Titel:
Gewerberechtliche Unzuverlässigeit wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung
Normenketten:
GewO § 35 Abs. 1
InsO § 15a Abs. 4
Leitsätze:
1. Ein Gewerbetreibender ist unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist ein strafrechtlich geahndetes persönliches Fehlverhalten des Gewerbetreibenden Anlass für die Prüfung einer Gewerbeuntersagung, so kann die Prüfung, ob sich der Gewerbetreibende künftig erneut falsch verhalten und damit die Allgemeinheit oder die im Betrieb Beschäftigten gefährden wird, regelmäßig nicht zutreffend beurteilt werden, ohne zum einen die Gründe für das Verhalten des Gewerbetreibenden zu kennen und zum anderen zu berücksichtigen, ob sich der Betreffende der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst war. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erweiterte Gewerbeuntersagung, Unzuverlässigkeit, Gewerbebezogene Straftat, erweiterte Gewerbeuntersagung, Insolvenzverschleppung, Strafbefehl, Straftat
Fundstelle:
BeckRS 2020, 9742
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
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Zum 9. August 2016 zeigte der Kläger bei der Beklagten die Ausübung des Gewerbes „Vermittlung von Geschäftskontakten (ausgenommen erlaubnispflichtige Tätigkeiten, z.B. Immobilien- oder Darlehensvermittlung usw.), An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen (gebraucht)“ an.
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Mit Schreiben vom 6. Juni 2018 teilte die Staatsanwaltschaft München I der Beklagten mit, dass der Kläger mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 29. März 2018, rechtskräftig seit 21. April 2018, wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 Insolvenzordnung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,- Euro verurteilt wurde. Der Verurteilung liegt nach den Feststellungen des Amtsgerichts München zugrunde, dass der Kläger vom 2. Dezember 2014 bis 17. April 2015 einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH war, die spätestens seit 28. Februar 2015 zahlungsunfähig war. Dem Kläger sei dies bekannt gewesen, da zu diesem Zeitpunkt Verbindlichkeiten gegenüber zweier Gläubiger in Höhe von insgesamt 19.904,34 Euro zur Zahlung fällig gewesen seien und auf den Geschäftskonten der GmbH keine ausreichenden Mittel zur Tilgung der fälligen Verbindlichkeiten vorhanden gewesen seien. So seien die Konten der GmbH zum 28. Februar 2015 mit - 6.443,83 Euro im Minus gewesen, die Summe der liquiden Mittel der GmbH habe 3,05 Euro und die Verbindlichkeiten hätten 28.850,- Euro betragen. Zum 31. März 2015 habe die GmbH liquide Mittel in Höhe von 2.122,87 Euro und Verbindlichkeiten in Höhe von 28.256,70 Euro gehabt. Der Kläger habe es unterlassen, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen für die von ihm vertretene GmbH Insolvenzantrag zu stellen. Das Amtsgericht München - Insolvenzgericht habe mit Beschluss vom 14. Juli 2016 den Antrag der Techniker Krankenkasse auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse abgewiesen. Einen Eigeninsolvenzantrag habe der Kläger nicht gestellt.
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Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 21. September 2018 zu einer beabsichtigten erweiterten Gewerbeuntersagung an und gab zugleich der Industrie- und Handelskammer Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger nahm am 8. Oktober 2018 Stellung und führte im Wesentlichen aus, er sei nur sechs Wochen Geschäftsführer der GmbH gewesen, in dieser Zeit aber nicht befugt gewesen, Briefe zu öffnen oder sich um den Geschäftsablauf zu kümmern. Er habe kein Gehalt erhalten. Der vorherige und nachfolgende Geschäftsführer der GmbH habe ihm übel mitgespielt und ihm Schaden zufügen wollen. Er sei Familienvater und befürchte, keine Anstellung mehr zu finden, wenn ihm die gewerbliche Tätigkeit untersagt werde. Das Amtsgericht München habe die Umstände, wie die Dauer der Geschäftsführertätigkeit und die fehlenden Handlungsbefugnisse, berücksichtigt und ein mildes Urteil gefällt. Es sei ihm anwaltlich versichert worden, dass die Tat nicht ins Führungszeugnis eingetragen werde und sich damit erledigt habe. Hätte er gewusst, dass ihm das Gewerbe untersagt werde, hätte er gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt.
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Mit Bescheid vom 31. Oktober 2018, zugestellt am 6. November 2018, untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „Vermittlung von Geschäftskontakten (ausgenommen erlaubnispflichtige Tätigkeiten, z.B. Immobilien- oder Darlehensvermittlung usw.), An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen (gebraucht)“ als selbständigem Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe (Nummer 1). Zudem wurde dem Kläger die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt (Nummer 2). Dem Kläger wurde aufgegeben, seine gewerbliche Tätigkeit spätestens zehn Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nummer 3). Für den Fall, dass der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nummer 4). Die Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von 454,98 Euro wurden dem Kläger auferlegt (Nummer 5).
