Inhalt

VG München, Urteil v. 04.03.2020 – M 7 K 17.2395
Titel:

Ordnungsgeld gegen Gemeinderatsmitglied wegen Verstoß gegen das Stimmenthaltungsverbot

Normenkette:
GO Art. 47 Abs. 2, Art. 48 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Aus dem „schlechten Gewissen“ eines Gemeinderatmitglieds, nicht ausreichend auf eine Gemeinderatssitzung vorbereitet zu sein bzw. sich nicht so vorbereitet zu haben, kann objektiv jedenfalls dann keine anerkennenswerte Ausnahme vom Verbot der Stimmenthaltung erwachsen, wenn es ordnungsgemäß zur Sitzung geladen wurde. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kann offen bleiben, ob für eine ordnungsgemäße Ladung betreffend die Genehmigung eines notariellen Kaufvertrags die genauere Situierung des Grundstücks überhaupt zwingende Voraussetzung ist, da es in einer Gemeinde mit rund 3.600 Einwohnern - anders als in einer Großstadt - nicht zahlreiche parallel verlaufende Projekte aus dem Bereich der Bauleitplanung bzw. Orts-/Stadtentwicklung gibt, so dass es einem verständigen Gemeinderatsmitglied ohne weiteres möglich ist, aufgrund der Bezeichnung des Tagesordnungspunkts den dahinterstehenden Beratungsgegenstand zu identifizieren. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ordnungsgeld gegen Gemeinderatsmitglied, Verstoß gegen Stimmenthaltungsverbot, Stimmenthaltung ohne genügende Entschuldigung, Gemeinde, Gemeinderatssitzung, Abstimmungsgebot, Pflichtverletzung, Ermessen, Gewissenskonflikt
Fundstelle:
BeckRS 2020, 8637

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen ein Ordnungsgeld, welches ihm die Beklagte in seiner Funktion als Gemeinderatsmitglied auferlegt hat.
2
Der Kläger ist Mitglied des Gemeinderats der Beklagten. Mit Schreiben vom 2. November 2016 lud der erste Bürgermeister der Beklagten den Gemeinderat zu einer Sitzung am 9. November 2016. Darin ist als Tagesordnungspunkt (im Folgenden: TOP) Nr. 31 in nicht-öffentlicher Sitzung benannt:
„31. Notarangelegenheiten“
a. Kaufvertrag vom xx.xx.2016, URNr. …/2016 mit den Eheleuten Dr. P. und A. B.
b. Kaufvertrag vom xx.xx.2016, URNr. …/2016 mit den Eheleuten R. und J. O.
c. Kaufvertrag vom xx.xx.2016, URNr. …/2016 mit den Eheleuten R. und C. H.“.
3
Per E-Mail vom 5. November 2016 wandte sich der Kläger daraufhin an die Beklagte und teilte mit, dass unter TOP Nr. 31 der nichtöffentlichen Sitzung jeweils nur die Urkundennummer, Datum und Vertragspartner genannt seien, nicht aber um welche Grundstücke es gehe etc. Zur Vermeidung eines Ladungsmangels bitte er umgehend, weitere Informationen nachzureichen.
4
Laut vorgelegten Behördenakten verfasste daraufhin der Geschäftsstellenleiter der Beklagten am 7. November 2016 eine Aktennotiz, wonach dem Kläger mehrfach mitgeteilt worden sei, dass die Notarverträge von Gemeinderatsmitgliedern vorab im Rathaus eingesehen bzw. auch vor Sitzungsbeginn die Unterlagen eingesehen werden könnten. Darüber hinaus würden die Verträge in der Sitzung durch den Sitzungsleiter erläutert. Ein Versand von nichtöffentlichen Sitzungsunterlagen werde grundsätzlich nicht durchgeführt. Darüber hinaus sei der Kläger am Montag, 7. November 2016 von 8:15 Uhr bis ca. 9.15 Uhr im Rathaus gewesen. Hier habe er sich nicht bezüglich einer Einsichtnahme in die angesprochenen Notarurkunden geäußert.
5
Im beglaubigtem Auszug aus dem Protokoll zur Gemeinderatssitzung am 9. November 2016 heißt es zu TOP Nr. 30 a), Kaufvertrag vom xx.xx.2016, URNr. …/2016 mit den Eheleuten Dr. P. und A. B. (Anm.: TOP Nr.30 a) im Protokoll entspricht TOP Nr. 31 a) der Ladung, da in der Ladung TOP Nr. 31 nach der Nr. 29 genannt ist. Im Protokoll wurden wohl die lfd. Nummern angepasst. Im Folgenden wird der verfahrensgegenständliche TOP daher als TOP Nr. 30 a) bezeichnet):
„Antrag zur Geschäftsordnung von GRM [Name des Klägers]; die Notarurkunde (Kaufvertrag) soll vollinhaltlich vorgelesen werden.
