Titel:
Erfolglose Asylklage eines Flüchtlings aus Sierra Leone
Normenketten:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4, § 31 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1
GG Art. 16a Abs. 1
Leitsätze:
1. In den größeren Städten Sierra Leones ist es nach der Überzeugung des Gerichts möglich, unbehelligt von nichtstaatlichen Akteuren zu leben; wegen der bestehenden infrastrukturellen Mängel ist nicht ansatzweise erkennbar, wie etwaige Verfolger den Kläger dort auffinden sollten, zumal kein ordnungsgemäßes Zivilregister existiert, so dass es selbst für staatliche Stellen schwierig ist, eine bestimmte Person in einer Großstadt ausfindig zu machen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar sind die Lebensumstände in Sierra Leone äußerst schwierig, gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass es einem jungen arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung möglich sein wird, sich ein Existenzminimum zumindest durch Übernahme von Gelegenheitsjobs zu erarbeiten. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Sierra Leone, Asylanerkennung, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbot, nichtstaatliche Akteure, Geheimbund, Soko Geheimgesellschaft, Ebola, interner Schutz, Existenzminimum
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.04.2020 – 9 ZB 20.30794
Fundstelle:
BeckRS 2020, 9697
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger, ein am … 1998 geborener sierra-leonischer Staatsangehöriger vom Volk der Temme christlichen Glaubens begehrt mit seiner Klage die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und wiederum hilfsweise die Feststellung des Bestehens von Abschiebungsverboten.
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Der Kläger reiste nach eigenen Angaben im Januar 2017 in die Bundesrepublik D. ein und stellte am 24.1.2017 hier einen Asylantrag. Im Rahmen der persönlichen Anhörung beim Bundesamt am 26.4.2017 gab der Kläger an, er habe S. L. im Juli 2016 verlassen und sei auf dem Landweg über G. (3 Tage Aufenthalt), M. (3 Tage), B. F. (3 Tage), N. (3 Tage), L. (2 ½ Monate), It. (einige Wochen) und die Sch.(3 Wochen) am 11.1.2017 in die Bundesrepublik D. eingereist. Vor seiner Ausreise habe er gemeinsam mit seinem Onkel in Fr. gelebt. In seinem Heimatland lebt nach wie vor sein älterer Bruder, zu dem er jedoch keinen Kontakt habe. Er habe 6 Jahre die Schule besucht und habe danach nicht gearbeitet. Sein Onkel habe für ihn gesorgt.
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Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Kläger an, sein Onkel sei im Jahr 2016 an Eb. verstorben. Der Kläger sei aufgrund der Krankheit des Onkels ausgegrenzt worden. Als die Gesundheitspolizei ihm in Quarantäne habe nehmen wollen, sei der Kläger davongelaufen. Er habe Zuflucht in einem Haus eines Geheimbundes gesucht. Die Mitglieder des Geheimbundes hätten ihm dann allerdings nicht mehr erlaubt, das Haus zu verlassen, sondern hätten ihn zwingen wollen, Mitglied in dem Geheimbund zu werden. Der Kläger sei geschlagen und gefesselt worden. Er sei 3 Tage festgehalten worden, dann habe er an einem Initiationsritus teilnehmen müssen. Er habe aus einer Kalabasse Blut trinken müssen, daraufhin hätten sie ihm ein Stück seiner Zunge abgeschnitten und auch in die Hand geschnitten. Dann habe er schwören müssen, die Geheimnisse der Gesellschaft nicht zu verraten. Dies habe er dann auch versprochen. Sie hätten zu ihm gesagt, dass er vier Monate im Busch bleiben müsse. Eine Woche sei er dortgeblieben, dann habe er jedoch eine Gelegenheit gefunden, um zu fliehen. Er habe sein Heimatland verlassen, weil er dort keine Existenzgrundlage mehr gehabt habe. Außerdem habe niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben wollen, weil jeder Angst gehabt hätte, sich auch an Ebola zu infizieren. Schließlich habe er S. L. verlassen, weil er nicht bei diesem Geheimbund Mitglied werden wollte.
