Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.04.2020 – 5 CS 19.2415
Titel:

Der Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz ist bei Übersendung eines Ergebnisprotokolls gewährt

Normenketten:
VIG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 4 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 1, S. 3, Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2
LFGB § 40 Abs. 1a
GG Art. 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG bezieht sich der Zugangsanspruch auf alle Daten über behördlich „festgestellte nicht zulässige Abweichungen“ von bestimmten (lebensmittel-)rechtlichen Anforderungen. Die Informationen über Abweichungen können sowohl in der Form der Übermittlung des bei der Kontrolle gefertigten Kontrollberichts als auch in Form der Übermittlung eines Ergebnisprotokolls gewährt werden. Es kommt nur darauf an, dass die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt ist. (Rn. 14 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz ist an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, weil er direkt auf die Marktbedingungen individualisierter Unternehmen zielt, das Konsumverhalten beeinflussen und auf diese Weise mittelbar-faktisch die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändern kann. (Rn. 20 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz, Übermittlung der Ergebnisse einer lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfung, Antragstellung über die Internetplattform „Frag den Staat“ im Rahmen der Initiative „TopfSecret“, Art und Weise der Informationsgewährung, Richtigstellung der zugänglich gemachten Informationen, „Frag den Staat“, Gefahrenabwehr, Informationsgewährung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 08.11.2019 – M 32 SN 19.1567
Fundstelle:
BeckRS 2020, 9611

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. November 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung für beide Instanzen auf je 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin, die Kantinen und andere Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung betreibt, wendet sich gegen die Übermittlung der Ergebnisse einer lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfung an den Beigeladenen.
2
Im Januar 2019 beantragte der Beigeladene über die Internetplattform „...“ im Rahmen der Initiative „...“ beim Antragsgegner Informationen über die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen in der Kantine der Antragstellerin in M. Für den Fall einer Beanstandung begehrte er zudem die Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte, wobei er um Antwort in elektronischer Form bat. Der Antragsgegner hörte die Antragstellerin mit Schreiben vom 19. Februar 2019 zur beabsichtigten Information, die textlich dargestellt wurde, an. Die Antragstellerin stimmte der Gewährung von Informationen nicht zu.
3
Mit Bescheid vom 20. März 2019 gab der Antragsgegner dem Antrag des Beigeladenen statt (Nr. 1 des Bescheids) und kündigte die Bekanntgabe der Information in Form der schriftlichen Übermittlung einer Kopie des Ergebnisprotokolls der Kontrolle vom 9. Juli 2018 nach Ablauf von zehn Werktagen nach Zugang des Bescheids an (Nr. 2). Der Tenor in Nr. 2 des Bescheids enthielt den Zusatz, dass bei der „Rückrufkontrolle“ am 6. September 2018 keine Beanstandungen festgestellt worden seien, daher erübrige sich die Übersendung eines zusätzlichen Kontrollberichts. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehen und enthielt den zusätzlichen Hinweis: „Auf die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfes durch den betroffenen Unternehmer, insbesondere auf § 80a VwGO wird hingewiesen“. Der Bescheid wurde der Antragstellerin mit einem ausführlichen Begründungsschreiben ebenfalls vom 20. März 2019, das auf die in der Anhörung vorgebrachten Einwände der Antragstellerin einging, am 22. März 2019 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt. Auf die Rechtsbehelfsbelehrung:des Bescheids wurde hingewiesen.
4
Die Antragstellerin erhob gegen den Bescheid am 29. März 2019 Klage und beantragte zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Das Verwaltungsgericht München lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 8. November 2019 ab. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, in der sie beantragt,
5
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 8. November 2019 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. März 2019 anzuordnen.
6
Der Antragsgegner beantragt,
7
die Beschwerde zurückzuweisen.
8
Er hat mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020 angekündigt, dass er das streitbefangene Ergebnisprotokoll an den Beigeladenen nur in einer Fassung herausgeben werde, die um die Benennung der konkreten Rechtsverstöße ergänzt ist. Der Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
9
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
10
1. Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. November 2019 bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass der Hauptsacherechtsbehelf der Antragstellerin keinen Erfolg haben kann (dazu a) und auch eine Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis führt (dazu b). Die von der Antragstellerin fristgerecht dargelegten bzw. ergänzten Beschwerdegründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO den Prüfungsrahmen für den Senat bilden, rechtfertigen keine andere Beurteilung.
