Inhalt

VGH München, Urteil v. 10.05.2021 – 2 N 19.1692
Titel:

Zur Statthaftigkeit einer Normenkontrolle eines anerkannten Naturschutzverbandes gegen die Änderung des Flächennutzungsplans

Normenketten:
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4a, § 2 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 1, Abs. 3
Leitsätze:
1. Ein Flächennutzungsplan kann dann statthafter Gegenstand einer Normenkontrolle sein, wenn entsprechende qualifizierte, flächenbezogene Darstellungen mit Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 BauGB unmittelbar die Zulässigkeit von nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Nutzungen steuern. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Flächennutzungsplänen handelt es sich um Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a) UmwRG, so dass sie grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes unterfallen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Werden mit einem Ziel im Landesentwicklungsprogramm in erster Linie wirtschaftspolitische Zwecke verfolgt, enthält es dennoch umweltbezogene Aspekte und stellt insoweit eine rügefähige umweltbezogene Rechtsvorschrift dar, wenn allgemein auch eine Zersiedelung der Landschaft verhindert und eine solche unter anderem wegen der nachteiligen Einflüsse auf Naturhaushalt und Landschaftsbild vermieden werden soll. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Flächennutzungsplan, Statthaftigkeit einer Normenkontrolle, Klagerecht eines anerkannten Naturschutzverbandes, umweltbezogene Rechtsvorschriften, Landesentwicklungsprogramm, Anbindegebot
Fundstellen:
BeckRS 2021, 10993
LSK 2021, 10993
NVwZ-RR 2021, 742

Tenor

I.    Der Antrag wird abgelehnt.     
II.    Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.     
III.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.     
IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Antragsteller wendet sich als anerkannter Naturschutzverband gegen die Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin im Bereich des Bebauungsplans „Interkommunales Gewerbegebiet In der Au“, bekanntgemacht am 14. Februar 2019.
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Der Bebauungsplan „Interkommunales Gewerbegebiet In der Au“, der von einem Zweckverband bestehend aus vier Gemeinden einschließlich der Antragsgegnerin geplant wird, überplant ein ca. 9,68 ha großes Gebiet südwestlich der Kreisstraße Li 5 auf dem Gebiet der Gemeinden G … und G … Im Norden, Westen und Süden wird das Gebiet vom bestehenden Wald begrenzt. Das Gebiet wird bisher landwirtschaftlich als Grünland genutzt. Es handelt sich um eine nicht vollständig renaturierte Kiesabbaufläche, die im Wesentlichen eben ist und tiefer liegt als die Kreisstraße. Geplant ist ein ca. 6,47 ha großes Gewerbegebiet ohne Einzelhandelsflächen. Dazu kommen die nötigen Verkehrsflächen sowie ein Bereich für Ausgleichflächen mit Regenrückhaltebecken. Zur Kreisstraße hin ist ein 15 m breiter Grünstreifen mit Bepflanzung vorgesehen. Dort befinden sich auch mehrere zu erhaltende Bäume. Dieser Grünstreifen zieht sich im Nordwesten bis zum Beginn des dortigen Waldes. Zum bestehenden Wald ist ein freizuhaltender Bereich von mindestens 25 m geplant. Das Gebiet befindet sich im planungsrechtlichen Außenbereich. Im Nordosten ist auf der anderen Seite der Kreisstraße ein Gehöft als Bestand vorhanden. Weiter im Osten außerhalb des Plangebiets findet sich ein noch aktiver Kiesabbau. Das Gebiet befindet sich am Rand des Geltungsbereichs des Regionalplans Nr. 16 der Region Allgäu im RP 16 B I 2.1 landschaftlichen Vorbehaltsgebiet Nr. 20 „Moränenhügelland südlich von Lindenberg i.Allgäu, Seitentäler der Oberen Argen sowie Höhen nördlich von Gestratz und Moore südlich von Maierhöfen“. Der Bebauungsplan ist Gegenstand des Normenkontrollverfahrens Az. 2 N 19.1960.