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Mit Bescheid vom 5.6.2018, dem Kläger zugestellt am 7.6.2018, versagte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), versagte ihm die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik D. innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle einer Klageerhebung spätestens 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Sollte er die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach S. L. abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Soweit sich der Kläger auf eine potentielle Bedrohung durch den Geheimbund bei der Rückkehr in sein Heimatland berufe, sei er auf die Möglichkeit des Lebens in einer der größeren Städte zu verweisen. Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe es in S. L. viele Menschen, die nicht Mitglied einer Geheimgesellschaft sein. Diese Leute könnten sich insbesondere in den größeren Städten ansiedeln (vergleiche amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 9.1.2017 an das Verwaltungsgericht Augsburg). Der Kläger sei jung und gesund. Bei einer Rückkehr sei es ihm demnach zuzumuten, sich zumindest durch Gelegenheitsjobs eine Existenz zu sichern. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Zur Begründung im Einzelnen wird auf den Inhalt des Bescheides verwiesen.
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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger zunächst persönlich am 12.6.2018 Klage erhoben. Der im Laufe des Verfahrens bevollmächtigte Klägervertreter trug mit Schreiben vom 26.9.2019 vor, dass der Kläger vor seiner Flucht aus S. L. von Mitgliedern der SOKO Geheimgesellschaft verfolgt worden sei. Wenn diese ihn finden würden, dann würden sie ihn töten. Dazu werde verwiesen auf einen Artikel vom 16.9.2015 in der Zeitschrift „The Health Newspaper“. Dort sei ein Artikel „Mohamed Eric Kargbos Life in Danger“ erschienen. Der Klägervertreter legte eine Kopie dieses angeblichen Artikels vor, ohne nähere Angaben darüber zu machen, wann und auf welche Art und Weise der Kläger Kenntnis von diesem Artikel erhielt. Außerdem habe er gemeinsam mit seinem Fußballclub eine Protestaktion gegen Menschenrechtsverletzungen in S. L. durchgeführt und bei dieser Aktion ein Foto aufgenommen, das im Internet veröffentlicht sei und auch in S. L. frei zugänglich sei.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes vom 5.6.2018 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen,
hilfsweise ihm den subsidiären Schutz zuzuerkennen, wiederum hilfsweise das Bestehen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich S. L. festzustellen.
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Für die Beklagte beantragt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
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Mit Beschluss vom 8.11.2019 hat die Kammer den Rechtsstreit auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung am 12.2.2020 wurde der Kläger erneut zu den Geschehnissen in seiner Heimat angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Zur Ergänzung der Sachverhaltsschilderung wird auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und der in elektronischer Form vorgelegten Bundesamtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene (vgl. § 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG) Klage ist nicht begründet. Die Entscheidungen des Bundesamts, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen und seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abzulehnen, ihm den subsidiären Schutzstatus nicht zuzuerkennen, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen sowie den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach S. L. zur Ausreise aufzufordern, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Entsprechendes gilt für die vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die vom Bundesamt gemäß den §§ 31 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG sowie den §§ 75 Nr. 12, 11 Abs. 2 AufenthG getroffenen Entscheidungen sind im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, nicht zu beanstanden.
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Buchst. a)) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zu-rückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Buchst. b)). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Einzelne in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG ausgesetzt ist. Erforderlich ist insoweit, dass der Ausländer gezielte Rechtsverletzungen zu befürchten hat, die ihn wegen ihrer Intensität dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, B.v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris).
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Eine Verfolgung kann nach § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die soeben genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (vgl. dazu § 3d AsylG), und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist. Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.
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Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - juris, Rn. 22 = BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (QualRL - Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9 ff.). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Asylantragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A - juris, Rn. 24).
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Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris, Rn. 16 = BVerwGE 71, 180 und U.v. 11.11.1986 - 9 C 316.85 - juris, Rn. 11). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris, Rn. 16, U.v. 1.10.1985 - 9 C 19.85 - juris, Rn. 16 und B.v. 21.7.1989 - 9 B 239.89 - juris, Rn. 3 = NVwZ 1990, 171).
