Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 05.02.2020 – M 7 K 19.3194
Titel:

Widerruf waffen- und jagdrechtlicher Erlaubnisse

Normenkette:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 36 Abs. 1, § 45 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich; vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Schutz der Allgemeinheit vor von Waffen oder Munition ausgehenden Gefahren soll gerade durch die geltenden Aufbewahrungsvorschriften erreicht werden; dementsprechend berührt jeder Verstoß gegen diese Regelungen zugleich das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit jedenfalls im Sinn einer abstrakten Gefahr. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
5. Im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG kann schon ein einziger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 1 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Waffenrechtliche (Un-)Zuverlässigkeit, Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften, Prognose, Waffenbesitzkarte, Waffen, Schadenswahrscheinlichkeit, Risiken
Fundstelle:
BeckRS 2020, 8639

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse sowie gegen alle hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid des Kreisverwaltungsreferats der Beklagten vom 6. Juni 2019.
2
Am 3. April 2019 vollstreckten Beamte der Bundespolizeiinspektion M. und der Bundespolizeiabteilung B. gegen 7:00 Uhr an der Wohnanschrift des Klägers einen Dursuchungsbeschluss gegen den Sohn des Klägers. Dieser bewohnt zusammen mit dem Kläger eine Wohnung im zweiten Obergeschoss der besagten Wohnanschrift. Im Rahmen der Durchsuchung teilte der Kläger den handelnden Polizeibeamten auf Nachfrage mit, dass er seine Waffen in einem extra dafür vorgesehenen, verschlossenen Raum mit Tresoren aufbewahre. Der Kläger gab an, dass er die Schlüssel für den Raum und die darin befindlichen Tresore in einem nur ihm bekannten versteckten Klappfach im Schlafzimmerschrank aufbewahre. Auf Nachfrage händigte der Kläger den Polizeibeamten nach längerem Suchen zwei Schlüsselbunde aus, erklärte jedoch, momentan nicht zu wissen, welcher Schlüsselbund zum Waffenraum gehöre. Die Polizeibeamten sollten ausprobieren, welcher Schlüssel passe. In dem Raum stellten die Beamten sodann unter anderem eine verschlossene, mit einem Zahlenschloss gesicherte Langwaffentransportkiste fest. Da der Kläger trotz mehrfacher Nachfrage die richtige Zahlenkombination nicht nennen konnte, wurde diese mit dessen Einverständnis gewaltsam geöffnet. In der Transportkiste befand sich eine ungeladene Langwaffe (Jagdgewehr mit Zielfernrohr). Im weiteren Verlauf räumte der Kläger ein, dass der Lagerzustand von Waffen und Munition sowie Munitionsherstellungsutensilien unsachgemäß sei und entschuldigte dies mit seinem momentanen Gesundheitszustand.
3
Mit Schreiben vom 9. April 2019 teilte das Kreisverwaltungsreferat der Beklagten dem Kläger mit, dass beabsichtigt werde, dessen waffenrechtliche Erlaubnisse zu widerrufen, da er auf Grund der am 3. April 2019 getroffenen Feststellungen keine Gewähr für die sichere Verwahrung von Schusswaffen biete.
