Inhalt

VG München, Urteil v. 12.03.2020 – M 24 K 19.560
Titel:

Erfolglose Feststellungsklage der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit

Normenketten:
LuftSiG § 7 Abs. 1a S. 4 Nr. 4
VwGO § 74, § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5, § 117 Abs. 5, § 124, § 124a Abs. 4
LuftSiZÜV § 5 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Entscheidung der Luftsicherheitsbehörde über die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit der überprüften Personen unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Der Behörde steht kein Beurteilungsspielraum zu. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vorlage punktueller Laborbefunde ist keinesfalls geeignet, um Zweifel in Hinblick auf Alkoholabhängigkeit bzw. Alkoholmissbrauch auszuräumen. Zuverlässigkeitszweifeln im Hinblick auf Alkoholabhängigkeit oder Alkoholmissbrauch kann nur durch die Beibringung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung begegnet werden. Die Ermittlung und Bewertung anamnestischer und aktuell vorliegender (sozial-)medizinischer Gegebenheiten setzt psychologischen Sachverstand voraus, eine bloß medizinische (körperliche) Untersuchung kann Alkoholabhängigkeit weder belegen noch verneinen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erfolglose Verpflichtungsklage, kein Anspruch auf Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit, Verdacht auf Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauch, Zuverlässigkeitszweifel nicht ausgeräumt, erforderliches medizinisch-psychologisches Gutachten nicht beigebracht, punktuelle Laborbefunde nicht ausreichend, Feststellung, Haarprobe, Konsum, Psychiatrie, Spielsucht, Zustellung, Zweifel, luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit, Alkoholmissbrauch
Fundstelle:
BeckRS 2020, 9744

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit.
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Der Kläger war seit 2013 als Luftsicherheitsassistent im Sicherheitsbereich des Flughafens … beschäftigt. Mit Bescheid vom 4. Juli 2013 stellte das Luftamt Südbayern des Beklagten (Luftamt) die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit mit Gültigkeit bis zum 3. Juli 2018 fest.
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Am 6. Juli 2018 wurde dem Luftamt vom Arbeitgeber des Klägers im Rahmen der Informationspflicht gemäß § 7 Abs. 9 Satz 1 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) mitgeteilt, dass im Rahmen eines Arbeitsgerichtsprozesses den Kläger betreffende Erkenntnisse bezüglich eventueller psychischer Probleme, Spielsucht, finanzieller Probleme und der Einnahme verbotener Substanzen bekannt geworden seien.
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Am 13. Juli 2018 stellte der Kläger einen Antrag auf Zuverlässigkeitsüberprüfung im Rahmen der Wiederholungsüberprüfung. Anlässlich dieses Verfahrens holte das Luftamt beim Arbeitgeber des Klägers weitere Informationen in Bezug auf das arbeitsgerichtliche Verfahren, das eine arbeitgeberseitige krankheitsbedingte Kündigung des Klägers zum Gegenstand hatte, ein. Dabei ergaben sich aus verschiedenen vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen verschiedene psychiatrische Diagnosen, darunter Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung, psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen (schädlicher Gebrauch), pathologisches Spielen, schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen. Außerdem wurde bekannt, dass der Kläger im Zeitraum von 11. August bis 4. September 2016 in einer psychiatrischen Klinik stationär behandelt worden war.
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Mit Schreiben vom 9. August 2018 forderte das Luftamt daher den Kläger auf, weitere Unterlagen vorzulegen, u.a. ein aktuelles fachärztliches Gutachten zur Bewertung der bekannt gewordenen Diagnosen. Der Kläger legte daraufhin mit Schriftsatz vom 17. September 2018 u.a. ein psychiatrisches Gutachten vom 10. September 2018 des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie … … … … vor (Behördenakte Blatt 58 ff.). Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass aus aktueller psychiatrischer Sicht eine Remission der beschriebenen Krankheitsbilder festzustellen sei. Im Hinblick auf den möglichen Konsum schädlicher Substanzen weist der Gutachter darauf hin, dass aktuell keine Befunde bezüglich Blutuntersuchungen oder eines Drogenscreenings vorlägen, und empfiehlt insoweit, die Vorlage eines zusätzlichen Drogenscreenings bzw. einer Untersuchung im Hinblick auf Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit.
