Titel:
Offensichtlich unbegründete Asylklage
Normenketten:
AsylG § 3e Abs. 1, § 30 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3
Leitsatz:
Für junge, gesunde und erwerbsfähige Rückkehrer besteht in Nigeria grds. die Möglichkeit, in einer der zahlreichen Millionen- und Großstädte Nigerias mit einer unüberschaubaren Vielzahl an (wenn auch schlecht bezahlten) Erwerbsmöglichkeiten und einem Netz an karitativen Hilfsangeboten ökonomisch eigenständig zu leben und auch ohne Hilfe Dritter zu überleben. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nigeria, keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung, Bedrohung durch Onkel, schlechte wirtschaftliche Lage, interner Schutz, Existenzminimum
Fundstelle:
BeckRS 2020, 9563
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin ist nigerianischer Staatsangehöriger und reiste im März 2017 aus Italien kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie stellte am 22. März 2017 einen Asylantrag. Die Klägerin ist Mutter von zwei Kindern. Der Asylantrag des ersten Kindes wurde mit Bescheid vom 5. November 2018 abgelehnt. Dagegen wurde Klage beim Verwaltungsgericht München erhoben (M 8 K 18.34209). Die Klage wurde mit seit 9. Januar 2020 rechtskräftigem Urteil vom 12. September 2019, auf das Bezug genommen wird, abgewiesen.
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Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 3. September 2018 erklärte die Klägerin im Wesentlichen, in Nigeria lebten noch ihre vier Schwestern und ein Bruder. Die Kontaktdaten habe sie nicht mehr. Sie habe in den Schulferien immer Klamotten genäht. Nach dem Tod der Eltern hätten sie und ihre Geschwister bei ihrem Onkel gelebt. Dieser habe sie schlecht behandelt. Eines Tages habe dieser sie rausgeworfen. Sie habe dann unter der Brücke gelebt bis eine Frau gekommen und sie mit nach Hause genommen habe. Dort habe sie im Haushalt und im Laden geholfen. Eines Tages habe die Frau sie gefragt, ob sie ausreisen wolle, was sie bejaht habe. Die Frau habe dann mit ihrem Mann geredet und sie sei dann mit dem Mann irgendwo hingefahren und dort in ein Gebäude gegangen. Dort sei man nur zwei Tage geblieben und von dort aus mit einem Lkw nach Libyen gefahren. Im Juli 2015 habe man Nigeria verlassen. Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Behörden habe sie keine gehabt. Die Klägerin habe Nigeria aus wirtschaftlichen Gründen und wegen der Art und Weise, wie der Onkel sie und ihre Geschwister behandelt habe, verlassen. Im Falle einer Rückkehr nach Nigeria werde sie der Onkel nicht akzeptieren. Auch die Familie des Vaters ihres Sohnes werde sie nicht akzeptieren, denn diese seien Muslime und sie Christin. In Libyen habe sie sieben Monate in einem Camp verbracht. Eines Tages hätten viele Männer dieses Camp gestürmt und es zerstören wollen. Sie sei dann geflüchtet und ein arabischer Mann habe ihr geholfen, nach Italien zu gelangen.
