Inhalt

OLG Bamberg, Urteil v. 17.03.2020 – 5 U 154/19
Titel:

Anspruch auf Schadenersatz wegen Erwerbs eines vom Abgasskandal betroffenen gebrauchten Dieselfahrzeugs

Normenketten:
BGB § 31, § 347, § 826, § 849
VO (EG) 715/2007 Art. 5 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Zur VW-Abgasskandal-Thematik vgl. wie hier: OLG Oldenburg, BeckRS 2020, 6262; BeckRS 2020, 7011; OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 6822; OLG Koblenz BeckRS 2020, 7065; BeckRS 2020, 6574; BeckRS 2020, 7411; BeckRS 2020, 6825; OLG Schleswig, BeckRS 2020, 7415; OLG Naumburg, BeckRS 2020, 7006; BeckRS 2020, 6995 sowie die Aufzählung ähnlich gelagerter VW-Diesel-Fälle bei OLG Oldenburg, BeckRS 2020, 6234 (dort Leitsatz 1) sowie bei KG, BeckRS 2019, 29883 (dort: Leitsatz 5); mit gegenteiligem Ergebnis: OLG München, BeckRS 2019, 33738; BeckRS 2019, 33753; OLG Braunschweig, BeckRS 2019, 2737. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Begründungsmangel ist nicht gegeben, wenn das Gericht eine erkennbar eigenständige Beurteilung der Sach- und Rechtslage des Rechtsstreites, insbesondere des Parteivortrages vornimmt, selbst wenn es in einigen Passagen des Urteils durch Aufnahme entsprechender Zitate auf die Entscheidungsgründe der Urteile anderer Gerichte Bezug nimmt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach der Lebenserfahrung und der Art des Geschäftes ist es fernliegend, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsuntersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem überhaupt behoben werden kann. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zu typischen Detailfragen aus VW-Dieselfällen hier: Gesamtlaufleistung 250.000; keine Zinsen aus § 849, da im Gegenzug Nutzungsmöglichkeit erhalten; kein Annahmeverzug, da Rückgabe des Fahrzeugs nur ohne Abzug von Nutzungsersatz angeboten; Geschäftsgebühr für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus zum Zeitpunkt der Beauftragung der Geltendmachung des Anspruches anzusetzendem Wert. (Rn. 39, 42, 47 und 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Diesel-Fahrzeug, Motorsteuerungssoftware, EA 189, Betriebsuntersagung, Diesel-Abgasskandal, Gesamtlaufleistung, Deliktszinsen, Sittenwidrigkeit, Nutzungsersatz
Vorinstanz:
LG Bamberg, Endurteil vom 26.04.2019 – 2 O 502/18
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 8815

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 26.04.2019, Az.: 2 O 502/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.009,76 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.01.2019 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges X. mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer W. zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 906,78 € freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers werden zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 53% und die Beklagte 47%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte und der Kläger können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz für den Kauf eines Fahrzeuges, in dem ein Dieselmotor eingebaut ist, dessen behördliche Zulassung zum Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr durch eine rechtswidrige Manipulation der gemessenen Abgaswerte bei der Zulassungsprüfung erreicht wurde und der unter den sogenannten „Dieselskandal“ fällt.
2
Der Kläger erwarb am 16.12.2013 von dem Autohaus Z. in … einen gebrauchten Pkw X. mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) W. zum Preis von 38.250,00 €. Zum Zeitpunkt des Kaufes wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 15.440 km auf. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von 153.593 km. Der in dem Pkw verbaute Motor wurde von der Beklagten entwickelt, produziert und an den Hersteller des Fahrzeuges geliefert. Dieser Dieselmotor des Typs EA189 verfügte zu dem Zeitpunkt, als er von der Beklagten an die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges verkauft wurde, über eine Software, die eine Veränderung der ausgestoßenen Stickoxid-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren herbeiführte und so bewirkte, dass bei der Messung auf dem Prüfstand geringere Abgaswerte als im Normalbetrieb ausgestoßen und gemessen wurden. Diese Software erkannte, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde. In diesem Fall schaltete die Software die Motorsteuerung in den Abgasrückführungsmodus 1, bei dem ein Stickoxid optimierter Ausstoß bewirkt wurde, weil mehr produziertes Abgas über die Abgasrückführung in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeführt wurde. Der reguläre Betriebsmodus 0, der im normalen Straßenbetrieb die Motorsteuerung regelte, wurde dabei nicht in Betrieb gesetzt. Bei diesem Betriebsmodus 0 ist die Abgasrückführungsrate im Motor geringer, so dass sich der Wert des Ausstoßes an Stickoxid entsprechend erhöht. Dieser Wert überschritt die für die Erteilung der Zulassung zum Betrieb einzuhaltenden Höchstwerte, so dass bei der Zulassungsprüfung das Fahrzeug mit diesem Motor nicht die erforderliche Typengenehmigung für die Zulassung zum Betrieb im Straßenverkehr von der zuständigen Prüfbehörde erhalten hätte. Weder die Zulassungsbehörde noch sonst jemand wurde über den Einsatz dieser Software bei der Prüfung informiert. Durch diese Vorgehensweise erreichte die Beklagte, dass die Grenzwerte im Testzyklus für die Euro 5 Abgasnorm (Verordnung der EG 715/2007 vom 20.06.2007) eingehalten wurden und dass das mit dem Motor ausgestattete Fahrzeug bzw. der Fahrzeugtyp die für den Betrieb erforderliche EG-Typengenehmigung erhielt. Auf diese Weise gelangten massenhaft Motoren der Beklagten, verbaut in verschiedene Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller, in den Verkehr. Dieses Vorgehen der Beklagten wurde den Behörden und der Allgemeinheit erst Jahre später bekannt. Die Beklagte räumte im September 2015 öffentlich ein, diese Software in dem Motor verwendet zu haben. Unter dem 15.10.2015 erließ das Kraftfahrbundesamt (im folgenden KBA) einen, inzwischen bestandskräftigen Bescheid, worin es feststellte, dass es sich bei der geschilderten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 i. V. m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/07 handelte. Gleichzeitig ordnete das KBA den Rückruf von mit dieser Motorsteuerung ausgestatteten Fahrzeugen an und forderte die Beklagte dazu auf, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen, die mit den Motoren des Typs EA189, 2,0 Liter Hubraum ausgestattet waren, und geeignete Maßnahmen zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge zu ergreifen. Die Beklagte entwickelte in der Folgezeit ein entsprechendes Software-Update, das vom KBA zur Verwendung frei gegeben wurde. Dieses Update wurde auch auf das Fahrzeug des Klägers aufgespielt. Ohne Aufspielen des Updates wäre durch die zuständige Behörde die Zulassung des Fahrzeuges zur Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr entzogen worden. Der Kläger benutzte und benutzt das Fahrzeug im Straßenverkehr seit dem Kauf bis zur letzten mündlichen Verhandlung. Mit Schreiben vom 27.07.2018 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte auf, das Fahrzeug zurückzunehmen und dem Kläger den Kaufpreis vollständig ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung zu erstatten.
3
Der Kläger hat in der ersten Instanz vorgetragen, dass durch den Bescheid des KBA bindend festgestellt sei, dass in dem Motor des Fahrzeuges eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 i. V. m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/07 eingebaut gewesen sei. Durch diese Manipulation der Beklagten sei die von der zuständigen Behörde erteilte Typengenehmigung durch Täuschung erschlichen worden. Sie sei daher von Anfang an kraft Gesetzes erloschen. Das Fahrzeug habe sich beim Erwerb durch ihn, den Kläger, nicht in einem zulassungsfähigen Zustand befunden, so dass das Risiko bestanden habe, dass es mangels Genehmigung für den Betrieb im Straßenverkehr stillgelegt werde. Die Beklagte, auch deren Vorstandsebene, habe von Anfang an Kenntnis über das Verwenden dieser Manipulationssoftware gehabt. Die Entscheidung, herzustellende und zu verkaufende Fahrzeuge mit Motoren auszustatten, die mit dieser Manipulationssoftware ausgestattet seien, habe für die Beklagte erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Folgen gehabt. Für die Mitarbeiter der Beklagten habe daher ein begründeter Anlass bestanden, diese Informationen auch an die Vorstandsebene der Beklagten mitzuteilen. Deren Kenntnis von der Verwendung der Manipulationssoftware und des Erschleichens der Typengenehmigung bei dem Prüfzyklus durch Täuschung sei der Beklagten zuzurechnen. Über das Bestehen einer ordnungsgemäßen und bestandskräftigen Typengenehmigung hinaus sei er auch über andere Punkte, wie z.B. die tatsächlich ausgestoßenen Schadstoffwerte bei Betrieb des Fahrzeuges, von der Beklagten getäuscht worden. In Kenntnis der gesamten Umstände hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Ihm sei hierdurch ein Schaden entstanden, da mit dem Zeitpunkt des Erwerbs das Fahrzeug von einer drohenden Stilllegung wegen der nicht in ordnungsgemäßer Weise erhaltenen Typenzulassung bedroht gewesen sei. Er, der Kläger, sei durch die Täuschung durch die Beklagte in seiner Dispositionsfreiheit beeinträchtigt worden. Das Fahrzeug sei zu dem Zeitpunkt, als er es erworben habe, aufgrund dieser Umstände den gezahlten Kaufpreis nicht wert gewesen. Die Beklagte habe dabei sittenwidrig gehandelt. Sie habe die Manipulationssoftware entwickelt und die damit ausgestatteten Motoren in den Verkehr gebracht, ohne die Erwerber der damit ausgestatteten Fahrzeuge auf deren Vorhandensein hinzuweisen. Sie habe auch nicht darauf hingewiesen, dass deshalb die durchgeführten behördlichen Prüfungen und damit die Zulassungsvorgänge der Behörden manipuliert gewesen seien, so dass mit einer Stilllegung der Fahrzeuge, die mit diesem Motor ausgerüstet waren, zu rechnen gewesen sei, weil die so durch Täuschung erschlichenen Betriebszulassungen ungültig oder zumindest jederzeit widerruflich gewesen seien. Dies sei erfolgt, um Kosten zu sparen und um eine Gewinnmaximierung mit den Motoren zu erreichen. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Kunden bei Kenntnis von diesen Umständen von einem Kauf Abstand nehmen würden. Aufgrund dieses sittenwidrigen Verhaltens sei es auch zum Abschluss dieses Kaufvertrages durch ihn, den Kläger, gekommen. Sein Schaden liege darin, dass in seine Dispositionsfreiheit eingegriffen worden sei, da er durch diese Täuschung zum Abschluss des Kaufvertrages über das Fahrzeug bestimmt worden sei. Bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände, hätte er den Vertrag nicht abgeschlossen. Der Abschluss eines solchen ungewollten Kaufvertrages stelle einen zu ersetzenden Schaden dar. Darüber hinaus sei der Wert des Fahrzeuges durch die Manipulationssoftware in dem Motor erheblich gemindert, da das Fahrzeug nicht zulassungsfähig gewesen und die Betriebserlaubnis durch die Verwendung der Manipulationssoftware bei der Zulassungsprüfung erloschen sei. Auch eine Nachrüstung, mit deren Vornahme die ordnungsgemäße Zulassungsbeschaffenheit des Fahrzeuges herbeigeführt werden solle, wirke sich nachteilig auf die Funktionsfähigkeit und den Verkehrswert des Fahrzeuges aus. Dieses habe allein aufgrund des Dieselskandals eine Wertminderung erlitten. Er sei aufgrund der Tatsache, dass bei einer Verweigerung des Einsatzes des SoftwareUpdates eine zwangsweise Stilllegung seines Fahrzeuges gedroht habe, gezwungen gewesen, das Update trotz dessen negativer Folgen für den Betrieb des Motors aufspielen zu lassen. Die Beklagte habe den Motor mit der Manipulationssoftware und der sich daraus ergebenden Folgen vorsätzlich in Verkehr gebracht. Die Kenntnis ihrer Vorstandsmitglieder davon habe sich die Beklagte nach § 31 BGB zurechnen zu lassen. Der Vortrag in der Klage hierzu sei ausreichend, da er keine weiteren Kenntnisse von den internen Betriebsvorgängen bei der Beklagten habe. Die Beklagte ihrerseits sei ihrer sekundären Darlegungslast in Bezug auf die Informationskette und den Informationsstand bei den handelnden Personen der Beklagten nicht nachgekommen. Der Beklagten sei auch bewusst gewesen, dass die X. AG den Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung in ihre Fahrzeuge einbauen und diese in den Verkehr bringen werde und so auch deren Zulassung zum Betrieb im öffentlichen Verkehr erschlichen worden sei. Er, der Kläger, können daher als Schadensersatz die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen. Es stehe ihm ein Anspruch auf Ersatz des von ihm gezahlten Kaufpreises zu. Ein Abzug des Wertes für von ihm gezogene Nutzungen sei nicht vorzunehmen, da ein Vorteilsausgleich vorliegend zu einer unbilligen Entlastung der Beklagten führe. Die Beklagte habe durch Einsatz der Manipulationssoftware und damit durch Täuschung die behördliche Zulassung des Motors und der damit ausgerüsteten Fahrzeuge erschlichen. Es sei daher unbillig, dass sie aus diesem zu missbilligenden Verhalten einen Vorteil erzielen könne. Es sei dem geschädigten Kunden auch unzumutbar, einen Abzug für gezogene Nutzungen vom gezahlten Kaufpreis hinzunehmen. Dies folge schon daraus, dass er aufgrund der überhöhten Stickoxidemissionen in seiner Gesundheit beeinträchtigt werde. Darüber hinaus müsse auch der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz beachtet werden. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten bewusst europarechtliche Vorschriften für die Zulassung des Motors im Straßenverkehr umgangen. Die Durchsetzung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts müsse auch im Rahmen des Zivilrechts erzwungen werden. Selbst wenn man der Beklagten einen Nutzungsersatz zuerkennen würde, müsse dabei berücksichtigt werden, dass der Kaufpreis zur Bestimmung des Anfangswertes der Entwicklung des Wertes des Fahrzeuges ungeeignet sei. Der objektive Wert des Fahrzeuges habe sich aufgrund der manipulationsbedingt erloschenen Betriebserlaubnis auf den reinen Materialwert, d.h. den Schrottwert belaufen. Dies ergebe einen Betrag von max. 200,00 €. Darüber hinaus müsse bei einer Berechnung des nutzungsbedingten Wertverzehrs davon ausgegangen werden, dass bei solchen Fahrzeugen eine Gesamtlaufleistung von 500.000 km zu erwarten sei. Auch müsse der Rechtsgedanke des § 347 BGB herangezogen werden, bei dem auch der Wert der Nutzungen des Kapitals durch den Hersteller und den Verkäufer zu berücksichtigen sei. Dabei sei von Bedeutung, dass es sich bei der X. AG um eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten handele, so dass deren Gewinn aus der Kapitalnutzung der Beklagten in vollem Umfang zur Verfügung stehe. Darüber hinaus bestehe ein Anspruch auf Verzugszinsen und ein Anspruch aus § 849 BGB auf Verzinsung.
4
Der Kläger hat in der ersten Instanz beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 38.250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2014 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkws X. mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer W. zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.229,27 € freizustellen.
3.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Pkws X. mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer W. in Annahmeverzug befindet.
sowie hilfsweise zu 1.
4.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die dadurch entstanden sind, dass die Beklagte den Pkw X. mit der FahrzeugIdentifizierungsnummer W. in Verkehr gebracht hat, obwohl dieser mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet war und daher keinem genehmigtem Fahrzeugtyp entspricht, entstanden sind bzw. entstehen.
5
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
6
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Umschaltlogik keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, da diese Software nicht Bestandteil des Emissionskontrollsystems sei und im realen Fahrbetrieb auch nicht auf emissionsmindernde Einrichtungen einwirke. Es handele sich bloß um eine innermotorische Maßnahme (Abgasrückführung in den Ansaugtrakt des Motors) die von den nachgelagerten Maßnahmen der Abgasreinigung zu unterscheiden sei. Die erteilte Typgenehmigung und die individuelle Fahrzeugzulassung für das streitgegenständliche Fahrzeug seien von Anfang an wirksam und in ihrem Bestand nicht gefährdet gewesen. Sie habe auch den streitgegenständlichen X. nicht produziert und in Verkehr gebracht. Die streitgegenständliche Software beeinflusse den Bestand und die Wirksamkeit der EG - Typengenehmigung nicht. Das Fahrzeug habe von Anfang an ohne jede Einschränkung im Verkehr benutzt werden können. Der Kläger habe das Fahrzeug auch uneingeschränkt zu jedem Zeitpunkt genutzt und nutze es weiterhin. Eine Täuschung durch sie gegenüber dem Kläger liege nicht vor, da sie in den Verkaufsvorgang über das Fahrzeug nicht eingebunden gewesen sei. Der Vertrag sei zwischen dem Kläger und dem Autohändler abgeschlossen worden. Dem Kläger sei auch kein Schaden entstanden. Der Abschluss des Vertrages stelle keinen ersatzfähigen Schaden dar, da der Kläger das erworbene Fahrzeug zu jedem Zeitpunkt vollumfänglich habe nutzen können. Auch in der Zukunft könne er das Fahrzeug vollumfänglich nutzen, da das Update der Software durchgeführt worden sei. Dieses führe nicht zu Leistungseinbußen, Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs oder verringerter Lebensdauer des Motors oder des Fahrzeuges. Das Aufspielen des Updates habe keine negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug. Das KBA habe dieses Update mit Bescheid zum Einbau freigegeben. Der Marktwert der betroffenen Fahrzeuge sei auch nach Bekanntwerden der Umstände stabil gewesen. Ein Wertverlust sei bei ihnen nicht eingetreten. Das KBA habe die Zulassung von Fahrzeugen, welche mit dem Motor EA189 versehen seien, weder für ungültig erklärt noch widerrufen oder zurückgenommen. Die Fahrzeuge seien jederzeit und auch weiterhin vollumfänglich entsprechend ihrem Zweck nutzbar. Es liege auch kein sittenwidriges Verhalten der Beklagten vor. Darüber hinaus habe zum damaligen Zeitpunkt bei dem Vorstand der Beklagten keine Kenntnis über diese Vorgänge bestanden. Auch habe keines der Vorstandsmitglieder die Absicht gehabt, Kunden zu schädigen. Eine weitergehende Darlegungslast bestehe auf Seiten der Beklagten nicht. Dies würde sonst zu einer unzulässigen Ausforschung zugunsten des Klägers führen. Dem Kläger würde eine weitergehende Ausdehnung der Grundsätze zur sekundären Darlegungslast für die Durchführung des Prozesses, insbesondere hinsichtlich der Darlegung der Umstände, auf die er seine Ansprüche stützt, die Verpflichtung zum Sachvortrag und Nachweis nehmen. Darüber hinaus sei die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen. Sie habe den Klagevortrag substantiiert bestritten. Sie habe vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt der damalige Vorstand der Beklagten von welchen Umständen Kenntnis gehabt habe. Selbst wenn man einen Anspruch auf Schadensersatz annähme, sei ein Vorteilsausgleich vorzunehmen. Der Kläger habe über einen langen Zeitraum hinweg das Fahrzeug ohne jegliche Einschränkungen genutzt und hieraus Vorteile gezogen. Bei der Berechnung des Nutzungsersatzes sei von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km auszugehen. Durch den Vorteilsausgleich erfolge keine unbillige Entlastung der Beklagten und keine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers. Ein Anspruch auf Verzugszinsen bestehe vorliegend nicht. Eine den Verzug begründende Mahnung durch den Kläger sei nicht erfolgt. § 849 BGB sei nicht anwendbar, da dieser für den entrichteten Kaufpreis eine gleichwertige Gegenleistung in Gestalt eines Fahrzeugs erhalten und er diese auch bestimmungsgemäß genutzt habe. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten bestehe nicht. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass in einem Beratungsgespräch mit dem Rechtsanwalt über Erfolgsaussichten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung gesprochen worden sei. Es sei davon auszugehen, dass höchstwahrscheinlich ein unbedingter Klageauftrag erteilt worden sei. Es bestehe kein Annahmeverzug bei der Beklagten, da der Kläger die Gegenleistung nicht angeboten habe. Er habe vielmehr die Rückzahlung des gesamten Kaufpreises ohne Vorteilsausgleich verlangt.