Abstimmungsergebnis 1:13 (1 Ja-Stimme des Klägers, 13 Nein-Stimmen bei 14 anwesenden Gemeinderäten)
Anmerkung: Die Notarurkunde wurde vorab vom ersten Bürgermeister erläutert. Wie bereits mehrfach darauf hingewiesen, können die Notarverträge im Vorfeld in der Gemeindeverwaltung bzw. auch am Tag der Gemeinderatssitzung von interessierten Gemeinderatsmitgliedern eingesehen werden und somit ist ein vollinhaltlicher Vortrag in der Gemeinderatssitzung obsolet.
In Kenntnis der o.g. Urkunde des Notars Dr. T. H. werden alle darin für die Gemeinde abgegebenen Erklärungen vollinhaltlich und vorbehaltlos genehmigt.
Abstimmungsergebnis 13:0 (13 Nein-Stimmen bei 14 anwesenden Gemeinderäten)
Anmerkung: GRM [Name des Klägers] hat sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Der Sitzungsleiter Erster Bürgermeister [Name] hat GRM [Name des Klägers] darauf hingewiesen, dass eine Stimmenthaltung nicht zulässig ist (Art. 48 Abs. 1 GO).
Aufgrund der Pflichtverletzung des GRM [Name des Klägers] stellt der Sitzungsleiter Erster Bürgermeister [Name] den Antrag die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach Art. 48 Abs. 2 GO gegen GRM [Name des Klägers] einzuleiten bzw. zu prüfen.
Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen GRM [Name des Klägers] soll eingeleitet bzw. geprüft werden.
Abstimmungsergebnis 11:3 (11 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen)“.
6
Mit Schreiben vom 15. November 2016 hörte die Beklagte unter Hinweis auf die Gemeinderatssitzung vom 9. November 2016 den Kläger zu einem „Ordnungswidrigkeitsverfahren nach Art. 48 Abs. 2 GO“ an.
7
Mit Schreiben vom 25. November 2016 teilte der Kläger daraufhin der Beklagten mit, dass er auf seine schriftlichen und mündlichen Ausführungen im Vorfeld zur Sitzung und in der Sitzung verweise. Da ihm trotz mehrmaliger Aufforderung der Inhalt der Urkunde nicht vollinhaltlich mitgeteilt worden sei, sei ihm eine Abstimmung über diese nicht möglich gewesen.
8
Laut Auszug aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung am 15. Februar 2017 (nichtöffentliche Sitzung) wurde unter TOP Nr. 5 das Ordnungsgeldverfahren gegen den Kläger behandelt. Dem Kläger sei nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, dieser habe aber keine weiteren Äußerungen abgegeben. Der Kläger sei aufgefordert worden, den Sitzungsraum „aufgrund persönlicher Beteiligung der nachfolgenden Beratung und Abstimmung“ zu verlassen. Zum Vorgang sei festzustellen, dass die vom Kläger genannten Gründe keine genügende Entschuldigung i.S.v. Art. 48 Abs. 2 GO darstellen würden, da Meinungsverschiedenheiten rechtlicher Art keine Rechtfertigung für eine Stimmenthaltung begründen würden. Auch ein unentrinnbarer Gewissenskonflikt habe nicht vorgelegen, der Kläger habe mit Nein stimmen können. Es sei beschlossen worden, am Ordnungsgeldverfahren festzuhalten und ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,- EUR festzusetzen. Ein konkretes Abstimmungsergebnis findet sich im Protokoll nicht wieder, vielmehr nur der Hinweis, dass bei Auszügen aus nichtöffentlichen Sitzungen das Abstimmungsergebnis nicht bekannt gegeben werde.
9
Mit am 2. Mai 2017 zugestelltem Bescheid vom 28. April 2017 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger aufgrund des Verstoßes gegen das Abstimmungsgebot in der nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung vom 9. November 2016 ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,- EUR fest (Nr. I), welches innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheides auf ein gemeindliches Konto zu zahlen sei (Nr. II). Der Kläger habe die Kosten des Verfahrens zu tragen, wobei Kosten nicht erhoben würden (Nr. III).