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Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger besitze nicht die zur Ausübung seines Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit. Sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Ausübung eines Gewerbes. Seine Unzuverlässigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass er vorsätzlich einen Insolvenzantrag nicht gestellt habe und deshalb wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung verurteilt worden sei. Es liege der Schluss nahe, dass der Kläger nicht in der Lage sei, für eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung zu sorgen und sich an die bestehende Rechtsordnung zu halten. Bei der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung handele es sich um ein Delikt mit Gewerbebezug für alle Gewerbezweige. Zwar habe der Kläger die Straftat in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der von ihm vertretenen Gesellschaft begangen, jedoch lasse sein Verhalten Rückschlüsse auch auf sein gewerberechtliches Verhalten als Einzelgewerbetreibender zu. Das Vorbingen des Klägers könne die erhobenen Vorwürfe nicht entkräften. Vielmehr habe er zugegeben, nur als Strohmann fungiert zu haben, was als weiterer Unzuverlässigkeitstatbestand zu werten sei. Durch diese Tatsache sowie die der Verurteilung zugrundeliegende Tat beweise der Kläger ein großes Maß an fehlendem Verantwortungsbewusstsein. Eine positive Zukunftsprognose könne daher nicht gestellt werden. Das Schutzinteresse der Allgemeinheit bedinge die Gewerbeuntersagung. Durch die vorsätzliche Insolvenzverschleppung schädige der Kläger nachhaltig das Vermögen seiner Gläubiger, da eine verspätete Insolvenzanmeldung die Haftungsmasse verringere. Die Gewerbeuntersagung sei verhältnismäßig. Nach pflichtgemäßem Ermessen werde die Gewerbeuntersagung erweitert, da der Kläger gewerbeübergreifend unzuverlässig sei und ein Ausweichen auf anderweitige Gewerbetätigkeiten zu erwarten sei. Die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung sei sachgerecht und geboten. Das Interesse des Klägers an der Ausübung einer von der Gewerbeuntersagung erfassten Tätigkeit habe hinter dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit zurückzutreten. Die Frist zur Einstellung des Betriebs sei angemessen. Insbesondere sei sie ausreichend, um dem Kläger eine vernünftige, aber zügige Abwicklung zu ermöglichen. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs erfolge nach Art. 29, 34 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz. Das weniger einschneidende Zwangsgeld verspreche keinen Erfolg.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28. November 2018, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2018 aufzuheben.
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Zur Klagebegründung führt der Kläger mit Schreiben vom 28. Februar 2018 im Wesentlichen aus, er habe den Gesellschaftern der GmbH im Februar 2015 den Gang zur Insolvenzanmeldung angekündigt. Daraufhin habe einer der Gesellschafter mitgeteilt, es würden weitere Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Diese wurden im März 2015 auf das Geschäftskonto der GmbH eingezahlt. Der Liquiditätsengpass im Februar 2015 habe zwar zu Zahlungsverzögerungen geführt, sei aber mit den im März 2015 eingezahlten Mitteln aufgehoben worden. Des Weiteren habe er den Gesellschaftern der GmbH im Februar 2015 mitgeteilt, dass er als Geschäftsführer der GmbH nicht mehr zur Verfügung stehe. Trotz Drängens seinerseits sei der Beschluss aber erst am 17. April 2015 getroffen worden. Den Strafbefehl habe er lediglich aus Kostengründen und um mit der Sache abzuschließen akzeptiert. Da der Strafbefehl ohne mündliche Verhandlung ergangen sei, sei eine Beweisantizipation nicht möglich. Seine Steuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen habe er stets fristgerecht eingereicht. Die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf andere Gewerbe sei unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft, da die Beklagte die für ihn sprechenden Zuverlässigkeitsgründe nicht gewürdigt habe.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung führt die Beklagte mit Schreiben vom 18. Februar 2019 im Wesentlichen aus, die Unzuverlässigkeit des Klägers ergebe sich aus der der strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Tatsache, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH seiner Verpflichtung, innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist einen Insolvenzantrag zu stellen, nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei. Es liege der Schluss nahe, dass der Kläger nicht in der Lage sei, für eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung zu sorgen und sich an die bestehende Rechtsordnung zu halten.
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Mit Beschluss vom 22. Januar 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Das Gericht hat am 10. Februar 2020 zur Sache mündlich verhandelt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhoben. Die Klage ist aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Rechtsgrundlage für die Untersagung des vom Kläger ausgeübten Gewerbes ist § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO). Danach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
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a) Die Beklagte ist zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen.
