Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 11.01.2021 – M 30 K 19.6427
Titel:

Adressat einer Parlamentspetition

Normenketten:
GG Art. 17
BV Art. 115
Leitsätze:
1. Einzelne Abgeordnete sind nicht Petitionsadressaten und Grundrechtsverpflichtete iSd Art. 17 GG; Art. 17 GG meint vielmehr die Volksvertetung als Institution. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weder aus Art. 17 GG noch aus Art. 115 BV folgt ein Anspruch auf Empfangsbestätigung und Weiterleitung an das Parlament, wenn sich die Petition an einen einzelnen Abgeordneten richtet. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abgeordnete, Petitionsadressaten / Grundrechtsverpflichtete, Anspruch auf Petitionsbehandlung durch einzelnen Abgeordneten (verneint), Petition, Abgeordneter, Parlament
Fundstelle:
BeckRS 2021, 10796

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Mit seiner Klage vom 5. Dezember 2019 begehrt der Kläger gegenüber dem Beklagten als Abgeordneten des Bayerischen Landtags die Verpflichtung, seine „Petitionseingaben vom …03. …05/ …06.2018 und …10.2019“, zu denen er keine Mitteilung erhalten habe, zu verbescheiden. Eine solche Mitteilung stehe ihm verfassungsmäßig gemäß Art. 17 Grundgesetz zu.
2
Die Petitionen des Klägers vom … Oktober 2019 adressiert an den Beklagten und vom ... November 2019 adressiert an … … wurden am … Februar 2020 in der Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration des Bayerischen Landtags abschließend behandelt und der Kläger hierüber mit Schreiben vom … März 2020 durch das Landtagsamt unter Mitsendung der Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom ... Februar 2020 informiert.
3
Mit Schreiben vom … Juni 2020 stellte der Kläger heraus, dass sein Begehr darauf gerichtet sei, den Beklagten zu verpflichten, sich mit den Schreiben des Klägers zu befassen und diese zu verbescheiden. Daher könne auch die Frage dahinstehen, ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, das Schreiben vom … Oktober 2019 an den Bayerischen Landtag weiterzuleiten, was jedoch zu verneinen sei. Er hätte weder ausdrücklich noch in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise hierum gebeten. Unter anderem mit Schreiben vom … Oktober 2020 ergänzte der Kläger, es widerspreche dem Aufgabenbereich eines gewählten Volksvertreters, wenn vier Petitionseingaben an einen Abgeordneten gerichtet würden und man hierfür nicht einmal eine Empfangsbestätigung erhalte. Darin, dass der Beklagte zu den klägerischen Eingaben keine Stellung genommen habe, liege ein menschenverachtendes Verhalten gegenüber der Person des Klägers. Vorliegend gehe es darum, die Frage zu klären, welchen verfassungsmäßigen Auftrag ein Landtagsabgeordneter gegenüber einem Bürger seines Wahlkreises habe. Warum sollte der einzelne gewählte Volksvertreter, der Abgeordnete, nicht für die Entgegennahme von Petitionen zuständig sein? Wenn dies nicht der Fall sein sollte, stelle sich weiter die Frage, warum der Beklagte auf diese Tatsache dann nicht hingewiesen habe. Dies sehe er als Teil seiner verfassungsmäßigen Verantwortung gegenüber eines Bürgers in seinem Wahlkreis an.
4
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten, sich mit den klägerischen Schreiben vom ... März 2019, ... Mai 2019, … Juni 2019 sowie … Oktober 2019 zu befassen und diese zu verbescheiden.
5
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
6
Er nahm mit Schreiben vom … Oktober 2020 auf die Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom … September 2020 über die Ablehnung des mit Klageerhebung gestellten Prozesskostenhilfeantrags Bezug.
7
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, insbesondere in Bezug auf eine Rubrumsberichtigung vom … September 2020, nachdem die Klage ursprünglich gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landtagsamt des Bayerischen Landtags, erfasst und behandelt wurde, wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

