Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 16.04.2021 – AN 17 K 19.01249
Titel:

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Errichtung eines Bullenmaststalls mit Güllebehälter und Getreidelagerhalle

Normenketten:
BayBO Art. 59
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 5, § 15 Abs. 1 S. 2
TA Lärm Nr. 1 Abs. 1 lit. c
Leitsätze:
1. Die Einordnung als faktisches Dorfgebiet setzt kein bestimmtes prozentuales Mischverhältnis der drei Hauptnutzungsarten des § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO voraus. Notwendig ist aber wenigstens eine noch aktive landwirtschaftliche Wirtschaftsstelle. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber Wohnnutzung im Dorfgebiet, § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO: Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Beeinträchtigungen sind insoweit gebietstypisch und daher in der Regel von der dort vorhandenen Wohnnutzung hinzunehmen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Abstandsregelung für Rinderhaltungen des Bayerischen Arbeitskreises für „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“, Kap. 3.3.2, kann zur Orientierung bei der Prüfung, ab wann im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbare Geruchsimmissionen einer Rinderhaltung vorliegen, herangezogen werden (BayVGH BeckRS 2019, 32448). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die TA Lärm ist auf immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen nicht anwendbar (Nr. 1 Abs. 1 Buchst c). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einordnung als faktisches Dorfgebiet setzt kein bestimmtes prozentuales Mischverhältnis der drei Hauptnutzungsarten des § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO voraus. Notwendig ist aber wenigstens eine noch aktive landwirtschaftliche Wirtschaftsstelle., Besondere Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber Wohnnutzung im Dorfgebiet, § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO: Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Beeinträchtigungen sind insoweit gebietstypisch und daher in der Regel von der dort vorhandenen Wohnnutzung hinzunehmen., Die Abstandsregelung für Rinderhaltungen des Bayerischen Arbeitskreises für „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“, Kap. 3.3.2, kann zur Orientierung bei der Prüfung, ab wann im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbare Geruchsimmissionen einer Rinderhaltung vorliegen, herangezogen werden (BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 24)., Die TA Lärm ist auf immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen nicht anwendbar (Nr. 1 Abs. 1 Buchst c)., Drittschutz, Innenbereich, faktisches Dorfgebiet, Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe, Gebot der Rücksichtnahme, Geruchsimmissionen, Rinderhaltung, TA Lärm
Fundstelle:
BeckRS 2021, 10596

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3.Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Aufhebung einer dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zur Errichtung eines Bullenmaststalls mit Güllebehälter und einer Getreidelagerhalle.
2
Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke mit den Flurnummern (FlNr.) … und … der Gemarkung … (Adresse … …, … …*). Das Grundstück FlNr. … ist mit dem Wohnhaus des Klägers bebaut, welches nach Süden hin eine größere Terrasse aufweist, die etwa einen halben Meter aufgeschüttet ist. Wohn- und Esszimmer sind zur Terrasse hin ausgerichtet, im Obergeschoss befindet sich außerdem ein Balkon. Die Fl.Nr. … wird dessen Angabe zufolge als Gartengrundstück genutzt. Der Beigeladene ist Eigentümer des Grundstückes FlNr. …, welches in südwestlicher Richtung der klägerischen Grundstücke, getrennt durch einen etwa 8 Meter breiten Weg (FlNr. **), der auf eine Breite von etwa 2,50 m asphaltiert ist, liegt. Es ist in seinem östlichen Drittel bislang unbebaut, an der Südgrenze findet sich ein etwa 35 m langer und 10,5 m breiter Bullenmaststall. Das Wohnhaus mit Anbau des Beigeladenen befindet sich auf dessen westlicher, an die Kreisstraße … … grenzender Seite. Nördlich bzw. nordöstlich des Wohnhauses an der Grenze zum Nachbargrundstück FlNrn. … und … liegend, befindet sich ein altes, unbewohntes Haus sowie weitere landwirtschaftliche Nutzgebäude, das nordöstlich liegende ist ein abgebranntes ehemaliges Stallgebäude. Die nördliche Grundstücksgrenze ist in ihrem östlichen Teil abgemauert.
3
Der Abstand von der Terrasse des Wohngebäudes des Klägers auf der FlNr. 82/2 bis zur östlichen Grundstücksgrenze des Beigeladenen (FlNr. 85) beträgt (Luftlinie zwischen den beiden am nächsten beieinanderliegenden Punkten) circa 60 m. Vom Gartengrundstück des Klägers auf der FlNr. 82 aus beträgt der Abstand in der kleinsten Distanz in etwa 12 m.