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Entsprechend der gutachterlichen Empfehlung forderte das Luftamt den Kläger mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 dazu auf, ein chemisch-toxikologisches Gutachten (Haaranalyse) vorzulegen, um einen möglichen Missbrauch bzw. eine Abhängigkeit von Drogen oder Alkohol ausschließen zu können. Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2018 legte der Kläger zwei chemisch-toxikologische Gutachten des Forensisch Toxikologischen Zentrums … vom 13. Dezember 2018 vor. Bei dem Gutachten über die Untersuchung von Haaren auf Drogen und ausgewählte Medikamentenwirkstoffe wurden keine verdächtigen Stoffe festgestellt. Das Gutachten über die Untersuchung von Haaren auf Ethylglucuronid ergab dagegen eine Ethylglucuronid-Konzentration von 46 pg/mg, wobei mit einem sozialen Alkoholkonsum laut Gutachten Konzentrationen im Bereich von 7-30 pg/mg vereinbar sind. In Anbetracht der entnommenen Haarlänge (Abschnitt von 0 bis 3 cm ab Kopfhaut) könne bei einem mittleren Haarwachstum von 1,1 cm pro Monat abgeschätzt werden, dass mit der Analyse etwa ein Zeitraum von 3 Monaten vor der Haarprobenentnahme überprüft worden sei.
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Mit Bescheid vom 21. Januar 2019, zugestellt am 4. Februar 2019, lehnte das Luftamt den Antrag des Klägers auf erneute Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG vom 13. Juli 2018 ab, da insoweit Zweifel bestünden (Nr. 1), entzog dem Kläger die Zutrittsberechtigung zum Sicherheitsbereich des Flughafens … (Nr. 2) und verpflichtete den Kläger zur Rückgabe des Flughafenausweises innerhalb einer Woche seit Zustellung des Bescheides (Nr. 3). Der Kläger habe sich als unzuverlässig im Sinne des LuftSiG erwiesen. Beim Kläger hätten sich wegen des Verdachts der Alkoholabhängigkeit oder des regelmäßigen Alkoholmissbrauchs Zweifel an der Zuverlässigkeit ergeben (§ 7 Abs. 1a Satz 4 Nr. 4 LuftSiG). Die im Gutachten vom 13. Dezember 2018 aufgrund einer Haaranalyse ermittelte Ethylglucuronid-Konzentration liege deutlich, nämlich 50%, über der Schwelle, ab welcher nach Einschätzung des Gutachtens ein chronisch exzessiver Konsum von Alkohol anzunehmen sei. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Ergebnisse der Haaranalyse auf einem Fehler beruhen würden oder verfälscht wären.
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Am 13. März 2019 ließ der Kläger gegen diesen Bescheid Klage erheben. Er beantragt,
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1. Der Bescheid des Beklagten wird aufgehoben.
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2. Die persönliche Zuverlässigkeit des Klägers wird festgestellt.
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Zur Begründung ließ der Kläger ein weiteres Gutachten des Forensisch Toxikologischen Zentrums München vom 22. Januar 2019 auf Basis einer weiteren Haarprobe vorlegen, aus dem sich eine Ethylglucuronid-Konzentration von 30 pg/mg ergibt. Eine Konzentration im Bereich von 7-30 pg/mg sei mit einem sozialen Konsum von Alkohol vereinbar, sodass nunmehr eine neue Bewertung der Zuverlässigkeit des Klägers geboten sei. Der Kläger erkläre sich die übermäßig hohe Belastung seiner Haare mit Ethylglucuronid damit, dass er in dem durch die Überprüfung erfassten Zeitraum von 3 Monaten vor der Haarprobenentnahme wegen der Freistellung von der Arbeit in seiner Freizeit häufig auf dem Oktoberfest gewesen sei und dort deutlich zu tief ins Glas geschaut habe und deutlich zu sehr dem Alkohol zugesprochen habe. Dies werde durch das Ergebnis der zweiten Haarprobe bestätigt, die eine Senkung des maßgeblichen Werts um 16 pg/mg gezeigt habe. Der zuletzt gemessene Wert sei mit einem sozialen Konsum vereinbar. Darüber hinaus habe der Kläger erneut eine weitere Haarprobe in Auftrag gegeben, um nachzuweisen, dass auch der Wert von 30 pg/mg normalerweise unterschritten sei.