10
Zur Begründung wurde angeführt, dass der Kläger trotz Aufforderung und eines entsprechenden Hinweises des Sitzungsleiters sich bei der Abstimmung zum TOP Nr. 30 a) in der nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung vom 9. November 2016 der Stimme enthalten habe. Eine Stimmenthaltung sei nach Art. 48 Abs. 1 GO nicht vorgesehen. Der Kläger habe bereits mehrfach in vergleichbaren Fällen gegen seine Pflicht zur Teilnahme an Abstimmungen verstoßen, so etwa in den Sitzungen am 9. November 2016 auch zu den TOP Nrn. 30 b) und c) und am 14. Dezember 2016 zu den TOP Nrn. 35 c) bis k). Entsprechende Ermahnungen durch den Bürgermeister hätten keine Verhaltensänderung bewirkt. Eine ausreichende Entschuldigung für die Stimmenthaltung des Klägers liege nicht vor. Der Kläger habe kein individuelles Recht auf Verlesung des Vertragstextes in der nichtöffentlichen Sitzung, jedenfalls dann, wenn dies von der Mehrheit des Gemeinderates abgelehnt werde. Der Kläger missverstehe die von der Gemeindeordnung vorgesehene Kompetenzverteilung. Mit dem Informationsrecht des einzelnen Gemeinderates nach Art. 30 Abs. 3 GO korrespondiere auch eine Informationspflicht zur Vorbereitung der Sitzung, sofern dies aus Sicht des Gemeinderats zur individuellen Vorbereitung der Sitzung erforderlich erscheine. Meinungsverschiedenheiten rechtlicher Art würden keine Rechtfertigung für eine Stimmenthaltung begründen. Auch ein unentrinnbarer Gewissenskonflikt liege nicht vor, denn der Kläger habe auch mit Nein stimmen können, wenn er sich nicht ausreichend informiert fühle. Bei der behaupteten Verletzung eigener Mitgliedschaftsrechte sei es dem Gemeinderat zuzumuten, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Die Verhängung des Ordnungsgeldes erfolge in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens. Dabei habe der Gemeinderat insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger als langjähriges Gemeinderatsmitglied sehr genau über seine Pflicht zur Teilnahme an Abstimmungen informiert gewesen sei. Dieser habe sich aber ganz bewusst trotz mehrfacher Aufforderungen zur Stimmabgabe und Belehrung durch den ersten Bürgermeister der Stimme enthalten. Daher, aufgrund des mehrfachen Verstoßes, erscheine die Verhängung auch verhältnismäßig. Ein milderes Mittel etwa in Form einer Rüge sei nicht gleich geeignet, um den Kläger zur Befolgung seiner Pflichtausübung anzuhalten, da diese Maßnahmen bereits ohne entsprechenden Erfolg geblieben seien. Die Höhe des Ordnungsgeldes liege im mittleren Bereich des zulässigen Rahmens.
11
Am 29. Mai 2017 erhob der Kläger persönlich Klage gegen den Bescheid vom 28. April 2017. Zur Begründung führt er mit Schreiben vom 1. September 2019 aus, dass „der Gemeinderatsbeschluss in mehrfacher Hinsicht nicht abstimmungsfähig und somit rechtswidrig“ gewesen sei. Eine Abstimmung habe nicht erfolgen dürfen. Die Verpflichtung zur Teilnahme an der Abstimmung setze rechtmäßiges Verwaltungshandeln im Vorfeld zur Abstimmung voraus. So liege ein Ladungsmangel vor. Im Rahmen der Ladung sei eine konkrete Benennung der einzelnen Beratungsgegenstände (TOP) erforderlich, damit es den Gemeinderatsmitgliedern ermöglicht werde, sich auf die Behandlung der Beratungsgegenstände vorzubereiten. Zur Vorbereitung der Beratungsgegenstände durch den ersten Bürgermeister gehöre neben dem mündlichen Vortrag und der Auskunft über den Beratungsgegenstand auch die Vorlage von Sitzungsunterlagen bei komplexen und komplizierten Angelegenheiten. Alle maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte müssten geklärt und mögliche Entscheidungsalternativen aufgezeigt werden. Die Gemeinderatsmitglieder seien über die bloße Aufführung der Tagesordnungspunkte hinaus in ausreichendem Umfang zu informieren. Die Ladung erfülle diese gesetzlichen Voraussetzungen und die Vorgaben des § 22 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Beklagten (im Folgenden: GeschO) nicht, worauf bereits im Vorfeld der Sitzung per E-Mail durch den Kläger hingewiesen worden sei. Der Bürgermeister habe von seinem Ermessen, welche Unterlagen in welcher Form (Versand mit der Einladung, Tischvorlage oder mündliche Bekanntgabe in der Sitzung) vorgelegt würden, keinen Gebrauch gemacht. Der Vertrag sei zu keiner Zeit vollinhaltlich bekannt gegeben worden, es habe keine Möglichkeit gegeben, diesen vollinhaltlich zur Kenntnis zu nehmen. Dass eine inhaltliche Information der Gemeinderatsmitglieder bei solchen Verträgen erforderlich sei, sei auch bereits in der Vergangenheit von der Beklagten erkannt worden. So seien dem Gemeinderat beim Verkauf von Bauplätzen in einem gemeindlichen Baugebiet ab dem Jahr 2013 entsprechende Vertragsentwürfe im Vorfeld der Sitzungen zur Verfügung gestellt worden. In den Amtsperioden des früheren Bürgermeisters seien die Verträge in der Sitzung vollinhaltlich