Titel:
Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst eines Zeitsoldaten
Normenketten:
BBesG § 9 S. 1
SG § 55 Ab. 5, § 64
Leitsätze:
1. Das Entscheidungsverfahren bei Krankmeldung eines Soldaten ist zweistufig ausgestaltet: An die truppenärztliche Empfehlung schließt sich eine Entscheidung des militärischen Vorgesetzten an. Das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung selbst führt nie zu einer Befreiung vom Dienst. (Rn. 44 und 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Rechtfertigungsgrund Dienstunfähigkeit wegen Krankheit – aber auch aus einem anderen Grund – erfordert absolute Dienstunfähigkeit; relative Dienstunfähigkeit reicht nicht aus. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Soldatenrecht, Soldat auf Zeit, Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst, Dienstbezüge, Abwesenheit, Genehmigung, Dienstbefreiung, anerkannte Erkrankung, Diagnose, Verkürzung, Dienstzeit, mangelhafte Leistung, Identifikation, Befreiung von Dienstverrichtungen, Sonderurlaub, Krankenmeldeschein, eigenmächtige Abwesenheit, Verwendungsfähigkeit, Genehmigung zum Aufenthalt an einem anderen Ort, Dienstunfähigkeit, krank
Fundstelle:
BeckRS 2020, 9333
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger stand als Soldat auf Zeit im Dienstgrad eines Stabsgefreiten (Besoldungsgruppe A 5) im Dienst der Beklagten. Nach seinem Eintritt in die Bundeswehr zum 1. April 2015 wurde sein Dienstzeitende mit Ablauf des 31. März 2019 festgesetzt. Zuletzt wurde er im 4./Gebirgsjägerbataillon 231 in Bad … verwendet.
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Der hiesige Sachverhalt ist Teil eines Entlassungsverfahrens nach § 55 Abs. 5 des Soldatengesetzes (SG). Hinsichtlich der Entlassung wurde ebenfalls Klage erhoben (Az. M 21b K 18.6094).
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Bereits am 2. November 2017 stellte der Kläger einen Antrag auf Verkürzung seiner Dienstzeit. In einer Stellungnahme führte sein Disziplinarvorgesetzter aus, der Soldat erfülle zwar körperlich die an ihn gestellten Anforderungen, identifiziere sich jedoch nicht mit dem Soldatenberuf. Seine Einstellung zum Dienst sei mangelhaft und er negiere die Sinnhaftigkeit seiner Aufgabe. Er erkenne Hierarchien nicht an und sei nicht in der Lage, auf die oft wechselnden Lagen in den Streitkräften stabil zu reagieren.
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Am 29. März 2018 erfolgte eine ärztliche Untersuchung des Klägers im Standortsanitätszentrum Bad … Die behandelnde Truppenärztin Dr. M. vermerkte in einem formularmäßigen Krankenmeldeschein als Ergebnis der Untersuchung in dem Feld mit der Überschrift „Von folgenden Dienstverrichtungen zu befreien“ den Status „krank zu Hause (kzH)“ bzw. kreuzte das entsprechende Feld mit „Ja“ an. Von der Auswahlmöglichkeit, den Kläger von „allen“ Dienstverrichtungen zu befreien, machte die untersuchende Ärztin keinen Gebrauch. Handschriftlich vermerkte sie unter „detaillierte[r] Schilderung“ zur Befreiung von „einzelnen“ Dienstverrichtungen „kzH bis einschl. 31.5.18“.
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Ebenfalls am 29. März 2018 legte der Kläger den Krankenmeldeschein und einen Antrag auf Genehmigung von Sonderurlaub mit der Begründung „kzH“ in den Briefkasten des Kompaniezuges und verließ daraufhin die Kaserne.
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Am 6. April 2018 befahl der Kompanieführer des Klägers, Hauptmann G., nachdem ihm die von diesem eingereichten Unterlagen vorlagen, diesen zu einem Gespräch über dessen in den Vormonaten gehäuft auftretende krankheitsbedingte Abwesenheit sowie über den aktuellen Status „kzH“ in die Kaserne. Mehrere Versuche, dem Kläger diesen Befehl mitzuteilen, seien erfolglos geblieben. Der Kläger sei unter den bei der Kompanie hinterlegten Rufnummern nicht zu erreichen gewesen. Eine am selben Tag versendete E-Mail habe er nicht beantwortet. Ein Einschreiben mit Rückschein vom 9. April 2018 an die Wohnanschrift des Klägers, hinterlegt bei der Deutschen Post, in dem er aufgefordert worden sei, sich bei seiner Kompanie zu melden, sei nicht abgeholt worden. Eine Streife des Feldjägerdienstkommandos München habe den Kläger am 13. April 2018 gegen 10 Uhr unter seiner Wohnanschrift nicht angetroffen. Auch eine Kontaktaufnahme über einen Stubenkameraden des Klägers am 16. April 2018 sei erfolglos geblieben.