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Mit Schriftsatz vom 13. März 2019 erwiderte der Beklagte auf die Klage. Er beantragt,
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Die Klage wird abgewiesen.
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Aufgrund der beiden vorgelegten Gutachten sei keine positive Beurteilung der Zuverlässigkeit möglich. Es bestünden weiterhin Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers gemäß § 7 Abs. 6 LuftSiG. Ob der hohe Wert von 46 pg/mg auf exzessiven Alkoholkonsum zur Oktoberfestzeit zurückzuführen sei, könne nicht beurteilt werden und sei auch nicht relevant. Der neue Wert von nunmehr 30 pg/mg liege genau auf der Grenze zu einem nicht mehr sozial adäquaten Konsum. Zwischen den beiden Haaranalysen liege ein Zeitraum von etwas mehr als einem Monat, sodass ein nicht sozial adäquater Konsum von Alkohol jedenfalls nicht sicher ausgeschlossen werden könne. Eine abschließende Beurteilung könne erst nach Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens vorgenommen werden, welches die Frage beantworten müsse, ob beim Kläger Alkoholmissbrauch bzw. Alkoholabhängigkeit sicher ausgeschlossen werden könne. Mit Schriftsatz vom 4. September 2019 teilte das Luftamt mit, dass entgegen der Ankündigung des Klägers keine weitere Haaranalyse vorgelegt worden sei und an der Erforderlichkeit eines psychiatrischen Gutachtens festgehalten werde.
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In der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2019 erklärten sich die Parteien übereinstimmend mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden. Der Beklagte räumte dem Kläger in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit ein, beim Luftamt bis spätestens 31. Januar 2020 ein psychologisches Gutachten zur der Frage vorzulegen, ob beim Kläger eine Alkoholabhängigkeit oder ein regelmäßiger Alkoholmissbrauch ausgeschlossen werden kann, und sicherte zu im Fall der fristgerechten Vorlage eines solchen Gutachtens bis zum 29. Februar 2020 darüber zu entscheiden, ob der streitgegenständliche Bescheid vom 21. Januar 2019 aufgehoben werde.
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Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2020 legte der Bevollmächtigte des Klägers eine gutachterliche Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin und hausärztliche Versorgung Dr. … … mit Datum 23. Januar 2019 (sic!) vor. In dem Gutachten zitiert der Internist das psychiatrische Gutachten von Dr. … …n vom September 2018, in dem im Wesentlichen festgestellt worden sei, dass der Kläger einmal während einer persönlichen Lebenskrise Alkohol in erhöhten Mengen konsumiert habe. Die weitere psychologische bzw. neurologische Beurteilung ergebe keinen Hinweis auf eine relevante körperliche/internistische Schädigung durch vermehrten Alkoholkonsum. Der Kläger habe im ausführlichen Gespräch im November 2019 und Dezember 2019 offen über seine Probleme gesprochen, den erhöhten Alkoholkonsum zugegeben und die verschiedenen Faktoren weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt. Zur genaueren Kontrolle seien am 12. November und am 18. Dezember 2019 Laborparameter entnommen worden. Hier sei führend der CTD-Wert zu nennen, der in beiden Messungen weit unterhalb des Referenzbereiches bzw. im Normbereich liege und damit relevanten Alkoholkonsum innerhalb der letzten Monate als extrem unwahrscheinlich erscheinen lasse. Die übrigen Parameter, insbesondere die Leberwerte GOT, GPT, Gamma-GT, zeigten völlig normale Werte, ebenso die Indices des roten Blutbildes mit MCH und MCV. In der Zusammenfassung aller internistischen Faktoren gebe es keinen Hinweis auf einen relevanten Alkoholkonsum. Sollten weiterhin Zweifel an einem relevanten Alkoholkonsum bestehen, könne zum Beispiel der CTD Wert alle 3 Monate kontrolliert werden über einen Zeitraum von insgesamt 12 Monaten. Zeigten sich dann konsequent normale Werte, sei ein relevanter Alkoholkonsum so gut wie ausgeschlossen.