vorgelesen worden. Zudem handle es sich nicht um eine gemeindliche Aufgabe, da die Beklagte hier nur reinen Grundstückshandel betreibe. Das Grundstück sei zuvor als Außenbereichsgrundstück erworben und dann durch eine baurechtliche Satzung zu Bauland entwickelt worden. Reine Spekulationsgeschäfte zur Gewinnerzielungsabsicht seien nicht Gegenstand des jeweiligen Aufgabenbereichs. Durch die Weigerung, den Kläger über den Vertragsinhalt zu informieren, sei dieser faktisch von der Beratung ausgeschlossen gewesen. Eine Abstimmung sei gar nicht möglich gewesen. Der Kläger könne seinen gesetzlichen Verpflichtungen und seinem Eid nicht gerecht werden, wenn er gezwungen werde, über Sachen abzustimmen, deren Inhalt nicht bekanntgegeben werde. Die Verhängung des Ordnungsgeldes sei vorliegend als Strafmaßnahme und nicht, wie vom Gesetz vorgesehen, als Beugemaßnahme zu werten. Die Stimmenthaltung sei nicht wegen einer rechtlichen Meinungsverschiedenheit, sondern aufgrund eines unentrinnbaren Gewissenskonflikts erfolgt. Dieser bestehe darin, dass der Kläger einerseits verpflichtet sei, seine Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen, ihm andererseits der Vertrag aber nicht vollinhaltlich bekanntgegeben worden sei. Mit Schriftsatz vom 15. November 2019 ergänzte der Kläger, dass das von der Beklagten angeführte Vertragsmuster 2013 mit dem streitgegenständlichen Vertrag nichts zu tun habe, da es damals um den Verkauf von Bauplätzen an einheimische Bürger zu deutlich günstigen Preisen und Regelungen zu Bauzwang und Erschließungskosten gegangen sei. Gerade beim verfahrensgegenständlichen Verkauf habe es auch von Bürgern im Vorfeld angesprochene Fragen zu notwendigen und kostenintensiven Erschließungsmaßnahmen (Erweiterung der Kanalerschließung) gegeben. Eine mögliche Akteneinsicht könne nicht die Vorgaben an eine ordnungsgemäße Ladung ersetzen.
12
Der Kläger beantragt,
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
13
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2019 erwiderten die Bevollmächtigten der Beklagten, dass sich der Kläger adäquat auf die Beratung und Beschlussfassung vorbereiten und damit auch die Auswirkungen des Beschlusses über den Kaufvertrag beurteilen habe können. Das dem Kaufvertrag zugrunde liegende Grundstück sei als Teilfläche eines größeren Grundstücks von der Gemeinde Ende 2015 erworben worden. Der dementsprechende Kaufvertrag vom 26. November 2015 sei in einer Gemeinderatssitzung der Beklagten am 15. Dezember 2015 genehmigt worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei bekannt gewesen, dass die Beklagte für dieses Grundstück eine entsprechende Bauleitplanung durchführen wolle. Dementsprechend sei in der Gemeinderatssitzung am 20. Januar 2016 ein Aufstellungsbeschluss für eine Ergänzungsatzung und in der Sitzung am 11. Mai 2016 zunächst der Abwägungs- und nachfolgend der Satzungsbeschluss gefasst worden. Im Anschluss daran sei jeweils im nicht-öffentlichen Teil der Sitzungen am 16. März 2016 und am 11. Mai 2016 über das geplante Verkaufsverfahren für die im Geltungsbereich der Ergänzungssatzung gelegenen Grundstücke beraten und beschlossen worden. Die Grundstücke seien anschließend geteilt und meistbietend veräußert worden. Der in der streitgegenständlichen Sitzung vom 9. November 2016 genehmigte Kaufvertrag basiere auf einem von der Gemeinde entwickelten Musterkaufvertrag. Ein Entwurf für diesen sei als Standardvertrag für zukünftige Verkaufsfälle an alle Ratsmitglieder zur Durchsicht versandt und schließlich im nichtöffentlichen Teil der Sitzung am 29. April 2013 beschlossen worden. Dieser Standardvertrag werde bis dato und so auch hier als Grundgerüst für gemeindliche Grundstücksverkäufe im neuen Baugebiet verwendet. Es erfolge lediglich eine Anpassung an die individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Verkaufsfalles. Der Kläger sei bei allen genannten Sitzungen anwesend gewesen. Die Beklagte stelle bei Grundstücksangelegenheiten die zugrundeliegenden Notarurkunden regelmäßig nicht als Sitzungsunterlagen zur Verfügung. Die Notarverträge könnten aber im Vorfeld der Sitzung eingesehen werden und würden während der Sitzung zur Einsicht ausliegen. Eckpunkte würden mündlich vom ersten Bürgermeister bzw. dem Sitzungsleiter im Rahmen des Sachvortrags erläutert. Nachfragen von Gemeinderatsmitgliedern würden selbstständig beantwortet und erläutert. In rechtlicher Hinsicht sei bereits die Annahme des Klägers verfehlt, dass die Verpflichtung zur Abstimmung in jedem Fall rechtmäßiges Verwaltungshandeln im Vorfeld der Abstimmung voraussetzen würde. Bei der behaupteten Verletzung eigener Mitgliedschaftsrechte durch fehlerhafte Ladung sei es dem Kläger zuzumuten, gerichtlichen Rechtsschutz im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits in Anspruch zu nehmen. Halte ein Gemeinderatsmitglied einen