4
In der näheren Umgebung des Vorhabengrundstückes, zunächst eingefasst durch den sich südlich anschließenden Weg mit der FlNr. …, die sich westlich anschließende Kreisstraße … mit der FlNr. … und die mit diesen beiden in etwa ein rechtwinkliges Dreieck bildende nördlich gegenüberliegende Kreisstraße … … mit der FlNr. …, sind nach Aktenlage neben der Wohnnutzung folgende weitere Nutzungen vorhanden: Nördlich des Beigeladenengrundstücks, durch die FlNrn. …, … und … getrennt, liegt auf dem Grundstück FlNr. … ebenfalls eine landwirtschaftliche Hofstelle (Betrieb …*). Ganz im Osten des beschriebenen Dreiecks, in etwa 120 m vom Vorhabengrundstück entfernt, befindet sich eine Gemeinschaftshalle der … Südlich jenseits des Weges mit der FlNr. … schließen sich Fahrsilos des Beigeladenen an (FlNr. …*) und noch weiter südlich auf der FlNr. … eine weitere landwirtschaftliche Hofstelle (ebenfalls Betrieb …*). Wiederum nördlich an die Hofstelle … anschließend befindet sich auf der FlNr. … ein Frisörladen und nördlich davon gelegen eine Schreinerei (FlNr. …*), die wiederum direkt an den Weg FlNr. … grenzt, der das Vorhabengrundstück des Beigeladenen sowie sein Fahrsilo auf der FlNr. … seitlich erschließt. Westlich gegenüber der Schreinerei und jenseits der Straße … … (FlNr. …*) befindet sich ein Autohaus, mit Kfz-Werkstatt.
5
Nördlich des eben beschriebenen Dreiecks, also auch nördlich der Grundstück des Klägers und jenseits der Straße … … (FlNr. **) befindet sich hauptsächlich Wohnbebauung sowie Garagen, die zum Teil einstmals landwirtschaftlich genutzte Gebäude waren.
6
Westlich des beschriebenen Dreiecks und jenseits der Straße … … (FlNr. …*) befindet sich auf Höhe der Einmündung der Straße … … (FlNr. **) in die … … auf der FlNr. … das Gasthaus … mit Metzgerei und Imbiss … Südlich im Anschluss an Gasthaus und Metzgerei befindet sich ein ehemaliges landwirtschaftliches Anwesen, gegenüber liegt der landwirtschaftliche Betrieb … auf der FlNr. … Im weiteren südlichen Verlauf der Straße … … liegen rechts und links der Straße Wohngebäude und weitere ehemalige landwirtschaftliche Gebäude im Hintergrund.
7
Der Beigeladene beabsichtigt im nordöstlichen Teil seines Grundstücks (FlNr. **) einen weiteren, 50,38 m langen, 18,38 m breiten und 7,78 m firsthohen Bullenmaststall zu errichten, um insgesamt einen Viehbestand von 144 männlichen Rindern (1 bis 2 Jahre), 36 männlichen Rindern (0,5 bis 1 Jahr) und 36 Kälber (bis 6 Monate) halten zu können; die Längs- bzw. Traufseite verläuft in etwa parallel in einem Abstand von ungefähr 5,50 m zur Grenze mit dem nördlich angrenzenden Grundstück FlNr. …, der Abstand der Giebelseite zum östlich an das Beigeladenengrundstück angrenzenden Weg (FlNr. **) beträgt an der nördlich gelegenen engsten Stelle etwa 6,20 m. Westlich des neuen Bullenmaststalles, in einem Abstand von etwa 7 m, soll nach Norden versetzt eine Getreidelagerhalle mit den Abmessungen 12 m x 12,04 m x 7,63 m Firsthöhe mit einer Ausrichtung der Giebelseite von Osten nach Westen errichtet werden. Diese steht nahezu grenzständig zum sich nördlich anschließenden Grundstück FlNr. … Schließlich ist südlich des zu errichtenden Bullenmaststalles, 4,70 m von dessen östlicher Außenwand nach Westen eingerückt, ein in den Boden eingelassener, zylinderförmiger Güllebehälter mit einem Durchmesser von 17,36 m vorgesehen. Für dieses Vorhaben reichte der Beigeladene über die Stadt … beim Landratsamt … mit Eingang dort am 19. Februar 2019 einen Bauantrag ein. In den beiliegenden Bauvorlagen ist für den Bullenmaststall eine Brutto-Grundfläche der Nutzungseinheiten von 934,14 qm vorgesehen. Dessen Außenwände sind als Stahlbetonwände mit Stahl-Trapezblech beschrieben, im Bereich des Satteldachs ist ein Holzfachwerkgiebel vorgesehen und die Dachfarbe soll ziegelrot sein. In der ebenfalls vorliegenden Betriebsbeschreibung sind u.a. als „vorhandene / genehmigte TP [Tierplätze]“ 78 männliche Rinder (1 bis 2 Jahre), 39 männliche Rinder (0,5 bis 1 Jahr) und 39 Kälber (bis 6 Monate) eingetragen sowie die oben genannten Zahlen als die Tierplätze nach Durchführung des Bauvorhabens.
8
Am 30. April 2019 beantragte der Beigeladene über die Stadt … beim Landratsamt … zusätzlich die Befreiung von den nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück (nicht das des Klägers) bzgl. der Getreidelagerhalle und legte diesbezüglich eine schriftliche Vereinbarung mit dessen Eigentümer zu einem gegenseitigen Anbaurecht vor.