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Vorliegend kann es im Ergebnis dahinstehen, ob die von dem Kläger geschilderte drohende Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure - nämlich Mitglieder einer Geheimgesellschaft - überhaupt an asylrechtlich relevante Merkmale im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG anknüpfen würde. Die zur Entscheidung berufene Einzelrichterin ist nämlich davon überzeugt, dass die vom Kläger geschilderten Geschehnisse in Wirklichkeit nicht stattgefunden haben. Die Angaben, die der Kläger beim Bundesamt und im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemacht hat, sind vage, oberflächlich und unsubstantiiert und in wesentlichen Punkten widersprüchlich, weshalb das Gericht davon überzeugt ist, dass der Kläger tatsächlich nicht von Mitgliedern der Geheimgesellschaft bedroht worden ist. Der Kläger war bereits nicht in der Lage, die wesentlichen zeitlichen Abläufe der angeblichen Geschehnisse in seinem Heimatland plausibel zu erklären und verstrickte sich diesbezüglich in Widersprüche. Der Kläger konnte nicht genauer angeben, wann er sich in dem Haus der Geheimgesellschaft aufgehalten haben will. Auch seine Angaben dazu, wann er sein Heimatland verlassen hat und wie lange er sich in den einzelnen Ländern auf der Flucht aufgehalten hat, widersprechen sich in wesentlichen Punkten. Während der Kläger sowohl bei dem Gespräch beim Bundesamt am 24.1.2017 als auch bei dem Gespräch bei der Regierung von Niederbayern am 6.7.2017 und bei der persönlichen Anhörung beim Bundesamt am 26.4.2017 angegeben hat, dass er sein Heimatland im Juli 2016 verlassen hat, erklärte der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung plötzlich, dass er sein Heimatland im September 2015 verlassen haben will. Dieses Datum passt aber wiederum nicht zusammen mit den von dem Kläger angegebenen Verweilzeiten in den Durchreiseländern und der Einreise des Klägers in die Bundesrepublik D. im Januar 2017. Der Kläger war nicht in der Lage die angeblichen Geschehnisse im Haus der Geheimgesellschaft detailreich zu erzählen. Er beschränkte sich auf möglichst vage Angaben und konnte Nachfragen des Gerichts nicht zur Zufriedenheit beantworten.
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Soweit der Kläger darüber hinaus beim Bundesamt angegeben hat, dass er wegen der Ebola-Erkrankung seines Onkels belästigt und ausgegrenzt worden sei, hat das Gericht ebenfalls Zweifel, ob eine derartige Verfolgung überhaupt an einen der in § 3 b AsylG aufgeführten Asylgründe anknüpfen würde und daher überhaupt einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigen könnte. Dies kann allerdings dahingestellt bleiben, nachdem der Kläger von sich aus in keiner Weise schilderte, in welcher Form er belästigt wurde oder von den Freunden abgewiesen wurde. Er hat nicht geschildert, jemals bedroht worden zu sein. Es ist jedoch Sache des Schutzsuchenden, die Umstände, aus denen sich seine Verfolgungsfurcht ergibt, in schlüssiger Form und von sich aus bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt darzulegen. Daran fehlt es hier. Ein individuelles Verfolgungsschicksal im Hinblick auf S. L. hat der Kläger daher nicht substantiiert und glaubhaft geltend gemacht.
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Zur Überzeugung des Gerichts steht daher fest, dass der Kläger S. L. verlassen hat, ohne dass er bereits eine vor Verfolgung erlitten hat oder dass ihm eine solche unmittelbar drohte. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger nicht von wahren Begebenheiten berichtet hat, sondern eine Geschichte erfunden hat, um seinem Asylbegehren zum Erfolg zu verhelfen. Schon eine konkrete Verfolgungshandlung vor seiner Ausreise wurde nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Deshalb ist es auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland staatliche oder nichtstaatliche Verfolgungsmaßnahmen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten muss.