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Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2020 äußerte sich das Luftamt zu der vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme und wies darauf hin, dass eine psychologische Begutachtung nicht vorgenommen worden sei. Der Stellungnahme könne außerdem entnommen werden, dass der Kläger in den Gesprächen im November und Dezember 2019 einen erhöhten Alkoholkonsum eingeräumt habe. Auf diesen Punkt werde nicht weiter eingegangen, vielmehr werde dieser bei der abschließenden Bewertung außen vor gelassen. Soweit kein Hinweis auf einen relevanten Alkoholkonsum festgestellt worden sei, aber gleichwohl ein Beispiel für weitere Kontrollmaßnahmen zum Überprüfung des Alkoholkonsums angeführt werde (Kontrolle des CTG-Werts alle 3 Monate in einem Zeitraum von 12 Monaten), lasse sich daraus schließen, dass durch die Angaben des Gutachters keine konkrete Aussage zum sicheren Ausschluss einer Alkoholabhängigkeit oder eines regelmäßigen Alkoholmissbrauchs getroffen werden könne. Die Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit bestünden fort, der streitgegenständliche Bescheid werde aufrechterhalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage bleibt ohne Erfolg.
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1. Das Gericht konnte ohne weitere mündliche Verhandlung über die Streitsache entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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2. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 Var. 1) zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben (§ 74 VwGO), aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit (§ 113 Abs. 5 VwGO).
22
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist unter Berücksichtigung des einschlägigen materiellen Rechts der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da Streitgegenstand der Anspruch des Klägers auf Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit ist.
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2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit ist § 7 LuftSiG.
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Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG hat die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit von Personen, denen zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nicht nur gelegentlich Zugang zum Sicherheitsbereich des Geländes eines Flugplatzes im Sinne des § 8 LuftSiG oder zu einem überlassenen Bereich des Luftfahrtunternehmens im Sinne des § 9 LuftSiG gewährt werden soll, zu überprüfen. Die Anforderungen an die Zuverlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift werden in § 7 Abs. 1a LuftSiG und § 5 Abs. 1 LuftSiZÜV (Luftsicherheits-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung) konkretisiert. Gemäß § 7 Abs. 1a LuftSiG bewertet die Luftsicherheitsbehörde die Zulässigkeit des Betroffenen aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LuftSiZÜV ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn daran Zweifel verbleiben. Es ist also nicht erforderlich, explizit eine Unzuverlässigkeit festzustellen, vielmehr genügen bloße Zweifel an der Zuverlässigkeit, um eine solche nicht (mehr) festzustellen. Umgekehrt folgt daraus, dass zuverlässig im Sinne dieser Normen nur ist, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotenzials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Daher ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn an ihr auch nur geringe Zweifel bestehen (BVerwG U.v. 15.7.2004 - 3 C 33/03 - BVerwGE 121, 257, Leitsatz 2, juris).
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Die Entscheidung der Sicherheitsbehörde über die Zuverlässigkeit der überprüften Personen unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Der Behörde steht kein Beurteilungsspielraum zu (Meyer in Grabherr/Reidt/Whysk, Luftverkehrsgesetz Kommentar, Stand Januar 2019, LuftSiG § 7 Rn. 81; BVerwG, U.v. 15.7.2004 - 3 C 33/03 - juris Rn. 16).