9
Mit Stellungnahme vom 14. Februar 2019 erteilte die Stadt … nach Gemeinderatsbeschluss vom 4. Februar 2019 das gemeindliche Einvernehmen zum Vorhaben des Beigeladenen. Das Veterinäramt des Landratsamtes … führte mit Schreiben vom 5. März 2019 aus, dass keine Einwände dagegen bestünden. Mit Schreiben vom 6. März 2019 nahm das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … (AELF) Stellung zum streitgegenständlichen Vorhaben und führte aus, dass der Beigeladene Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB betreibe und sein Vorhaben, die Wiedererrichtung eines Bullenstalls nach einem Brandfall im Jahr 2018, diesem landwirtschaftlichen Betrieb diene. In der Nähe des Beigeladenen befände sich im Süden an das Grundstück mit den Fahrsilos angrenzend auf der FlNr. … die zweite Hofstelle der … … (die erste auf FlNr. **). Auf deren beiden Hofstellen würden im Jahresdurchschnitt 2018 circa 40 Rinder gehalten. Ansonsten befänden sich in der Umgebung keine weiteren aktiven Landwirte. Seitens des AELF bestünden keine Bedenken gegen das geplante Vorhaben. Das Sachgebiet Natur- und Immissionsschutz führte mit Schreiben vom 24. April 2019 zum Vorhaben des Beigeladenen aus, dass bei der Abstandsermittlung in Bezug auf die zu erwartenden Geruchsemissionen von einem umliegenden Dorfgebiet ausgegangen worden sei. Bei derzeitiger Planung sei der Abstand zum nächsten Immissionsort äußerst knapp bemessen, diesbezüglich relevant sei vor allem das benachbarte Wohnhaus mit vorgelagerter Terrasse auf der FlNr. … [nicht das Klägergrundstück]. Nach einer Einzelfallbetrachtung seien die erforderlichen Abstände zwar knapp eingehalten, allerdings nur unter der Berücksichtigung, dass die vorhandene, durchgängige Grenzbebauung als abschirmendes Element erhalten bleibe. Eine weitere Bestandsaufstockung in Zukunft sei an der Hofstelle aber nicht mehr möglich. Des Weiteren seien im Einzelnen aufgeführte Auflagen in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen. In einem beigefügten Katasterauszug war für den Fall eines Dorfgebietes ein Radius von 45 m rund um den neu zu errichtenden Stall eingezeichnet, der die klägerischen Grundstücke (FlNrn. … und …*) nicht mehr erfasst, und für den Fall eines allgemeinen Wohngebietes ein Radius von 90 m, der hingegen die klägerischen Grundstücke mit einschließt.
10
Mit Bescheid vom 21. Mai 2019 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung eines Bullenmaststalls mit Güllebehälter und einer Getreidelagerhalle. Gleichzeitig wurde eine Abweichung von Art. 6 BayBO hinsichtlich der Abstandsflächen zum Grundstück FlNr. … bezüglich der Getreidehalle gewährt (Ziffer I.). Unter II. - Auflagen - war unter anderem aufgeführt, dass die mit Sichtvermerk vom 2. Mai 2019 versehene Betriebsbeschreibung/Nutzungsbeschreibung Bestandteil der Baugenehmigung ist. Der Tierbestand bzw. die Tierplatzzahlen werden auf die in der „Betriebsbeschreibung für landwirtschaftliche und sonstige Tierhaltungsbetriebe“ unter der Aufzählung „TP nach Durchführung des Bauvorhabens“ angegebenen Tierplatzzahlen beschränkt (Ziffer II. 2.). Weiter sei zwischen Stallgebäude und Güllelagerbehälter ein funktionssicherer Geruchsverschluss einzubauen (Ziffer II. 10.), der Güllebehälter in geschlossener Bauweise zu errichten (Ziffer II. 11) und müssten lärmerzeugende Anlagen, Aggregate und Einrichtungen dem Stand der Lärmschutztechnik entsprechend errichtet, gewartet und betrieben werden (Ziffer II. 16.). Schließlich habe die Verladung von Rindern unter Beachtung der Nacht- und Ruhezeiten zu erfolgen (Ziffer II. 17.) und pneumatisch beschickte Futtermittellager seien mit Stauabscheidern auszustatten, wenn der Staubgehalt der austretenden Abluft den Wert von 20mg/m³ überschreite (Ziffer II. 18.). In den Gründen war unter IV. im Wesentlichen ausgeführt, dass die Genehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO erfolge und daher der Bauantrag nur auf Übereinstimmung mit den dort genannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften überprüft worden sei.