7
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Weiter wird auf die wechselseitigen Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten verwiesen.
8
Das Landgericht hat die Beklagte dazu verurteilt, an den Kläger 21.566,17 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkws X. zu zahlen. Ferner hat es die Beklagte dazu verurteilt, den Kläger von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 906,78 € freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB bestehe. Die Beklagte habe sittenwidrig darüber getäuscht, dass der von ihr gebaute und ausgelieferte Motor den öffentlich rechtlichen Zulassungsvorschriftren entspreche, obwohl dies tatsächlich nur dann der Fall sei, wenn der Betriebsmodus eingeschaltet werde, der nur für das Betreiben des Motors auf dem Prüfstand vorgesehen und bei dem normalen Betriebsmodus abgeschaltet sei. Als Schaden sei der Abschluss des Kaufvertrages anzusehen. Bereits mit Abschluss des Kaufvertrages sei der Schaden eingetreten, so dass es auf die Umstände bzgl. des später erfolgten Aufspielens des Updates der Software nicht ankomme. Es sei jedoch ein Nutzungsersatz im Wege des Vorteilsausgleiches anzurechnen. Die Voraussetzungen für den Annahmeverzug hat das Landgericht nicht angenommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
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Gegen dieses, dem Klägervertreter am 07.05.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16.05.2019, eingegangen beim OLG am gleichen Tag, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 05.08.2019 mit Schriftsatz vom 02.08.2019, eingegangen beim OLG am gleichen Tag, begründet.
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Die Beklagte hat gegen dieses, ihren Bevollmächtigten am 03.05.2019 zugestellte Urteil mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 03.06.2019, eingegangen beim OLG am gleichen Tag, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 05.08.2019 mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 05.08.2019, eingegangen beim OLG am gleichen Tag, begründet.
11
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, dass ein Abzug vom Schadensbetrag für gezogene Nutzungen nicht vorzunehmen sei, da die Voraussetzungen dafür nicht vorlägen. Ein Vorteilsausgleich sei aus dem Grundsatz von Treu und Glauben heraus vorzunehmen. Dabei sei der jeweilige Einzelfall zu betrachten. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte, obwohl sie eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung begangen habe, unangemessen entlastet werde, wenn von dem von ihr zu erbringenden Schadensersatz ein Betrag für vermeintlich gezogene Nutzungen abzuziehen wäre. Dies würde zur Folge haben, dass je länger die Beklagte die geschuldete Leistung hinauszögere, der abzuziehende Betrag für Nutzungsentschädigung steigen würde. Darüber hinaus würde der Schädiger die Früchte seines unrechtmäßigen Tuns er- und behalten, was vom Gesetz nicht gewollt sei. Es könne zudem die Folge sein, dass bei einer längeren Nutzungsdauer der Schadensersatzanspruch des sittenwidrig Geschädigten vollständig aufgezehrt werde. Die Nutzungsentschädigung für die Beklagte fiele umso höher aus, je länger sie die Aufdeckung ihrer Manipulationen verzögere und/oder verhindere. Ferner sei zu berücksichtigen, dass beim Kläger keine Überkompensation des ihm entstandenen Schadens vorliege, wenn er den gesamten gezahlten Betrag zurück erhalte, da er wegen des Verlustes des gezahlten Geldes aus seinem Kapital keine Nutzungen habe ziehen können. Demgegenüber könne die Beklagte die Nutzungen aus dem von ihm erhaltenen Geld ziehen. Hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs sei zu berücksichtigen, dass dessen Inbetriebnahme rechtswidrig gewesen sei, da die Zulassungsvorschriften nach den EU-Abgasvorschriften nicht eingehalten worden seien. Eine Nutzungsentschädigung sei zudem für den Kläger als Kunden unzumutbar, weil er durch die tatsächlich vorhandenen, überhöhten Stickoxidemissionen seines Fahrzeuges der Gefahr einer Erkrankung in einem größeren Umfang ausgesetzt gewesen sei als es bei Einhaltung der zulässigen Werte der Fall gewesen wäre. Weiter müsse aufgrund des europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz die Verletzung der europarechtlichen Zulassungsvorschriften sanktioniert werden. Dies könne nur dadurch geschehen, dass eine Nutzungsentschädigung nicht abgezogen werde. Allenfalls komme ein Ausgleich für die Nutzung ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Klägers von der Manipulation in Betracht. Weiter seien wechselseitige Vorteile für den Kläger und die Beklagte zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung des anzusetzenden Anfangswertes des erworbenen Fahrzeuges sei nicht der Kaufpreis, sondern der zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich gegebene Wert maßgebend. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Wert des Fahrzeuges aufgrund der Gefahr des Widerrufs der Zulassung nur mit dem Schrottwert von 200,00 € anzusetzen. Darüber hinaus sei eine Gesamtlaufleistung von 500.000 km anzusetzen. Ferner sei der Rechtsgedanke des § 346 ZPO zu berücksichtigen, wonach auch zugunsten des Klägers die von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus dem erhaltenen Kapital anzusetzen seien. Verzugszinsen seien bereits ab dem Tag der unerlaubten Handlung gemäß § 849 BGB zu ersetzen. Die Beklagte sei auch in Annahmeverzug, da sie spätestens auf das Angebot in der Klageschrift nicht eingegangen sei.
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Hinsichtlich der Berufung der Beklagten führt der Kläger aus, dass das Landgericht zu Recht einen Anspruch aus § 826 BGB zuerkannt habe. Die Beklagte habe eine sittenwidrige Schädigung des Klägers herbeigeführt, indem sie durch die vorsätzlich begangene Manipulation der Abgaswerte die Zulassung des Fahrzeuges durch Täuschung erlangt habe. Er habe, da er davon keine Kenntnis gehabt habe, einen für ihn wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen, weshalb ihm ein Schaden entstanden sei. Dieser Schaden sei nicht durch das Aufspielen des Software-Updates entfallen. Maßgebend für die Schadensentstehung sei der Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages. Die Beklagte habe den Motor entwickelt, hergestellt und anschließend bewusst in Verkehr gebracht, indem sie den Motor an andere Fahrzeughersteller, hier die Firma X. ausgeliefert habe, obwohl sie gewusst habe, dass sie sich aufgrund der verwendeten Manipulationssoftware die EUrechtliche Zulassung zum Verkehr durch Täuschung erschlichen habe, so dass von Anfang an durchgehend die Gefahr bestanden habe, dass bei Bekanntwerden der Manipulation der Zulassungsbescheid seine Wirksamkeit verlieren würden. Ein solches Vorgehen sei verwerflich und sittenwidrig.
13
Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 38.250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2014 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkws X. mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer W. zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.229,27 € freizustellen.
3.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Pkws X. mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer W. in Annahmeverzug befindet.
4.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
14
Die Beklagte beantragt,
das am 26.04.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Bamberg, Az.: 2 O 502/18, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
15
Zur Begründung trägt die Beklagte vor, dass das Landgericht sein Urteil im Wesentlichen auf die Urteile anderer Landgerichte in seiner Begründung stütze, ohne eine eigene Subsumtion sowie rechtliche Auseinandersetzung mit dem Sachvortrag im vorliegenden Rechtsstreit vorzunehmen. Es setze sich auch nicht mit der Frage auseinander, ob die Erwägungen des jeweiligen in Bezug genommenen Urteils eines anderen Landgerichtes auf den vorliegenden Fall übertragbar seien. Das Urteil genüge daher nicht den Anforderungen nach § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Darüber hinaus sei dem Kläger kein zu ersetzender Schaden entstanden. Der Vertragsschluss sei nicht wirtschaftlich nachteilig gewesen. Der Kläger habe das Fahrzeug ohne Einschränkung genutzt und könne es noch so nutzen. Durch das Bekanntwerden der Umstände hinsichtlich der Nutzung und Wirkung der Software sei kein Wertverlust entstanden, da ein Update aufgespielt worden sei. Dieses Update habe keine negativen Auswirkungen auf die Verwendung und Lebensdauer des Fahrzeuges sowie seiner Bauteile. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht die Verkäuferin des Fahrzeuges gewesen sei. Dabei sei der Rechtsgedanke des § 123 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Durch das Aufspielen des Updates sei zudem ein etwaiger, bestehender Schaden behoben worden. Durch das Update erhalte das Fahrzeug den Zustand, den der Kläger bei seinem Erwerb erwartet habe. Der vermeintliche Schaden sei daher nicht vom Schutzzweck des § 826 BGB erfasst. Es fehle auch an der Kausalität zwischen der fehlenden Kenntnis von dem Vorhandensein der Umschaltlogik und der Kaufentscheidung des Klägers. Dies folge daraus, dass der Kläger seine Ansprüche erst im Juli 2018 angemeldet habe, obwohl dem Kläger bereits spätestens seit 2016, als das Softwareupdate aufgespielt worden sei, alle Umstände bekannt geworden seien. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass der Kläger die Kausalität zwischen dem Verschweigen und der Kaufentscheidung beweisen müsse. Das Fahrzeug sei immer zulassungsfähig gewesen. Eine Rücknahme der EUTypgenehmigung sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Das Risiko einer Stilllegung allein begründe kein rechnerisches Minus und damit keinen Schaden, welchen der Kläger erlitten habe. Zumindest zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei ein solcher nicht gegeben, da ein Softwareupdate aufgespielt worden sei, durch das keine technischen Nachteile für das Fahrzeug hervorgerufen würden. Die Beklagte habe den Kläger auch nicht getäuscht, da sie am Abschluss des Kaufvertrages nicht beteiligt gewesen sei. Sie sei zudem nicht Herstellerin des gekauften Fahrzeuges. Beim Kauf eines gebrauchten Fahrzeuges gelte, dass ein Zweiterwerber des Fahrzeuges keiner Täuschung des Autoherstellers durch dessen Werbeaussagen für einen Neuwagen unterliege, da diese bei dem Kauf eines Gebrauchtfahrzeuges keine Rolle spielten. Der Kläger könne keine vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen. Den Bevollmächtigten des Klägers sei bereits aus anderen Fällen bekannt gewesen, dass die Beklagte nicht leistungswillig sei. Die Beauftragung des Rechtsanwalts zu dessen vorgerichtlichen Tätigwerden sei daher nicht erforderlich gewesen und habe nur zusätzliche Kosten verursacht, welche der Kläger nicht ersetzt verlangen könne. Die Berufung des Klägers sei ohne Erfolg. Das Landgericht habe zu Recht einen Abzug der Nutzungsvorteile im Wege des Vorteilsausgleichs vorgenommen. Es könne nur eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km angesetzt werden. Ein Anspruch auf Zinsen nach § 849 bestehe nicht, da der Kläger für den bezahlten Kaufpreis eine Kompensation in voller Höhe durch das Fahrzeug erhalten habe. Ein Annahmeverzug der Beklagten liege auch nicht vor, da aufgrund der Zuvielforderung durch den Kläger die Beklagte berechtigt gewesen sei, das angebotene Fahrzeug nicht anzunehmen.