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Am 17. April 2018 wurde der Feldjägerdienst erneut mit einer Nachsicht am Wohnort des Klägers in München beauftragt. Hauptmann G. übermittelte ein Foto des Klägers per E-Mail. In dieser E-Mail wies er darauf hin, dass der Kläger „afrikanische Wurzeln (Land unbekannt)“ habe. Es werde deswegen vermutet, dass er sich derzeit nicht in Deutschland befinde. Am Abend des 17. April 2018 begab sich eine weitere Feldjägerstreife in die Wohngegend des Klägers, um dessen Aufenthaltsort zu ermitteln. Die Befragung eines Nachbarn habe ergeben, dass der Kläger mit seinen Eltern unter der bei der Kompanie hinterlegten Anschrift wohne. Der Nachbar teilte den Feldjägern mit, weder den Kläger, noch dessen Eltern in den vergangenen zwei Wochen gesehen zu haben.
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Am 18. April 2018 wurde der Sachverhalt an die Staatsanwaltschaft Traunstein wegen Verdachts der eigenmächtigen Abwesenheit des Klägers im Sinne von § 15 Abs. 1 des Wehrstrafgesetzes (WStG) weitergeleitet.
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Am 25. April 2018 suchte der Kläger das Feldjägerdienstkommando München auf und gab an, auch weiterhin den Status „kzH“ innezuhaben. Ihm wurde aufgetragen, sich am folgenden Tag bei seinem Kompaniefeldwebel zu melden. Diesem Gesuch kam der Kläger nicht nach.
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Am 26. April 2018 forderte Hauptmann G. den Kläger über dessen mittlerweile beauftragten Anwalt auf, am Folgetag persönlich in der Kaserne vorstellig zu werden. Hauptmann G. wies den Anwalt des Klägers darauf hin, dass der Krankenmeldeschein alleine nicht zu einer Dienstbefreiung führe. Die persönliche Vorstellung des Klägers am Folgetag unterblieb.
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Am 2. Mai 2018 traf eine Streife des Feldjägerkommandos München den Kläger unter seiner Meldeadresse an. Dem Befehl, mit auf die Dienststelle zu kommen, kam der Kläger - wiederum unter Hinweis auf seinen Status „kzH“ - nach. Noch am selben Tag wurde der Kläger an das Abholkommando des 4./Gebirgsjägerbataillons 231 übergeben und von diesem in die Kaserne in Bad … verbracht.
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Ab dem 3. Mai 2018 befand der Kläger sich wieder im Dienst.
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Mit Bescheid vom 4. Mai 2018 stellte die Beklagte den Verlust der Dienstbezüge nach § 9 Satz 1 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) für den Zeitraum vom 3. April bis 2. Mai 2018 fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger sei ungenehmigt und schuldhaft in diesem Zeitraum dem Dienst ferngeblieben.
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Am 15. Mai 2018 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Verkürzung der Dienstzeit vom 2. November 2017 ab.
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Unter dem 5. Juni 2018 ließ der Kläger Beschwerde gegen den Bescheid vom 4. Mai 2018 einlegen. Zur Begründung ließ er im Wesentlichen ausführen, das Fernbleiben vom Dienst sei nicht schuldhaft gewesen, da er den Status „kzH“ innegehabt habe und folglich nicht dienstfähig gewesen sei.
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Mit Beschwerdebescheid vom 9. Juli 2018 wies die Beklagte die Beschwerde zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger habe sich, entgegen Ziffer 257 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1420/12 zu § 7 der Verordnung über den Urlaub der Soldatinnen und Soldaten (Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung - SUV), ungenehmigt von seinem Dienstort entfernt. Weder habe der Kläger die nach dieser Vorschrift erforderliche Genehmigung seines nächsten Disziplinarvorgesetzten eingeholt, noch habe er diesem die Anschrift mitgeteilt, unter der er während seiner Abwesenheit erreichbar gewesen sei.
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Hiergegen erhob der Kläger am 31. Juli 2018 Klage. Er beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2018 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 9. Juli 2018 aufzuheben.
