Abs. 1 ZPO in seiner nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters. Ebenso bedarf es keiner dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 44 Abs. 3 ZPO (Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.2.2017 - 4 A 427/16 = juris; BVerfG, Beschlüsse vom 7.5.2013 - 2 BvR 909/06 u. a. -, BVerfGE 133, 377 = juris, Rn. 69, und vom 19.6.2012 - 2 BvR 1397/09 -, BVerfGE 131, 239 = juris, Rn. 43 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 14.11.2012 - 2 KSt 1.11 -, NVwZ 2013, 225 = juris, Rn. 2, vom 29.1.2014 - 7 C 13.13 -, NJW 2014, 953 = juris, Rn. 5 und vom 23.4.2015 - 4 BN 10.15 u. a. -, juris, Rn. 3). Unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch, wenn der Ablehnende die bloße Tatsache beanstandet, ein Richter habe an einer Vor- oder Zwischenentscheidung mitgewirkt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11 - juris Rn. 30).
13
Der Antragsteller hat mit seinen Schriftsätzen vom 29.1.2021 geltend gemacht, das Demonstrationsmotto richte sich gegen die Entscheidungen der 13. Kammer des Verwaltungsgerichts München, diese könne daher nicht objektiv entscheiden.
14
Im Ergebnis richtet sich der Antragsteller gegen die nach seiner Auffassung verfassungs-, unions- und völkerrechtswidrigen Handlungen - insbesondere des 10. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.
15
Er legt weder individuelle, auf die Person der einzelnen abgelehnten Richter bezogene Gründe für die Besorgnis einer Befangenheit dar, noch ist der Begründung seines Ablehnungsgesuchs zu entnehmen, dass sich aus der Kollegialentscheidung in Form der Beschlüsse der Kammer selbst Anhaltspunkte für eine Befangenheit ergäben.
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2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die angegriffenen Beschränkungen der Versammlung des Antragstellers ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er führt jedoch in der Sache nicht zum Erfolg.
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a) Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Suspensivinteresse am Eintritt der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs vorzunehmen. Nach herrschender Meinung trifft das Gericht dabei eine eigene Ermessensentscheidung, für die in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs maßgeblich sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, weil die Klage zulässig und begründet ist, so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Bei offener Erfolgsprognose ist eine Interessenabwägung durchzuführen. Dem Charakter des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht dabei in der Regel eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (Gersdorf, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2019, § 80 Rn. 176). Zum Schutz von Versammlungen ist indes schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt (BVerfG, B.v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 18 m.w.N.).
18
b) Hieran gemessen überwiegen die öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehbarkeit der angegriffenen versammlungsrechtlichen Beschränkungen. Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage hat keine Aussicht auf Erfolg.
19
aa) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen. Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, wobei solche Beschränkungen im Lichte der grundlegenden Bedeutung des Versammlungsgrundrechts auszulegen sind. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind daher nur zum Schutz gleichrangiger anderer Rechtsgüter und unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. BVerfG, 21.11.2020 - 1 BvQ 135/20 - juris Rn. 6).
20
Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. § 7 Abs. 1 der 11. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020 bestimmt für öffentliche Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes unter anderem einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen allen Teilnehmern (Satz 1) sowie die Pflicht der nach Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörde, soweit im Einzelfall erforderlich durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten werden und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben; davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Versammlung nicht mehr als 200 Teilnehmer hat und ortsfest stattfindet (Satz 2). Damit konkretisiert § 7 Abs. 1 11. BayIfSMV die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestands-, wie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung (vgl. BayVGH, B.v. 19. September 2020 - 10 CS 20.2103, m.w.N.).
21
bb) Die Antragsgegnerin hat mit Recht angenommen, dass die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit der geplanten Versammlung nur durch versammlungsrechtliche Beschränkungen sichergestellt werden kann.
22
(1) Die Antragsgegnerin hat sich bei ihrer Gefahrenprognose in nicht zu beanstandender Weise maßgeblich auf die Erfahrungen mit früheren Versammlungen der „Querdenker“-Bewegung gestützt, u.a. am 12. September und am 23. Oktober 2020 in M, am 25. Oktober 2020 in B. sowie zuletzt am 3. Januar 2021 in N., am 17. Januar 2021 in Fürth, am 20. Januar 2021 in Lauf an der Pegnitz und am 24. Januar 2021 in M. In die versammlungsrechtliche Gefahrenprognose dürfen Ereignisse im Zusammenhang mit anderen Versammlungen einbezogen werden, soweit sie hinsichtlich des Versammlungsthemas, des Ortes, des Datums oder des Teilnehmer- und Organisatorenkreises bei verständiger Würdigung Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (vgl. BVerfG, B.v. 4.9.2009 - 1 BvR 2147/09 - NJW 2010, 141). Solche Ähnlichkeiten hinsichtlich der Themenwahl sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreis der herangezogenen hat die Antragsgegnerin schlüssig und unwidersprochen dargestellt.
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(2) Bei den als Bezugsfälle herangezogenen Versammlungen ist es immer wieder zu zahlreichen Verstößen gegen die einzuhaltenden Mindestabstände sowie die nach Landesrecht angeordnete Maskenpflicht gekommen. Polizeiliche Einwirkungsversuche gestalteten sich insbesondere bei sich fortbewegenden Querdenker-Versammlungen bereits ab einer Teilnehmerzahl von nur 200 bis 300 Personen als schwierig und führten laut der von der Antragsgegnerin vorgelegten Stellungnahme des Polizeipräsidiums M. teilweise zu „Eskalationen“ bis hin zu strafbaren Widerstandshandlungen. Diese Erfahrungen erlauben auch aus Sicht des Gerichts den Schluss darauf, dass es auch bei der nunmehr geplanten Versammlung in erheblichem Umfang zu Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit kommen würde, sollten keine geeigneten Beschränkungen angeordnet werden.