4
Die Klägerbevollmächtigten erklärten hierzu mit Schreiben vom 23. April 2019, selbst wenn man von einem Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten ausgehe, stelle sich dieser jedenfalls als äußerst geringfügig dar. Eine negative Prognose der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit lasse sich hieraus nicht herleiten. Die am 3. April 2019 bei der polizeilichen Wohnungsdurchsuchung außerhalb des, in demselben Raum befindlichen, Waffentresors aufgefundene Langwaffe habe sich in einem verschlossenen Waffentransportbehältnis, einem mit einem Zahlenschloss gesicherten Metallkoffer, befunden. Der Kläger sei die einzige Person, die Zugriff auf den Inhalt des Koffers gehabt habe, da nur er Kenntnis von der Zahlenkombination habe. Zu der Räumlichkeit habe auch kein beliebiger Personenkreis Zutritt gehabt. Es könne daher nicht von einer auch nur abstrakten Gefahr des Abhandenkommens oder des unbefugten Ansichnehmens durch unbefugte Dritte ausgegangen werden. Das dem Kläger vorgeworfene Fehlverhalten weiche von den typischen Fällen einer negativen Zuverlässigkeitsprognose ab. Die Waffe sei nur über einen sehr kurzen Zeitraum außerhalb des dafür vorgesehenen Waffenschranks aufbewahrt worden. Dennoch sei sie nicht für Dritte ohne Sicherung frei zugänglich gewesen, sondern habe sich in einem verschlossenen stabilen Metallkoffer innerhalb des für die Aufbewahrung der Waffen vorgesehenen Raumes befunden. Zudem sei Hintergrund der kurzzeitigen Lagerung außerhalb des Tresors die Reinigung der Waffe gewesen. Hierzu habe der Kläger ein spezielles Reinigungsmittel verwendet, welches eine längere Einwirkungszeit erfordert habe. Aufgrund der Größe der Waffe sei es dem Kläger nicht möglich gewesen, diese während Einwirkungszeit in den Waffenschrank zu stellen. Zu Beginn der Wohnungsdurchsuchung sei der Kläger auch nicht außer Haus oder weit entfernt, sondern im Raum nebenan gewesen. Schon aus der Auffindesituation der Waffe lasse sich erkennen, dass der Kläger diese gerade nicht längerfristig oder regelmäßig in dieser Art aufbewahrt habe. Von einer nicht sorgfältigen Verwahrung sei jedoch nur auszugehen, sofern die zur Verfügung stehenden zumutbaren Möglichkeiten nicht genutzt würden. Die notwendige Sorgfalt sei jedoch beachtet worden. Die Waffe sei doppelt gesichert gewesen, sowohl durch den verschlossenen Raum als auch durch das abgeschlossene stabile Transportbehältnis. Von einer nicht nur ganz unerheblich erhöhten Gefahr eines Zugriffs unbefugter Personen könne folglich nicht ausgegangen werden. Es handele sich höchstens um eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts, welche bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden könne und nicht für eine Unzuverlässigkeit des Klägers spreche.
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Mit Schreiben vom 25. April 2019 bat das Kreisverwaltungsreferat der Beklagten den Kläger mitzuteilen, welches Reinigungsmittel verwendet worden sei und die entsprechenden Anwendungshinweise vorzulegen.
6
Die Klägerbevollmächtigten teilten mit Schreiben vom 6. Mai 2019 mit, dass es sich bei dem verwendeten Reinigungsmittel um einen handelsüblichen Reinigungsschaum der Marke Milfoam gehandelt habe. Der Kläger gebe an, dass er die Reinigung deshalb so spät begonnen habe, weil er zu der Zeit einen Wechsel im Schichtplan gehabt habe. Er habe daher erst um ca. 2:00 Uhr mit der Reinigung begonnen. Ergänzend wurde der übliche Ablauf einer Reinigung dargestellt, bei dem die Waffe unter anderem aus Sicherheitsgründen in dem abgeschlossenen Koffer für die Zeit der Einwirkung des Reinigungsschaums verstaut werde und dieser sich die ganze Zeit in der verschlossenen Waffenkammer befinde. Den beschriebenen Reinigungsvorgang habe der Kläger auch in der betreffenden Nacht begonnen, jedoch aufgrund der Durchsuchung nicht vollständig durchführen können. Der Kläger habe bereits durch das Einschließen der Waffe während der Reinigung in den zahlenschlossgesicherten Waffentransportkoffer gezeigt, dass er sich des Sicherheitserfordernisse im Umgang mit Schusswaffen mehr als bewusst sei.