Beschluss für rechtswidrig, so sei ihm die Ablehnung nicht nur zumutbar; sie entspreche vielmehr der gewissenhaften Wahrnehmung seiner Obliegenheiten aus Art. 20 Abs. 1, Art. 56 Abs. 1 GO. Unabhängig davon sei die Ladung nicht fehlerhaft gewesen. Der Beratungsgegenstand sei durch Angabe der Vertragsnummer, des Vertragspartners sowie des Vertragsgegenstands ausreichend konkretisiert und individualisiert gewesen. Der Vorgang der ordnungsgemäßen Ladung sei rechtlich von der ggf. ergänzenden Bereitstellung weiterer Informationen in Form von Sitzungsunterlagen zu trennen. Verstöße gegen die Vorschriften in der Geschäftsordnung würden insoweit ohnehin nicht zu einem Ladungsmangel führen, da Art. 46 Abs. 2 GO keine Regelung über die Beifügung und Zuleitung von zusätzlichen Unterlagen enthalte. Unabhängig davon habe die Beklagte auf Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 3 GeschO zu Recht auf die Beifügung weiterer Unterlagen verzichtet, da es sich bei Grundstücksangelegenheiten um einen Gegenstand handle, der regelmäßig in nichtöffentlichen Sitzung behandelt werde. Ebenso wenig habe für den Kläger ein Anspruch auf Verlesung des Vertragsinhaltes in der Sitzung bestanden, wenn dies eine Mehrheit im Gemeinderat ablehne. Der Kläger verkenne zudem die in der Gemeindeordnung vorgesehene Kompetenzverteilung. Mit seinem Informationsrecht korrespondiere auch eine Informationspflicht. Der Kläger hätte seine in der Klagebegründung formulierten Bedenken zudem im Rahmen der Beratung zu TOP Nr. 30 a) vorbringen können. Dem Kläger seien somit nicht Informationen vorenthalten worden, er habe sie schlicht nicht eingefordert. Das Grundstücksgeschäft sei eine gemeindliche Aufgabe, auch ein Verstoß gegen den Sitzungszwang liege nicht vor. Es handle sich nicht um eine Strafmaßnahme. Ein unentrinnbarer Gewissenskonflikt sei nicht erkennbar; insofern seien besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Eine genügende Entschuldigung für eine Stimmenthaltung sei regelmäßig dann nicht anzuerkennen, wenn die Stimmenthaltung Ausdruck von Meinungsverschiedenheiten politischer oder rechtlicher Art sei oder wenn die Stimmenthaltung den Gemeinderat oder dessen Vorsitzenden zu einem bestimmten Verhalten veranlassen oder zwingen solle.
15
Am 17. September 2019 wurde in der Sache mündlich verhandelt; die Beteiligten verzichteten dabei auf weitere mündliche Verhandlung. Ergänzend wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 17. September 2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

16
Über den Rechtsstreit konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten darauf verzichtet haben.
17
Die zulässige Klage ist unbegründet.
18
1. Der (mittlerweile wohl nach allgemeiner Meinung als Verwaltungsakt zu qualifizierende) Bescheid vom 28. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger somit nicht in eigenen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Bescheidsaufhebung (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19
Das gegen den Kläger festgesetzte Ordnungsgeld basiert vorliegend auf Art. 48 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 GO, wonach der Gemeinderat gegen Mitglieder, die sich den Verpflichtungen zur Teilnahme an den Sitzungen und Abstimmungen ohne genügende Entschuldigung entziehen, Ordnungsgeld bis zu zweihundertfünfzig Euro im Einzelfall verhängen kann. Dabei steht sowohl die Frage, ob ein Ordnungsgeld verhängt wird, als auch dessen Höhe im Ermessen der Beklagten. Bei Ermessensentscheidungen überprüft das Gericht neben den eigentlichen Tatbestandsvoraussetzungen nach § 114 Satz 1 VwGO, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Insoweit muss sich aus der Begründung des Bescheids ergeben, dass die Beklagte ihr Ermessen ausgeübt und dabei die Interessen des Betroffenen berücksichtigt und abgewogen hat, ferner von welchen Tatsachen sie ausgegangen ist und welche rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe sie angewandt hat.
20
Der streitgegenständliche Bescheid wird diesen Anforderungen gerecht. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 GO waren vorliegend erfüllt, weil der Kläger ohne genügende Entschuldigung gegen seine Pflicht zur Teilnahme an Abstimmungen bzw. das Verbot der Stimmenthaltung verstoßen hat (dazu 1.1). Für diese Pflichtverletzung hat die Beklagte ermessengerecht ein Ordnungsgeld in der konkreten Höhe verhängt. Gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler enthält der Bescheid insoweit nicht (dazu 1.2).
21
1.1 Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach Art. 48 Abs. 2 GO sind erfüllt, weil der Kläger gemäß Art. 48 Abs. 1 GO Satz 1 Alt. 2 GO verpflichtet war, bei der Abstimmung über den TOP Nr. 30 a) der Sitzung vom 9. November 2016 teilzunehmen und nicht berechtigt war, sich der Stimme zu enthalten (vgl. Art. 48 Abs. 1 Satz 2 GO).
