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AG München, Beschluss v. 29.04.2020 – 1513 M 14275/19
Titel:

Erinnerung: Entstehen einer Gebühr für den Versuch einer gütlichen Einigung

Normenketten:
ZPO § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 1
KV GvKostG Ziff. 207, Ziff. 208
Leitsatz:
Die Gebühr KVNr. 208 für einen Versuch der gütlichen Einigung entsteht auch dann, wenn der Schuldner nicht mehr erreicht werden kann, weil er unbekannt verzogen ist (ebenso LG Stuttgart BeckRS 2017, 136773 entgegen OLG Koblenz BeckRS 2019, 25573). (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auslagenpauschale, Amtshandlung, Erledigung, Erinnerung, Gerichtsvollzieher, Gütliche Einigung, Mitwirkung, Zahlung, Zwangsvollstreckungssache
Fundstelle:
BeckRS 2020, 9624

Tenor

Die Erinnerung des Gläubigers gegen die Kostenrechnung der Gerichtsvollzieherin vom 10.10.2019 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1
Streitig ist der Ansatz einer Gebühr für den Versuch einer gütlichen Einigung gemäß Ziffer 207, 208 KV GvKostG.
2
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung. Sie beauftragte die Hauptgerichtsvollzieherin mit der Abnahme der Vermögensauskunft. Diese übersandte daraufhin dem Schuldner ein Schreiben mit einer Ladung zum Zwecke der Vermögensauskunft, in dem es ua hieß:
„Ich fordere Sie hiermit zur Zahlung des Betrages innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens auf.“... „Sofern Sie nicht in der Lage sind, die Forderung in einer Summe zu zahlen, kann ich Ihnen unter bestimmten Voraussetzungen Raten gewähren. Bitte setzen Sie sich diesbezüglich zeitnah mit mir in Verbindung.“
3
Dieses Schreiben konnte dem Schuldner nicht zugestellt werden, da er unter der angegeben Anschrift nicht zu ermitteln war.
4
Bei der Abrechnung ihrer Tätigkeit berücksichtigte die Gerichtsvollzieherin Kosten für den Versuch einer gütlichen Erledigung gem. Ziffer 208 KV GvKostG i.H.v. 8,- EUR zzgl anteiliger Auslagenpauschale.
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Mit Schriftsatz vom 13.11.2019, eingegangen am 15.11.2019, legte die Vertreterin des Gläubigers Erinnerung gegen die Kostenrechnung der Gerichtsvollzieherin ein mit der Begründung, die Abrechnung einer Gebühr nach KV 208 GvKostG für den Versuch einer gütlichen Erledigung sei vorliegend nicht möglich und verweist auf einen Beschluss des OLG Hamm vom 19.03.2019 - 25 W 66/19.
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Die Erinnerung ist zulässig, aber unbegründet.
7
Die Frage, ob eine Gebühr nach KV 208 KV GVKostG entsteht, wenn der Gerichtsvollzieher dem Schuldner eine gütliche Einigung anbietet, dieses Schreiben den Schuldner jedoch nicht erreicht, da dieser unter der vom Gläubiger angegebenen Adresse nicht wohnhaft ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
8
Das Entstehen der Gebühr ist grundsätzlich zu bejahen, wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner zur gütlichen Erledigung auffordert. Auf die Mitwirkung des Schuldners kommt es nicht an.
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Hier besteht die Besonderheit, dass das Schreiben des Gerichtsvollziehers den Schuldner nicht erreicht, da er nicht an der von der Gläubigern angegebenen Adresse wohnt.
10
Das OLG Hamm geht in seiner Entscheidung vom 19.03.2019 - 25 W 66/19 - juris davon aus, dass ein Versuch nur dann als tauglich anzusehen ist, wenn die auf den Versuch gerichtete Amtshandlung des Gerichtsvollziehers den Schuldner zumindest erreichen kann. Davon sei nicht auszugehen, wenn der Hinweis dem Schuldner gar nicht erst zugestellt werden kann (Vgl. RdNr. 14 des Beschlusses vom 19.03.2019). Weiter ergebe sich nach der Begründung zur Beschlussempfehlung zum Entwurf des Gesetzes BT-Drs. 18/9698 S. 25, dass eine solche Gebühr für den nicht erledigten Versuch einer gütlichen Einigung nicht angezeigt sei. Das OLG Hamm somit geht davon aus, dass der Auftrag geendet habe, bevor der Gerichtsvollzieher eine Amtshandlung vorgenommen hat. Zum gleichen Ergebnis kommt auch das OLG Koblenz, im Beschluss vom 27. September 2019 - 14 W 267/19 - juris.
11
Das LG Stuttgart entschied am 04.12.2017 (10 T 434/17) - juris, dass die Gebühr KVNr. 208 für einen Versuch der gütlichen Einigung auch dann entsteht, wenn der Schuldner nicht mehr erreicht werden kann, weil er unbekannt verzogen ist.
12
Das Gericht schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
13
In der Situation, in der eine Amtshandlung, mit der der Gerichtsvollzieher beauftragt wurde, infolge von Umständen, die weder in der Person des Gerichtsvollziehers liegen noch von seiner Entschließung abhängig sind, fällt normalerweise - in den dort bezeichneten Fällen, z.B. bei der Gebühr für die Zustellung - eine Gebühr nach Abschnitt 6 KV Nr. 600 ff an. Der typische Fall ist der unbekannt verzogene Schuldner.
14
Bei der gütlichen Einigung ist bereits in der gesetzlichen Regelung § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO angelegt, dass sich der Auftrag des Gläubigers lediglich auf einen Versuch richtet, der Gerichtsvollzieher also nicht für den Erfolg seiner Bemühungen einzustehen hat.
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Zum Anfall der Gebühr KVNr. 208 genügt prinzipiell jegliches Tätigwerden des Gerichtsvollziehers (= Versuch), welches auf die gütliche Erledigung gerichtet ist. Anders als die sonst im GvKostG anzusetzenden Gebühren kommt es somit nicht nur auf den gestellten Antrag, sondern auf ein Tätigwerden an. Die Gebühr soll den Mehraufwand eines Gerichtsvollziehers abdecken, den er durch die gütliche Einigung möglicherweise hat. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT Drucksache 18/9698, S. 25, 26), in der auf die Vornahme der Amtshandlung durch den Gerichtsvollzieher abgestellt wird. Amtshandlung ist vorliegend die Aufnahme der gütlichen Einigung in das Anschreiben an den Schuldner unter der vom Gläubiger genannten Adresse.