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An dieser Einschätzung ändert auch der erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgelegte angeblich am 16.09.2015 in der “The Health Newspaper“ erschienene Zeitungsartikel „Mohamed Eric Kargbo’s Life in Danger“ nichts. Unabhängig von der Echtheit dieses Artikels kommt diesem keinerlei Beweiswert im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt des vorgetragenen Geschehens zu. Die Ausführungen beschränken sich auf die Wiedergabe des vom Kläger Erzählten. Nähere Informationen über den Verfasser oder den Leserkreis dieser Zeitung sind dem Gericht nicht bekannt. Die Angaben des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu den Umständen des Bekanntwerdens dieses Artikels muten abenteuerlich an. Das Erscheinungsdatum des Artikels und die darin genannten Daten stehen zudem in eklatantem Widerspruch zu den Ausführungen des Klägers bei den Gesprächen beim Bundesamt am 24.1.2017 und am 26.4.2017 und bei der Regierung von Niederbayern am 6.7.2017. Erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die dort genannten Daten offensichtlich an das Erscheinungsdatum des Zeitungsartikels „ angepasst“.
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Auch aus der klägerseits vorgetragenen Protestaktion mit seinem Fußballclub ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr nach S. L.. Zum einen hat der Kläger schon keine konkreten Angaben zu seinem entsprechendem Engagement in D. gemacht. Dem Gericht wurde lediglich ein Foto vorgelegt, auf dem nach Angaben des Klägers seine Fußballmannschaft mit ihm gemeinsam abgebildet ist und mehrere Mannschaftskollegen zwei Plakate mit dem Inhalt „No Justice for young people in S. L.“ und „Save our Democracy in S. L.“ in Händen halten. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, woraus sich deshalb die Gefahr einer Verfolgung in S. L. ergeben sollte. Zum einen ist schon fraglich, wie diese Aktion und die Teilnahme des Klägers daran in S. L. überhaupt bekannt werden soll, zum anderen ist nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln nichts dazu bekannt, dass die Meinungsfreiheit in S. L. generell nicht geachtet würde. Auch Zeitungen kritisieren offen die Regierung ebenso wie die Oppositionsparteien. Berichte über eine systematische Beeinträchtigung der Pressefreiheit liegen dem Gericht nicht vor. Auch die Versammlungsfreiheit wird von der Verfassung garantiert und von der Regierung respektiert (Informationszentrum Asyl und Migration, S. L., Mai 2010; BFA; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation S. L., 4.7.2018).
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Außerdem kommt eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft schon deshalb nicht infrage weil sich der Kläger jedenfalls auf internen Schutz verweisen lassen muss.
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Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).
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Nach den dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist dies dann der Fall, wenn sich der Kläger nicht in den Regionen S. L.s niederlässt, in denen seine Verfolger leben. Dies ist einerseits die Millionenstadt Fr., aber auch jede andere größere Stadt S. L.s wie etwa M., K. oder P. L.. Dort ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger dort von nichtstaatlichen Akteuren aufgespürt werden könnte. Insbesondere in den größeren Städten S. L.s ist es nach der Überzeugung des Gerichts möglich, unbehelligt von nichtstaatlichen Akteuren zu leben. In der Verfassung von S. L. sind uneingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr verankert. Auch wenn es Berichte gibt, wonach Sicherheitskräfte bei Straßensperren außerhalb der Hauptstadt Bestechungsgelder von Fahrzeuglenkern verlangen, ist doch festzustellen, dass die Regierung diese Rechte respektiert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: S. L., W. am 3.5.2017, S. 18). Angesichts der in S. L. bestehenden infrastrukturellen Mängel ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, wie etwaige Verfolger den Kläger auffinden sollten, wenn er sich in einer größeren Stadt niederließe. In S. L. existiert kein ordnungsgemäßes Zivilregister (AA, Auskunft an das Bundesamt vom 17.10.2017), so dass es selbst für staatliche Stellen schwierig sein dürfte, eine bestimmte Person in einer Großstadt ausfindig zu machen. Für nichtstaatliche Akteure dürfte dies nahezu unmöglich sein. Eine konkrete Bedrohung des Klägers durch nichtstaatliche Akteure ist deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich. Das Gericht ist nach alledem davon überzeugt, dass die Mitglieder der Soko-Geheimgesellschaft eine Rückkehr des Klägers nach S. L. nicht einmal bemerken würden.