11
a) Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht abgelehnt. Zwar ist der Eilantrag - ebenso wie die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage - zulässig. Die Klage ist jedoch aller Voraussicht nach unbegründet, weil sich der auf das Verbraucherinformationsgesetz gestützte Bescheid als rechtmäßig erweist. Insbesondere handelt es sich bei den Informationen, die der Antragsgegner an den Beigeladenen herausgeben will, um Informationen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG (dazu aa). Der Beigeladene ist anspruchsberechtigt; sein Begehren ist nicht rechtsmissbräuchlich (bb). Ferner verstößt die Informationsgewährung nicht gegen Grundrechte der Antragstellerin, auch wenn der Beigeladene die erlangten Informationen weiterverwenden sollte (cc). Die Art und Weise des Informationszugangs ist nicht zu beanstanden (dd).
12
aa) Die Antragstellerin trägt in der Beschwerdebegründung vor, das Ergebnisprotokoll, das der Antragsgegner dem Beigeladenen übermitteln will, sei keine Information im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Ein Ergebnisprotokoll sei kein gewöhnlicher Kontrollbericht. Einen solchen habe der Antragsgegner wegen Geringfügigkeit der bei der Kontrolle festgestellten Mängel gar nicht angefertigt. Es existiere lediglich ein Ergebnisprotokoll in Form einer IT-Eingabemaske. Darin würden auch keine Rechtsvorschriften genannt. Auch habe der Beigeladene um Übermittlung eines Kontrollberichts gebeten und nicht um ein Ergebnisprotokoll. Formal und auch sachlich seien die Dokumente nicht vergleichbar. Das Ergebnisprotokoll sei auch deshalb keine Information nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG, weil es an einer rechtlichen Subsumtion in Form einer juristisch-wertenden Einordnung der tatsächlichen Feststellungen bei der Kontrolle durch die zuständige Behörde fehle. Die bloße Benennung einer Rechtsgrundlage sei auch noch keine Subsumtion. Tatsächlich finde eine Subsumtion beim Antragsgegner nur statt, wenn aufgrund und als Folge eines Kontrollberichts eine Verwaltungsmaßnahme angedroht oder angeordnet werde, was hier nicht der Fall gewesen sei. Das Verwaltungsgericht nehme zu Unrecht an, dass eine rechtliche Subsumtion vorgenommen worden sei.
13
Dem folgt der Senat nicht.
14
(1) Zunächst liegt keine Rechtsverletzung der Antragstellerin darin, dass der Antragsgegner statt der vom Beigeladenen begehrten Übermittlung der Kontrollberichte nur ein Ergebnisprotokoll mit dem schriftlichen Zusatz gewährt, dass bei der Rückrufkontrolle keine Beanstandungen festgestellt worden seien. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG bezieht sich der Zugangsanspruch auf alle Daten über behördlich „festgestellte nicht zulässige Abweichungen“ von bestimmten (lebensmittel-)rechtlichen Anforderungen. Der Antragsgegner kann die Information eines VIG-Antragstellers über solche Abweichungen sowohl in der Form der Übermittlung des bei der Kontrolle gefertigten Kontrollberichts als auch in Form der Übermittlung eines Ergebnisprotokolls gewähren (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2020 - 5 CS 19.2087 Rn. 21). Soweit damit dem Antrag des Beigeladenen nicht in vollem Umfang entsprochen worden sein sollte, ist der Bescheid ihm gegenüber bestandskräftig geworden.