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Mit Bescheid vom 6. Juni 2019 - zugestellt am 11. Juni 2019 - widerrief die Beklagte die Waffenbesitzkarte Nr. … vom 21. November 2002 und die Waffenbesitzkarte für Sportschützen Nr. … vom 11. Juli 2006 mit Zustellung des Bescheids (Nr. I.1). Der Kläger wurde verpflichtet, die nachfolgend einzeln aufgeführten, in seinem Besitz befindlichen Waffen und Munition innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids an einen Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und den Kreisverwaltungsreferat einen Nachweis zu erbringen (Nr. I.2). Zudem wurde der Kläger verpflichtet die in Nr. I.1 genannten Waffenbesitzkarten innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids im Kreisverwaltungsreferat abzugeben (Nr. I.3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. I.2 und I.3 wurde angeordnet (Nr. I.4). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der Waffenbesitzkarten werde in Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR je Erlaubnisdokument fällig (Nr. I.5). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt und es wurden Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 62,19 EUR festgesetzt (Nr. I.6).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse auf § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG beruhe. Bei der Wohnungsdurchsuchung am 3. April 2019 habe die Repetierbüchse Ceska, Kal. .308 Win in einem Waffenkoffer statt in dem vorhandenen Tresor gelegen. Die Einlassung, dass dies den Grund gehabt habe, dass die Waffe sich dort zu Reinigungszwecken befunden habe, werde als Schutzbehauptung gewertet. Dem Bericht des die Durchsuchung vornehmenden Polizeibeamten sei zu entnehmen, dass der Kläger auf die Frage nach den Waffen und waffenrechtlichen Erlaubnissen angegeben habe, dass er aufgrund einer längeren Erkrankung seine Waffen und Zubehör schon seit geraumer Zeit nicht mehr benutze und den Zustand der Waffen bzw. Munition nicht genau in Erinnerung habe. Dieser habe nach dem gewaltsamen Öffnen des Koffers die nicht korrekte Aufbewahrung der Waffen eingeräumt und dies mit seinem schlechten Gesundheitszustand entschuldigt. Von einem gegenwärtigen Reinigungsvorgang habe er nicht gesprochen. Unabhängig davon wäre es dem Kläger ohne weiteres zuzumuten gewesen, den Zeitpunkt für eine Reinigung seiner Waffen so zu wählen, dass diese auch zeitnah abgeschlossen hätte werden können, ohne den Reinigungsvorgang zu unterbrechen, um eine nicht gesetzeskonforme Aufbewahrung immer noch zu vermeiden. Die Anordnung in Nr. I.2 werde auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG, die Anordnung in Nr. I.3 auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG gestützt.
9
Gegen diesen Bescheid haben die Klägerbevollmächtigten am 4. Juli 2019 Klage erhoben und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (M 7 S 19.3198) gestellt.
10
Zur Begründung wird vorgetragen, die Beklagte gehe bei ihrer Entscheidung, dass es dem Kläger an der erforderlichen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit fehle, in tatsächlicher Hinsicht von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Bei dem Vortrag, die Waffe habe sich beim Auffinden noch in einem nicht abgeschlossenen Reinigungsprozess befunden, handele es sich nicht um eine Schutzbehauptung. Der Kläger habe bei Beginn der Reinigung davon ausgehen können, den Vorgang in den üblichen Schritten zeitnah und ohne Verstoß gegen die Aufbewahrungspflicht abschließen zu können. Der Kläger sei jedoch im Schichtdienst mit Wechselschicht tätig. Am 3. April 2019 habe der Wechsel von Tagschicht auf Nachtschicht stattgefunden, sodass der nächste Dienst erst am Nachmittag um 15:30 Uhr hätte beginnen sollen. Erfahrungsgemäß falle dem Kläger die Umstellung auf die veränderten Ruhezeiten leichter, wenn er am Tag des Wechsels auf Nachtschicht möglichst lange wach bleibe und sich später zum Schlafen lege. So habe er es auch in dieser Nacht gehalten. Um die Wachzeit sinnvoll zu nutzen und sich zu beschäftigen, habe er gegen 2:00 Uhr mit der Reinigung der Waffe begonnen. Der dabei verwendete Reinigungsschaum habe nach dem Einbringen in den Lauf in unterschiedlichen Positionen der Waffe jeweils längere Zeit einwirken müssen. Der Kläger habe die Reinigung fast abgeschlossen gehabt, als er sich zur Überbrückung der Wartezeit vor dem letzten Arbeitsgang wegen Rückenschmerzen gegen 5:00 Uhr auf das Bett gelegt habe. Entgegen seiner Absicht und seiner Erwartung sei er dabei jedoch eingeschlafen. Andernfalls hätte sich die gereinigte Waffe zum Zeitpunkt der Durchsuchung wieder an ihren Platz im Waffenschrank befunden. Für den Kläger sei bei Beginn der Reinigung nicht absehbar gewesen, dass er den Vorgang nicht wie geplant zügig durchführen und in der üblichen Zeit abschließen werden könne. Ohne das Hinzutreten von Rückenbeschwerden und das dadurch bedingte Bedürfnis, sich kurz auszustrecken, wäre dies auch nicht passiert.