16
Der Senat nimmt im Übrigen auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen Bezug.
B.
17
Die Rüge der Beklagten, dass sich das Landgericht in seinem Urteil im wesentlichen auf die Urteile anderer Landgerichte stütze, ohne selbst eine rechtliche Würdigung vorzunehmen und ohne zu prüfen, ob die in Bezug genommenen Urteile überhaupt auf den vorliegenden Sachvortrag anwendbar seien, greift nicht. Das Urteil des Landgerichts erfüllt die Anforderungen des § 313 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 ZPO. Die Entscheidungsgründe müssen eine Zusammenfassung der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht beruht (vgl. BGH NJW-RR 95, 700). Sie müssen die wesentlichen, der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen verarbeiten, sofern sie nicht nach den Rechtsstandpunkten des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert sind (vgl. BGH NJW 18, 2133; BGH MDR 18, 172). Ein Begründungsmangel liegt nur dann vor, wenn das Urteil überhaupt keine eigenen Entscheidungsgründe enthält (vgl. BGH NJW-RR 97, 689). Dabei ist eine Bezugnahme auf die Gründe eines anderen Urteils zulässig, wenn den Parteien diese Gründe bekannt sind und das in Bezug genommene Urteil genau bezeichnet ist (vgl. BGH NJW-RR 91, 830; 88, 1071).
18
Im vorliegenden Fall ist die Begründung des Landgerichts ausreichend und zeigt, dass es seine eigene Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht getroffen hat. Das Landgericht hat zwar in einigen Passagen des Urteils durch Aufnahme entsprechender Zitate auf die Entscheidungsgründe der Urteile anderer Landgerichte Bezug genommen. Es hat jedoch stets erkennbar diese Zitate auf den vorliegenden Rechtsstreit bezogen und zum Ausdruck gebracht, dass es den vorliegenden Rechtsstreit mit der gleichen Rechtsansicht beurteilt. Es liegt eine erkennbar eigenständige Beurteilung der Sach- und Rechtslage des vorliegenden Rechtsstreites, insbesondere des hier vorliegenden Parteivortrages vor. Ein Begründungsmangel ist daher nicht gegeben.
C.
19
Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg, die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.
I.
20
Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 826, 31, BGB die Zahlung von 18.009,74 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkws X. verlangen, weil die Beklagte in einer gegen die guten Sitten verstoßenen Weise dem Kläger vorsätzlich einen Schaden zugefügt hat.
1. Die Beklagte hat in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gehandelt, in dem sie den konkreten Motor hergestellt und anschließend in Verkehr gebracht hat.
a) Die Beklagte hat den Kläger darüber getäuscht, dass der von ihr in den Verkehr gebrachte Motor und damit das mit diesem Motor bestückte Fahrzeug der X. AG die für die Zulassung zum Betrieb im Straßenverkehr erforderlichen Genehmigungen ordnungsgemäß erlangt hat und die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind. Tatsächlich wurde die zum Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr erforderliche EG-Typengenehmigung durch Täuschung des zuständigen Kraftfahrtbundesamtes in Bezug auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Abgaswerte im Stickoxidbereich nur durch Manipulation des Prüfergebnisses erreicht. Tatsächlich lagen die gesetzlich geforderten Zulassungsvoraussetzungen nicht vor. Ein Hersteller, der einen Motor in Verkehr bringt, gibt konkludent die Erklärung ab, dass der Einsatz des Motors in den verschiedenen Fahrzeugtypen, - auch beim Einsatz in Fahrzeugen anderer Hersteller - entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist. Er bringt insoweit zum Ausdruck, dass der Motor und das damit ausgestattete Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck nicht nur im Straßenverkehr eingesetzt werden kann, sondern auch eingesetzt werden darf, d.h. über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt und deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei Auslieferung des Fahrzeuges dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Dies setzt voraus, dass nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EGTypengenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen Kraftfahrtbundesamtes erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht (vgl. KG Urteil vom 26.09.2019, Az.: 4 U 51/19; OLG Koblenz WM 19, 1229; 19, 1929). Das Inverkehrbringen dieses Motors und des jeweils damit ausgerüsteten Fahrzeuges stellt eine konkludente Täuschung durch aktives Handeln dar. Die von der Beklagten mit dem Inverkehrbringen abgegebene Erklärung war unrichtig, da die Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässig ist mit der Folge, dass jederzeit der Widerruf der Typengenehmigung droht (vgl. BGH MDR 19, 416; OLG Koblenz a.a.O.; KG a.a.O.). Nach Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007 EG hat der Hersteller von ihm gefertigte Neufahrzeuge dergestalt auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen den Vorgaben der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (vgl. Erwägungsgrund 12 der VO 715/2007/EG) und dass die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte erforderliche erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen (vgl. Erwägungsgrund 6 der VO 715/2007/EG) erreicht wird (vgl. BGH NJW 19, 1133; OLG Koblenz a.a.O.). Folglich sieht die Verordnung die Verwendung von Abschaltrichtungen, welche die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, strikt als unzulässig an (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG) sofern nicht die ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestände (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG) greifen. Eine „Abschalteinrichtung“ ist nach Art. 3 Nr. 10 VO Nr. 715/2007/EG jedes Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegte Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb in vernünftiger Weise zu erwarten sind, verringert wird. Ausgehend von diesen weit gefassten Bestimmungen handelt es sich auch bei der im Fahrzeug des Klägers zum Zeitpunkt des Kaufes installierten Software des Motors um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG (vgl. KG a.a.O.; OLG Koblenz WM 19, 1929; 19, 1229 m.w.N.). Denn die Software erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet und schaltet in diesem Fall in einen Modus, bei dem verstärkt Abgase in den Motor zurückgelangen und sich so der Ausstoß von Stickoxiden (NOx-Werte) verringert. Im normalen Fahrbetrieb hingegen aktiviert die Software einen anderen Modus, bei dem eine Abgasrückführung nur in geringerem Umfang stattfindet. Sie ermittelt also aufgrund technischer Parameter die betreffende Betriebsart des Fahrzeuges (Prüf- oder Echtbetrieb) und aktiviert oder deaktiviert dementsprechend die Abgasrückführung, was unmittelbar die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtigt. Die nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG in bestimmten Fällen gestattete Verwendung von Abschalteinrichtungen greift hier nicht ein, da die vorliegende Abschalteinrichtung gerade dazu dient, bei erkanntem Prüfbetrieb ein vom Echtbetrieb abweichendes Emissionsverhalten des Fahrzeuges herbeizuführen, um auf diese Weise den Anschein der Einhaltung der andernfalls nicht erreichten Emissionsgrenzwerte zu erwecken (vgl. BGH a.a.O.; OLG Koblenz a.a.O.; KG a.a.O.). Aufgrund dieser beschriebenen Wirkungsweise der Software handelt es sich daher weder um eine Abschalteinrichtung, die notwendig ist, um den Motor vor einer Beschädigung oder einem Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten noch um eine Abschalteinrichtung, die nicht länger arbeitet, als dies zum Anlassen des Motors erforderlich ist. Es handelt sich daher nicht um eine innermotorische Maßnahme (vgl. OLG Koblenz, a.a.O., KG a.a.O.). Dass es sich dabei um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 10 Nr. 10 der VO (EG) 715/2007 handelt wird auch vom KBA in seinem bestandskräftigen Bescheid vom 14.10.2015 bestätigt und zugrundegelegt. Unerheblich ist, dass es auf die Grenzwerte im tatsächlichen Fahrbetrieb für die Zulassung nicht ankommt, weil sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, die Grenzwerte unter Laborbedingungen ohne die Besonderheiten im tatsächlichen Fahrverhalten zu erheben. Entscheidend ist vorliegend, dass die Beklagte mit dem Einsatz der streitgegenständlichen Software für die Steuerung des Motors bewusst die Gegebenheiten der durchzuführenden Prüfung auf dem Prüfstand unter Laborbedingungen manipuliert hat und damit die Grenzen des rechtlich Erlaubten überschritten hat, indem sie einen bewussten, manipulativen Eingriff in das Laufverhalten des Motors für den Fall der Überprüfung der produzierten Abgaswerte auf einem Prüfstand vorgenommen hat (vgl. hierzu auch KG a.a.O.; OLG Koblenz a.a.O.). Dadurch, dass die Beklagte den Motor mit der Manipulationssoftware entwickelt und anschließend in den Verkehr gebracht hat, nachdem sie so die erforderliche Zulassung zum Betrieb durch die Behörden erschlichen hat, hat sie alle, auch alle nachfolgenden Erwerber dieses Motors und der Fahrzeuge, in denen ein derartiger Motor des Typs EA 189 eingebaut ist, darüber getäuscht, dass das so erworbene Fahrzeug mit dem Motor im Straßenverkehr uneingeschränkt benutzt werden kann, obwohl tatsächlich stets die Gefahr bestand und besteht, dass wegen dieser erschlichenen Zulassung dem Motor und damit auch dem von ihm bewegten Fahrzeug die für dessen Nutzung im öffentlichen Straßenverkehr notwendige Zulassung entzogen werden kann. Unerheblich ist es, ob sich der Käufer eines Fahrzeuges bewusst mit der Frage auseinandergesetzt hat, welche genauen Voraussetzungen für die Erteilung der Typengenehmigung erfüllt sein müssen und ob diese hier vorliegen. Wer ein Fahrzeug - neu oder gebraucht - erwirbt, um dieses im Straßenverkehr zu verwenden, vertraut darauf, dass dieses - auch in Bezug auf alle im Fahrzeug verwendeten Komponenten - alle Voraussetzungen erfüllt, um es im Straßenverkehr dauerhaft nutzen zu können. Der Käufer geht daher auch stets davon aus, dass sich die Hersteller des Fahrzeuges und auch die Hersteller der einzelnen in ihm verbauten Bestandteile an die gesetzlichen Vorschriften gehalten sowie die zum Betrieb erforderlichen Prüfungen für die zu erteilenden Erlaubnisse ordnungsgemäß durchlaufen haben. Jeder Käufer geht davon aus, dass aus diesen Umständen heraus keine Gefahr besteht, dass wegen einer durch Täuschung erlangten Genehmigung der Betrieb des Fahrzeuges insgesamt untersagt werden kann. Es ist daher unerheblich, dass die Beklagte mit dem Kläger im Rahmen des Abschlusses des Kaufvertrages nicht direkt - weder tatsächlich noch rechtlich - in Kontakt gekommen ist. Maßgebend ist allein, dass die Beklagte den Motor, den sie mit der Manipulationssoftware versehen und dessen Zulassung sie durch unredliches Verhalten erschlichen hat, in Verkehr gebracht hat, wobei ihr bekannt war, dass er in ein Fahrzeug einbaut wird, das in seinem wirtschaftlichen Leben von verschiedenen Personen, wie hier vom Kläger, erworben werden kann, wobei jeder Erwerber davon ausgeht, dass die für den Betrieb erforderlichen behördlichen Genehmigungen ordnungsgemäß, d.h. nicht durch Manipulationen, erworben wurden und dass diesbezüglich keine Gefahr des Widerrufs dieser Genehmigungen besteht mit der Folge einer Stilllegung des Fahrzeuges. Die Täuschungshandlung der Beklagten beim Inverkehrbringen des Motors wirkt daher auch innerhalb von Käuferketten außerhalb des Herrschaftsbereichs der Beklagten fort. Es ist daher auch unerheblich, dass es sich hier um ein von der Firma X. hergestelltes Fahrzeug handelt, das zudem von einem Händler als Gebrauchtfahrzeug an den Kläger verkauft wurde.