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Zur Begründung ließ er im Wesentlichen vortragen, dass Hauptmann G. ärztliche Atteste nicht akzeptiere und für sich in Anspruch genommen habe, die Dienstfähigkeit des Klägers selbst beurteilen zu können. Des Weiteren sei das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Ein Antrag auf Erteilung von Sonderurlaub sei nicht notwendig gewesen, da er den Status „kzH“ innegehabt habe. Der Kläger habe nicht in der Kaserne, sondern in München gewohnt. Die dortige Adresse sei der Beklagten bekannt gewesen. Dass ihn die Feldjäger nicht angetroffen hatten, sei Zufall gewesen. Die Streife habe keine Nachricht hinterlassen. Eine Kontaktaufnahme per E-Mail oder telefonisch sei nicht erfolgt. Auch die Handynummer des Klägers sei der Bundeswehr bekannt gewesen. Sie habe sich allerdings in der Gesundheitsakte des Klägers befunden, die diesem von der untersuchenden Truppenärztin Dr. M. mitgegeben worden sei, um sie bei Folgeuntersuchungen vorzulegen, die auf ihre Anordnung hin im Sanitätszentrum in München stattfinden sollten. Das 4. Gebirgsjägerbataillon sei einseitig zu Lasten des Klägers vorgegangen. Dies zeige sich an dem Hinweis auf seine afrikanischen Wurzeln und der damit verbundenen Diskriminierung und Vermutung, der Kläger hätte sich nach Afrika abgesetzt. Insbesondere Hauptmann G. habe „ständig die Situation eskalieren“ lassen, alle Dienstvorschriften missachtet und eine völlig überzogene militärische Selbstdarstellung betrieben. Letzteres sei darin gegipfelt, dass Hauptmann G. es dem Kläger untersagt habe, einer ärztlichen Aufforderung an ihn, Platz zu nehmen, nachzukommen, da er dies für „unmilitärisch“ gehalten habe.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, der Kläger habe es entgegen Ziffer 177 S. 2 der ZDv A2-2630/0-0-2 „Leben in der militärischen Gemeinschaft“ schuldhaft versäumt, sich nach Beendigung der Untersuchung unverzüglich bei seiner Einheit zurückzumelden. Die Verlustfeststellung der Bezüge sei deshalb rechtmäßig gewesen.
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Mit Verfügung vom 12. Oktober 2018 stellte die Staatsanwaltschaft Traunstein das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der eigenmächtigen Abwesenheit (§ 15 Abs. 1 WStG) gemäß § 170 Abs. 2 der StPO ein.
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In der mündlichen Verhandlung am 23. Oktober 2019 trug der Kläger vor, die E-Mail vom 6. April 2018 erst am oder nach dem 25. April 2018 zur Kenntnis genommen zu haben. Dass ihm eine Straftat vorgeworfen wurde, habe er an diesem Tag von den Feldjägern erfahren. Zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft sei er nicht verpflichtet. Vor dem Verlassen der Kaserne am 3. April 2018 habe er einen Wachsoldaten befragt, der ihm mitgeteilt habe, dass kein Disziplinarvorgesetzter vor Ort sei. Die ganze Kompanie sei im Kompanieurlaub gewesen.
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Aus der am 13. November 2019 vorgelegten Gesundheitsakte des Klägers ergibt sich im Wesentlichen, dass nach ärztlichem Befund vom 15. September 2017 beim Kläger eine akzentuierte Persönlichkeit sowie der Verdacht auf eine Anpassungsstörung vorlägen. Gegenüber dem behandelnden Standortarzt in Aachen trug der Kläger hierzu vor, die Bundeswehr sei vertragsbrüchig; Vorgesetzte und Politik müssten Angst haben, was er alles aufdecken könne.
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Nach handschriftlich ausgefülltem Arztbericht vom 20. September 2017 des Facharztzentrums München (FU Psychiatrie) stellte die behandelnde Ärztin aktuell keinen Behandlungsbedarf aus dem Fachgebiet fest.
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Ausweislich seiner Krankenkarte hatte der Kläger bereits vom 25. September 2017 bis zum 30. November 2017 sowie vom 30. November 2017 bis zum 17. September 2018 den Status „kzH“ inne. Als Diagnose wurde hierzu von der behandelten Truppenärztin Dr. M. „Unglücklichsein“ angegeben.
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Dennoch war der Kläger ab dem 23. Februar 2018 wieder (eingeschränkt) verwendungsfähig und im Dienst. Denn ausweislich eines Arztberichts des Facharztzentrums München (FU Psychiatrie) vom 23. Februar 2018 konnte bei dem Kläger keine Diagnose aus dem Fachgebiet gestellt werden. Zum Procedere wird im Arztbericht die Herausnahme aus dem Dienst empfohlen, da die Situation zu verfahren sei. Weder ein Dienstpostenwechsel noch ein Einheitswechsel brächten eine Besserung. Die Klärung der Dienst- und Verwendungsfähigkeit müsse auf dienstlichem Wege erfolgen, es sei im Fachgebiet [des behandelnden Arztes] kein Anhalt für eine Erkrankung gegeben. Die dienstliche Situation sei so verfahren, dass „kzH“ die derzeit einzige Lösung sei, bis die dienstliche Situation geklärt werde.