11
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 26. Juni 2019 Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass sich das Vorhaben nach § 34 BauGB beurteile, der Beklagte aber ausweislich der Behördenakte das gesamte Gebiet um das Grundstück des Beigeladenen herum fälschlicherweise als Dorfgebiet einstufe. Diese pauschalierte Annahme verbiete sich, vielmehr sei die im Laufe der Zeit entwickelte Struktur des Gebietes differenzierter zu behandeln. Die Grundstücke des Klägers befänden sich in einem faktischen reinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO, für ein Dorfgebiet spreche dort nichts mehr. Da sich die Grundstücke des Klägers nicht im selben faktischen Baugebiet wie das Vorhabengrundstück des Beigeladenen befänden, könne sich eine Rechtsverletzung nur auf Grund des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergeben. Nach dieser Vorschrift seien die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen, aber auch, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebietes dort selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien. Ein reines Wohngebiet sei besonders schutzwürdig, weswegen sich die Heranziehung der „Abstandsregelung für Rinderhaltungen“ der Arbeitspapiere des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ verbieten würde. Vielmehr sei unter dem Aspekt der Konfliktbewältigung von den besonderen Umständen des Einzelfalles auszugehen. Gemessen daran sei die Baugenehmigung rechtswidrig, weil der Beklagte die berechtigten Interessen des Klägers überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe. Auch verfüge die Baugenehmigung über keinerlei Nebenbestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft vor unzulässigen Immissionen nach der geltenden TA-Lärm. Die Verdreifachung des Viehbestandes gehe zwangsläufig mit erhöhten Lärmimmissionen einher.
12
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2019 aufzuheben.
13
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Zur Begründung führt er aus, dass von der Kreisstraße … … (FlNr. …*) gesehen nach Osten das Dorfgebiet nicht wie von Klägerseite dargestellt mit der Flucht des Betriebes des Beigeladenen ende. Entlang der dortigen Kreisstraße … … (FlNr. **) befänden sich neben den Wohnhäusern diverse andere Gebäude wie Scheunen, Unterstellhallen, und so weiter, sowie kurz vor Ortsende eine Gemeinschaftshalle der … Insgesamt könne nicht für jede Ansammlung weniger Wohnhäuser eine eigene Gebietseinstufung getroffen werden, vielmehr werde das Geviert zwischen den Kreisstraßen … … und … … deutlich durch aktive und ehemalige landwirtschaftliche Hofstellen bzw. vorhandene ähnliche Nutzungen als Unterstellhallen etc. einheitlich als Dorfgebiet geprägt. Ein ausgewogenes Mischungsverhältnis der gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO erlaubten Nutzungen sei in einem Dorfgebiet nicht erforderlich. Auch die zum klägerischen Anwesen grenzständige Scheune auf der FlNr. … könne durchaus als prägend eingestuft werden. Damit seien die Grundstücke der Kläger auch einem Dorfgebiet zuzuordnen, allerdings nur deren nördlicher, bebauter Bereich. Der südliche Bereich der Grundstücke sei dem Außenbereich zuzuordnen. Gegenstand der Baugenehmigung sei die Errichtung eines Bullenmaststalls, der mit 144 männlichen Rindern im Alter von 1 bis 2 Jahren bestückt werden solle. Zusätzlich befinde sich auf dem Grundstück des Beigeladenen ein weiteres Stallgebäude, in welchem 36 Kälber bis 6 Monate und 36 männliche Rinder im Alter von 0,5 bis 1 Jahr gehalten würden. Damit erhöhe sich entsprechend der Betriebsbeschreibung der Gesamtbestand von 81,5 Großvieheinheiten (GV) auf 125,6 GV.
15
Zur Beurteilung der Geruchsimmissionen auf die das Bauvorhaben umgebende Wohnbebauung sei die „Abstandsregelung für Rinderhaltungen“ des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ herangezogen worden. Ausgehend von der einschlägigen Abstandskurve für ein Dorfgebiet sei bei einem Tierbestand von 100,8 GV ein Mindestabstand von 20,08 m einzuhalten, ab dem schädliche Umwelteinwirkungen nicht mehr per se zu vermuten seien, sowie ein Abstand von 40,16 m, ab dem keine schädlichen Umwelteinwirkungen mehr vorlägen. Da auf dem Betrieb ein weiteres Stallgebäude vorhanden sei, sei als „worst case“ Betrachtung der Tierbestand beider Ställe addiert worden. Hieraus sei bei einem Gesamttierbestand von 125,6 GV ein Mindestabstand von 22,56 m und ein Abstand von 45,12 m, ab dem keine schädlichen Umwelteinwirkungen mehr vorliegen, erforderlich. Das Wohnhaus des Klägers sei rund 74 m vom Bauvorhaben entfernt, die vorgelagerte Terrasse 70 m. Schädliche Umwelteinwirkungen seien demnach nicht zu vermuten.
16
Der Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten verwiesen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung und der Augenscheinnahme am 16. April 2021 wird auf die Sitzungsniederschrift sowie die gefertigten Lichtbilder Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
19
1. Die Klage ist unbegründet und damit abzuweisen, weil der dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigungsbescheid vom 21. Mai 2019 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
20
Eine Anfechtungsklage hat nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nämlich nur dann Erfolg, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Dafür genügt nicht die objektive Verletzung einer Rechtsnorm. Die Rechtsverletzung muss sich aus einer Norm ergeben, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, s. BayVGH, B.v. 23.6.2017 - 15 ZB 16.920 - BayVBl 2019, 596 Rn. 8). Zudem müssen die als verletzt gerügten Normen Teil des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren sein, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 140. EL Februar 2021, Art. 66 Rn. 537).