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In seiner Sitzung vom 10. Juli 2014 beschloss die Antragsgegnerin die Änderung ihres Flächennutzungsplans im Bereich des künftigen Bebauungsplans Interkommunales Gewerbegebiet „In der Au“. Am 21. Mai 2015 fand im Rahmen eines Unterrichtungs- und Erörterungstermins die frühzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit statt. Mit Beschluss vom 30. Juli 2015 billigte die Antragsgegnerin den Änderungs-Entwurf in der Fassung vom 30. Juli 2015 und beschloss die Auslegung. Diese fand in der Zeit vom 14. August 2015 bis 28. September 2015 statt. Die eingegangenen Anregungen und Stellungnahmen wurden in der Sitzung vom 18. Januar 2018 abgewogen. Es folgte eine erneute öffentliche Auslegung des Änderungs-Entwurfs in der Fassung vom 4. Januar 2018 in der Zeit vom 2. Februar 2018 bis 23. Februar 2018. Die Antragsgegnerin beschloss in der Sitzung vom 17. Juni 2018 eine weitere Änderung mit einer nochmaligen öffentlichen Auslegung vom 27. Juli 2018 bis 17. August 2018. Die Änderung des Flächennutzungsplans (Fassung vom 11. Juni 2018) erfolgte durch Feststellungsbeschluss vom 16. Oktober 2018. Der Flächennutzungsplan wurde mit Bescheid vom 6. Februar 2019 genehmigt und am 14. Februar 2019 öffentlich bekanntgemacht.
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Mit Schriftsatz vom 26. August 2019, eingegangen am 27. August 2019, stellte der Antragsteller Normenkontrollantrag und beantragt,
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den Beschluss der Antragsgegnerin vom 16. Oktober 2018 betreffend die Änderung des Flächennutzungsplans im Bereich des Bebauungsplans „Interkommunales Gewerbegebiet ´In der Au´“ für unwirksam zu erklären.
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Zur Begründung führt der Antragsteller aus, der Antrag sei zulässig. Der Antragsteller berufe sich auf eine Verletzung von umweltbezogenen Rechtsvorschriften nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 UmwRG, für deren Beachtung und Durchsetzung er sich aufgrund seiner Satzung einsetze. Der Flächennutzungsplan verstoße gegen das Anpassungsgebot an die Ziele der Raumordnung nach § 1 Abs. 4 BauGB. Es lägen sowohl Verstöße gegen das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) als auch gegen den Regionalplan Nr. 16 Allgäu vor. So liege insbesondere ein Verstoß gegen die Ziele der Ziffern 3.2 (Vorrang der Innenentwicklung) sowie 3.3 (Anbindegebot) des LEP vor. Die Voraussetzungen einer Ausnahme vom Anbindegebot, hier keine wesentliche Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbilds (Ziffer 3.3 Satz 2 3. Spiegelstrich 2. Halbsatz LEP) lägen nicht vor. Es werde in der Begründung lediglich pauschal festgestellt, dass keine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbilds vorliege. Eine substanzielle Befassung oder Auseinandersetzung mit der Frage der Auswirkungen habe nicht stattgefunden. Die nun in der Begründung getroffenen Aussagen ließen sich nicht mit der Begründung der Antragsgegnerin zum Flächennutzungsplan von 1997 vereinbaren, wo dem Standort ein hoher Stellenwert im Hinblick auf den Landschaftsraum und das Landschaftsbild eingeräumt worden sei. Der Antragsteller habe ein Gutachten über die Auswirkungen des geplanten Gewerbegebiets auf das Landschaftsbild erstellen lassen, welches zu dem Ergebnis komme, dass es sich um einen wertvollen, landschaftlich geprägten Raum mit hohem Erholungspotential handle. Die untersuchte Fläche füge sich in diesen Landschaftsraum harmonisch ein. Sie enthalte typische Landschaftselemente wie Baumgruppen, Wegkreuze, Weidezäune, Wasserträge sowie eine ausgeprägte Topographie. Die Planung schaffe die Grundlage für erhebliche bauliche Eingriffe in das Landschaftsbild