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Unter dem 29. März 2018 vermerkte die Truppenärztin Dr. M. auf der Einlegekarte zur G-Karte des Klägers: „1. Keine Erkrankung vorliegend 2. Dennoch aufgrund der schwierigen Situation kzH empfohlen 3. […] Patient fühlt sich nicht krank und möchte niemandem, der eine Therapie benötigt, den Platz wegnehmen.“ Am 29. März 2018 vermerkte sie: „[…] Siehe Befundbericht Facharzt vom 23. Februar 2018, [Patient] soll wohl bis Dienstzeitende kzH geführt werden, [deswegen] kzH bis einschließlich 31. Mai 2018.“
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 23. Oktober 2019 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten in der öffentlichen Sitzung am 23. Oktober 2019 hierauf verzichteten, § 101 Abs. 2 VwGO.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der streitgegenständliche Bescheid vom 4. Mai 2018 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 9. Juli 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat für den Zeitraum vom 3. April bis einschließlich 2. Mai 2018 seine Bezüge nach § 9 BBesG verloren, da er ohne Genehmigung schuldhaft dem Dienst ferngeblieben ist.
34
Nach § 9 Satz 1 BBesG verliert der Beamte, Richter oder Soldat für die Zeit des Fernbleibens seine Bezüge, wenn er dem Dienst ohne Genehmigung schuldhaft fernbleibt. Liegen die dargelegten Voraussetzungen vor, tritt der Verlust der Bezüge kraft Gesetzes ein (vgl. BVerwG, B.v. 2.6.1995 - 1 DB 7/95 - juris Rn. 11).
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Die gesetzliche Regelung in § 9 BBesG wird für die Bundeswehr durch die ZDv A- 1451/3 zum „Verlust der Bezüge bzw. Ruhen der Leistungen bei ungenehmigtem, schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst“ ergänzt. Sie konkretisiert die formellen und materiellen Anforderungen an die Feststellung des Verlusts der Bezüge.
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Gemäß Ziffer 305 ZDv A-1451/3 hat die Feststellung schriftlich zu erfolgen. Ziffer 306 ZDv A-1451/3 bestimmt, dass der Feststellungsbescheid die Tatsache, die Zeitspanne sowie Feststellungen zur Pflichtwidrigkeit und zum Verschulden hinsichtlich des Fernbleibens beinhalten muss. Diesen formalen Vorgaben genügt der Bescheid vom 4. Mai 2018 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 9. Juli 2018.
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Nach Ziffer 301 ZDv A-1451/3 bedarf jedes Fernbleiben vom Dienst grundsätzlich der Genehmigung. Gemäß Ziffer 303 ZDv A-1451/3 ist der Tatbestand des ungenehmigten und schuldhaften Fernbleibens vom Dienst grundsätzlich nicht erfüllt, wenn die Verpflichtung zur Dienstleistung entfallen ist. Dies ist u.a. bei Urlaub (1.), bei Dienstunfähigkeit durch Krankheit (2.) sowie bei Dienstbefreiung (3.) der Fall:
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1. Zunächst bedurfte es vorliegend - wie vom Kläger gestellt - keines Antrags auf Sonderurlaub. Gemäß § 7 SUV kann Soldaten zur Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit auf Grund eines truppenärztlichen Vorschlages Urlaub unter Belassung der Geld- und Sachbezüge gewährt werden.
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Die Vorschriften der SUV werden wiederum konkretisiert durch die ZDv A-1420/12 zur „Ausführung der Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung“. Nach Ziffer 257 ZDv A-1420/12 bedarf der Soldat, solange Verwendungsunfähigkeit besteht, er also aufgrund truppenärztlichen Vorschlags von allen Dienstverrichtungen befreit ist, keines Urlaubs. Auf Vorschlag des Truppenarztes soll für diesen Zeitraum die Genehmigung zum Aufenthalt an einem anderen Ort erteilt werden. Die Abwesenheit vom Dienstort und die Anschrift, unter der eine Erreichbarkeit besteht, sind dem nächsten Disziplinarvorgesetzten zu melden.
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Diese Vorschriften sind im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da der Kläger nicht auf Vorschlag des Truppenarztes von allen, sondern nur von einzelnen Dienstverrichtungen befreit worden war (wobei jegliche Bestimmung oder Eingrenzung unterblieben ist). Der vom Kläger mit seinem Krankmeldeschein eingereichte Antrag auf Gewährung von Sonderurlaub war vorliegend folglich weder notwendig, noch für die Entscheidung von Relevanz.
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2. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht dienstunfähig. Die Voraussetzungen der Annahme einer Dienstunfähigkeit (§ 64 SG) durch Krankheit regelt die ZDv A-1420/20 zur „Beendigung des Dienstverhältnisses einer Soldatin oder eines Soldaten wegen Dienstunfähigkeit“.
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Gemäß Ziffer 101 ZDv A-1420/20 ist ein Soldat dienstunfähig, wenn er infolge einer oder mehrerer Gesundheitsstörungen unfähig ist, seine Dienstpflichten zu erfüllen. Der Zustand der Dienstunfähigkeit ist in einem Verfahren nach den Ziffern 501 ff. die ZDv A-1420/20 festzustellen. Dieses Verfahren beginnt mit einer ärztlichen Untersuchung auf Verwendungsfähigkeit. Aufgrund dieser Untersuchung erstellt der behandelnde Arzt ein Gutachten, auf dessen Grundlage die Entlassungsdienststelle die Dienstunfähigkeit feststellt. Die Annahme von Dienstunfähigkeit setzt demnach ein formalisiertes und explizit auf diese Feststellung hin ausgerichtetes Verfahren voraus, das wiederum aus einer ärztlichen Begutachtung und einer daran anschließenden militärorganisatorischen Entscheidung besteht. Ein solches Verfahren wurde vorliegend nicht angestrebt, weswegen auch hiernach kein Verlassen des Standorts und einhergehendes Fernbleiben vom Dienst möglich war.