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Laut einer Bestätigung des Caritasverbands der … … … … … … vom 28. August 2018 wird bestätigt, dass die Klägerin und der Vater ihres Kindes in seperaten Zimmern der Gemeinschaftsunterkunft … lebten. Die Ausländerbehörde habe dem Antrag auf Haushaltstrennung vom 2. Juli 2018 sofort entsprochen, da es seit dem Einzug innerhalb der Familie Probleme gegeben habe. Auch wirtschaftlich lebe das Paar getrennt. Der Vater des Kindes kümmere sich laut Aussage der Klägerin nur sporadisch um den kleinen Sohn.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 30. Oktober 2018 wurde der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Nrn. 1 bis 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Ferner wurden der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde die Abschiebung angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen offensichtlich nicht vor. Von der Klägerin sei weder staatliche noch nichtstaatliche Verfolgung geltend gemacht worden. Sie habe daher Nigeria offensichtlich unverfolgt verlassen. Nachfluchtgründe seien nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Sie habe ihr Heimatland nach eigenen Angaben ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Der Klägerin drohe ebenfalls offensichtlich kein ernsthafter Schaden im Sinne des subsidiären Schutzes. Aufgrund der Ablehnung des internationalen Schutzes als offensichtlich unbegründet lägen auch die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigte offensichtlich nicht vor. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Nigeria führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass für Rückkehrer in Nigeria die Möglichkeit bestehe, ökonomisch eigenständig zu leben und auch ohne Hilfe Dritter zu überleben. Allein in wenigen besonders gelagerten Fällen komme deshalb wegen der allgemeinen schwierigen und wirtschaftlichen Lage in Nigeria ein Abschiebungsverbot in Betracht. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Klägerin sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Bei der Klägerin handele es sich um eine gesunde und arbeitsfähige junge Frau, die über eine Schulbildung verfüge und familiäre Bindungen im Heimatland habe. In Nigeria lebten die Schwester und der Bruder der Klägerin. Vor der Ausreise habe die Klägerin im Verkauf gearbeitet und gelernt, Kleidungen zu nähen. Somit könne es ihr zugemutet werden, durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten und die Inanspruchnahme von Hilfsleistungen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Zudem werde davon ausgegangen, dass ihre Familie sie unterstützen werde. Selbst unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für ihren Sohn sei davon auszugehen, dass sie in der Lage wäre, mit Hilfe ihrer eigenen Arbeitskraft eine zumindest existenzsichernde Lebensgrundlage für sich und ihr Kind zu schaffen. Die Klägerin habe keine drohende individuelle Gefahr für Leib oder Leben geltend gemacht. Eine solche liege nach, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen würde. Die erlassene Abschiebungsandrohung beruhe auf § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylG, § 59 AufenthG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange seien weder vorgetragen worden noch lägen sie nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor.
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Gegen diesen Bescheid hat der Bevollmächtigten der Klägerin am *. November 2018 Klage erhoben mit den zuletzt gestellten Anträgen,
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1. Den Bescheid des Bundesamts vom 30. Oktober 2018, zugestellt am 5. November 2018, aufzuheben,
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2. der Klägerin Asylanerkennung in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren
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3. der Klägerin subsidiären Schutz zu gewähren,
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4. festzustellen, dass Abschiebehindernisse vorliegen.
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Gleichzeitig wurde beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (M 12 S 18.34142). Der Antrag wurde mit Beschluss vom 28. August 2019 abgelehnt.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 21. Januar 2019,
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Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2019 übersandte die Beklagte die Auswertung des Mobiltelefons der Klägerin vom 3. September 2018. Daraus ergibt sich, dass das Mobiltelefon seit dem 8. Februar 2018 in Benutzung war und in dieser Zeit mindestens 29 ausgehende und 21 eingehende Anrufe mit der Ländervorwahl für Nigeria (+234) erfolgten.
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Mit Beschluss vom 13. November 2019 ist der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen worden.
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In der mündlichen Verhandlung, zu der weder der Klägerbevollmächtigte noch ein Beklagtenvertreter erschien, wurde die Klägerin informatorisch gehört. Sie führte im Wesentlichen aus, sie habe Nigeria verlassen, weil ihre Eltern gestorben seien. Sie sei nicht verfolgt worden. Ihr Onkel, bei der sie und ihre Geschwister gelebt hätten, habe gedroht, sie umzubringen, wenn sie das Haus nicht verlassen würden. Danach habe sie von ihrem Onkel nichts mehr gehört. Sie habe danach zunächst unter einer Brücke geschlafen und sei dann von einer Frau aufgenommen worden. Diese habe ihre Ausreise organisiert. In Libyen habe man von ihr verlangt, sich zu prostituieren, was sie verweigert habe. Daraufhin sei sie von dem Mann, der sie nach Libyen gebracht habe, aus der Unterkunft geworfen worden. Weitere Repressalien habe sie nicht erhalten. Sie habe die Primary Schools abgeschlossen sowie die als Junior School bezeichnete erste Stufe der weiterführenden Schule. Danach habe sie eine Ausbildung zur Fashiondesignerin bzw. Schneiderin begonnen, welche sie nicht abgeschlossen habe. Mit dem Vater ihrer beiden Kinder wohne sie nicht zusammen. Zu ihren Geschwistern oder ihrem Onkel bestehe kein Kontakt, eine Suche über Facebook nach den Geschwistern sei ergebnislos geblieben. Sie und ihre Kinder hätten keine Krankheiten.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Behörden- und Gerichtsakten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2020 und den Beschluss vom 28. August 2019 (M 12 S 18.34142) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung entschieden werden, obwohl kein Vertreter der Beklagten erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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2. Das Gericht legt den Antrag der Klägerin nach § 88 VwGO dahingehend aus, dass mit der unter Nr. 2 beantragten Asylanerkennung auch der Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG umfasst sein soll, da der streitgegenständliche Bescheid im Ganzen angegriffen wurde (vgl. den Antrag unter Nr. 1) und diese Auslegung dem Rechtsschutzbegehren der Klägerin mehr entspricht. Zudem wurde die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht durch ihren Bevollmächtigten begleitet, so dass bei der Auslegung der zuletzt gestellten Anträge ein großzügigerer Maßstab angezeigt ist.