15
(2) Es kann offen bleiben, ob in der Information an einen VIG-Antragsteller über festgestellte nicht zulässige Abweichungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG die konkrete Rechtsgrundlage genannt werden muss, von der abgewichen wurde, oder ob es, wie der Antragsgegner vorträgt, ausreicht, dass die Rechtsgrundlage zu einer bei einer Kontrolle festgestellten Abweichung aktenkundig gemacht wurde. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2019 (7 C 29.17 - juris Rn. 32) ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt ist. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B.v. 13.12.2019 - 10 S 1891/19 - juris Rn. 34), wonach die isolierte Herausgabe eines Mängelberichts ohne juristisch-wertende Einordnung von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG nicht gedeckt sei, dürfte hingegen auch angesichts des getroffenen Maßgabebeschlusses dahingehend zu verstehen sein, dass die Rechtsgrundlage in der an den VIG-Antragsteller übermittelten Information bei jeder einzelnen Abweichung bezeichnet werden muss. Hier hat der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 31. Januar 2020 zugesichert, dass das streitbefangene Ergebnisprotokoll an den Beigeladenen nur in einer Fassung herausgegeben werde, die um die Benennung der konkreten Rechtsverstöße ergänzt sei, wie es dem inzwischen bayernweit eingeführten EDV-Fachverfahren der Lebensmittelüberwachung (EDV-Programm „Tizian“) entspreche. Damit wurde dem Begehren der Antragstellerin insoweit Rechnung getragen.
16
(3) In der Benennung einer Rechtsgrundlage hinsichtlich der einzelnen jeweils als Verstoß gekennzeichneten Beanstandungen im Rahmen einer Betriebskontrolle liegt zugleich die rechtliche Subsumtion in Form einer juristisch-wertenden Einordnung der tatsächlichen Feststellungen bei der Kontrolle. Der im Kontrollbericht festgestellte Sachverhalt in Verbindung mit der Benennung der Rechtsvorschrift, gegen die verstoßen worden sei, belegt eine rechtliche Subsumtion mit dem Ergebnis einer festgestellten nicht zulässigen Abweichung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Einer Begründung der Subsumtion bedarf es nicht, weil ein Kontrollbericht keinen Verwaltungsakt darstellt und damit nicht der Begründungspflicht des Art. 39 BayVwVfG unterliegt. Der Begriff der „nicht zulässigen Abweichung“, der das frühere Merkmal des „Verstoßes“ abgelöst hat, erfasst jede objektive Nichtbeachtung von Rechtsvorschriften. Auf subjektive Elemente wie Verschulden oder Vorwerfbarkeit kommt es ebenso wenig an wie darauf, ob ein Verstoß gegen Vorschriften des Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrechts vorliegt. Im Interesse einer zeitnahen Information muss die „nicht zulässige Abweichung“ nicht durch Verwaltungsakt festgestellt worden sein (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 30), geschweige denn muss dieser bestandskräftig sein. Insofern reichen die Angabe des festgestellten Sachverhalts und die Zuordnung zu der Rechtsvorschrift, gegen die nach Auffassung der Behörde verstoßen worden ist, für eine Subsumtion. Ob die Subsumtion der Behörde zutreffend ist, ist gegebenenfalls in einem anderen Verfahren zu klären.
17
bb) Der Beigeladene ist anspruchsberechtigt, ohne dass ihm der Verweigerungsgrund des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden könnte.
18
(1) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG hat „jeder“ nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu den dort näher bezeichneten Informationen. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte ist dieser Anspruch ein voraussetzungslos ausgestaltetes Jedermannsrecht, das nicht von der Verbrauchereigenschaft abhängt (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 14 ff.). Er steht dem beigeladenen VIG-Antragsteller, einer natürlichen Person, ohne weiteres zu. Soweit die Antragstellerin dem Beigeladenen die Anspruchsberechtigung absprechen möchte, weil er als Strohmann ohne Eigeninteresse agiere, ist dem nicht zu folgen. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 16.2.2017 - 20 BV 15.2208 - LRE 74, 122 = juris Rn. 26 ff.) ausgeführt hat, zielt das Verbraucherinformationsgesetz gerade auf die Gewährleistung eines weiten Informationszugangs ab. Einzelpersonen sollen nicht nur eine informierte Konsumentscheidung treffen, sondern zugleich als Sachwalter des Allgemeininteresses fungieren können (BVerwG, a.a.O., Rn. 15; vgl. bereits BayVGH, B.v. 6.7.2015 - 20 ZB 14.977 - juris Rn. 11). Auf eine etwaige Strohmann-Eigenschaft kommt es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die im Hintergrund stehende Informationskampagne „TopfSecret“ den Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG genießt. Der Informationszugangsanspruch ist auf § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG und nicht auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gestützt.