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Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung ergeben (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
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Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, wie eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
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Aus dem ausschließlich sicherheitsrechtlichen, zukunftsbezogenen Regelungszweck von § 35 GewO folgt, dass es auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden hinsichtlich der die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände nicht ankommt (BVerwG, B.v. 11.11.1996 - 1 B 226/96 - juris). Dies bedeutet aber nicht, dass die die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände bei rechtswidrigem Verhalten des Gewerbetreibenden ausnahmslos in jedem Fall bejaht werden können, ohne dass hierbei die Frage in den Blick genommen würde, inwieweit Pflichtverletzungen vorsätzlich bzw. fahrlässig begangen wurden. Ist ein strafrechtlich geahndetes persönliches Fehlverhalten des Gewerbetreibenden Anlass für die Prüfung einer Gewerbeuntersagung, so kann die Prüfung, ob sich der Gewerbetreibende künftig erneut falsch verhalten und damit die Allgemeinheit oder die im Betrieb Beschäftigten gefährden wird, regelmäßig nicht zutreffend beurteilt werden, ohne zum einen die Gründe für das Verhalten des Gewerbetreibenden zu kennen und zum anderen zu berücksichtigen, ob sich der Betreffende der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst war (BayVGH, B.v. 20.7.2016 - 22 ZB 16.284 - juris).
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Nicht das Strafurteil, sondern das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zu dem Urteil geführt hat, kann eine Gewerbeuntersagung erfordern (BVerwG, B.v. 23.5.1995 - 1 B 78/95 - juris). Die Gewerbebehörden und Verwaltungsgerichte müssen sich selbst davon überzeugen, welcher Sachverhalt einer Strafe zugrunde gelegen hat - wobei sie in der Regel von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts ausgehen dürfen -, und in eigener Verantwortung prüfen, ob die der Bestrafung zugrunde liegenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigen (BVerwG, B.v. 26.2.1997 - 1 B 34/97 - juris). Dabei kann sich die von der Behörde anzustellende Prognose, wonach der Gewerbetreibende auf Grund der für die Vergangenheit festgestellten Verstöße auch für die Zukunft als unzuverlässig gilt, schon auf eine erhebliche gewerbebezogene Straftat stützen (OVG NRW, B.v. 16.6.2016 - 4 B 1401/15 - juris).
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Die Beantwortung der Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO noch entgegengehalten werden dürfen, hat auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu erfolgen, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen sind (BayVGH, B.v. 5.3.2014 - 22 ZB 12.2174 - juris).
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Nach diesen Maßstäben durfte die Beklagte die negative Zukunftsprognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers auf den der Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 Insolvenzordnung (InsO) zugrundeliegenden Sacherhalt, wie er vom Amtsgericht München ermittelt wurde, stützen. Danach ist der Kläger als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, innerhalb von drei Wochen für die von ihm vertretene GmbH einen Insolvenzantrag zu stellen, obwohl ihm bekannt war, dass diese zahlungsunfähig ist. Dieser gewerbebezogene Rechtsverstoß ist geeignet, die Unzuverlässigkeit des Klägers zu begründen. Aus dem Verhalten des Klägers wird deutlich, dass er den finanziellen Vorteil für die von ihm vertretene GmbH über die ihm als Geschäftsführer obliegende Verpflichtung zur unverzüglichen Stellung eines Insolvenzantrags gestellt hat und dabei in Kauf genommen hat, dass den Gläubigern der GmbH aufgrund des Risikos der Verringerung der Haftungsmasse ein erheblicher Schaden entstehen könnte. Dies lässt auf einen Charakter des Klägers schließen, der - obwohl seit Begehung der Tat einige Jahre vergangen sind und sich der Kläger seither nichts mehr zuschulden hat kommen lassen - die negative Zukunftsprognose, wie sie von der Beklagten angestellt wurde, trägt.
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b) Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu untersagen. Ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht des Verhaltens des Klägers, wie es der rechtskräftigen Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zugrunde liegt, war die Untersagung der Gewerbeausübung auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich.
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c) Die Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (BVerwG, B.v. 19.1.1994 - 1 B 5/94 - juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen ex-tremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
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2. Rechtsgrundlage für die Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit ist § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Danach kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
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a) Die Beklagte hat aus überzeugenden Gründen eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit des Klägers angenommen.
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Eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur einen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies ist beispielsweise bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen der Fall (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
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Dass der Kläger nach den Feststellungen des Amtsgerichts München als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, innerhalb von drei Wochen für die von ihm vertretene GmbH einen Insolvenzantrag zu stellen, obwohl ihm bekannt war, dass diese zahlungsunfähig ist, und dabei in Kauf genommen hat, dass den Gläubigern der GmbH aufgrund des Risikos der Verringerung der Haftungsmasse ein erheblicher Schaden entstehen könnte, lässt auf einen Charakter des Klägers schließen, der - obwohl seit Begehung der Tat einige Jahre vergangen sind und sich der Kläger seither nichts mehr zuschulden hat kommen lassen - die Annahme rechtfertigt, dass er ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes oder anderer gewerblicher Tätigkeiten an den Tag legen würde.
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b) Die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten ist auch erforderlich.
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Erforderlich ist die Erstreckung der Gewerbeuntersagung, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende andere gewerbliche Tätigkeiten ausweichen wird. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch ersichtlich.
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c) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO.
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Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO steht im Ermessen der Behörde. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere - nicht ausgeübte - gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff). Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.
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d) Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz in Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (BVerwG, B.v. 12.1.1993 - 1 B 1/93 - juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
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3. Hinsichtlich der Bemessung der Frist zur Einstellung der Gewerbeausübung und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.