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Die so verstandene Klage ist jedoch offensichtlich unbegründet. Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 21.7.2000 - 2 BvR 1429/98 - juris Rn. 3). Nach § 30 Abs. 2 AsylG ist ein Asylantrag insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeine Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.
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Bei Anlegung dieses Prüfungsmaßstabs hat die Klägerin offensichtlich weder einen Anspruch auf Asylanerkennung, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG noch besteht ein Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Nigerias. Der diese Ansprüche verneinende Bescheid des Bundesamtes vom 30. Oktober 2018 stellt sich als offensichtlich rechtmäßig dar und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
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2.1. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG scheidet schon deswegen offensichtlich aus, da die Klägerin über einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist, in das Bundegebiet eingereist ist, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
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2.2. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 ff. AsylG scheidet schon deshalb offensichtlich aus, weil die Klägerin keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 3a, 3b AsylG vorgetragen hat.
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Nach ihrem Vortrag reiste sie aus Nigeria zunächst aus, weil sie ihr Onkel aus dessen Haus vertrieben hatte und ohne Obdach blieb. Auch wenn ihr Onkel ihr gedroht haben sollte, sie umzubringen, sollten die Klägerin und ihre Geschwister das Haus nicht verlassen, liegt darin weder eine die Voraussetzungen des § 3a AsylG erfüllende Verfolgungshandlung noch würde eine solche an Verfolgungsgründe i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG anknüpfen. Grund für die Ausreise war auch nicht die Furcht vor dem Onkel, sondern die schlechte wirtschaftliche Lage der Klägerin.
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Auch soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen hat, sie sei in Libyen aufgefordert worden, sich zu prostituieren, scheidet die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich aus. Zum einen ist dieser Vortrag wenig glaubhaft. So wurde er erst in einem sehr späten Verfahrensstadium vorgetragen, zum anderen steht er im erheblichen Widerspruch zum Vortrag beim Bundesamt. Denn dort hatte die Klägerin noch ausgeführt, sie habe sieben Monate in dem Camp verbracht und sei erst geflüchtet, als eine Gruppe Männer das Camp zerstören wollte. In der mündlichen Verhandlung stellte sie es hingegen so dar, dass sie von ihrem Schlepper aus dem Camp geworfen worden sei, nachdem sie sich geweigert habe, der Prostitution nachzugehen. Ganz unabhängig davon ist allerdings, auch den neuen Vortrag zugrunde gelegt, nicht ersichtlich, dass eine § 3a AsylG entsprechende Verfolgungshandlung stattgefunden hat. Denn nach dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung war die einzige Konsequenz ihrer Weigerung, dass sie aus dem Camp geworfen wurde. Auf explizite Nachfrage verneinte sie sonstige Repressalien.
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Jedenfalls besteht für die Klägerin offensichtlich die Möglichkeit, innerhalb Nigerias Schutz zu suchen. Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft bzw. der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Nach § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes diese Voraussetzungen erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 10. Dezember 2018 [Stand: Oktober 2018] - Lagebricht, Ziff. II.3). Der Klägerin kann zugemutet werden, sich in einem anderen Landesteil, insbesondere im Schutze der Anonymität der nigerianischen Großstädte im Süden, niederzulassen. Schon angesichts des Zeitraums seit der Ausreise aus Nigeria ist nicht im Ansatz ersichtlich, wieso etwaige Schlepper die Klägerin noch in ganz Nigeria suchen sollten und insbesondere auch von einer Rückkehr erfahren könnten. Es ist der Klägerin auch in wirtschaftlicher Hinsicht zumutbar, sich an einem anderen Ort in Nigeria niederzulassen (s.u.).