19
(2) Der Versagungsgrund des Rechtsmissbrauchs nach § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG, der insbesondere bei überflüssigen Anfragen (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 2 VIG) oder querulatorischen Begehren zum Tragen kommt, ist bei Antragstellungen im Rahmen einer Kampagne Dritter ebenfalls nicht einschlägig (so auch VGH BW, a.a.O., Rn. 29; NdsOVG, B.v. 16.1.2020 - 2 ME 707/19 - juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 16.1.2020 - 15 B 814/19 - juris Rn. 31 ff.; offen gelassen von OVG RP, B.v. 15.1.2020 - 10 B 11634/19 - juris Rn. 6). Dabei kann dahinstehen, ob § 4 Abs. 4 VIG drittschützend ist oder nur dem Allgemeininteresse an einer funktionierenden Verwaltung dient (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 21 ff.). Eine kampagnenartige Weiterverwendung der Information ist im Verbraucherinformationsgesetz gerade angelegt und entspricht dessen Zielsetzung. Ein Verfassungsverstoß liegt darin nicht (vgl. dazu unten cc), so dass es auch der im Schrifttum (Gärditz, LMuR 2020, 62/67 f.) angemahnten verfassungskonformen Auslegung der Missbrauchsklausel des § 4 Abs. 4 VIG nicht bedarf. Eine Suche nach der „wahren“ Motivlage, die der Ausübung eines dem Antragsteller nach dem Gesetz zustehenden Rechts zugrunde liegt, findet in der Judikatur zum Rechtsmissbrauch keine Stütze (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2019 - 3 BN 2.18 - NVwZ-RR 2019, 1027 Rn. 15 ff. zur Frage einer rechtsmissbräuchlichen Antragstellung im Normenkontrollverfahren).
20
cc) Nicht zum Erfolg führt auch die Rüge der Antragstellerin, die behördliche Gewährung der verlangten Information und die damit in aller Regel verbundene private Weiterverbreitung im Internet komme einer Information der Öffentlichkeit durch die Behörde nach § 40 Abs. 1a LFGB gleich, sei eine rechtsmissbräuchliche und damit unzulässige Umgehung der dort genannten Voraussetzungen hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung und der Schwere der Verstöße und verletze die Antragstellerin daher in ihren Grundrechten. Die antragsgebundene Informationserteilung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG verstößt auch ohne die Pflicht zur zeitlichen Begrenzung, wie in § 40 Abs. 1a LFGB vorgesehen, und ohne die Begrenzung auf schwerwiegende Verstöße nicht gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Zwar ist auch der Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, weil er direkt auf die Marktbedingungen individualisierter Unternehmen zielt, das Konsumverhalten beeinflussen und auf diese Weise mittelbar-faktisch die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändern kann (BVerwG, U.v. 29.8.2019, a.a.O., Rn. 42 ff. m.w.N.). Insoweit gilt für die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VIG von einem Antrag abhängige Informationsgewährung nichts anderes als für aktive staatliche Informationstätigkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB, die in ihrer Zielgerichtetheit und Wirkung einem Eingriff in die Berufsfreiheit gleichkommt (BVerfG, B.v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148, 40 Rn. 26 ff.). Gleichwohl greift das Vorbringen der Antragstellerin nicht durch.