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Ferner wäre es dem Kläger auch zuzumuten, in einen anderen Landesteil zu gehen. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage muss davon ausgegangen werden, dass es dem Kläger möglich ist, sich in jedem Teil S. L.s seine Existenz durch Gelegenheitsarbeiten sicherzustellen (vgl. dazu unten 4a)).
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2. Ferner kommt auch eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG nicht in Betracht. Eine solche Anerkennung ist ebenfalls nur möglich, wenn einem Antragsteller politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen im Sinn von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG drohen. Im Vergleich zur Flüchtlingsanerkennung sind die Anspruchsvoraussetzungen jedoch enger, weil die mögliche Verfolgung von staatlicher Seite ausgehen oder dieser zumindest zurechenbar sein muss. Eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure - wie von der Klagepartei geltend gemacht - genügt hier grundsätzlich nicht.
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Hinzu kommt, dass sich auf das Asylrecht nicht berufen kann, wer aus einem sicheren Drittstaat, also aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG). Da die Bundesrepublik D. ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist, kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter somit nicht infrage, wenn ein Asylantragsteller auf dem Landweg in die Bundesrepublik D. eingereist ist. Da der Kläger aus Italien kommend mit der Bahn über die Schw. in die Bundesrepublik D. eingereist ist, kommt auch aus diesem Grund ein Anspruch auf Asylanerkennung nicht in Betracht.
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3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
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a) Dass dem Kläger in S. L. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch staatliche Stellen droht, ist nicht ersichtlich. Der Kläger selbst hat zu keinem Zeitpunkt angegeben, mit staatlichen Stellen Probleme gehabt zu haben.
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b) Die Zufügung eines ernsthaften Schadens durch nichtstaatliche Akteure (vgl. §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3c Nr. 3 AsylG) ist ebenso nicht beachtlich wahrscheinlich. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter Nr. 1 verwiesen werden.
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Überdies mag es sein, dass in dem Zeitpunkt, in dem Ebola in S. L. verbreitet war und die Menschen daher in Panik waren, sich selbst anzustecken, einige Menschen überreagiert haben und es tatsächlich zu einzelnen Diskriminierungshandlungen gegen Familienangehörige von Ebola-Erkrankten kam. S. L. gilt aber mittlerweile seit dem 17.3.2016 und damit seit fast 4 Jahren als ebolafrei. Es wurden gezielte Aufklärungskampagnen im ganzen Land zu der Erkrankung und Ansteckungsmethoden durchgeführt. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass auch noch vier Jahre danach tatsächlich sämtliche Familienangehörigen von Ebola-Verstorbenen massiven Diskriminierungen ausgesetzt werden.
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Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure gemäß § 3 c Nr. 3 AsylG führt nämlich nur dann zur Zuerkennung subsidiären Schutzes, wenn der Staat oder Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Handlungen von Privatpersonen, wie der Kläger sie als geschehen behauptet, stellen sich - je nach Art der Handlung - als kriminelles Unrecht oder als nicht strafbare Beschimpfung oder Belästigung dar. Dem Gericht liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass staatliche Behörden in S. L. gegen derartige Handlungen keinen Schutz bieten würden (zu vorstehenden genauso VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2017 - RN 5 K 16.30089 - juris; bestätigt durch BayVGH, Beschluss vom 23.11.2017 - 9 ZB 17. 30302 - juris).
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c) Schließlich ist auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht gegeben. Der in S. L. 11 Jahre andauernde Bürgerkrieg wurde im Jahr 2002 beendet. Die Sicherheitslage im ganzen Land ist stabil. Armee und Polizei sind landesweit stationiert und haben nach dem vollständigen Abzug der UN-Friedenstruppen im Jahr 2005 die Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit übernommen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, S. L., Wien am 3.5.2017, S. 6; Informationszentrum Asyl und Migration des BAMF, Glossar Islamische Länder - Band 17, S. L., Mai 2010).