21
b) Die Täuschungshandlung der Beklagten, wie sie unter C I 1. a) dargelegt ist, stellt einen Verstoß gegen die guten Sitten dar.
22
Objektiv sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH NJW 17, 250; 14, 383; Palandt, BGB, 79. Aufl., § 826 Rn. 4, § 138 Rn. 2 ff. m.w.N.). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es darauf an, dass dem Schädiger das Unwerturteil sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2019 - VI ZR 512/17; KG a.a.O.). Ausreichend kann insoweit jedoch eine bewusste Täuschung sein, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 541/15; KG a.a.O.).
23
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Motors mit der Manipulationssoftware sittenwidrig. Es liegt ein rechtlich nicht erlaubtes, gegen Gesetze und Vorschriften verstoßendes, im großen Stil angelegtes Vorgehen der Beklagten aus reinem Gewinnstreben vor. Ziel der Beklagten war es, auf kostengünstigem Weg die Typengenehmigung für die mit dem Motor ausgestatteten Fahrzeuge ohne tatsächliche Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgrenzen des NOx-Ausstoßes zu erhalten, wobei die Einhaltung der im Interesse der Allgemeinheit festgesetzten gesetzlichen Abgaswerte gegenüber den staatlichen Genehmigungsbehörden vorgetäuscht werden sollte. Eine Einhaltung der Werte, die für die Erteilung der Zulassung erforderlich war, war für die Beklagte ohne die dafür entwickelte und eingesetzte Manipulationssoftware zum Zeitpunkt deren Einbaus entweder nicht möglich oder mit großen Kosten oder technischen Schwierigkeiten verbunden. Ein anderer Grund für die Verwendung der Software ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Es erscheint auch fernliegend, dass die Beklagte das Risiko eingegangen ist, die Zulassung der mit den fraglichen Motoren versehenen Fahrzeuge nicht zu erhalten und sich strafrechtlichen Maßnahmen auszusetzen, ohne dass sie sich hiervon einen ganz erheblichen wirtschaftlichen Nutzen versprach (vgl. hierzu auch OLG Koblenz a.a.O.; OLG Karlsruhe WM 19, 881; OLG Köln, Beschlüsse vom 16.07.2018 - 27 U 10/18 und vom 01.07.2019 - 27 U 7/19; KG a.a.O.). Dass die technische Lösung für den Betrieb des Motors aufwendig und kostenintensiv ist, zeigt sich auch daran, dass die Entwicklung der Software für das vom KBA nach Entdeckung der Täuschung der Beklagten geforderte Update einen erheblichen Zeitraum erforderte. Wenn schon zum Zeitpunkt der Herstellung des Motors die Entwicklung dieser Updatesoftware und die Beseitigung der Konstruktionsprobleme im Zusammenhang mit dem Lauf des Motors und den Abgaswerten ohne großen Kostenaufwand möglich gewesen wäre, ist nicht nachvollziehbar und nicht ersichtlich, warum die Beklagte dies nicht schon zum damaligen Zeitpunkt durchgeführt hat. Für ein sittenwidriges Verhalten spricht auch, dass die Beklagte auf diese Art und Weise in erheblichem Umfang und mit erheblicher Energie eine Täuschung der staatlichen Behörden unter gleichzeitiger Täuschung anderer Wettbewerber und der Endverbraucher, begangen hat. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte systematisch, über Jahre hinweg die Täuschung aufrechterhalten hat. Sie hat nicht nur vorgeschriebene Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der vorgenommenen Manipulation an diesem Motortyp für alle davon betroffenen Fahrzeuge zugleich ein System der planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden einerseits sowie nachfolgend durch das Inverkehrbringen der Motoren und deren Einbau in Fahrzeuge verschiedener Hersteller geschaffen, die dann an ahnungslose Verbraucher verkauft wurden, die darauf vertrauten, ein den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere den Abgasvorschriften, entsprechendes Fahrzeug zu erhalten, das sie ohne die Gefahr der Widerrufe der Betriebserlaubnisse benutzen könnten. Ein solches Handeln aus Gewinnstreben um jeden Preis, stellt einen massiven Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden dar. Es stellt eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral dar. Dem reinen Gewinnstreben der Beklagten unter bewusster Missachtung und Übergehen der gesetzlichen Vorschriften hat die Beklagte auch gegenüber den arglosen Käufern, die selbst keinerlei Möglichkeiten hatten, vor Erwerb des Fahrzeuges mit dem streitgegenständlichen Motor zu prüfen, ob dieser gesetzlichen Vorschriften entsprechend die Zulassung zum Betrieb erhalten hat, den Vorrang gegeben und diese in die Gefahr gebracht, dass den von ihnen erworbenen Fahrzeuge die Betriebserlaubnis entzogen wird und diese damit stillgelegt werden, wenn nicht die Beklagte bei Entdecken ihres manipulativen Vorgehens beim Erhalt der behördlichen Zulassung umgehend die technischen Voraussetzungen schaffen kann, damit anschließend eine Betriebserlaubnis erteilt werden kann. Diese Umstände führen in ihrer Gesamtheit dazu, das Handeln der Beklagten als besonders verwerflich und damit als sittenwidrig anzusehen. Dies wird auch von anderen Oberlandesgerichten so gewertet. Insoweit wird auf die Entscheidungen des KG Berlin vom 26.09.2019, Az.: 4 U 51/19, des Oberlandesgerichts Koblenz, veröffentlicht in WM 19, 1929 und NJW 19, 2237; OLG Karlsruhe DAR 19, 266, OLG Köln, NJW-RR 19, 984; OLG Karlsruhe WM 19, 1510; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019, 10 U 134/19; OLG Frankfurt, Urteil vom 25.09.2019, 17 U 45/19 hingewiesen.
24
2. Es besteht ein Kausalzusammenhang zwischen der vorstehend dargestellten sittenwidrigen Täuschung durch die Beklagte und dem Vertragsschluss durch den Kläger. Hierfür reicht es grundsätzlich aus, dass der Kläger Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 - V ZR 34/94, MDR 1996, 464). Beides ist vorliegend der Fall. Nach der Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäftes ist es vorliegend fernliegend, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsuntersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem überhaupt behoben werden kann (vgl. KG a.a.O.).