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2.2. Im vorliegenden Fall sind Regeltatbestände im Sinne von § 7 Abs. 1a Satz 2 LuftSiG, bei denen es regelmäßig an der erforderlichen Zuverlässigkeit des Betroffenen fehlt, nicht einschlägig.
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2.3. Zu Recht ist der Beklagte aber davon ausgegangen, dass sonstige Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich im Rahmen der Gesamtwürdigung des Einzelfalles Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers ergeben und zwar in Form des Verdachts auf Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauchs (§ 7 Abs. 1a Satz 4 Nr. 4 LuftSiG).
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2.3.1. Im vorliegenden Fall ergeben sich aus dem chemisch-toxikologischen Gutachten vom 13. Dezember 2018, welches einen Ethylglucuronid-Wert von 46 pg/mg aufweist, tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauch. Laut dem Gutachten sind Konzentrationen im Bereich von 7-30pg/mg mit einem sozialen Konsum vereinbar. Der beim Kläger in diesem Gutachten ermittelte Wert liegt so erheblich über dem Normalbereich, dass er geeignet ist, Zweifel im Hinblick auf Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauch zu begründen.
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2.3.2. Es ist dem Kläger nicht gelungen, diese Zweifel an seiner Zuverlässigkeit auszuräumen.
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Das vom Kläger mit der Klagebegründung vorgelegte chemisch-toxikologische Gutachten vom 22. Januar 2019 ist weder für sich genommen noch im Zusammenspiel mit dem zuletzt vorgelegten internistischen Gutachten vom 23. Januar 2019 (gemeint: 2020) geeignet, diese Zweifel zu beseitigen. Der im chemisch-toxikologischen Gutachten vom 22 Januar 2019 ermittelte Ethylglucuronid-Wert liegt mit 30pg/mg gerade noch in dem Bereich, der mit einem sozialen Konsum vereinbar ist. Eine einmalige Punktlandung am obersten Grenzwert des sozialadäquaten Konsums vermag die aufgeworfenen Zuverlässigkeitszweifel nicht mit hinreichender Sicherheit zu beseitigen. Bezieht man zugunsten des Klägers die im internistischen Gutachten vom 23. Januar 2019 (gemeint: 2020) enthaltenen - im Hinblick auf Alkoholkonsum unauffälligen - Laborwerte mit ein, welche vom 12. November 2019 und vom 18. Dezember 2019 stammen, so kommt der Kläger zwar auf insgesamt drei unauffällige Ergebnisse, eine Beurteilung des klägerischen Alkoholkonsums über einen längeren durchgehenden Zeitraum ermöglichen diese punktuellen Werte jedoch nicht. Zwischen der dem Gutachten vom 22. Januar 2019 zugrunde liegenden Haarprobenentnahme und den dem Gutachten vom 23. Januar 2019 (gemeint: 2020) zugrundeliegenden Blutentnahmen liegt ein Zeitraum von mehr als 10 Monaten, über den keinerlei Erkenntnisse in Bezug auf den Alkoholkonsum des Klägers vorliegen. Der Kläger hat mit der Klagebegründung (Schriftsatz vom 21. März 2019) zwar vorgetragen, erneut eine Haarprobe beim Forensisch Toxikologischen Zentrum in Auftrag gegeben zu haben und das Untersuchungsergebnis vorzulegen, sobald dieses erstellt sein werde. Er hat das angekündigte Gutachten aber nie vorgelegt.