24
Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist die Einschätzung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden, dass die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit der Versammlung nur durch die Beschränkung auf eine stationäre Durchführung und durch die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 200 sichergestellt werden kann. Diese Beschränkungen sind jeweils geeignet, zu einem übersichtlichen und für die Polizei und die Organisatoren möglichst beherrschbaren Versammlungsablauf beizutragen. Die Erforderlichkeit des in ihrer Anordnung liegenden Eingriffs in das nach Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers wäre nur zu verneinen, wenn sich andere Maßnahmen als eindeutig gleich geeignet, aber weniger belastend darstellten (vgl. Grzeszick, Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 20 VII Rn. 114). Das ist nicht der Fall.
25
Gerade bei sich fortbewegenden Versammlungen der Querdenker-Bewegung ist es in der Vergangenheit zu zahlreichen und systematischen Verstößen gegen infektionsschutzrechtliche Beschränkungen gekommen. Das zur Durchführung des Demonstrationszuges gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 4 11. BayIfSMV vorgelegte Infektionsschutzkonzept räumt die durchgreifenden Bedenken gegen die Durchführung einer beweglichen Versammlung nicht aus. Auf die Ausführungen des BayVGH zum gleichlautenden Hygienekonzept der Versammlung am 24. Januar 2021 in M. wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (BayVGH, B.v. 24.01.2021 - 10 CS 21.249 - Rn. 18).
26
Vor dem Hintergrund der zahlreichen negativen Erfahrungen mit Versammlungen aus dem Querdenker-Spektrum der letzten Wochen und Monate kann allein aus dem überwiegend störungsfreien Verlauf der von einem massiven Polizeiaufgebot von 500 Einsatzkräften begleiteten (vgl. https://www.zeit.de/news/2021-01/24/hunderte-querdenker-demonstrieren-in-muenchen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F) Versammlung am 24. Januar 2021 die Vertretbarkeit einer über die Regelvermutung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 11. BayIfSMV hinausgehende Teilnehmerzahl für die nunmehr geplante Versammlung nicht abgeleitet werden. Die von der Antragsgegnerin verwertete Gefahrenprognose des Polizeipräsidiums M. legt schlüssig und konkret dar, dass der Antragsteller selbst kein ernsthaftes Interesse an der Einhaltung etwaiger Beschränkungen hatte und mehrfach erst aufgrund polizeilicher Intervention auf die Versammlungsteilnehmer einzuwirken bereit war. Während des gesamten Verlaufs der Versammlung mussten Kommunikationsbeamte eingesetzt werden, die auf die Wiederherstellung von Mindestabständen und auf das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen hinwirkten. Es ist jedoch nicht die Aufgabe der Polizei, Versammlungen durch ständige Überwachung und vielfaches Einschreiten erst infektionsschutzrechtlich vertretbar zu machen, zumal dadurch oftmals nur bereits begangene Verstöße unterbunden werden können (vgl. BayVGH, B.v. 24.01.2021 - 10 CS 21.249 - Rn. 19).
27
(3) Auch die zeitliche Vorverlegung der Versammlung aufgrund der nach § 3 11. BayIfSMV ab 21:00 Uhr geltenden nächtlichen Ausgangssperre dürfte sich im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen. Nach § 3 11. BayIfSMV ist der Aufenthalt außerhalb einer Wohnung zwischen 21:00 und 5:00 Uhr untersagt, wenn nicht einer der dort aufgezählten oder ein sonstiger, ähnlich gewichtiger und unabweisbarer Grund vorliegt. Die Teilnahme an einer Versammlung i.S.d. Art. 8 GG ist nach der Systematik der Verordnung, die die Teilnahme an Versammlungen lediglich als „triftigen Grund“ für Aufenthalte außerhalb der Wohnung vor Beginn der nächtlichen Ausgangssperre anerkennt (§ 2 Satz 2 Nr. 13 11. BayIfSMV), jedenfalls im Regelfall kein solcher ähnlich gewichtiger Grund. Auf die den Beteiligten bekannte Entscheidung des Gerichts vom 22. Januar 2021 (M 13 S 21.337, dort Rn. 23) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Im Einzelfall kann ein Abgehen von diesem Grundsatz zwar erforderlich sein, um dem hohen Rang der Versammlungsfreiheit im Gefüge der Grundrechte Rechnung zu tragen (vgl. zur grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für den politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess BVerfGE 69, 315 Ls. 1, Rn. 65). Dies setzt jedoch voraus, dass der gewünschte Zeitrahmen der Versammlung unabdingbar zur Erreichung ihres Zwecks ist. Insoweit hat die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt, dass nicht ersichtlich ist, weshalb der Antragssteller zur Erreichung seines kommunikativen Anliegens darauf angewiesen wäre, die Versammlung bis nach 21:00 Uhr andauern zu lassen. Der beabsichtigte Protest gegen die Entscheidungspraxis der Antragsgegnerin, des Verwaltungsgerichts München und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist nicht an eine Dauer der Versammlung bis nach 20:00 Uhr gebunden.
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3. Die Kosten hat nach § 154 Abs. 1 VwGO der Antragsteller zu tragen. Der Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.