22
Da der Kläger sich unstrittig seiner Stimme enthalten hat, ist allein fraglich, ob zu seinen Gunsten ein (ungeschriebener) Ausnahmefall vom Verbot des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 GO greift, der eine Stimmenthaltung rechtfertigen würde. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.1984 - 4 B 83 A.1860 - BayVBl 1985, 339) muss es die Möglichkeit einer genügenden Entschuldigung nicht nur bzgl. der Teilnahmepflicht an sich, sondern auch bzgl. des Stimmenthaltungsverbots geben. Neben dem Wortlaut von Art. 48 Abs. 2 GO spricht dafür auch, dass in untypischen Situationen eine Konfliktlage bestehen mag, die eine Stimmenthaltung ausnahmsweise als genügend entschuldigt erscheinen lassen kann (vgl. BayVGH a.a.O. unter Verweis auf BayVerfGH, Entsch.v. 23.7.1984 - Vf. 15 - VII/83 - BayVBl 1984, 621). Allein als Ausdruck von Meinungsverschiedenheiten politischer oder rechtlicher Art rechtfertigt sich eine solche Enthaltung allerdings nicht (in diesem Sinne BayVGH, B.v. 20.11.2014 - 4 ZB 14.1494 - juris Rn. 7 für den Fall des „Entfernens“ aus der Sitzung). Andernfalls würde das Stimmenthaltungsverbot vielfach in den Fällen nicht greifen, in denen rechtlich oder politisch umstrittene Beschlüsse inmitten stehen; gerade hier aber kommt dem Gebot, einer Sachentscheidung nicht durch Stimmenthaltung auszuweichen, eine erhöhte Bedeutung zu. Die Stimmenthaltung kann deshalb nur in besonderen Ausnahmesituationen als genügend entschuldigt angesehen werden. Voraussetzung hierfür ist eine Konfliktlage, die vom einzelnen Gemeinderatsmitglied nicht anders als durch Stimmenthaltung gelöst werden kann, weil ihm ein Abstimmen mit Ja oder Nein auch bei objektiver Betrachtung nicht zumutbar ist. Das mag z.B. der Fall sein bei einem echten Gewissenskonflikt, bei einer vom Wortlaut des Art. 49 Abs. 1 GO nicht erfassten persönlichen Beteiligung, oder wenn der Gemeinderat die persönliche Beteiligung nach Art. 49 Abs. 2 GO zu Unrecht verneint hat (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.1984 - 4 B 83 A.1860 - BayVBl 1985, 339).
23
Bei Anwendung dieser Grundsätze kann die Stimmenthaltung des Klägers nicht als genügend entschuldigt angesehen werden.
24
Soweit er sich auf eine angebliche Überschreitung des gemeindlichen Aufgabenkreises bei den Grundstücksverkäufen bzw. allgemein auf eine angebliche Rechtswidrigkeit des Handelns der Beklagten beruft, handelt es sich um eine rechtliche Meinungsverschiedenheit, die nicht mit dem Mittel der Stimmenthaltung ausgetragen werden kann. Hält ein Gemeinderatsmitglied einen Beschluss für rechtswidrig, so ist ihm die Ablehnung dieses Beschlusses nicht nur zumutbar; sie entspricht vielmehr der gewissenhaften Wahrnehmung seiner Obliegenheiten (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.1984 - 4 B 83 A.1860 - BayVBl 1985, 339).
25
Soweit sich der Kläger auf einen angeblichen Gewissenskonflikt beruft, kann ihm hierin nicht gefolgt werden. Objektiv betrachtet behandelt der Beschlussgegenstand schlicht die Genehmigung eines Grundstückverkaufs, d.h. eine Angelegenheit, mit welcher der Gemeinderat der Beklagten in gleichgelagerten Konstellationen in der Vergangenheit bereits wiederholt und regelmäßig befasst war und welche in mehreren Gemeinderatssitzungen beginnend mit der initiierten Bauleitplanung thematisch vorbereitet wie konkretisiert worden war. Vor diesem Hintergrund liegt es fern, dies als Gewissensentscheidung einzuordnen, also einer Entscheidung, die den Charakter eines unabweisbaren, den Ernst eines die gesamte Persönlichkeit ergreifenden, an den Kategorien von “Gut” und “Böse” orientierten sittlichen Gebots trägt (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.1984 - 4 B 83 A.1860 - BayVBl 1985, 339 unter Verweis auf die st. Rspr. des BVerfG). Soweit der Kläger Bedenken gegen den Verkauf an sich oder spezifische Vertragsinhalte gehabt hätte, wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, mit Nein zu stimmen. Ebenso wenig rechtfertigt der vom Kläger geltend gemachte bzw. von ihm subjektiv als solcher empfundene Zwiespalt eine Enthaltung aus Gewissengründen. Soweit er vorträgt, dass er in einen inneren Konflikt mit seinem als Gemeinderat geleisteten Eid, seine Aufgaben gewissenhaft wahrzunehmen, gekommen sei, weil er sich aus seiner Sicht nicht ausreichend zum Beschlussgegenstand informiert gefühlt habe, verkennt der Kläger, dass ihn dieser Eid auch dazu verpflichtet, sich in einem gewissen Umfang eigenverantwortlich auf die jeweilige Gemeinderatssitzung vorzubereiten, sofern er dies im Vorfeld und über die ihm bisher zur Verfügung gestellten Materialen als notwendig erachtet. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs steht der Pflicht des ersten Bürgermeisters zu einer ordnungsgemäßen Ladung und Vorbereitung der Beratungsgegenstände (vgl. Art. 47 Abs. 2, Art. 46. Abs. 2 Satz 1 und 2 GO) korrespondierend bzw. ergänzend die Pflicht des einzelnen Gemeinderatsmitglieds gegenüber, sich vor Beschlussfassung eigenverantwortlich über die Rechtslage zu informieren (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2014 - 4 ZB 13.2225 - juris Rn. 15). Dementsprechend räumt § 3 Abs. 5 Satz 2 GeschO dem Kläger bzw. jedem Gemeinderatsmitglied „zur Vorbereitung von Tagesordnungspunkten der nächsten Sitzung nach vorheriger Terminvereinbarung das Recht zur Einsicht in die entscheidungserheblichen Unterlagen“ ein. Der Kläger hatte vor und während der Sitzung ausreichend Gelegenheit, sich zum Beratungsgegenstand zu informieren, so dass seinem jedenfalls aus der Geschäftsordnung ableitbaren Individualanspruch genüge getan wurde (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 11.2.2014 - 4 ZB 13.2225 - juris Rn. 14). Allein der Umstand, dass seine E-Mail nicht als solche beantwortet wurde, ändert hieran nichts (eine Übersendung des Volltextes des Notarvertragsentwurfs war ohnehin nicht veranlasst, dazu s.u.). Aus dem „schlechten Gewissen“ eines Gemeinderatmitglieds, nicht ausreichend auf eine Gemeinderatssitzung vorbreitet zu sein bzw. sich nicht so vorbereitet zu haben, kann objektiv jedenfalls dann keine anerkennenswerte Ausnahme vom Verbot der Stimmenthaltung erwachsen, wenn - wie vorliegend - es ordnungsgemäß zur Sitzung geladen wurde.
26
Der Kläger wurde ordnungsgemäß zur Gemeinderatssitzung am 9. November 2016 geladen; insbesondere genügen die zu TOP Nr. 30 a) in der Ladung enthaltenen Informationen vorliegend den von der Rechtsprechung zu Art. 47 Abs. 2 GO entwickelten Anforderungen. Zudem war eine Übersendung des vollständigen Vertragsentwurfs keine Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Ladung. Unter Ladung im Sinne von Art. 47 Abs. 2 GO ist der technische Vorgang des fristgemäßen Zusendens der schriftlichen Einladungen zu verstehen. Die Angabe der Tagesordnung erfordert eine konkrete Benennung der einzelnen Beratungsgegenstände (Tagesordnungspunkte), damit es den Gemeinderatsmitgliedern ermöglicht wird, sich auf die Behandlung der einzelnen Gegenstände vorzubereiten. Über die Beifügung von Unterlagen enthält die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern - anders als beispielsweise § 34 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg - keine Regelung (vgl. BayVGH, U.v. 18.6.2008 - 4 BV 07.211 - juris Rn. 22). Inwieweit die Bezeichnung eines Tagesordnungspunkts diesen Anforderungen genügt, ist letztendlich eine Frage des Einzelfalls und hängt von Faktoren wie etwa einer bereits erfolgten Vorbefassung bzw. der Regelmäßigkeit und Häufigkeit der Befassung mit derartigen oder thematisch ähnlichen Tagesordnungspunkten, der Größe der Gemeinde, der Bedeutung der Angelegenheit usw. ab (vgl. in diesem Sinne jedenfalls bzgl. des Aspekts der Vorbefassung auch BayVGH, B.v. 4.10.2010 - 4 CE 10.2403 - juris Rn. 7). Nach diesen Prämissen beurteilt war die Angabe zu TOP Nr. 30/31 a) „Notarangelegenheiten, Kaufvertrag vom xx.xx.2016, URNr. …/2016 mit den Eheleuten Dr. P. und A. B“ ausreichend, um es den Gemeinderatsmitgliedern zu ermöglichen, den hinter dem Tagesordnungspunkt stehenden Beratungsgegenstand zu erkennen und sich auf dessen Behandlung vorzubereiten. Zwar ist dem Kläger insoweit zuzustimmen, dass es gegebenenfalls noch präziser gewesen wäre, etwa die Erschließungsstraße oder das Baugebiet, in welchem das Grundstück situiert ist, ergänzend zu benennen. Letztendlich war es aber den Gemeinderatsmitgliedern auch ohne diese Angaben möglich zu erkennen, dass es sich um einen Grundstücksverkauf im Rahmen des Baugebiets „Steinleiten“ handelt. Wie die Bevollmächtigten der Beklagten zutreffend vortragen, war der Gemeinderat der Beklagten ab November 2015 bis zur Gemeinderatssitzung am 9. November 2016 mehrfach und in zeitlich relativ kurzen Abständen mit den bauleitplanungsrechtlichen wie fiskalischen (Grunderwerb-) Aspekten dieses Baugebiets befasst. Berücksichtigt man zudem, dass es in einer Gemeinde mit der Größe der Beklagten (rund 3.600 Einwohner) - anders als in einer Großstadt - nicht zahlreiche parallel verlaufende Projekte aus dem Bereich der Bauleitplanung bzw. Orts-/Stadtentwicklung gibt, so war es einem verständigen Gemeinderatsmitglied ohne weiteres möglich, aufgrund der Bezeichnung des Tagesordnungspunkts den dahinterstehenden Beratungsgegenstand zu identifizieren. Daher kann offen bleiben, ob für eine ordnungsgemäße Ladung betreffend die Genehmigung eines notariellen Kaufvertrags die genauere Situierung des Grundstücks überhaupt zwingende Voraussetzung ist. Ebenso wenig führt die unterlassene Übersendung eines Volltexts des Vertragsentwurfs zu einem Ladungsmangel.