11
Der Kläger beantragt,
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2019, Az.: … … … …, wird aufgehoben.
12
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
13
Die Beklagte nimmt zur Begründung Bezug auf die vorgelegte Waffenakte, die Begründung des Bescheids vom 6. Juli 2019 sowie auf die Antragserwiderung vom 24. Juli 2019 in dem Verfahren M 7 S 19.3198.
14
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 9. September 2019 hat die Kammer den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Verfahren M 7 K 19.3198 sowie die vorgelegte Behördenakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16
Über den Rechtsstreit kann im Wege des Gerichtsbescheids entschieden werden, da die Sache keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufweist und die Beteiligten hierzu angehört worden sind (§ 84 Abs. 1 VwGO).
17
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
18
Der Bescheid vom 6. Juni 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend des Bescheidserlasses (vgl. zum Fall des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis BVerwG, U.v. 16.5.2007 - 6 C 24.06 - juris Rn. 35).
20
Der in Nr. I.1 angeordnete Widerruf der Waffenbesitzkarte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist rechtmäßig.
21
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarte, nach § 10 Abs. 1 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b).
22
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 - 21 ZB 14.1512 - juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 - 21 CS 13.1969 - juris Rn. 14).
23
Der Kläger ist unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Alt. 3 WaffG. Denn die anlässlich der Wohnungsdurchsuchung am 3. April 2019 vorgefundene Aufbewahrungssituation rechtfertigt die Annahme, dass der Kläger seine Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahrt und aufgrund dessen nicht über die erforderliche waffenrechtlichen Zuverlässigkeit verfügt.
24
Waffen sind im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG nur dann sorgfältig verwahrt, wenn die gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen oder Munition beachtet sind (vgl. BayVGH, B.v. 5.6.2018 - 21 ZB 15.2434 - juris Rn. 12). Die Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung sind in § 36 WaffG sowie insbesondere in dem diesen gemäß § 36 Abs. 5 WaffG konkretisierenden § 13 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung vom 27.10.2003 (BGBl. I S. 2123), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl I S. 2133) näher geregelt. Gemäß§ 36 Abs. 1 WaffG in der durch Gesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl I S. 2133) geänderten, ab dem 6. Juli 2017 geltenden Fassung (vgl. wortgleich § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG a.F.) hat derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen.
25
Die Verwahrung der Repetierbüchse Ceska, Kal. .308 Win in einem Waffenkoffer - anstatt in dem vorhandenen Tresor - stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln dar. Der Kläger hat hierdurch ersichtlich gegen die Vorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 1 WaffG verstoßen, die den Mindeststandard hinsichtlich der Aufbewahrung von - wie hier - erlaubnispflichtigen Schusswaffen festlegt (vgl. Gade/Stoppa, WaffG, 1. Auflage 2011, § 36 Rn. 29). Danach müssen solche Waffen mindestens in einem der Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 (Stand Mai 1997) entsprechenden oder gleichwertigen Behältnis aufbewahrt werden, wobei als gleichwertig insbesondere ein Behältnis der Sicherheitsstufe B nach VDMA 24992 (Stand Mai 1995) gilt. Dem genügt ein Transportkoffer offenkundig nicht (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2015 - 21 CS 15.2130 - juris Rn. 20).
26
Es handelt sich bei dem konkreten Verstoß gegen die dem Kläger als Waffenbesitzer obliegenden Aufbewahrungspflichten - entgegen dessen Vorbringen - auch nicht lediglich um eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 - 6 C 30/13 - juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 31.7.2015 - 21 CS 15.1156 - juris Rn. 12).