25
3. Dem Kläger wurde hierdurch ein Schaden zugefügt.
26
Der Schaden liegt dabei in dem Erwerb des Fahrzeuges, das mit einem manipulierten Motor ausgerüstet ist und eine erschlichene Zulassung zum Betrieb hat. § 826 BGB erfasst auch reine Vermögensschäden, da er nicht auf die Verletzung bestimmter absoluter Rechtsgüter abzielt. Unter einem Schaden im Sinne des § 826 BGB ist nicht nur die negative Einwirkung auf die Vermögenslage zu verstehen, sondern auch die nachteilige Beeinträchtigung jedes rechtlich anerkannten Interesses. So kann der Schaden auch in der Eingehung einer „ungewollten“ Verbindlichkeit bestehen, selbst wenn dieser Forderung eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (vgl. BGH NJW-RR 15, 275; BGH NJW 04, 2971; KG Berlin vom 26.09.2019, Az.: 4 U 51/19; OLG Koblenz WM 19, 1229; 19,1929; jeweils m.w.N.). Der Kläger hat mit Abschluss des Kaufvertrages ein Fahrzeug erworben, bei dem aufgrund der von der Beklagten durch Täuschung erschlichenen Zulassung stets dessen Stilllegung durch die Behörden drohte mit der Folge, dass das Fahrzeug damit seiner Nutzungsmöglichkeit beraubt werden kann. Bereits mit Abschluss des Kaufvertrages aufgrund der sittenwidrig erfolgten Täuschung durch die Beklagte, ist dabei der Schaden eingetreten. Durch das erst Jahre später, auf Druck des KBA erfolgte Angebot des Aufspielens eines Software-Updates, mit dessen Hilfe die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt werden sollten, ist dieser zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages eingetretene Schaden nicht zu beseitigen. Im Gegensatz zum Kaufvertragsrecht ist im Deliktsrecht, insbesondere im Rahmen des § 826 BGB, dem Schädiger nicht die Möglichkeit eröffnet, einen zunächst durch sein Verhalten hervorgerufenen Schaden dadurch zu beheben, dass er „nacherfüllt“ und die Schadensfolgen behebt. Der Schaden wird nicht dadurch verhindert oder behoben, dass der Kläger das Fahrzeug tatsächlich nutzen konnte, weil letztendlich ein Widerruf der durch Täuschung erlangten Zulassung durch das KBA nicht erfolgt ist. Dass die Gefahr der Stilllegung bestand, zeigt sich hier auch daraus, dass das KBA durch bestandskräftigen Bescheid die Entwicklung des Softwareupdates durch die Beklagte und dessen Aufspielen auf den jeweiligen Motor gefordert hat unter gleichzeitiger Androhung einer Betriebsuntersagung, wenn dies nicht erfolgt. Der Zweck, die uneingeschränkte Teilnahme am Straßenverkehr, ohne weitere erforderliche Maßnahmen zur Vermeidung einer drohenden Betriebsuntersagung, wurde daher zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages nicht erfüllt. Es liegt daher aufgrund der sittenwidrigen Täuschung durch die Beklagte ein Schaden vor.
27
4. Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten haben dabei auch vorsätzlich gehandelt. Dieses Handeln hat sich die Beklagte gem. § 31 BGB zurechnen zu lassen.
28
Der erforderliche Vorsatz im Sinn des § 826 BGB bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Zum Vorsatz gehört, dass der Schädiger spätestens zum Zeitpunkt des Schadenseintritts Art und Richtung des Schadens unterschieden, die Schadensfolgen vorausgesehen und die Schädigung eines direkten Vorsatzes gewollt hat oder im Sinne eines bedingten Vorsatzes jedenfalls, mag er sie auch nicht wünschen, doch zum Erreichen seines Zieles billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGH NJW 17, 250; BGH NJW-RR 13, 550; Palandt a.a.O. § 826 Rn. 11). Der Handelnde muss dabei die Schädigung des Anspruchstellers jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH NJW 14, 1380). Aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, kann sich dabei die Schlussfolgerung ergeben, dass der Schädigende mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchgeführt hat, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. Allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts allein nicht die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden war. Vielmehr ist eine umfassende Würdigung des Einzelfalls erforderlich (vgl. BGH NJW-RR 13, 550; KG a.a.O.).
29
Die danach gebotene Gesamtwürdigung ergibt, dass die für die Beklagte handelnden Personen vorsätzlich gehandelt haben. Es wurde die Software bewusst entwickelt und in die Motorsteuerung eingebaut, um auf diese Art und Weise die Typengenehmigung für die Zulassung der Verwendung des Motors im allgemeinen Verkehr durch die Behörden zu erhalten. Dabei wurde in Kauf genommen, dass eine Entdeckung der verwendeten Software dazu führen würde, dass die Betriebserlaubnis für die betroffenen Fahrzeuge, in denen der Motor eingebaut ist, widerrufen werden oder aus sich heraus erlöschen könnte. Dieses Risiko, das die jeweiligen Erwerber eines solchen Motors und eines Fahrzeuges mit einem solchen Motor trifft, wurde von den für die Beklagte handelnden Personen zumindest als möglich erkannt und dennoch billigend in Kauf genommen. Denn es ist nicht erklärlich, warum ansonsten die Vorgänge von Seiten der Beklagten geheim gehalten wurden, wenn die Beklagte und die für sie handelnden Personen ihr Vorgehen als rechtmäßig eingeordnet hätten. Die Gesamtwürdigung ergibt daher, dass insoweit ein vorsätzliches Handeln vorliegt, da die Beklagte die Folgen ihres Handelns für die Erwerber eines Fahrzeuges mit diesem Motor jedenfalls billigend in Kauf genommen haben.
30
Der erforderliche, aber auch ausreichende bedingte Vorsatz war auch bei verfassungsmäßig berufenen Vertretern der Beklagten vorhanden. Deren Kenntnisse hat sich die Beklagte nach § 31 BGB zurechnen zu lassen. Der Kläger hat ein Handeln oder zumindest eine Kenntnis des Vorstandes oder einzelner Mitglieder des Vorstandes von der Entwicklung und dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung schlüssig und damit beachtlich vorgetragen. Dabei ist zu beachten, dass den Erwerbern eines Fahrzeugs mit einem derartigen Motor zwecks Erkenntnisgewinn regelmäßig allein öffentlich zugängliche Quellen zum Sachvortrag zur Verfügung stehen, weil sie über die internen Vorgänge der Herstellerin des Fahrzeuges und auch der Herstellerin des Motors keine Kenntnis haben können (vgl. KG a.a.O.; OLG Karlsruhe WM 19, 1510; OLG Köln, Beschluss vom 01.03.2019, Az.: 16 U 146/18). An die Substantiierungslast der darlegungspflichtigen Parteien dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Spiegelbildlich dazu setzt die Annahme einer sekundären Darlegungslast beim Anspruchsgegner voraus, dass die nähere Darlegung der Geschehnisse für den Anspruchsteller nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. BGH NJW 14, 2797; BGH NJW-RR 14, 614). Der Umfang der erforderlichen Darlegung richtet sich danach, was der zunächst darlegungs- und beweispflichtigen Partei möglich und zumutbar ist und anschließend danach, was dem Prozessgegner im Hinblick auf den Vortrag dieser Partei zumutbar und möglich ist (vgl. BGH NJW-RR 19, 1300; BGH, Urteil vom 15.05.2003, Az.: III ZR 7/02). Hat die darlegungs- und beweispflichtige Partei keinen Einblick in die Geschehensabläufe und ist ihr die Darlegungs- und Beweislast deshalb erschwert, kann sie auch nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Unbeachtlich wird ihr Vorgang unter solchen Umständen erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen des Sachverhalts willkürlich und rechtsmissbräuchlich Behauptungen „aufs gerade Wohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt (vgl. BGH a.a.O.; BGH NJW 00, 2812). Zulässig sind Behauptungen einer nur vermuteten Tatsache, wenn greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes bestehen. Diese können sich auch aus unstreitigen oder unter Beweis gestellten Indizien ergeben (vgl. BGH NJW-RR 02, 1419).
31
Im vorliegenden Fall stellen die vom Kläger aufgestellten Behauptungen in Bezug auf die Kenntnis und Billigung des Vorgehens der gesetzlichen Organe der Beklagten im Zusammenhang mit der Verwendung der Manipulationssoftware keine Behauptungen ins Blaue hinein dar. Es bestehen greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen des behaupteten Kennens und Handelns des Vorstandes oder zumindest der für diesen Bereich zuständigen Mitglieder von der Verwendung der Abschalteinrichtung. Es handelt sich um einen Vorgang der für die Beklagte von erheblicher tatsächlicher und wirtschaftlicher Bedeutung ist. Im Falle des Entdeckens dieser Manipulationen und der damit erschlichenen Zulassung des Motors für den allgemeinen Betrieb war schon zum Zeitpunkt des Ingangsetzens dieser Tätigkeiten für die Mitarbeiter der Beklagten bekannt, dass dies erhebliche wirtschaftlich negative Auswirkungen auf die Beklagte und auf deren Image im Geschäftsverkehr haben wird. Es liegt daher nahe, dass die maßgeblichen Vertreter der Beklagten (Vorstand) den derartigen massiven und dauerhaften Einsatz von Manipulationssoftware kannten und diesen absegneten. Dass untergeordnete Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung der Beklagten auf eigene Faust gehandelt haben, erscheint insoweit undenkbar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass, wie aus Funk, Presse und anderen Medien bekannt ist, diesbezüglich entsprechende Verträge mit anderen Firmen in Millionenhöhe in Bezug auf den Kauf und die Entwicklung der Software und der dabei verwendeten Hardwareteile erforderlich waren. Es erscheint nicht plausibel, dass dies in alleiniger Verantwortung untergeordneter Konstrukteure ohne Kenntnis und Billigung des Vorstandes oder zumindest des für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zuständigen Vorstandsmitglieds geschehen sein kann. Zu diesem Vortrag des Klägers, die Vorstandsebene der Beklagten habe Kenntnis von den Vorgängen gehabt, ist der Vortrag der Beklagten nicht ausreichend, um ihn wirksam zu bestreiten, so dass der Sachvortrag des Klägers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist. Die Beklagte trägt hierzu lediglich vor, dass der Vorstand keine Kenntnis über die maßgeblichen Umstände zu dem maßgeblichen Zeitpunkt gehabt habe. Die Beklagte trägt nicht ausreichend substantiiert vor, wer im Betrieb und in der Betriebsorganisation der Beklagten zu welchem Zeitpunkt bzgl. der Entwicklung und des Einbaus der Manipulationssoftware Kenntnis hatte und die entsprechenden Anordnungen getroffen hat. Insbesondere bestreitet sie, ohne ins Detail zu gehen, eine Kenntnis des Vorstandsmitglieds Ruppert Stadler. Hinsichtlich anderer genannter Personen wird lediglich bestritten, dass sie nie die Absicht gehabt hätten, Erwerber von Fahrzeugen, die mit Motoren des Typs EA 189 ausgestattet sind, zu schädigen. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um den Vortrag der Klägerseite in Bezug auf die Kenntnisse der maßgebenden Personen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Motors zu bestreiten. Steht ein darlegungspflichtiger Kläger außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Beklagte alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast ein einfaches Bestreiten nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH VersR 16, 666; BGH NJW-RR 15, 1279; BGHZ 163, 210 jeweils m.w.N.). Dabei obliegt es dem Bestreitenden im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch zumutbare Nachforschungen zu unternehmen (vgl. BGH NJW 12, 3774). Im vorliegenden Fall ist es der Beklagten, die insoweit problemlos Zugang zu den erforderlichen Unterlagen im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Vorgängen hat und die entsprechend ihre Angestellten bzw. Vorstandsmitglieder befragen kann, möglich und zumutbar, nähere Angaben über die zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu machen. Hinzu kommt, dass gerichtsbekannt ist, dass die Beklagte schon seit mehreren Jahren in der Öffentlichkeit stets behauptet, dass sie eine oder mehrere renommierte, international tätige Anwaltskanzleien mit der Aufklärung der Umstände der internen Vorgänge im Zusammenhang mit dem
„Dieselskandal“ beauftragt hat und dies sich jetzt schon über Jahre hinweg zieht. Es ist daher der Beklagten zumutbar substantiiert darzulegen, wer, wann und zu welchen Gelegenheiten Kenntnis von dem Einsatz der Manipulationssoftware erlangt hat und wer deren Einsatz angeordnet und/oder zumindest billigend getragen hat. Da die Beklagte dieser sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist, gilt der Vortrag des Prozessgegners als zugestanden (vgl. BGH NJW 08, 982; BGH NJW-RR 06, 552; BGH NJW 14, 2360 = BGHZ 200, 76). Dass die internen Ermittlungen bei der Beklagten bis heute keine Erkenntnisse gebracht haben, die es erlauben nachvollziehbar darzulegen, wer auf welcher Arbeitsebene welche Entscheidungen in Bezug auf die Entwicklung und Einsatzbedingungen der Abschalteinrichtung getroffen haben, widerspricht jeglicher Lebenserfahrung. Die Beklagte hat diesbezüglich auch keine nachvollziehbaren Erklärungen abgegeben. Der Senat ist davon überzeugt, dass zumindest einige der Vorstandsmitglieder der Beklagten, welche die entsprechende Entscheidungsgewalt innehatten, davon Kenntnis hatten, dass die Manipulationssoftware bei dem streitgegenständlichen Motor entwickelt und eingesetzt wurde, um dessen Zulassung für den Allgemeinbetrieb zu erlangen.