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3. Folglich ist Maßstab für den vorliegenden Fall die truppenärztliche Dienstbefreiung im Rahmen der ärztlichen Versorgung der Soldaten im Krankheitsfall. Sie ist geregelt in den Ziffern 175 ff. der ZDv A2-2630/0-0-2 zum „Leben in der militärischen Gemeinschaft“, die die Beklagte dem Gericht nach Aufforderung vorlegte.
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Ziffer 177 ZDv A2-2630/0-0-2 bestimmt, dass Soldaten, die sich krank fühlen, die zuständige Sanitätseinrichtung aufzusuchen haben. Nach Beendigung der Untersuchung hat der Soldat sich unverzüglich bei der Einheit zurückzumelden. Gemäß Ziffer 180 ZDv A2-2630/0-0-2 teilt der Truppenarzt im Krankenmeldeschein mit, wenn der Soldat aus gesundheitlichen Gründen von einzelnen oder allen Dienstverrichtungen zu befreien ist. Der Disziplinarvorgesetzte setzt diese Empfehlung in konkrete Maßnahmen für den Soldaten um (vgl. auch BVerwG, U.v. 2.12.1986 - 2 WD 48/85 - juris Rn. 21). Will der Disziplinarvorgesetzte die Befreiung nicht umsetzen, führt er ein Gespräch mit dem Truppenarzt. Führt dieses Gespräch nicht zu einem einvernehmlichen Ergebnis, entscheidet der nächste fachdienstliche Vorgesetzte des Truppenarztes im Benehmen mit dem nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten. Bis zu dieser verbindlichen Entscheidung des nächsten fachdienstlichen Vorgesetzten gelten die Befreiungen des Truppenarztes auf dem Krankenmeldeschein. Schließlich ist in Ziffer 181 ZDv A2-2630/0-0-2 geregelt, dass für aus gesundheitlichen Gründen von allen Dienstverrichtungen befreite Soldaten, die zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet sind, der Truppenarzt mit Zustimmung des erkrankten Soldaten die Empfehlung „kzH“ aussprechen kann, wenn dort die notwendige Betreuung gewährleistet ist. Der nächste Disziplinarvorgesetzte entscheidet gemäß dieser Empfehlung über den Aufenthaltsort des Soldaten. Der nächste Disziplinarvorgesetzte darf ausnahmsweise von der Empfehlung abweichen, wenn ihm konkrete Erkenntnisse vorliegen, die unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge einen Aufenthalt zu Hause verbieten.
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Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich der streitgegenständliche Bescheid als rechtmäßig. Der Kläger ist dem Dienst vom 3. April 2018 bis einschließlich 2. Mai 2018 ferngeblieben. Dies geschah ohne die erforderliche Genehmigung sowie schuldhaft.
46
Den zitierten Ziffern der ZDv A2-2630/0-0-2 ist zu entnehmen, dass das Entscheidungsverfahren zweistufig ausgestaltet ist: An die truppenärztliche Empfehlung schließt sich eine Entscheidung des militärischen Vorgesetzten an. Das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung selbst führt nie zu einer Befreiung vom Dienst (vgl. BVerwG, U.v. 2.12.1986 - 2 WD 48/85 - juris Rn. 21). Lediglich bei Anwendbarkeit der Fiktion in Ziffer 180 der ZDv A2-2630/0-0-2, nämlich dass bis zur verbindlichen Entscheidung bei Streit über die Umsetzbarkeit der ärztlichen Empfehlungen die Befreiungen des Truppenarztes auf dem Krankenmeldeschein gelten, ist der Soldat von den aufgeführten Dienstverrichtungen befreit.
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Das im Krankenmeldeschein festgehaltene Untersuchungsergebnis erweist sich somit, wie die Beklagte zutreffend vorträgt, zunächst als Empfehlung an die militärische Leitung. Kommt diese der Empfehlung nicht nach, ist das Klärungsverfahren gemäß Ziffer 180 durchzuführen, in dessen Zuge und an dessen Ende dem ärztlichen Urteil der Vorzug vor dem militärischen eingeräumt wird. Kommt es dagegen nicht zu diesem Verfahren, bleibt es bei der Grundregel der Ziffer 177 ZDv A2-2630/0-0-2, wonach der Soldat nach der ärztlichen Begutachtung zu seiner Einheit zurückkehren muss.