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4. Zuletzt liegen auch Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vor.
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a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - juris), wonach niemand unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist, ist eine unmenschliche Behandlung und damit eine Verletzung des Art. 3 EMRK allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen möglich (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C.15.12 - juris = BVerwGE 146, 12; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris = BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681, Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Rückführung in den Herkunftsstaat „zwingend“ seien. Solche humanitären Gründe können auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein (so auch BayVGH, U.v. 19.7.2018 - 20 B 18.30800- juris, Rn. 54).
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Trotz der schwierigen Lebensbedingungen in S. L. kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung der Klagepartei in ihr Heimatland nicht angenommen werden. Die Wirtschaft S. L.s ist geprägt von der Landwirtschaft (überwiegend kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft) und der Rohstoffgewinnung. Das Land ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 4,5 Milliarden US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 700 US-Dollar im Jahr 2015 eines der ärmsten Länder der Welt und belegt nach dem Human Development Index von 2016 Rang 179 der 188 untersuchten Länder. Ein Großteil der Bevölkerung (ca. 77%) lebt in absoluter Armut und hat weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Wirtschaft wird mit etwa 51,4% am Bruttoinlandsprodukt vom landwirtschaftlichen Sektor dominiert. Der Dienstleistungssektor trägt mit 26,6% und der Industriesektor mit 22,1% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, wobei bisher keine verlässlichen statistischen Daten erhoben wurden. Die Mehrheit versucht mit Gelegenheitsjobs oder als Händler/in ein Auskommen zu erwirtschaften. Die Subsistenzwirtschaft wird in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, S. L., Wien am 3.5.2017, S. 19 ff.).
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Die Lebensumstände in S. L. sind damit zwar äußerst schwierig. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger in der Lage sein wird, sich ein Existenzminimum zu erarbeiten (so im Ergebnis auch: VG München, B.v. 26.9.2017 - M 21 S 17.47358 - juris). Der Kläger ist ein junger und arbeitsfähiger Mann. Eigenen Angaben zufolge verfügt er über eine 6-jährige Schulbildung. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Existenz auch in S. L. zumindest durch die Übernahme von Gelegenheitsjobs sicherstellen kann. Auch in der Vergangenheit war er offensichtlich in der Lage, das Geld für die Ausreise aus S. L. zu ersparen und sich auf der Flucht durch entsprechende Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu halten.
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b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
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Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt grundsätzlich das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Bestehen für bestimmte Personengruppen allgemeine Gefahren, die nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Rahmen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG grundsätzlich keine Berücksichtigung finden können, so kann in Einzelfällen gleichwohl Abschiebeschutz gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss, was dann der Fall ist, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sein würde (BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 - juris, Rn. 14 = BVerwGE 99, 324, U.v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 - juris, Rn. 34 = BVerwGE 102, 249 sowie U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - juris, Rn. 16 = BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation kann sich grundsätzlich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage im Herkunftsstaat ergeben.
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Eine derartige Gefahr besteht jedoch nicht, was bereits oben unter Nr. 4 a) dargestellt wurde.
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5. Die in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 AsylG, 59 AufenthG. Die der Klagepartei gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen beruht auf § 38 Abs. 1 AsylG.
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6. Die in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheids ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist gleichfalls rechtmäßig. Die Beklagte musste nach den §§ 11 Abs. 2 Sätze 1 und 4, 75 Nr. 12 AufenthG eine Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG treffen. Über die Länge der Frist wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Ermessensfehler sind hier nicht ersichtlich. Grundsätzlich darf die Frist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nicht überschreiten. Hier hat das Bundesamt diese maximale Frist zur Hälfte ausgeschöpft, was nicht zu beanstanden ist. Besonderer Umstände, die eine kürzere Frist gebieten würden, sind vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
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Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.