8
Nach Anhörung der Beteiligten - und ausdrücklicher Zustimmung des Klägers mit Schreiben vom … März 2020 - konnte das Gericht durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 84 Abs. 1 VwGO).
9
Soweit der Kläger im Schreiben vom … Dezember 2020 im Hinblick auf eine Kostenrechnung vom … Dezember 2020 nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe äußerte, er habe seine Klage nur unter den „Vorbehalt“ der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt, lässt sich dies dem Klageschriftsatz vom ... Dezember 2019 gerade nicht entnehmen. Vielmehr bringt der Kläger im zweiten Absatz seines Schreibens vom ... Dezember 2019 eine Klageerhebung deutlich zum Ausdruck und im dritten Absatz einen Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts. Dass der Kläger nur eine Klage beabsichtigen, aber mit Schreiben vom ... Dezember 2019 noch nicht erheben wollte, ist nicht erkennbar. Folglich erfolgte nach Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags mit Beschluss vom … September 2020 ein richterlicher Hinweis auf die Möglichkeit einer Klagerücknahme, auf die der Kläger jedoch mit inhaltlichen Ausführungen zur Klagebegründung reagierte.
10
Die Klage ist unzulässig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass sich der Beklagte mit seiner Petition befasst und dies verbescheidet.
11
Der klägerseits geltend gemachte Anspruch aus Art. 17 Grundgesetz (GG) und Art. 115 Bayerische Verfassung (BV) kann gegenüber dem Beklagten nicht bestehen. Dieser ist nicht Petitionsadressat und Grundrechtsverpflichteter im Sinne von Art. 17 GG (vgl. Klein in Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, 88. EL, Art. 17 Rn. 111 m.w.N. - beck-online; Jarass/Pieroth, GG, 16. Auflage 2020, Art. 17 Rn. 6; Brocker in Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Art. 17 Rn. 21 - beck-online; a. A. Pagenkopf in Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 17 Rn. 10 m.w.N.) bzw. im Sinne von Art. 115 BV (BayVerfGH, E.v. 3.8.1967 - Vf. 43-VI-67 - beck-online). Zwar sind Abgeordnete Teil der Volksvertretung, Art. 17 GG meint jedoch die Volksvertretung als Institution (Uerpmann-Wittzack in von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 6. Auflage 2012, Art. 17 Rn. 22 - beck-online). Abgeordnete sind bereits nicht in der Lage, dem Gesuchstellenden einen Petitionsbescheid zu erteilen (BayVerfGH a.a.O.). Einzelne Abgeordnete können allenfalls als Boten für die Übermittlung von Petitionen an die Volksvertretung fungieren (Uerpmann-Wittzack, a.a.O.).
12
Zwar bemängelt der Kläger nachvollziehbar, dass er zumindest eine Empfangsbestätigung und Rückmeldung erwartet hätte, wenn sich der Beklagte nicht als zuständig erachte. Hierauf kann der Kläger jedoch aus Art. 17 Grundgesetz oder Art. 115 BV keinen einklagbaren Anspruch gegenüber dem Beklagten als Abgeordneten ableiten. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 3. August 1967 ausgeführt, dass der Bürger zwar ohne weiteres Eingaben auch an einzelne Landtagsabgeordnete richten kann, die ihm persönlich bekannt sind oder zu denen er besonderes Vertrauen habe, er genieße aber insoweit nicht den Schutz des Art. 115 BV und dem einzelnen Abgeordneten würden dadurch, dass ihm solche Schreiben zugehen, keine verfassungsrechtlichen Pflichten erwachsen (BayVerfGH, E.v. 3.8.1967 - Vf. 43-VI-67 - beck-online).
13
Darum, ob möglicherweise eine Verpflichtung darauf bestehen könnte, dass ein Abgeordneter eine erkennbar nicht nur an ihn, sondern an die Volksvertretung gerichtete Petition entsprechend weiterleitet (vgl. Klein in Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, 88. EL, Art. 17 Rn. 111 m.w.N. - beck-online), geht es dem Kläger aufgrund seiner deutlichen Einlassung im Schreiben vom … Juni 2020 gerade nicht.
14
Eine fehlende Eingangsbestätigung und Rückmeldung an den Kläger durch den Beklagten stellen entgegen der klägerischen Einschätzung im Übrigen zweifelsfrei kein menschenverachtendes Verhalten dar.
15
Die Klage ist daher abzuweisen.
16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung richtet sich nach § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.