48
Zum gleichen Ergebnis führt Ziffer 181 ZDv A2-2630/0-0-2. Sie ist mangels Befreiung von allen Dienstverrichtungen im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar; ihr zugrundeliegendes Regelungskonzept bestätigt aber das bereits gefundene Ergebnis. Nach den dortigen Bestimmungen handelt es sich bei der truppenärztlichen Entscheidung ausdrücklich um eine Empfehlung an den Disziplinarvorgesetzten, von der dieser jedoch nur unter der engen Voraussetzung abweichen darf, dass ihm konkrete Erkenntnisse vorliegen, die unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge einen Aufenthalt zu Hause verbieten, mithin befürchten lassen, der Aufenthalt zu Hause werde der Genesung des Soldaten abträglich sein. Auch diese Abweichungsmöglichkeit setzt aber voraus, dass der Disziplinarvorgesetzte von der geplanten Abwesenheit des Soldaten vom Dienstort Kenntnis erlangt. Andernfalls könnte der Disziplinarvorgesetzte möglicherweise vorhandene Bedenken nicht vorbringen.
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Folglich ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift bzw. letztendlich der Fiktion allerdings die durch Ziffer 177 ZDv A2-2630/0-0-2 vorgeschriebene Rückkehr des Soldaten zu seiner Einheit. Nur wenn der Soldat seinem Vorgesetzten den Krankenmeldeschein vorlegt und ihm so die Entscheidung nach Ziffer 180 ZDv A2- 2630/0-0-2 ermöglicht, kann der Disziplinarvorgesetzte zu einer Auffassung gelangen, die der des Truppenarztes widerspricht und nur dann kann der von Ziffer 180 ZDv A2-2630/0-0-2 vorausgesetzte Zustand der Uneinigkeit von Truppenarzt und Disziplinarvorgesetztem entstehen. Unterlässt es der Soldat, zu seiner Einheit zurückzukehren, kann der letzte Satz der Ziffer 180 keine Anwendung finden, da andernfalls Ziffer 177 ZDv A2-2630/0-0-2 obsolet würde. In diesem Fall könnte sich der Soldat alleine aufgrund der truppenärztlichen Untersuchung dem Dienst entziehen.
50
Letzteres ist vorliegend der Fall. Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger - unabhängig davon, ob es ihm möglich war, einen für die Entscheidung zuständigen Disziplinarvorgesetzten zu erreichen - bei der Befreiung von lediglich einzelnen Dienstverrichtungen keinesfalls befugt gewesen wäre, den Standort zu verlassen. Denn ausweislich der Ziffer 181 ZDv A2-2630/0-0-2 ist die Entscheidung „kzH“ nur bei einer Befreiung von allen Dienstverrichtungen möglich. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall, sodass die Empfehlung dieses Status durch die Truppenärztin in dieser Form schon nicht ergehen durfte. Die gewählte Kombination der Befreiung von einzelnen Dienstverrichtungen und der Empfehlung „kzH“ entspricht nicht den Zentralen Dienstvorschriften der Bundeswehr. Somit war es dem Kläger in keinem denkbaren Fall möglich, aufgrund der Befreiung von einzelnen Dienstverrichtungen den Standort bzw. die Kaserne zu verlassen. Mithin war der Antrag, selbst wenn er einen Disziplinarvorgesetzten erreicht hätte, in dieser Form nicht genehmigungsfähig. Ob der Kläger dies erkennen konnte, ist eine noch zu klärende Frage des Verschuldens.
51
Selbst wenn man davon ausginge, dass - wie der Kläger vortrug - die vollständige Kompanie abwesend bzw. im Urlaub gewesen sei, ist nicht ersichtlich, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, einen weiteren oder den nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten zu erreichen. Im Ergebnis hat sich der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vortrug, letztendlich auf die Aussage eines Wachsoldaten verlassen, dass niemand zur Genehmigung seines Antrages anwesend sei. Ginge man - völlig realitätsfern - davon aus, dass es dem Kläger unter allen Umständen unzumutbar bzw. unmöglich gewesen sei, in der gesamten militärischen Befehlskette keinen einzigen Disziplinarvorgesetzten zu erreichen, der zur Genehmigung des Urlaubs befugt gewesen wäre, und für solche Fälle keine Befehlskette bestünde, ist er nach Ansicht des Gerichts immer noch dazu verpflichtet, unverzüglich, sprich noch am selben Tag, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um Kontakt mit seiner Kompanie aufzunehmen. Dies hat der Kläger vorliegend unterlassen.