21
Eine Verletzung drittschützender Normen des Prüfprogramms durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung scheidet aus. Das Prüfprogramm bemisst sich vorliegend nach Art. 59 BayBO (vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren), da der durch den Beigeladenen geplante Bullenmaststall mit Güllebehälter und die Getreidelagerhalle keine Sonderbauten im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO sind.
22
a) Es liegt kein Verstoß gegen die gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 29 - 38 BauGB vor. Das Vorhabengrundstück des Beigeladenen liegt in einem faktischen Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO. Die durch den Beigeladenen vorgesehene landwirtschaftliche Nutzung seiner Bauvorhaben im Sinne des § 201 BauGB ist in einem Dorfgebiet gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO grundsätzlich zulässig. Das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme wird durch das Vorhaben nicht verletzt.
23
aa) Das Vorhabengrundstück des Beigeladenen ist im Ganzen noch im Innenbereich belegen und in Übereinstimmung mit den Beteiligten nicht nach § 35 BauGB zu beurteilen, obschon dies zum selben Ergebnis führen würde. Der Innenbereich definiert sich nach § 34 Abs. 1 BauGB als im Zusammenhang bebauter Ortsteil. Der Bebauungszusammenhang reicht dabei soweit, wie eine tatsächlich vorhandene Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (BayVGH, U.v. 31.10.2013 - 1 B 13.794 - juris Rn. 13), wobei das geplante Vorhaben, dessen Zulässigkeit zu bestimmen ist, außer Betracht bleibt (schon BVerwG, U.v. 6.12.1967 - IV C 94.66 - juris Rn. 27). Ein Ortsteil ist in Abgrenzung von einer Splittersiedlung jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organisch gewachsenen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, U.v. 30.6.2015 - 4 C 5.14 - NVwZ 2015, 1767 Rn. 11). Unter Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind in einem Dorfgebiet dabei nicht nur Gebäude zu zählen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, sondern auch landwirtschaftliche Gebäude (Spannowsky in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.8.2020, § 34 Rn. 17.2). Die Entscheidung, ob ein Bebauungszusammenhang gegeben ist, ist auf Basis einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Bewertung zu treffen (Spannowsky a.a.O., § 34 Rn. 22).
24
Gemessen an diesem Maßstab ist das Grundstück des Beigeladenen in Gänze, auch soweit das bislang unbebaute nach Osten liegende Drittel, in welchem das Bauvorhaben errichtet werden soll, betroffen ist, dem Innenbereich zuzuordnen. Es ist ausweislich der Luftbilder des BayernAtlas sowie der gerichtlichen Inaugenscheinnahme zum einen von Norden und Westen in die bestehende Bebauung … vor allem aus Wohnhäusern und (ehemaligen) landwirtschaftlichen Hofstellen eingefasst, wobei die westlich des Vorhabengrundstücks anschließende Straße … … (FlNr. …*) aufgrund ihrer beidseitigen Bebauung keine trennende Wirkung hat (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.1988 - 4 B 19/88 - NVwZ-RR 1989, 7; OVG SH, B.v. 20.8.2015 - 1 LA 20/15 - KommJur 2016, 78 Rn. 7). Im Süden schließt sich, getrennt durch die schmale Stichstraße FlNr. …, zum einen das Fahrsilo des Beigeladenen selbst auf FlNr. …, sowie weiter südlich die zweite Hofstelle des Landwirts … (FlNr. …*) an, dessen Grundstück in Ost-West-Richtung etwa parallel zum Beigeladenengrundstück liegt. Außerdem befindet sich südlich des Vorhabengrundstücks und östlich der Kreisstraße … … gelegen weitere Wohnbebauung sowie u.a. eine Schreinerei (FlNrn. …, …, …, …, …*). Demnach ergibt sich das Bild eines von drei Seiten von Bebauung umgebenen und selbst bis auf das östliche Drittel u.a. mit einem Wohnhaus, einem Stallgebäude, einer Scheune und einem leerstehenden Wohnhaus bebauten Grundstücks, welches vom Beginn des Außenbereichs durch die sich östlich anschließende Stichstraße FlNr. … getrennt ist. Das bisher unbebaute östliche Drittel des Beigeladenengrundstücks vermag den Eindruck der Geschlossenheit insofern nicht zu durchbrechen. In diesem Fall spricht eine Regelvermutung für den Innenbereich, die hier nicht widerlegt ist (BayVGH, B.v. 3.2.2014 - 1 ZB 12.468 - juris Rn. 3); im Übrigen ergäbe sich auch aus einer nur mit zwei Seiten an den Innenbereich angrenzenden Lage kein automatischer Umkehrschluss auf § 35 BauGB (Spannowsky in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.8.2020, § 34 Rn. 26; s.a. BVerwG, U.v. 6.12.1967 - IV C 94.66 - juris Rn. 26).