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2.3. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG scheidet angesichts des zu § 3 AsylG Ausgeführten ebenfalls aus. Es ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch einen nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AslyG relevanten Akteur droht, insbesondere nicht landesweit (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AslyG). Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 3 AslyG legen ebenfalls nicht vor, da der Klägerin weder die Todesstrafe droht noch im Herkunftsbundesstaat Edo State ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht.
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2.4. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Ein nationales Abschiebungsverbot muss stets in der Person des jeweiligen Betroffenen selbst begründet sein (BVerwG, Urteil vom 16.6.2004 - Az. 1 C 27.03). Im Rahmen der Prüfung, ob der Abschiebung eines erfolglosen Asylbewerbers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegenstehen, ist der Gefahrenprognose eine möglichst realitätsnahe, wenngleich notwendig hypothetische Rückkehrsituation zugrunde zu legen. Insoweit gelten im Rahmen der Gefahrenprognose des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht zur asylrechtlichen Verfolgungsprognose entwickelt hat entsprechend. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 45.18 - BeckRS 2019, 18363, Rn. 14 ff.; BayVGH, Urt. v. 21.11.2018 - Az. 13a B 18.30632). Angesicht dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die Klägerin allein mit ihren beiden Kindern nach Nigeria zurückkehren wird. Sie hat sich sowohl ausweislich der Bestätigung der Caritas als auch nach ihren eigenen Angaben vom Vater ihrer Kinder getrennt. Dieser kümmert sich wohl auch nicht weiter um die Familie.
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2.4.1. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, wonach eine Abschiebung dann verboten ist, wenn dem Ausländer in dem Zielstaat der Abschiebung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung landesweit droht, sind nicht ersichtlich (vgl. VG Aachen, U.v. 12.5.2017 - 2 K 1387/16.A - juris). Eine Verfolgung der Klägerin ist weder glaubhaft noch würde sie ihr landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (s.o.).
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Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG lassen sich auch nicht aus den schwierigen Lebensbedingungen in Nigeria ableiten. Das Gericht verkennt nicht, dass nach der derzeitigen Erkenntnislage die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage für die Mehrheit der Bevölkerung in Nigeria problematisch ist. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung, nach den vorliegenden Erkenntnissen 70 - 80% der Bevölkerung, lebt am Existenzminimum bzw. 65 - 70% lebt unterhalb der Armutsgrenze von einem US-Dollar pro Tag. Dieser große Teil der Bevölkerung lebt im Wesentlichen als Bauer, Landarbeiter, oder Tagelöhner vom informellen Handel sowie (Subsistenz-) Landwirtschaft. Viele Menschen haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem oder zu Wasser und Strom. Ein staatlich organisiertes Hilfsnetz für Mittellose existiert nicht. Zwar ist die Gleichstellung zwischen Mann und Frau in der nigerianischen Verfassung verankert, in der Realität werden Frauen aber dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Im liberalerem Südwesten des Landes werden alleinstehende Frauen eher akzeptiert (Lagebricht [2018] Ziffer II. 1.8.).
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Bei den mit der schwierigen ökonomischen Situation verbundenen Gefahren handelt es sich jedoch um Gefahren, die einen Großteil der Bevölkerung in Nigeria betreffen und die für sich keine Verletzung von Art. 3 EMRK i.S.d. Rechtsprechung des EGMR begründen (vgl. BVerwG, B.v. 25.10.2012 - 10 B 16/12 - juris).