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5. Dem Kläger ist ein zu ersetzender Schaden in Höhe von 18.009,76 € entstanden.
33
a) Der Schaden liegt darin, dass der Kläger aufgrund der von der Beklagten vorsätzlich und sittenwidrig begangenen Handlung einen Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug geschlossen hat, welchen er ohne diese Täuschung nicht eingegangen wäre. Der Kläger hat einen Pkw mit einem eingebauten Motor gekauft, der aufgrund der rechtswidrig und sittenwidrig erschlichenen Betriebszulassung der öffentlichen Behörden stets die Gefahr mit sich trägt, dass die Betriebszulassung und damit die allgemeine Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeuges vollständig entfallen kann. Aufgrund der rechtswidrig verbauten Abschalteinrichtung bei der Prüfung der Voraussetzungen der Zulassung zum allgemeinen Verkehr drohte bei Entdeckung der Manipulation jederzeit die Stilllegung des Fahrzeuges. Damit ist die Erwartung des Klägers, dass er das Fahrzeug ohne Gefahr der Stilllegung jederzeit benutzen kann, beeinträchtigt. Dieser Schaden ist bereits mit Abschluss des Kaufvertrages eingetreten. Ohne Durchführung weiterer Maßnahmen - nämlich dem Aufspielen eines erst noch zu entwickelnden Softwareupdates, um die Zulassungsbedingungen in Bezug auf das Abgasverhalten zu erreichen - würde unstreitig eine Betriebsuntersagung von Seiten der Behörden erfolgen. Ob der Kläger darüber hinaus weitere Erwartungen (z.B. Umweltfreundlichkeit) an das Fahrzeug hatte oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Maßgeblich ist, dass der Kläger ein für die Nutzung im Straßenverkehr bestimmtes Fahrzeug erworben hat, das hinsichtlich der Frage der Typengenehmigung und der Betriebszulassung und deren zukünftigen Bestehen mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten belegt war. Der Kläger ist daher im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) durch Rückgängigmachung des Kaufes so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er den Kauf nicht getätigt hätte. Er kann daher den Ersatz des gezahlten Kaufpreises gegen Herausgabe und Übereignung des Erlangten, insbesondere des Fahrzeuges, verlangen (vgl. hierzu auch OLG Koblenz a.a.O.; KG a.a.O.).
34
b) Auf den vom Kläger aufgewendeten Kaufpreis muss sich jedoch dieser nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen.
35
Nach den Grundsätzen des Schadensersatzrechts darf der Geschädigte an dem schädigenden Vorgang nicht verdienen. Er muss daher die ihm aufgrund des Schadensereignisses zugewachsenen Vorteile ausgleichen. Mit Hilfe des Vorteilsausgleichs soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall betroffenen Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht alle durch das Schadenereignis bedingten Vorteile bei dem Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. den Geschädigten nicht unangemessen belastet und den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Maßgeblich ist, ob die Anrechnung von Vorteilen im Einzelfall nach Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts unter Berücksichtigung der gesamten Interessenlage nach Treu und Glauben dem Geschädigten zugemutet werden kann (vgl. BGH NJW 19, 215; 16, 2949; 07, 3130). Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten für Schadensersatzansprüche aller Art (vgl. Palandt, a.a.O., vor § 249 Rn. 76).
36
Nach diesen Maßstäben hat sich der Kläger die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen zu lassen. Der Kläger hat das Fahrzeug über einen mehrjährigen Zeitraum genutzt und dabei bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung 138.153 km zurückgelegt. Nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers war das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Erwerbs 15.440 km gelaufen. Der Kilometerstand betrug zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 153.593 km. Wenn der Kläger dieses Fahrzeug nicht erworben hätte, hätte er ein anderes Fahrzeug derselben Klasse erworben und mit diesem Fahrzeug bei der tatsächlich stattgefundenen Nutzung ebenfalls einen entsprechenden Wertverlust erlitten. Der Kläger wird daher nicht unangemessen belastet, wenn er den Vermögensvorteil, dass er in der ganzen Zeit das Fahrzeug vollumfänglich bestimmungsgemäß benutzt hat und in keiner Weise dabei eingeschränkt war, ausgleichen muss. Der Herausgabepflicht für die gezogenen Nutzungen steht das Vorliegen einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung nicht entgegen, weil nicht die bloße Nutzungsmöglichkeit zu seinen Lasten in Abzug gebracht wird, sondern die tatsächliche Nutzung, weil der Kläger das Fahrzeug aufgrund eigener Entscheidung bewusst genutzt hat, und der Verweigerung des Vorteilsausgleichs keine kompensierende Wirkung zukäme (vgl. KG a.a.O.; OLG Koblenz a.a.O.). Die deutsche Zivilrechtsordnung kennt als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung nur den Schadensausgleich (§ 249ff BGB), nicht aber eine bewusste Bereicherung des Geschädigten oder eine Bestrafung des Schädigers über die Behebung des tatsächlich entstandenen Schadens hinaus. Die Bestrafung und Abschreckung eines Schädigers sind mögliche Ziele des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, nicht aber des Zivilrechts (vgl. KG a.a.O.; OLG Karlsruhe DAR 19, 266). Die Anwendung der Grundsätze des Vorteilsausgleichs führt deshalb nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers. Es ist nicht Aufgabe des Schadensrechts, das Verhalten des Schädigers in einer über die faktische Rückabwicklung des Vertrages hinausgehenden Weise zu sanktionieren. Der von dem Kläger gezogene Nutzungsvorteil ist keiner, der ihm ohne das schädigende Ereignis verblieben wäre. Denn auch ohne das schädigende Ereignis hätte der Kläger ein anderes Fahrzeug gefahren und es dafür vorher gekauft. Hierfür hätte er die daraus resultierenden Nutzungsvorteile für sich in Anspruch genommen. In diesem Punkt steht er daher durch das Verhalten der Beklagten nicht schlechter dar. Die Nutzungen wurden dem Kläger auch nicht „aufgedrängt“. Die Nutzungen des Fahrzeuges erfolgten vielmehr freiwillig. Er hat das Fahrzeug auch ohne jegliche Einschränkungen in seinem Nutzwert gefahren (vgl. KG a.a.O.; OLG Koblenz a.a.O.). Die Beklagte wird durch den Vorteilsausgleich auch nicht unangemessen entlastet. Sie enthält das vom Kläger abgenutzte und damit erheblich im Wert gegenüber dem Zeitpunkt des Kaufes geminderte Fahrzeug übereignet. Eine Verzögerung der Rückabwicklung durch den geführten Rechtsstreit kann der Beklagten nicht angelastet werden. Es muss jeder Partei möglich sein, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, wenn sie eine andere Rechtsauffassung als die klagende und fordernde Partei hat. Zudem bestand für den Kläger jederzeit die Möglichkeit von dem Zeitpunkt an, in dem er Kenntnis von den Tatsachen, die seinen Anspruch begründen, erhielt, die Nutzung des Fahrzeuges einzustellen. Wenn jemand trotzdem und während des laufenden Rechtsstreits das Fahrzeug weiterhin benutzt, entspricht es dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass er die ihm dadurch entstandenen und in Anspruch genommenen Vorteile ausgleichen muss.
37
Ein Ausschluss des Vorteilsausgleichs wegen einer von dem Kläger behaupteten Gesundheitsgefährdung durch die ausgestoßenen erhöhten Abgasmengen kann nicht angenommen werden, da zum einen zu berücksichtigen ist, dass der Kläger nicht von seinem Fahrzeug, zumindest nicht wesentlich, beeinträchtigt wurde, da die Abgase nach hinten geleitet und an der Rückseite des sich vorwärts bewegenden Fahrzeuges ausgestoßen werden. Es ist daher nicht anzunehmen, dass die Abgase, zumindest nicht in erheblichem Maße, in den Fahrgastraum gelangt sind. Maßgebliche Schädigungen von Fahrern durch Abgase erfolgt vielmehr durch die Vielzahl der anderen Verkehrsteilnehmer im allgemeinen Straßenverkehr, die vor ihm fahren.