25
bb) Der Gebietscharakter in der näheren Umgebung des Bauvorhabens des Beigeladenen entspricht einem faktischen Dorfgebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO, in dem eine landwirtschaftliche Nutzung sogar in privilegierter Weise zulässig ist.
26
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dienen Dorfgebiete der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Bei dem so beschriebenen Dorfgebiet handelt es sich gleichsam um ein ländliches Mischgebiet, dessen Charakter grundsätzlich nicht von einem bestimmten prozentualen Mischverhältnis der drei Hauptnutzungsarten abhängt. Es reicht also aus, dass wenigstens noch eine Wirtschaftsstelle eines landwirtschaftlichen Betriebs neben Wohngebäuden und Gewerbe- oder Handwerksbetrieben vorhanden ist und das Gebiet dörflich prägt (BVerwG, B.v. 4.12.1995 - 4 B 258/95 - NVwZ-RR 1996, 428; BayVGH, B.v. 16.10.2013 - 15 CS 13.1646 u.a. - juris Rn. 20, 23 f.; Karber in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, 25. Ed. 15.3.2021, § 5 Rn. 16).
27
Die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabens im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB, die jedenfalls insoweit berücksichtigt werden muss, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG, B.v. 27.3.2018 - 4 B 60.7 - ZfBR 2018, 479 Rn. 7), entspricht dieser Definition. Zunächst befinden sich auf dem Vorhabengrundstück mit dem bereits errichteten Bullenmaststall im Süden des Geländes sowie der Scheune im Norden Gebäude des aktiven landwirtschaftlichen Betriebs des Beigeladenen. Daneben gibt es noch Wohnbebauung. Die bereits auf dem Baugrundstück vorhandenen Gebäude dürfen bei der Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung herangezogen werden (BVerwG, B.v. 21.6.2007 - 4 B 8/07 - juris Rn. 4). Im durch die südliche Stichstraße FlNr. … und die Kreisstraßen … … (FlNr. …*) und … … (FlNr. **) gebildeten Dreieck - ausgeklammert sind allerdings die FlNrn. … und der südliche Teil der FlNr. … (bereits Außenbereich) - ist neben zahlreichen Wohnhäusern auf der FlNr. … im Norden der landwirtschaftliche Betrieb … ansässig. Ganz im Osten des so beschriebenen Dreiecks befindet sich eine Gemeinschaftshalle der … Südlich des Vorhabengrundstücks und jenseits der schmalen Stichstraße FlNr. …, der hier keine trennende Wirkung innewohnt, befindet sich ein weiterer landwirtschaftlicher Betrieb (* …*), und mit einer Schreinerei (FlNr. …*) und einem Frisör (FlNr. …*) zwei handwerkliche Betriebe. Ebenfalls noch zur näheren Umgebung zählt das südlich kurz nach der Kreuzung der Stichstraße FlNr. … mit der Kreisstraße … … liegende Grundstück FlNr. …, auf dem eine Kfz-Werkstatt mit kleinem Autohaus als gewerbliche Nutzung betrieben wird. Schließlich ist über das Autohaus hinaus jedenfalls auch die erste Reihe der Bebauung auf der westlichen Seite der Kreisstraße … … (FlNr. …*) beginnend im Süden an der Kreuzung mit der Stichstraße FlNr. … bis zur Kreuzung mit der Kreisstraße … … (FlNr. **) im Norden Teil der näheren Umgebung, da die Kreisstraße … … nach dem Eindruck aus der gerichtlichen Inaugenscheinnahme keinen trennenden Charakter hat. Dort befindet sich vornehmlich Wohnbebauung, an der nördlichen Kreuzung aber auch das Gasthaus und die Metzgerei … Damit entspricht die Eigenart der näheren Umgebung dem in § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO definierten Dorfgebiet, da sich sowohl Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe - die des Beigeladenen und des Betriebs … - und Wohnbebauung finden, als auch der Gebietsversorgung dienende Handwerksbetriebe wie den Frisör und die Metzgerei. Die Schreinerei ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte jedenfalls als nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb einzuordnen (vgl. BayVGH, B.v. 2.11.2004 - 20 ZB 04.1559 - NVwZ-RR 2005, 602, 603; Karber in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, 25. Ed. 15.3.2021, § 5 Rn. 86), ebenso das Autohaus. Selbst wenn man über die eben getroffene Einordnung der näheren Umgebung diese großzügiger fasste und noch die durch die Staatsstraße … und die Kreisstraßen … … und … … gerahmten Areale bis zum Beginn des Außenbereichs sowie die nördlich davon bis zur optischen Begrenzung durch die Linie FlNr. … stehende Bebauung einbeziehen würde, ergäbe sich kein anderer Gebietscharakter. Die dort nach Aktenlage befindlichen Nutzungen halten sich nämlich allesamt im Rahmen des durch § 5 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO Vorgegebenen.
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cc) In einem faktischen Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO sind Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe nicht nur gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig, sondern sogar durch § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, wonach auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen ist, insbesondere geschützt. Unter den Begriff der Wirtschaftsstelle fallen alle dem landwirtschaftlichen Betrieb dienende bauliche Anlagen, u.a. auch das durch den Beigeladenen geplante Stallgebäude, der Güllebehälter und das Getreidelager (Karber in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, 25. Ed. 15.3.2021, § 5 Rn. 49).