21
(1) Entgegen der Beschwerdebegründung bestehen zwischen den beiden Arten der Information große Unterschiede, die es ausschließen, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum aktiven staatlichen Informationsverhalten, insbesondere die dort angemahnte zeitliche Begrenzung der Informationsverbreitung, ohne Weiteres auf die antragsgebundene Informationsgewährung zu übertragen (BVerwG, a.a.O., Rn. 47). Das aktive staatliche Informationsverhalten verschafft den übermittelten Informationen breite Beachtung und gesteigerte Wirkkraft auf das wettbewerbsrechtliche Verhalten der Marktteilnehmer. Die Auswirkungen einer antragsgebundenen Informationsgewährung bleiben dahinter qualitativ und quantitativ weit zurück. Die behördliche Information der Öffentlichkeit von Amts wegen nach § 40 Abs. 1a LFGB bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen, die als Warnung der Verbraucher der Gefahrenabwehr dient und in der Regel von den Medien - auch Onlinemedien - sofort aufgegriffen wird, ist gegenüber dem individuell geltend zu machenden Informationszugangsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG ein aliud (vgl. VGH BW, a.a.O., Rn. 13). § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG normiert als Voraussetzung für die Informationsgewährung nicht etwaige Gefahren für Verbraucher, sondern lediglich die behördliche Feststellung nicht zulässiger Abweichungen von den dort genannten Normen. Entgegen der Auffassung in der Beschwerdebegründung darf auch über geringfügige Verstöße informiert werden, wenn festgestellte nicht zulässige Abweichungen im Sinne dieser Vorschrift vorliegen. Den mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG verbundenen Eingriff in die Berufsfreiheit hat das Bundesverwaltungsgericht als gerechtfertigt angesehen (BVerwG, a.a.O., Rn. 48 ff.; kritisch Gärditz, LMuR 2020, 62/64 ff.).
22
(2) Eine kampagnenartige Weiterverwendung der Information ist im Verbraucherinformationsgesetz gerade angelegt und entspricht dessen Zielsetzung. Allein der Umstand, dass der streitbefangene Kontrollbericht auf der Internetplattform „TopfSecret“ veröffentlicht werden könnte, ändert nichts daran, dass es sich auch in dieser Fallkonstellation um eine antragsgebundene Informationsgewährung und damit primär um eine staatliche Leistung handelt (vgl. OVG NW, a.a.O., Rn. 59 ff.). Wie der Beigeladene mit den erhaltenen Informationen umgeht, bleibt grundsätzlich ihm überlassen und liegt damit außerhalb des behördlichen Verantwortungs- und Einflussbereichs. Dies gilt auch für das hier zu erwartende Einstellen des Kontrollberichts auf der von privater Seite betriebenen Plattform „TopfSecret“, weil eine solche Publikation erkennbar keine staatliche Autorität in Anspruch nehmen kann. Die Plattform veröffentlicht lediglich durch private Dritte zur Verfügung gestellte von der öffentlichen Verwaltung ausgestellte Dokumente; dadurch wird sie nicht selbst zu einer staatlichen Veröffentlichungsplattform. Dass die Anträge auf Information über die Webseite „Frag den Staat“ erfolgen, erweckt auch nicht den Eindruck, „TopfSecret“ sei eine staatliche Veröffentlichungsplattform.
23
Die lediglich abstrakte Möglichkeit einer rechtswidrigen privaten Weiterverwendung der Information reicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände ohnehin nicht aus, um darin bereits ein der Antragsgegnerin zuzurechnendes Eingriffsäquivalent zu sehen, das einer gesonderten Rechtfertigung bedürfte. Soweit es der Antragstellerin im Verhältnis zum Beigeladenen um etwaige (künftige) Ergänzungen oder zeitliche Begrenzungen bei der Verwendung der Information geht, insbesondere um das auch im Geschäftsverkehr bestehende „Recht auf Vergessen“ (dazu allgemein BVerfG, B.v. 6.11.2019 - 1 BvR 16/13 - NJW 2020, 300 Rn. 75 ff.), muss sie die entsprechenden Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg verfolgen.