und deutliche Störungen dessen Erlebbarkeit durch Licht- und Lärmimmissionen. Es würden auf sechs gewerblichen Bauflächen Gebäudehöhen bis zu 15 m und Gebäudelängen bis zu 75 m zugelassen. Die zulässige Größe der Baukörper ginge weit über eine verträgliche Maßstäblichkeit hinaus. Die festgesetzten Eingrünungsmaßnahmen würden nicht ausreichen, um die Gebäude in die Landschaft einzubinden. Das Gewerbegebiet würde eine große Fernwirkung entfalten und sei weithin sichtbar. Bei diesen Auswirkungen müsse von einer wesentlichen Beeinträchtigung im Sinn der Ziffer 3.3 des LEP ausgegangen werden. Es mangle weiterhin an einer ausreichenden Alternativenprüfung. Der Antragsgegner im Bebauungsplanverfahren habe sich bereits durch den in der Satzung benannten Wirkungsbereich vorfestgelegt. Es habe daher von vornherein keine ergebnisoffene Alternativenprüfung stattgefunden. Auch die Regierung habe in ihrer Stellungnahme vom 22. November 2012 darauf hingewiesen, dass die übermittelten Ausführungen zur Standortalternativenprüfung nicht ausreichend seien. Es fehle bereits an einer hinreichenden Bedarfsermittlung für Gewerbeflächen. Die 2015 erstellte Abwägungstabelle hätte bis zum Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan im Jahr 2019 aktualisiert werden müssen. Der 2015 genannte Bedarf liege zudem flächenmäßig deutlich unter der nun ausgewiesenen Fläche. Zudem seien im Rahmen der Alternativenprüfung teilweise untaugliche Ausschlusskriterien herangezogen worden. Zahlreiche Standorte seien wegen der Mindestgröße aus der Prüfung gefallen, ohne dass dieses Kriterium hinreichend dargelegt worden sei. Vielmehr sei von der Wunschgröße von 7 ha ausgegangen worden, was bereits fünf alternative Standorte nicht erfüllten. Insbesondere sei nicht ersichtlich, warum die Flächen G1 und G2 mit einer Gesamtfläche von 7,1 ha getrennt betrachtet worden seien. Auch die Flächen G6 und G7 lägen nahe beieinander. Die Fläche G4 wäre zudem auf eine Gesamtfläche von 6-7 ha erweiterbar. Auch andere Flächen wären erweiterbar. Alle Flächen seien zudem hinsichtlich der Topographie geeignet. Es käme nicht darauf an, dass eine Fläche insgesamt dieselbe Topographie aufweise, da ohnehin eine Aufteilung in kleinere Parzellen geplant sei. Der Standort G8 weise zudem eine deutlich bessere Erschließbarkeit auf. Der gewählte Standort weise hingegen deutliche Probleme im Hinblick auf die verkehrliche Erschließung auf. Diese sei unzureichend. Bei weiteren Kriterien sei nicht erkennbar, wie diese konkret definiert seien. Dies betreffe die Kriterien „Übereinstimmung mit Leitbild/Leitzielen der Gemeinden“, Lage im Raum/raumstrukturelle Eignung“, „Flächenzuschnitt“, „Verwirklichung in Bauabschnitten/Erweiterbarkeit“, „Einbindung in die Landschaft“, „Konfliktfreiheit zu Verkehrslärm“ oder „Konfliktfreiheit zu anderen Nutzungen“. Bei verständiger Würdigung und Bewertung der Alternativstandorte weise der Standort G9 deutliche Vorteile gegenüber dem gewählten Standort auf.
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Zudem verstoße der Flächennutzungsplan gegen den Regionalplan Nr. 16 der Region Allgäu. Der Flächennutzungsplan sei mit den dortigen Zielen und Grundsätzen nicht vereinbar, insbesondere im Hinblick auf die Zielsetzung der Erhaltung des Landschaftsbilds in seinem Status-Quo. Die geplanten Gewerbeflächen befänden sich im Bereich des „Moränenhügellands südlich Lindenberg i. Allgäu, Seitentäler der Oberen Argen sowie Höhen nördlich von Gestratz und Moore nördlich von Maierhöfen“. Für die Abstufung, weil sich das geplante Gebiet am Rand dieses Bereichs befinde, gebe es keine rechtliche Grundlage. Der frühere Kiesabbau sei in der Rekultivierung bereits weit vorangeschritten und lasse eine Abwertung nicht mehr zu.