31
Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Luftamt zur Beseitigung der verbliebenen Zuverlässigkeitszweifel die Vorlage eines psychologischen Gutachtens gefordert hat, das der Frage nachgeht, ob beim Kläger - aus psychologischer Sicht - eine Alkoholabhängigkeit oder ein regelmäßiger Alkoholmissbrauch ausgeschlossen werden kann. Das Gericht geht insoweit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) zu Eignungszweifeln wegen Alkoholabhängigkeit im Jagdrecht, die sich wiederum am Fahrerlaubnisrecht orientiert, davon aus, dass die Vorlage punktueller Laborbefunde keinesfalls geeignet ist, um Zweifel in Hinblick auf Alkoholabhängigkeit bzw. Alkoholmissbrauch auszuräumen. Angesichts der allgemeinen Verfügbarkeit und der sozialen Akzeptanz von Alkohol ist die Rückfallgefahr insoweit generell als hoch einzuschätzen. Um diese näher beurteilen zu können, bedarf es nicht nur medizinischen, sondern auch psychologischen Sachverstandes. Zuverlässigkeitszweifeln im Hinblick auf Alkoholabhängigkeit oder Alkoholmissbrauch kann nur durch die Beibringung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung begegnet werden. Im Rahmen einer solchen Untersuchung bedarf es zum Beispiel auch einer Prognose, inwieweit die inneren und äußeren Bedingungen einer Stabilisierung des geänderten Verhaltens nicht entgegenstehen. Die Ermittlung und Bewertung anamnestischer und aktuell vorliegender (sozial-) medizinischer Gegebenheiten setzt psychologischen Sachverstand voraus, eine bloß medizinische (körperliche) Untersuchung kann Alkoholabhängigkeit weder belegen noch verneinen (BayVGH, U.v. 29. 6. 2016 - 21 B 16.527 - juris Rn. 32 ff.; vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 - 11 C 34.94 - juris Rn. 16; BVerwG, U.v. 21.5.2008 - 3 C 32.07 - juris Rn. 15; vgl. auch BayVGH, U.v. 17.11.2015 - 11 BV 14.2738 - DÖV 2016, 227: Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Wiedererteilungsverfahren bei Alkoholproblematik erforderlich).
32
Diesen Anforderungen wird das vorgelegte medizinisch-internistische Gutachten von Dr. … vom 23. Januar 2019 (gemeint: 2020) nicht gerecht. Der begutachtende Hausarzt und Internist verfügt nicht über die fachliche Qualifikation, um die psychologischen Aspekte einer Alkoholabhängigkeit bzw. eines Alkoholmissbrauchs insbesondere im Hinblick auf die Rückfallgefahr beurteilen zu können. Dementsprechend hat der begutachtende Internist bei genauerer Betrachtung seiner Stellungnahme jedenfalls eine eigene psychologische Einschätzung auch nicht vorgenommen, sondern insoweit auf das bereits vorhandene psychiatrische Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. … … vom 10. September 2018 Bezug genommen, in welchem die Frage einer Alkoholabhängigkeit bzw. eines Alkoholmissbrauchs allerdings gerade nicht abschließend beurteilt wurde. Das zuletzt vorgelegte Gutachten des Internisten Dr. … ist somit nicht geeignet, die entstandenen Zweifel bezüglich der Zuverlässigkeit des Klägers im Zusammenhang mit dem Verdacht einer Alkoholabhängigkeit oder des regelmäßigen Alkoholmissbrauchs zu beseitigen.
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Unter Gesamtwürdigung aller Umstände ist das Luftamt daher im vorliegenden Fall zu Recht davon ausgegangen, dass der Verdacht auf eine mögliche Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauch nicht zweifelsfrei ausgeräumt werden konnte. Es bestehen Zweifel daran, ob der Kläger, auch wenn er nach den Laborergebnissen mehrere punktuell unauffällige Laborwerte vorliegen konnte, nicht etwa erneut in Gefahr von Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauch geraten könnte, wenn er arbeitsbedingt oder aus privaten Gründen in eine Situation erheblicher psychischer Belastung gerät. Nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit lässt sich daher nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass er stets das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringt, um auch in kurzfristigen oder länger anhaltenden Stresssituationen dem übermäßigen Alkoholkonsum zu entsagen, um die ihm obliegenden Pflichten zum Schutze des Luftverkehrs jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen.
34
Das Gericht folgt im Übrigen der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheides und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
35
Da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit hat, war die Klage abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).