24
(3) Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit der Hinweispflicht der informationspflichtigen Stelle nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VIG, der Richtigstellungspflicht (§ 6 Abs. 4 VIG) sowie der verfahrensrechtlichen Beteiligung der betroffenen Dritten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 VIG) ausreichende Schutzvorkehrungen zur Vermeidung unzumutbarer Konsequenzen getroffen. Die Richtigstellung soll in derselben Weise erfolgen, in der die Information zugänglich gemacht wurde (§ 6 Abs. 4 Satz 2 VIG). Dabei wird die informationspflichtige Stelle zu beachten haben, dass die Richtigstellung nicht nur gegenüber dem VIG-Antragsteller geboten sein kann, sondern eine öffentliche Bekanntmachung vonnöten ist, wenn die Publikation der Informationen über das Verhältnis zum Antragsteller hinausgegangen ist. Wenn ein Antragsteller die zugänglich gemachten Informationen etwa an eine Verbraucherschutzorganisation weitergegeben hat und diese ihr einen hohen Verbreitungsgrad verschafft hat, kann die informationspflichtige Stelle zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sein, für eine hinreichende Publikation der Richtigstellung zu sorgen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 52). Das kann auch Richtigstellungen gegenüber diesen Veröffentlichungsplattformen beinhalten, da davon ausgegangen werden kann, dass diese auch die behördliche Richtigstellung auf ihren Plattformen einstellen. Hier enthält die Information, die der Antragsgegner dem Beigeladenen geben will, den Zusatz, dass bei der Rückrufkontrolle am 6. September 2018 keine Beanstandungen festgestellt worden seien und sich daher die Übersendung eines zusätzlichen Kontrollberichts erübrige, so dass künftige Maßnahmen ohnehin nicht zu erwarten sind.
25
dd) Auch gegen die Art und Weise des Informationszugangs bestehen vor dem Hintergrund des § 6 Abs. 1 VIG keine Bedenken. Auf den von der Antragstellerin als vorzugswürdig erachteten mündlichen bzw. telefonischen Informationszugang müssen sich Antragsgegnerin und Beigeladener nicht verweisen lassen. Die erleichterte Möglichkeit zur Veröffentlichung im Internet steht der Übersendung schriftlicher Kontrollberichte (Ergebnisberichte) nach dem oben Ausgeführten (Buchst. cc) nicht entgegen. Anhaltspunkte für die von der Antragstellerin geltend gemachte Überlastung der Behörde nach § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG bestehen nicht. Da jedermann in Deutschland der Anspruch auf Informationserteilung zusteht, kann eine Veröffentlichung im Internet die Behörde sogar entlasten (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 2, § 6 Abs. 1 Satz 3 VIG).
26
b) Da sich nach alledem der Bescheid bei einer über eine bloße summarische Prüfung hinausgehenden Betrachtung als rechtmäßig erweist, kommt es auf die Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht mehr entscheidungserheblich an; die Folgenabschätzung hat sich vielmehr an der gesetzlichen Wertung des § 5 Abs. 4 VIG auszurichten (vgl. VGH BW, a.a.O., Rn. 42 ff.; OVG NW, a.a.O., Rn. 97 ff.). Die von der Antragstellerin monierte Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. OVG Hamburg, B.v. 14.10.2019 - 5 Bs 149/19 - ZLR 2019, 866 = juris Rn. 19 ff.) ist in der Normstruktur des Verbraucherinformationsgesetzes angelegt. Mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG hat sich der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht entschieden, dem Informationsinteresse der Bürger generell einen höheren Stellenwert einzuräumen als dem Interesse des betroffenen Betriebs an der Geheimhaltung von Informationen über lebensmittelrechtliche Beanstandungen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 34). Mangels erkennbarer Besonderheiten verbleibt es daher bei der gesetzlichen Grundentscheidung für den Sofortvollzug nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG, die nur bei erfolgreicher Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 VIG durchbrochen werden kann, falls Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Informationserteilung bestehen. Auf diese Rechtsschutzmöglichkeit hat der Antragsgegner den Beigeladenen und die Antragstellerin in der Rechtsbehelfsbelehrung:des Bescheids ausdrücklich hingewiesen.
27
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da der anwaltlich nicht vertretene Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine etwaigen außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
28
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Von einer Reduzierung des Streitwerts in Orientierung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 sieht der Senat - anders als das Verwaltungsgericht - ab. Mit den wechselseitigen Begehren ist, wie oben dargelegt, eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden. Einmal erteilte Informationen können nicht zurückgeholt werden; umgekehrt würden die vom Beigeladenen begehrten Informationen bei Erfolg des Eilantrags bzw. der Beschwerde aufgrund des mit einem Hauptsacheverfahren verbundenen Zeitaufwands ihre Relevanz weitgehend verlieren (vgl. NdsOVG, a.a.O., Rn. 19). Der Senat macht deshalb von seiner Befugnis gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG Gebrauch, die erstinstanzliche Festsetzung des Streitwerts von Amts wegen zu ändern.
29
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).