52
Der Kläger blieb auch nicht aufgrund des ungeschriebenen Rechtfertigungsgrundes der (hier: vorübergehenden) Dienstunfähigkeit in § 9 BBesG gerechtfertigt vom Dienst fern (vgl. BVerwG, B.v. 26.8.1993 - 1 DB 15/93 - juris Rn. 7). Zwar ist wichtigster Rechtfertigungsgrund für das Fernbleiben vom Dienst die aktuelle Dienstunfähigkeit wegen Krankheit (Kathke in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, 82. Update Juli 2019, § 9 BBesG, Rn. 57). Mit dem Begriff der aktuellen Dienstunfähigkeit bezeichnet man die zum Fernbleiben vom Dienst zeitgleich bestehende Dienstunfähigkeit im Gegensatz zur prognostischen Dienstunfähigkeit, die Tatbestandsvoraussetzung für die Versetzung in den Ruhestand oder Entlassung ist. Hintergrund dieses Rechtfertigungsgrundes ist der Gedanke, dass niemand zu einer Dienstleistung verpflichtet sein kann, die er objektiv nicht erbringen kann (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.1982 - DB 1/82 - DokBer. B 1982, 137; B.v. 10.5.1995 - 1 DB 4/95 - juris Rn.9; U.v. 9.10.2001 - 1 D 50/00 - juris Rn. 24; U.v. 11.10.2006 - 1 DB 10/05 - juris Rn. 34). Es genügt für den Rechtfertigungsgrund nicht, die Dienstunfähigkeit hinsichtlich eines Teils der Funktionen festzustellen, wenn die übrigen, erfüllbaren Funktionen für den Dienstherrn noch von Wert sind. Also erfordert der Rechtfertigungsgrund Dienstunfähigkeit wegen Krankheit - aber auch aus einem anderen Grund - absolute Dienstunfähigkeit; relative Dienstunfähigkeit reicht nicht aus (VGH BW, B.v. 18.2.2020 - 4 S 2930/19 - juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 17.5.1983 - 16 C 82 A.2777 - BayVbl. 1983, 660; Kathke in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, 82. Update Juli 2019, § 9 BBesG, Rn. 59). Dass der Kläger am 3. April 2018 vorübergehend dienstunfähig erkrankt war, ergibt sich - wie ausgeführt - weder aus seinem Sachvortrag, noch aus der nachträglich vorgelegten Gesundheitsakte oder den Krankenmeldeschein der behandelnden Truppenärztin. Insbesondere ist festzustellen, dass der Kläger keinesfalls unter einer ernsthaften, schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen (bzw. irgendeiner) Erkrankung litt, die dazu führen hätte müssen, dass er den Standort aus gesundheitlichen Gründen sofort hätte verlassen müssen. Im Gegenteil ist hieraus ersichtlich, dass die behandelnden Ärzte - jenseits ihrer Zuständigkeiten - versuchten, den Konflikt zwischen Dienstherrn und dem Kläger durch Zuschreibung des Status „kzH“ zu lösen. Zunächst erfolgte die Befreiung des Klägers durch die Truppenärztin Dr. M. von einzelnen Dienstverrichtungen ohne nähere Begründung, obwohl im Formular für den Krankenmeldeschein eine detaillierte Begründung vorgeschrieben ist. Dass sie ihm bereits zuvor aufgrund der Diagnose „Unglücklichsein“ für längere Zeit den Status „kzH“ attestierte, dem Kläger aber von Fachärzten für Psychiatrie (und auch der Truppenärztin M. Selbst) letztendlich keine Diagnose aus dem Fachgebiet - bis auf eine angedeutete Anpassungsstörung - gestellt wurde, bestätigt den auch vom Gericht aufgrund des Verfahrens gewonnenen Eindruck: Der Kläger identifiziert sich - wie auch seine Disziplinarvorgesetzten bestätigen - nicht im Ansatz mit den Aufgaben, dem Auftrag und der Zielsetzung der Bundeswehr. Vielmehr sieht er sie als vertragsbrüchig und möchte keinen Dienst mehr leisten (vgl. auch seine Antrag auf Verkürzung der Dienstzeit und Kriegsdienstverweigerung). Dass der Kläger, eingegliedert in eine hierarchische militärische Rangordnung, nicht in der Lage ist, seine Position in der Befehlskette anzunehmen, ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung offensichtlich. Auf konkrete Fragen in der öffentlichen Sitzung am 23. Oktober 2019 gelang es ihm im Kern nicht, sachorientiert zu antworten. Vielmehr beließ er es bei umfangreichen Ausführungen zum allgemeinen Zustand der Bundeswehr, ihrer angeblichen Vertragsbrüchigkeit ihm gegenüber und den ständigen Schikanen seiner Vorgesetzten. In Bezug auf die Aussagen von Hauptmann G. auf die Relevanz seiner angeblichen afrikanischen Wurzeln kommt zwar eine unsachliche Haltung dieses Dienstvorgesetzten zum Ausdruck, die aber nicht dazu führen kann, dass sich der Kläger eigenmächtig nicht mehr an die Vorgaben hält. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Kläger dem Dienst nicht gerechtfertigt fernbleiben durfte, da er weder erkrankt war, und im Übrigen lediglich von ärztlicher Seite die Empfehlung zur Befreiung von einzelnen Dienstverrichtungen ausgesprochen worden war.