27
Denn zwar ist zu berücksichtigen, dass die Waffe nicht vollkommen ungesichert einem Zugriff durch beliebige Dritte ausgesetzt war, da der Transportkoffer verschlossen war und sich in einem ebenfalls verschlossenen Raum befunden hat. Allerdings kann bereits eine nur äußerst kurzfristige Nachlässigkeit im Umgang mit Schusswaffen oder Munition ausreichen, um diese Gegenstände in die Hände Nichtberechtigter gelangen zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 5.6.2018 - 21 B 15.2434 - juris Rn. 20). Dementsprechend dienen die Aufbewahrungsvorschriften der Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes, nämlich das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme von Waffen durch Dritte zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2015 - 21 ZB 15.2418 - juris Rn. 12). Diese sollen mit Blick auf bekannt gewordene Missbrauchsfälle aus der Vergangenheit einen Zugriff gerade auch durch die Personen verhindern, die sich fortwährend im räumlichen Umfeld der Waffen aufhalten (Hausgenossen, Mitbewohner, Familienangehörige; vgl. VGH BW, B.v. 3.8.2011 - 1 S 1391/11 - juris Rn. 6). Es kommt nicht darauf an, ob und in welchem Umfang durch eine Verletzung der Aufbewahrungspflicht im Einzelfall eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit eingetreten ist. Der Schutz der Allgemeinheit vor von Waffen oder Munition ausgehenden Gefahren soll gerade durch die geltenden Aufbewahrungsvorschriften erreicht werden. Dementsprechend berührt jeder Verstoß gegen diese Regelungen zugleich das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit jedenfalls im Sinn einer abstrakten Gefahr (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2015 - 21 CS 15.2130 - juris Rn. 21). Denn die geforderte sichere Aufbewahrung dient keineswegs nur dazu, unbefugt in der Wohnung befindlichen Personen den Zugriff zu erschweren, sondern sie gewährleistet ebenso, dass Personen bei rechtmäßigem Aufenthalt in der Wohnung, also Familienangehörige, Besucher und Gäste, nicht unkontrolliert an Waffen und Munition gelangen können (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.1996 - 21 CS 95.3505 - BayVBl 1996, 534). Zielrichtung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist es, die unkontrollierte Sachherrschaft über Waffen und Munition solchen Personen nicht zu ermöglichen, die nicht ausdrücklich die Erlaubnis zum Besitz von Schusswaffen haben (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.1996 a.a.O.). Der Kläger hat insoweit eine nicht hinzunehmende Sorglosigkeit bezüglich der zentralen waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften offenbart, da er die Waffe in dem verschlossenen Transportkoffer aufbewahrt hat. Diese Form der Aufbewahrung erfüllt die gesetzlichen Anforderungen auch dann nicht, wenn sich der verschlossenen Transportkoffer selbst in einem verschlossenen Raum befunden hat. Denn die offen in den Räumlichkeiten eines dauernd bewohnten Gebäudes aufbewahrten Waffen sind auch bei abgeschlossenem Haus nicht sorgfältig aufbewahrt (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2016 - 21 ZB 15.1949 - juris Rn. 20). Zudem handelt es sich bei dem verschlossenen Raum nicht um einen gesicherten Raum im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 3 WaffG, d.h. dessen Sicherheitsniveau dem der in den Sätzen 1 und 2 des § 36 Abs. 2 WaffG genannten Behältnisse vergleichbar ist. Diese Ausnahme trägt den Fällen Rechnung, in denen Schusswaffen, z.B. in Museen oder Sammlungen, trotz sicherer Aufbewahrung der Sichtbarkeit nicht entzogen werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2016 - 21 ZB 15.1949 - juris Rn. 20).