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dd) Das genehmigte Bauvorhaben des Beigeladenen verletzt auch nicht das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, auf welches sich im Grundsatz auch der Kläger mit seinem ebenfalls im faktischen Dorfgebiet befindlichen Grundstück FlNr. …, welches mit einem Wohnhaus bebaut ist, berufen kann. Entgegen des klägerischen Vortrages befindet sich sein Grundstück FlNr. … nicht in einem vom Dorfgebiet separierten, faktischen reinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. Eine derart kleinteilige Parzellierung des grob von der Stichstraße FlNr. … und den Kreisstraßen … … und … … eingefassten Gebietes unter Hinzunahme der nördlich der klägerischen Grundstücke liegenden Bebauung findet keine Rechtfertigung in der Gebietstopographie. Insbesondere die Stichstraße FlNr. … trennt nach dem Eindruck der Inaugenscheinnahme die links und rechts neben ihr liegende Bebauung nicht voneinander ab. Vielmehr bilden die Kreisstraßen … … und … … eine sowohl das Vorhabengrundstück als auch das Wohngrundstück FlNr. … erfassende Klammer. Auch hinsichtlich des jedenfalls in seinem südlichen Abschnitt bereits dem Außenbereich zuzuordnenden unbebauten Gartengrundstücks FlNr. … ist der Kläger vom Schutzbereich des Gebots der Rücksichtnahme erfasst, da dieses dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO entsprechend - (…) im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung (…) - auch außerhalb des faktischen Baugebiets liegende Grundstücke erfasst.
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Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist eine grundsätzlich nach den §§ 2 bis 14 BauNVO zulässige Anlage im Einzelfall unzulässig, wenn von ihr Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Störungen können insbesondere durch die Einwirkung von Immissionen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG auftreten, hier insbesondere durch Geruchs- und Lärmimmissionen des geplanten Bullenmaststalls mitsamt Güllebehälter. Hinsichtlich des Maßstabes für die (Un-)Zumutbarkeit von Störungen des Vorhabens des Beigeladenen ist jedoch vorauszuschicken, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Belange landwirtschaftlicher Betriebe einschließlich deren Entwicklungsmöglichkeiten in einem Dorfgebiet vorrangig berücksichtigt. Konkret bedeutet dies, dass in einem Dorfgebiet der Schutz des Wohnens wegen der den landwirtschaftlichen Betrieben zukommenden Vorrangstellung eingeschränkt ist. Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Beeinträchtigungen sind insoweit gebietstypisch und daher in der Regel von der dort vorhandenen Wohnnutzung hinzunehmen. Das bezieht sich auf alle landwirtschaftlichen Emmissionen wie etwa solche aus der Tierhaltung herrührende, aber etwa auch auf Traktor- und Maschinengeräusche oder die Bewegungsgeräusche von Stall- und Scheunentoren (stRspr des BayVGH: B.v. 23.2.2021 - 15 CS 21.403 - juris Rn. 83; B.v. 10.8.2020 - 1 CS 20.1440 - juris Rn. 7; B.v. 4.9.2019 - 1 ZB 17.662 - juris Rn. 5; B.v. 3.2.2017 - 9 CS 16.2477 - juris Rn. 20; B.v. 3.5.2016 - 15 CS 15.1576 - juris Rn. 23; U.v. 12.7.2004 - 25 B 98.3351 - juris Rn. 30).