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Somit hat sich der Kläger von seiner Einheit entfernt, obwohl er (im besten Fall zumindest teilweise) dienstfähig und nicht vom Dienst befreit war. Eine Dienstbefreiung konnte, wie dargelegt, nicht allein durch die Truppenärztin angeordnet werden. Es hätte einer Entscheidung des Disziplinarvorgesetzten bedurft. Ob der Kläger während seiner Abwesenheit erreichbar war oder nicht, ist an dieser Stelle - unabhängig von der hiermit einhergehenden Dienstpflichtverletzung der Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG - ohne Belang, da § 9 Satz 1 BBesG nur auf die tatsächliche Abwesenheit von der Einheit abstellt (Kathke in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, 82. Update Juli 2019, § 9 BBesG, Rn. 23).
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Schließlich handelte der Kläger auch schuldhaft, nämlich vorsätzlich, zumindest aber fahrlässig.
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Vorsatz verlangt Wissen und Wollen hinsichtlich des Fehlens. Auch der sog. dolus eventualis, d.h. das Inkaufnehmen des Fehlens, ohne dass der Beamte bzw. Soldat sicher damit rechnet, ist als Vorsatz zu werten (Kathke in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, 82. Update Juli 2019, § 9 BBesG, Rn. 96). Die Fahrlässigkeit wird von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit § 9 Satz 1 BBesG dahingehend definiert, dass fahrlässig handelt, wer die Dienstfähigkeit zwar aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten erkennen muss, aber darauf vertraut, dienstunfähig zu sein und demzufolge nicht gegen die Dienstleistungspflicht zu verstoßen (vgl. BVerwG, U.v. 12.10.2006 - 1 D 2/05 - juris Rn. 41. m.w.N.).
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Der Kläger handelte gemessen hieran vorsätzlich, da er wusste, dass er nicht von allen Dienstverrichtungen befreit wurde. Überdies war ihm nach eigenem Vortrag bewusst, dass an seinem Standort die ständige Übung besteht, bei ärztlicher Empfehlung „kzH“ einen Antrag auf Gewährung von Sonderurlaub mit entsprechender Begründung zu stellen. Ob dieses Vorgehen nach den gesetzlichen und dienstrechtlichen Bestimmungen erforderlich ist, kann dahinstehen. Maßgeblich ist, dass der Kläger wusste, dass er vor einer Abwesenheit bei seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten vorzusprechen hatte. Da er entgegen diesem Wissen der Kaserne fernblieb, ohne Rücksprache gehalten zu haben, handelte er vorsätzlich. Wird unterstellt, dass der Kläger die Übung für unverbindlich hielt, ergibt sich die Notwendigkeit der Beteiligung des Dienstvorgesetzten, wie oben dargelegt, aus den einschlägigen Zentralen Dienstvorschriften. Diese muss der Kläger als Zeitsoldat kennen. Sollten sie ihm unbekannt gewesen sein, müsste der Kläger sich den Vorwurf gefallen lassen, die im dienstlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen zu haben. In diesem Fall hätte er jedenfalls fahrlässig gehandelt.
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Des Weiteren war er sich - aufgrund der aus der Gesundheitsakte hervorgehenden und ihm bekannten Diagnosen der behandelnden Ärzte - stets darüber im Klaren, dass die Krankschreibungen nicht aus medizinischen Gründen erfolgten. Bis auf den Standortarzt in Aachen, der ihm lediglich eine „akzentuierte Persönlichkeit“ und den „Verdacht auf eine Anpassungsstörung“ diagnostizierte, stellte keiner der behandelnden Ärzte eine Erkrankung fest. Auch die Diagnose „Unglücklichsein“ lässt keine Rückschlüsse auf eine anerkannte Krankheit zu. Der Kläger blieb dem Dienst vom 3. April 2018 bis zum 2. Mai 2018 mit Wissen und Wollen fern, nicht erkrankt oder absolut verwendungs- oder dienstunfähig zu sein.
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Nichts anderes kann gelten, wenn man dem Kläger unterstellt, er sei in irriger Weise davon ausgegangen, dass die - wie bereits festgestellt - unzulässige Kombination der Truppenärztin Dr. M. aus der Empfehlung „kzH“ und der Entbindung von einzelnen Dienstverrichtungen zu einem ungenehmigten Verlassen des Standorts führen könne. Denn soweit er sich hierbei in einem Irrtum befunden hätte, wäre dieser schon dadurch vermeidbar gewesen, dass er sich bei anderen Soldaten oder bei höheren Disziplinarvorgesetzten - zumindest im Verlauf des Monats der eigenmächtigen Abwesenheit - erkundigt hätte. Dem Kläger war bewusst, dass er nicht absolut dienstunfähig war. Dass er zumindest teilweise dienstfähig war, musste sich ihm aufgrund der Feststellung der behandelnden Truppenärztin, nämlich der Entbindung von einzelnen Dienstverrichtungen, (zumindest) aufdrängen.
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Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.