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Weiterhin lägen Verstöße gegen die Vorgaben des § 1a BauGB zum Schutz von Natur, Landschaft und Umwelt vor. Der Grundsatz des schonenden und sparsamen Umgangs mit Grund und Boden sei nicht gewahrt. Die Umwandlung landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Flächen müsse besonders begründet werden. Außerdem verstoße der Bebauungsplan gegen die Vorgabe aus Art. 141 BV.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Es handle sich um eine Fläche, auf der früher Kiesabbau betrieben worden sei. Das Gelände sei nach dem Abbau eingeebnet und renaturiert worden. Sie befinde sich zwischen der Kreisstraße Li 5 und dem Wald. Aufgrund des Kiesabbaus sei die Fläche tiefer gelegen als die umgebenden Flächen, was von der Kreisstraße aus deutlich feststellbar sei. Innerhalb des Gebiets befänden sich keine schützenswerten Landschaftsbestandteile oder Biotope. Im Osten grenze ein noch aktives Kiesabbauvorhaben an, das in etwa dieselbe Fläche wie das geplante Gewerbegebiet aufweise. Mit dem Bebauungsplan sollen gewerbliche Bauflächen zur Deckung des Bedarfs der ortsansässigen Handwerkerschaft, von einzelnen Betrieben aus der näheren Umgebung, mithin kleinteiliges und mittelständisches Gewerbe geschaffen werden. Es sei ein entsprechender Bedarf an Gewerbeflächen bei den Mitgliedsgemeinden angemeldet worden. Aufgrund der Topografie innerhalb der Mitgliedsgemeinden sei es schwierig, entsprechend strukturierte Flächen zu finden. Die letzte Ausweisung eines Gewerbegebiets habe 2009 stattgefunden. Mögliche Standortalternativen seien in einem umfangreichen Gutachten geprüft worden.
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Der Normenkontrollantrag sei bereits nicht zulässig, da nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO lediglich Bebauungspläne Gegenstand einer Normenkontrolle sein könnten. Der Landesgesetzgeber habe in Bayern nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auch Flächennutzungspläne der Normenkontrolle zu unterstellen. Es bedürfe auch keiner analogen Anwendung, denn die Darstellungen eines Flächennutzungsplans besäßen aus sich heraus keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung gegenüber Dritten. Eine Ausnahme sei nur dann von der Rechtsprechung zugelassen worden, wenn sich eine Gemeinde nach § 35 Abs. 1 Nr. 3, § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entscheide, einem Flächennutzungsplan rechtssetzende Qualität zu verleihen, indem sie Konzentrationsflächen ausweise. Ein solcher Fall läge hier aber nicht vor. Zudem müsse die Verletzung einer umweltbezogenen Rechtsnorm geltend gemacht werden. Tatsächlich stütze sich der Antragsteller aber auf eine Verletzung der Vorschriften der Raumordnung und Landesplanung, hier insbesondere auf Ziffer 3.3 des LEP. Dessen Hintergrund sei jedoch die Vermeidung der Zersiedelung gewesen, um unwirtschaftliche Investitionen bei der Neuausweisung von Siedlungsbereichen zu vermeiden. Damit handle es sich primär um wirtschaftspolitische Zwecke und nicht um umweltbezogene.
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Der Normenkontrollantrag sei zudem auch nicht begründet. Insoweit werde auf die Ausführungen im Verfahren betreffend den Bebauungsplan (Az. 2 N 19.1690) vollumfänglich Bezug genommen.
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Die Eilverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO betreffend den Bebauungsplan wurden jeweils mit Beschluss des Senats vom 16. Januar 2020 (Az. 2 NE 19.1831), vom 6. August 2020 (Az. 2 NE 20.1461) sowie vom heutigen Tag (Az. 2 NE 21.498) abgelehnt.
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Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
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Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten in den Verfahren Az. 2 N 19.1690, 2 NE 19.1831, 2 NE 20.1461 und 2 NE 21.498 sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat entscheidet über den Antrag ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten darauf verzichtet haben (§ 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
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Der Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO bleibt ohne Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig.
20
Der Antrag ist insbesondere statthaft gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO.
21
Grundsätzlich besitzen die Darstellungen eines Flächennutzungsplans aus sich heraus keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung gegenüber Dritten, da sie keinen Rechtsnormcharakter haben (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2007 - 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 382). Entsprechend sind Flächennutzungspläne in der Regel kein tauglicher Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.1990 - 4 N 3.88 - NVwZ 1991, 262; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 47 Rn. 19). Ein Flächennutzungsplan kann aber in analoger Anwendung von § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO dann statthafter Gegenstand einer Normenkontrolle sein, wenn entsprechende qualifizierte, flächenbezogene Darstellungen mit Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 BauGB unmittelbar die Zulässigkeit von nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Nutzungen steuern (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2007 - 4 C 3.06 - BVerwGE 128, 382; BayVGH, U.v. 23.2.2017 - 2 N 15.279 - ZfB 2018, 195; U.v. 4.3.2021 - 15 N 20.468 - juris).