§ 23 Abs. 1 Satz 3 GeschO bestimmt insoweit, dass „der Tagesordnung weitere Unterlagen, insbesondere Beschlussvorlagen für den öffentlichen Teil sowie der öffentliche Teil der letzten Gemeinderatssitzung beigefügt werden sollen, wenn und soweit das sachdienlich ist und Gesichtspunkte der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen“. Im Umkehrschluss daraus ist abzuleiten, dass für nichtöffentliche Tagesordnungspunkte im Regelfall gerade keine Übersendung vorbereitender Unterlagen vorgesehen ist. Unabhängig davon würde selbst ein Verstoß gegen § 23 GeschO die Ordnungsmäßigkeit der Ladung nicht berühren (vgl. BayVGH, B.v. 27.6.2008 - 15 NE 08.1522 - juris Rn. 16 unter Verweis auf BayVGH, B.v. 18.6.2008 - 4 BV 07.211 - juris Rn. 22 ff.).
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Eine Enthaltung ist schließlich ebenso wenig gerechtfertigt, weil der Vertragungsantrag des Klägers in der Sitzung durch die Mehrheit der anwesenden Gemeinderatsmitglieder abgelehnt wurde, da dem Kläger als einzelnem Mitglied des Gemeinderats bereits kein solches Recht auf Vertagung (wegen subjektiv empfundenem, weiteren „Aufklärungsbedarfs“) zusteht (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2014 - 4 ZB 13.2225 - juris Rn. 16).
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Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Kläger sich ohne genügende Entschuldigung seiner Stimme enthalten und damit gegen das Stimmenthaltungsverbot des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 GO verstoßen hat. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Gemeinderats darf in derartigen Fällen ein Ordnungsgeld verhängt werden (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2014 - 4 ZB 14.1494 - juris Rn. 7 für den vergleichbaren Fall des „Sich-Entfernens“).
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1.2 Der Gemeinderat hat daher ermessensgerecht die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Kläger beschlossen (Art. 48 Abs. 2 GO; zum Ausschluss des Klägers wegen persönlicher Beteiligung ohne diesbezüglichen formalen Beschluss vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand Mai 2018, Art. 49 Rn. 16 m.w.N.). Die Beklagte hat auch das ihr in Bezug auf die Höhe des Ordnungsgeldes zustehende Ermessen ordnungsgemäß und zweckentsprechend ausgeübt. Das Ordnungsgeld verfolgt den Zweck, das Gemeinderatsmitglied zukünftig zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Verpflichtungen aus Art. 48 Abs. 1 GO anzuhalten. Es ist entgegen der Ansicht des Klägers weder Strafe oder Geldbuße, sondern eine disziplinäre Maßnahme mit Beugecharakter. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses war der Kläger im Amt und der Zweck des Ordnungsmittels somit erreichbar. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte stattdessen nicht lediglich eine Rüge - etwa als milderes Mittel - erteilt hat. Da sich der Kläger bereits in der Vergangenheit wiederholt und trotz Hinweises auf Art. 48 Abs. 1 Satz 2 GO der Abstimmung enthalten hat, erscheint dem Gericht die Einschätzung der Beklagten, dass dies deutlich weniger, wenn nicht gänzlich ineffektiv gewesen wäre, nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund weisen auch die Erwägungen zur Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes keine Ermessensfehler auf. Das verhängte Ordnungsgeld in Höhe von 150,- EUR hält sich in einem mittleren Bereich innerhalb des aus Art. 48 Abs. 2 GO ersichtlichen Rahmens bis 250,- EUR und ist angesichts der konkreten Umstände des Pflichtenverstoßes insgesamt verhältnismäßig.
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Einwände gegen die Nrn. II und III des Bescheids vom 28. April 2017 sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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2. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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4. Gründe i.S.v. §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO für die vom Kläger beantragte erstinstanzliche Zulassung der Berufung lagen nicht vor.