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Unter Berücksichtigung dessen kann zur Orientierung, ab wann Geruchsimmissionen durch Rinderhaltung unzumutbar im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind, mangels verbindlicher (unter-)gesetzlicher Regelungswerke, siehe etwa den Ausschlusstatbestand in Nr. 1 der TA Luft für Geruchsimmissionen, unter anderem die Abstandsregelung für Rinderhaltungen des Bayerischen Arbeitskreises für „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“, Kap. 3.3.2, Stand 03/2016, herangezogen werden (BayVGH, B.v. 4.12.2019 - 15 CS 19.2048 - juris Rn. 24). Daran gemessen liegt das klägerische Wohngebäude auf der FlNr. … entfernungsmäßig selbst dann jenseits der Unbedenklichkeitsgrenze des genannten Regelwerks, wenn man wie der Beklagte aus Vorsichtsgründen den Rinderbestand sowohl aus dem bereits auf dem südlichen Grundstücksteil des Beigeladenen vorhandenen und betriebenen Rinderstall als auch den neu hinzukommenden Rinderbestand im Rahmen des Bauvorhabens, insgesamt 125,6 Großvieheinheiten [GV] (24,8 GV [Bestandsstall] + 100,8 GV [Vorhabenstall]), ansetzt. Dann liegt der Korridor, innerhalb dessen zunächst eine Einzelfallprüfung vorzunehmen wäre, in einem Dorfgebiet zwischen 25,56 m als Mindestabstand - unterhalb dessen wäre eine schädliche Umwelteinwirkung zu vermuten - und 45,12 m, ab dem keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf die Wohnbebauung mehr vorliegen (S. 5 der Abstandsregelung für Rinderhaltungen). Das Wohnhaus des Klägers liegt vom geplanten Bullenmaststall über 60 m weit entfernt und damit deutlich außerhalb der 45,12 m-Grenze. Dazu tritt, dass die vom Beklagten vorgenommene „Worst case“-Betrachtung zwar aus behördlicher Sicht zur Absicherung der Entscheidung zur Erteilung der Baugenehmigung zweckmäßig war, jedoch nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und unter Heranziehung der Abstandsregelung für Rinderhaltungen (s.o.) zur Wahrung des Rücksichtnahmegebots nicht einmal zwingend erforderlich gewesen wäre. Denn hiernach kann sogar auf die Prüfung der Vorbelastung aus ebenfalls einer Rinderhaltung verzichtet werden, wenn der für das zu prüfende Vorhaben ermittelte Abstand zur Wohnbebauung oberhalb der oberen Kurve liegt und das Bestandsvorhaben mit seinem Mindestabstand zur Wohnbebauung wenigstens oberhalb der unteren Kurve liegt. Dem wäre hier so, da bei isolierter Betrachtung des Bauvorhabens des Beigeladenen bei 100,8 GV oberhalb eines Abstandes von 40,16 m keine schädlichen Umwelteinwirkungen mehr zu befürchten wären und der Bestandsstall mit 24,8 GV sogar noch weiter vom klägerischen Wohnhaus entfernt ist. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Tatsache, dass zusätzlich der landwirtschaftliche Betrieb … (ebenfalls Rinderhaltung) auf der FlNr. … gebietsansässig ist, da dieser nach einer BayernAtlas-Messung etwa 140 m entfernt liegt. Nach alldem kann keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu Lasten der klägerischen Wohnbebauung FlNr. … aufgrund von Geruchsimmissionen als Auswirkung der Tierhaltung durch den Beigeladenen angenommen werden. Dasselbe Ergebnis gilt hinsichtlich des nach eigenen Angaben derzeit als Gartengrundstück genutztes Grundstücks FlNr. … Da es keine Wohnbebauung aufweist, fällt es nicht unter den Anwendungsbereich der Abstandsregelung für Rinderhaltungen in Dorfgebieten des Bayerischen Arbeitskreises für „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“. Diesbezüglich muss der Kläger auf seinem Freizeitgrundstück in einem Dorfgebiet gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (s. bereits oben) eine etwaige Geruchsbelastung der Rinderhaltung des Beigeladenen hinnehmen, noch dazu der für die Wohnbebauung relevante 45,12 m-Radius nur den vorderen, zum Beigeladenen zeigenden Teil des Gartengrundstücks FlNr. … erfassen würde.
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Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass der Beklagte zu seinem Schutze hätte Vorgaben der TA Lärm in den Baugenehmigungsbescheid als Nebenbestimmung aufnehmen müssen, dringt er damit nicht durch. Die TA Lärm ist ausweislich ihrer Nr. 1 Abs. 1 Buchst c auf immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen schon gar nicht anwendbar (BayVGH, B.v. 3.5.2016 - 15 CS 15.1576 - juris Rn. 23); das bauliche Vorhaben des Beigeladenen bedarf nach der 4. BImSchV keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Dies schließt zwar nicht aus, die auf Gewerbelärm zugeschnittene TA Lärm im Einzelfall auch auf von landwirtschaftlichen Betrieben herrührenden Lärm anzuwenden, wenn die Geräuschimmissionen ihrer Art nach gewerblichen Emissionen entsprechen. Doch ist das weder zwingend noch ist hier ansatzweise vorgetragen oder ersichtlich, dass die Geräuschimmissionen des landwirtschaftlichen Betriebs des Beigeladenen hier ausnahmsweise ihrer Art nach gewerblichen Emissionen entsprechen könnten. Ebenso wenig kommt es auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts, § 3 Abs. 1 BImSchG, und auf dessen materiell-rechtliche Maßstäbe, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen an (BayVGH a.a.O. Rn. 24 und BayVGH, B.v. 4.9.2019 - 1 ZB 17.662 Rn. 6). Damit bleibt es beim Grundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, dass der Kläger die vom landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen üblicherweise ausgehenden Lärm-Beeinträchtigungen als gebietstypisch hinzunehmen hat.
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b) Verstöße gegen drittschützende und im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b und c BayBO zu prüfende bauordnungsrechtliche Vorschriften sind anhand des klägerischen Vortrags und der Aktenlage nicht ersichtlich. Die durch den Beigeladenen beantragte und gewährte Befreiung von Art. 6 BayBO zum nördlichen Nachbargrundstück FlNr. … nach Art. 63 BayBO, die gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO auch Teil des Prüfprogramms ist, berührt den Kläger mangels Berechtigung an diesem Grundstück nicht als Nachbar.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem der Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten ersetzt erhält, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.