22
Auf das Normenkontrollverfahren findet jedoch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) Anwendung. Gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen einlegen, wenn sie geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften widerspricht, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können (Nr. 1), sie geltend macht, in ihrem satzungsmäßigen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen berührt zu sein (Nr. 2), und sie zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG berechtigt war und sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist (Nr. 3).
23
Beim Antragsteller handelt es sich um eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung. Der satzungsmäßige Aufgabenbereich erstreckt sich nach § 2 der Verbandsatzung auch darauf sich als gesetzlich anerkannter Natur- und Umweltschutzverband an Planungsverfahren und -prozessen zu beteiligen und auf Vollzug der einschlägigen Gesetze zu dringen. Der Antragsteller wurde im verfahrensgegenständlichen Flächennutzungsplanverfahren mehrfach beteiligt. Er hat mehrfach im Verfahren Stellung genommen.
24
Entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners handelt es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Flächennutzungsplan auch um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Bei dem verfahrensgegenständlichen Flächennutzungsplan handelt es sich konkret nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a) UmwRG um eine Entscheidung über die Annahme von Plänen und Programmen im Sinne von § 2 Absatz 7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) und im Sinne der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, für die nach Anlage 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann. Die Anlage 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung nennt ausdrücklich in Ziffer 1.8 Bebauungspläne sowie Flächennutzungspläne, so dass Flächennutzungspläne grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes unterfallen (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: August 2020, § 1 UmwRG Rn. 99; Arndt, UPR 2018, 90). Auch in diesem Ausnahmefall ist ein Normenkontrollverfahren analog § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft (vgl. Decker, VBlBW 2018, 441).
25
Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG muss der Antragsteller bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 UmwRG oder gegen deren Unterlassen zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen. Die umweltbezogenen Rechtsvorschriften sind in § 1 Abs. 4 UmwRG legal definiert. Danach handelt es sich um Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) oder Faktoren i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG beziehen. Der Antragsteller rügt insbesondere Verstöße gegen das Anpassungsgebot an die Raumordnung und Landesplanung nach § 1 Abs. 4 BauGB sowie eine fehlerhafte Abwägung umweltbezogener Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB. Auch raumordnerische Ziele lassen sich grundsätzlich unter den Begriff einer umweltbezogenen Rechtsvorschrift subsumieren (vgl. Bunge, UmwRG, 2. Auflage 2019, § 1 Rn. 202. 203; OVG NRW, U.v. 21.4.2015 - 10 D 21/12.NE - DVBl 2015, 1329). Umweltbezogene Rechtsvorschriften brauchen auch nicht ausschließlich dem Umweltschutz zu dienen (vgl. Bunge, UmwRG, 2. Auflage 2019, § 1 Rn. 214). Bei Normen mit mehreren Zielen beschränken allerdings die § 2 Abs. 1 Satz 2, § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG die gerichtliche Kontrolle jeweils auf die umweltrelevante Komponente. So mag zwar das im Wesentlichen gerügte Ziel in Ziffer 3.3 des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP), das sog. Anbindegebot, in Form der hier zur Anwendung gebrachten Ausnahme in erster Linie wirtschaftspolitische Zwecke verfolgen. Das Anbindegebot in Ziffer 3.3 LEP soll aber allgemein eine Zersiedelung der Landschaft verhindern und eine solche unter anderem wegen der nachteiligen Einflüsse auf Naturhaushalt und Landschaftsbild vermieden werden (vgl. Begründung zu Ziffer 3.3). Damit enthält das hier konkret gerügte Ziel in Ziffer 3.3 LEP auch umweltbezogene Aspekte und stellt insoweit eine rügefähige umweltbezogene Rechtsvorschrift im obigen Sinn dar. Zudem rügt der Antragsteller im Rahmen der Abwägung die Einhaltung der Schutzabstände zum Waldrand, die auch dem Schutz des Menschen dienen im Hinblick auf Gefahren für Leib und Leben durch umstürzende Bäume.
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2. Der zulässige Normenkontrollantrag ist jedoch unbegründet. Der verfahrensgegenständliche Flächennutzungsplan verstößt nicht in entscheidungserheblicher Weise gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 1 Abs. 4 UmwRG). Zu weiteren Begründung wird auf das Urteil des Senats betreffend den Bebauungsplan „Interkommunales Gewerbegebiet In der Au“ vom heutigen Tag Bezug genommen (Az. 2 N 19.1690).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
28
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
29
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.