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Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe zwingend gegen eine Rückführung nach Nigeria sprechen, sind vorliegend nicht ersichtlich. Für die Klägerin kann auch auf Grund ihrer individuellen Voraussetzungen und konkreten Lebenssituation bei einer Rückkehr nach Nigeria keine mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende besondere - außergewöhnliche - Gefahrenlage angenommen werden. Die Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig und hat bereits Erfahrung als Schneiderin sammeln können, auch wenn sie die Ausbildung nicht abgeschlossen hat. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln und ständiger Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass für Rückkehrer in Nigeria grundsätzlich die Möglichkeit besteht, z.B. in einer der zahlreichen Millionen- und Großstädte Nigerias mit einer unüberschaubaren Vielzahl an (wenn auch schlecht bezahlten) Erwerbsmöglichkeiten und einem Netz an karitativen Hilfsangeboten ökonomisch eigenständig zu leben und auch ohne Hilfe Dritter zu überleben (ebenso in vergleichbaren Fällen: VG Augsburg, B.v. 13.6.2017 - Au 7 S 17.33192 - juris Rn. 30; B.v. 8.6.2017 - Au 7 S 17.32413 - juris Rn. 28; VG Bayreuth, B.v. 4.4.2017 - B 4 S 17.30876 - juris Rn. 34; VG Aachen, B.v. 20.3.2017 - 2 L 103/17.A - juris Rn. 32 ff.; VG Minden, U.v. 14.3.2017 - 10 K 2413/16.A - juris Rn. 34 ff.; hinsichtlich Familien vgl.: VG Augsburg, U.v. 23.3.2017 - Au 7 K 16.30983 - juris Rn. 48; VG München, U.v. 11.3.2015 - M 21 K 13.30899 - UA S. 38 ff.). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Gesamtaktualisierung am 12.4.2019, S. 50). Vorliegend ist - weder in der Person der Klägerin noch bei Betrachtung ihrer individuellen Lebensumstände, insbesondere ihrer Unterhaltspflichten - nichts dafür erkennbar, dass es der Klägerin im Falle der Rückkehr nach Nigeria nicht gelingen würde, durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ein das Existenzminimum sicherndes Einkommen zu erzielen, zumal die Klägerin noch über Kontakte nach Nigeria verfügt, wie die Auswertung ihres Mobiltelefons zeigte. An diese kann sie bei einer Rückkehr anknüpfen.
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2.4.2. Ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Derartige Krankheiten wurden nicht vorgetragen, vielmehr gab die Klägerin an, sie und ihre Kinder seien gesund.
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Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wie etwa eine unzureichende Versorgungslage, sind hingegen bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG, vgl. U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324/328; U.v. 19.11.1996 - 1 C 6/95 - BVerwGE 102, 249/258 f.; U.v. 8.12.1998 - 9 C 4/98 - BVerwGE 108, 77/80 f.; U.v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - BVerwGE 114, 379/382; U.v. 29.6.2010 - 10 C 10/09 - BVerwGE 137, 226/232 f.). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extreme zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die neue Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2006 - 1 B 60/06, 1 B 60/06 (1 C 21/06) - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19).
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Anhaltspunkte für eine extreme Gefahrenlage für die Klägerin sind nach den obigen Ausführungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht ersichtlich. Damit liegt die für eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie alsbald existenzbedrohenden Mangellagen ausgesetzt wäre, nicht vor.
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2.5. Die Abschiebungsandrohung und die festgesetzte Ausreisefrist entsprechen §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG.
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2.6. Die im Bescheid gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in der Fassung des Gesetzes vom 27. Juli 2015 (a.F.) ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ist nach Maßgabe des § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Über die Länge der Frist wird gem. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden, wobei die Befristung im Regelfall fünf Jahre nicht überschreiten darf. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensausübung sind nicht erkennbar. Die von der Beklagten festgesetzte Frist hält sich im mittleren Bereich der zulässigen Befristungsdauer. Gründe für einen kürzeren Befristungszeitraum sind nicht ersichtlich. Dass nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AufenthG i.d.F. des Gesetzes vom 15. August 2018 (n.F.) ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gesondert angeordnet werden muss, macht den Bescheid nicht fehlerhaft, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Rechtslage war in einer behördlichen Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG a.F. regelmäßig auch die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer zu sehen (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2019 - 10 C 18.1821 - juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 21.8.2018 - 1 C 21/17 - juris Rn. 25ff.; a.a.O., B.v. 13.7.2017 - 1 VR 3.17 - juris Rn. 72; a.a.O., U.v. 25.7.2017 - 1 C 13.17 - juris Rn. 23).
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3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AslyG gerichtskostenfrei.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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5. Dieses Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 AsylG.