28
Des Weiteren ist die Behauptung des Klägers, die Waffe erst in der Nacht der Wohnungsdurchsuchung aus dem nach § 36 Abs. 2 WaffG vorgesehenen Sicherheitsbehältnis genommen zu haben, um sie zu reinigen, als Schutzbehauptung zu werten. Den in der Behördenakte befindlichen Berichten der handelnden Polizeibeamten über die Wohnungsdurchsuchung am 3. April 2019 ist jeweils nicht zu entnehmen, dass der Kläger geäußert hätte, die Waffe erst kürzlich gereinigt zu haben bzw. mit deren Reinigung beschäftigt zu sein sowie, dass sich die Waffe lediglich zum Zweck des Einwirkens des Reinigungsmittels in dem Transportkoffer befinde. Vielmehr ist geht aus den Berichten jeweils hervor, dass der Kläger trotz mehrfacher Nachfrage die Zahlenkombination für das Schloss des Transportkoffers nicht nennen konnte. Zudem habe der Kläger die unsachgemäße Aufbewahrung eingeräumt und diese mit seinem momentanen Gesundheitszustand entschuldigt. Den Berichten ist somit auch nicht zu entnehmen, dass die Waffe in dem Transportkoffer augenscheinlich gerade oder erst kürzlich gereinigt worden wäre.
29
Insgesamt begründet die festgestellte Tatsache der unsachgemäßen Verwahrung von Waffen und Munition unter Berücksichtigung der Einlassungen des Klägers die Annahme, dass dieser auch zukünftig Waffen und Munition nicht jederzeit ordnungsgemäß verwahren wird.
30
Vor dem Hintergrund, dass eine unsorgfältige und gesetzeswidrige Aufbewahrung den Übergang von der legalen zur illegalen Schusswaffe erleichtert, schlagen Aufbewahrungsmängel insbesondere auf die waffenrechtliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) durch. Im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG kann damit schon ein einziger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 1 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2017 - 21 CS 17.1531 - juris Rn. 16). Es kommt im Übrigen nicht darauf an, ob durch den Verstoß im Einzelfall eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit eingetreten ist. Jeder Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften berührt zugleich die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit, jedenfalls im Sinn einer abstrakten Gefährdung (vgl. BayVGH, B.v. 5.6.2018 - 21 ZB 15.2434 - juris Rn. 20). Denn der Schutz der Allgemeinheit vor von Waffen und/oder Munition ausgehenden Gefahren soll gerade durch die geltenden Aufbewahrungsvorschriften erreicht werden. Maßgebend ist dabei der Zweck des Gesetzes, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, B.v. 12.10.1998 - 1 B 245.97 - juris). Bei den Aufbewahrungsvorschriften, gegen die der Kläger verstoßen hat, handelt es sich um zentrale waffenrechtliche Vorschriften. Sie dienen der Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes, nämlich das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme von Waffen und Munition durch unbefugte Dritte zu verhindern. In Anbetracht der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, braucht ein Restrisiko nicht hingenommen zu werden. Hat ein Waffenbesitzer in diesem Sinn bereits einmal versagt, ist allein das ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, besteht nicht. Im Übrigen ist im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG nicht etwa der Nachweis erforderlich, der Betreffende werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Zukunft erneut Waffen oder Munition nicht ordnungsgemäß aufbewahren. Angesichts des möglichen Schadens bei Nichtbewährung und des präventiven ordnungsrechtlichen Charakters der Forderung nach einer besonderen Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen und Munition genügt es vielmehr, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine nicht ordnungsgemäße Ausübung des erlaubnispflichtigen Umgangs mit Waffen verbleibt (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2015 - 21 CS 15.2130 - juris Rn. 22).
31
Schließlich bestehen auch gegen die mit dem Widerruf des Waffenbesitzkarte verbundenen notwendigen Anordnungen, die Waffenbesitzkarten zurückzugeben (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG) und vorhandene Waffen und Munition einem Berechtigten zu überlassen oder (dauerhaft) unbrauchbar zu machen (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) keine rechtlichen Bedenken. Diese Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der Waffenbesitzkarte und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe von Waffen und Erlaubnisurkunde sicher. Die Verpflichtung, die Waffenbesitzkarte zurückzugeben, folgt ebenso wie die Unbrauchbarmachung bzw. Abgabe der Waffen und Munition aus deren Widerruf. Soweit der Beklagten in diesen Folgeentscheidungen Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich.
32
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.