38
Europarechtliche Vorschriften stehen dem Vorteilsausgleich nicht entgegen. Auch das Erfordernis der Durchsetzung europarechtlicher Vorschriften mit Hilfe der Vorschriften des Zivilrechtes greift hier nicht. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Vorschriften über den Verbraucherschutz des Kaufrechts vorliegend nicht anzuwenden sind. Im Rahmen des Deliktsrechtes kommt die EUrechtliche Regelung bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen wegen mangelhafter Lieferung des Kaufgegenstandes nicht in Betracht. Es bestehen im vorliegenden Fall keine Erfordernisse, europarechtlichen Vorschriften dadurch Geltung zu verschaffen, dass im Rahmen des Zivilrechtes Sanktionen gegen Verstöße durchgesetzt werden. Vorliegend sind etwaige Verstöße gegen europarechtliche Vorschriften dadurch sanktioniert, dass entsprechende Genehmigungen widerrufen und entsprechende Strafzahlungen von Seiten der Behörden gegenüber dem Rechtsverletzer verhängt werden können und werden. Eine zusätzliche Sanktionierung durch Anwendung des Zivilrechts zugunsten eines einzelnen Geschädigten ist dabei nicht vorzunehmen (vgl. hierzu auch OLG Koblenz WM 19, 1929 Rn. 73).
39
Die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges schätzt der Senat gemäß § 287 BGB auf 250.000 km. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Motoren der Beklagten eine überdurchschnittliche Qualität haben. Dies gilt auch für Fahrzeuge, in denen sie eingebaut werden. Es ist jedoch auch zu beachten, dass Fahrzeuge, die eine Laufleistung von mehr als
250.000 km haben, auf dem Markt nahezu keinen wirtschaftlichen Verkehrswert mehr haben. Die Höhe des Vorteilsausgleiches errechnet sich dabei nach der Formel „Bruttokaufpreis mal gefahrene Kilometer des Klägers dividiert durch erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt“. Der Kläger ist selbst mit dem Fahrzeug 138.153 km gefahren (153.593 km - 15.440 km). Die erwartete Restlaufleistung im Zeitpunkt des Erwerbs betrug daher 250.000 km - 15.440 km, somit 234.560 km. Dies ergibt einen auszugleichenden Gebrauchsvorteil in Höhe von 20.240,24 €, der von dem Schaden abzuziehen ist. Ebenso ist im Wege des Vorteilsausgleichs der Kläger verpflichtet, das Fahrzeug an die Beklagte zu übergeben und zu übereignen. Insgesamt besteht daher ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 18.009,76
€ Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeuges.
II.
40
Ob darüber hinaus Ansprüche auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem verletzten Schutzgesetz bestehen, kann dahingestellt bleiben. Diese Ansprüche, wenn sie bestehen sollten, ergeben keinen höheren Schadensersatzanspruch als der Anspruch aus § 826 BGB. Auch bei diesen Ansprüchen greifen die oben dargelegten Erwägungen zur Schadensberechnung ein.
III.
41
Der Kläger hat Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 21.566,17 €.
42
Maßgeblich ist der zum Zeitpunkt der Beauftragung der Geltendmachung des Anspruches anzusetzende Wert. Zu diesem Zeitpunkt ist die Gebühr nach 2300 VVRVG angefallen. Diese fällt bereits für Tätigkeiten an, die für die Anlegung der Akte und der weiteren Ermittlung der Informationen, welche zur Durchführung eines Klageverfahrens erforderlich sind. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob eine unbedingte Klagebeauftragung bereits vorlag oder nicht. Unerheblich ist auch, ob die schriftliche Aufforderung zur Leistungserbringung notwendig war oder nicht. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass zunächst eine außergerichtliche Geltendmachung der Forderung stets angezeigt ist, um zu verhindern, dass bei sofortiger Klageerhebung ein sofortiges Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO abgegeben werden kann. Die Geltendmachung im außergerichtlichen Bereich stellt daher bereits unter diesem Aspekt keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar.
IV.
43
a) Der Zinsausspruch beruht auf §§ 291, 288 BGB.
44
b) Ein Anspruch auf Zinsen nach § 286, 288 BGB besteht nicht, da sich die Beklagte vor der Klageerhebung nicht in Verzug gem. § 286 BGB befand.
45
Der Kläger hat im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 27.07.2018 (Anlage K20) die Zahlung des gesamten Kaufpreises in Höhe von 38.250,00 € gefordert. Es wurde weder die Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges angeboten noch wurde berücksichtigt, dass die bis zu diesem Zeitpunkt gezogenen Nutzungsvorteile auszugleichen sind. Die Forderung eines zu hohen Betrages ist nur dann eine wirksame Mahnung, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falls als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich schuldenden Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringen Leistungen bereit ist (vgl. BGH NJW 17, 2104; 06, 769, Palandt, a.a.O., § 286 Rn. 20). Weiter ist Voraussetzung für den Verzug, dass der Schuldner den geschuldeten Betrag zuverlässig ermitteln kann (vgl. BGH NJW 06, 3271; OLG Hamm NJW-RR 13, 345). Im vorliegenden Fall wusste die Beklagte schon nicht, in welcher Höhe ein Nutzungsvorteil auszugleichen ist, da die zurückgelegte Laufleistung nicht mitgeteilt wurde. Darüber hinaus geht aus dem Schreiben auch nicht hervor, dass der Kläger sein Fahrzeug der Beklagten Zug um Zug gegen Zahlung des geforderten Betrages übergeben und übereignen will und wird. Diesbezüglich liegt daher eine erhebliche Zuvielforderung durch den Kläger vor, sodass eine wirksame Mahnung im Sinne des § 286 BGB nicht in dem vorgenannten Schreiben zu sehen ist. Hierdurch konnte daher keine Verzugswirkung begründet werden.
46
c) Auch nach § 849 BGB steht dem Kläger kein Zinsanspruch zu.
47
Nach § 849 BGB ist ein Betrag nur dann ab Zahlung zu verzinsen, wenn wegen der Schädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist. Dabei ist anerkannt, dass auch Geld als Sache im Sinn der Norm anzusehen sein kann, wenn die Entziehung darin besteht, dass Geldscheine unterschlagen oder der Inhaber deliktisch zur Überlassung des Geldes zu Investitionszwecken oder zur sonstigen Weggabe ohne Gegenleistung bewegt wird. Der BGH lässt den Anwendungsbereich des § 849 BGB nur dann zu, wenn - insbesondere aus europarechtlichen Erwägungen zum Kartellrecht - die Vorschrift auf deliktische Ansprüche wegen dem Kartellrecht widriger Quoten und Absprachen entsprechend angewendet wird. Die in der Rechtsprechung anerkannten Fallkonstellationen betreffen danach allein solche Fälle, in denen ein Geldbetrag dem Geschädigten ersatzlos entzogen wurde. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Im vorliegenden Fall hat der Kläger für den Geldbetrag ein Fahrzeug erhalten, das er ohne jegliche Beeinträchtigungen - entsprechend seiner Vorstellungen beim Kauf und damit bei der Übergabe des Kaufpreises - bestimmungsgemäß bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung benutzen konnte und auch benutzt hat. § 849 BGB ist daher weder direkt noch analog anwendbar, da eine planwidrige Regelungslücke durch den Gesetzgeber nicht erkennbar ist. Ein allgemeiner Rechtssatz, dass ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung vom Zeitpunkt der Entstehung an mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen ist, ist dem deutschen Schadensersatzrecht fremd. § 849 BGB ist daher eine bewusste Ausnahmeregelung, die der Gesetzgeber für bestimmte Fälle vorgesehen hat. Vorliegend liegen die Voraussetzungen nicht vor (vgl. auch KG a.a.O.; OLG Koblenz WM 19, 1929; OLG Koblenz NJW 19, 2237; OLG Karlsruhe, Urteile vom 06.11.2019; 13 U 37/19 und 13 U 12/19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019, 13 U 37/19).
V.
48
Die Beklagte befindet sich nicht in Annahmeverzug bzgl. des Zug um Zug zu übereignenden und übergebenden Fahrzeugs.
49
Der Annahmeverzug tritt ein, wenn der Gläubiger die ihm in gesetzmäßiger Weise angebotene Leistung nicht annimmt (vgl. § 293 BGB). Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt, dass er die Leistung nicht annehmen wird. Ein solches wörtliches Angebot kann spätestens in einer auf Leistung Zug um Zug gerichteten Klage liegen (vgl. BGH MDR 97, 226). Im vorliegenden Fall ist der Kläger jedoch auch in der Berufungsinstanz weiterhin der Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Zahlung von 38.250,00 € zusteht. Nur hilfsweise ist er bereit, das Fahrzeug Zug um Zug an die Beklagte zu übergeben und zu übereignen. Ein Anspruch in dieser geforderten Höhe steht im jedoch - wie oben dargelegt - nicht zu. Das Angebot des Klägers ist daher nicht so, dass die Beklagte dieses annehmen musste und muss. Die Rückgewähr der Gegenleistung muss vollständig angeboten werden, um die Folgen des § 293 BGB auszulösen. Es genügt daher nicht, nur das Angebot abzugeben, die empfangene Leistung zurückgeben zu wollen. Vielmehr muss auch die Herausgabe gezogenen Nutzung bzw. Wertersatz mit angeboten werden (vgl. KG u.a.O; OLG Frankfurt vom 27.04.2016, 23 U 50/15). Die überhöhte Forderung, welche der Kläger geltend gemacht hat und noch geltend macht, um das Fahrzeug an die Beklagte zu übergeben und zu übereignen, führt dazu, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, dieses Angebot anzunehmen. Dementsprechend hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Annahme des Fahrzeuges in Verzug befindet.
VI.
50
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
51
Die Revision ist zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Streitfragen, die hier entscheidungserheblich sind, sind in einer Vielzahl gleichgelagerter Rechtsstreite im ganzen Bundesgebiet zu entscheiden. Es gibt auch hinsichtlich der einzelnen entscheidungserheblichen Rechtsfragen unterschiedliche Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte. Eine Entscheidung des BGH hierzu liegt nicht vor.