Titel:
Kein Erstattungsanspruch nach dem BAföG für ausbildungsunabhängige Wohnheimkosten
Normenketten:
SGB X § 104 Abs. 1
BAföG § 2 Abs. 1a S. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 2, § 14a
HärteV § 6
Leitsatz:
Eine Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten einer auswärtigen stationären Unterbringung scheitert am Vorliegen eines unmittelbarem Zusammenhangs mit der Ausbildung i.S.v. § 14a Satz 1 Nr. 1 BAföG, wenn für die Unterbringung die pflegerische und pädagogische Betreuung des schwerbehinderten Auszubildenden maßgebend ist, sodass die Aufwendungen nicht entfallen wären, wenn der Schüler eine Ausbildungsstätte am Wohnort der Eltern besucht hätte. (Rn. 23 und 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausbildungsförderung, Kostenerstattung, Auswärtige Unterbringung eines an spastischer Zerebralparese erkrankten Schülers, (Kein) unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Ausbildung und besonderen Aufwendungen i.S.d. § 14a Satz 1 Nr. 1 BAföG, Sozialhilfe, Behinderung, Wohnheim, Auszubildender, unmittelbarer Zusammenhang
Fundstelle:
BeckRS 2020, 8619
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Leistungen, die der Kläger im Schuljahr 2012/2013 in Form der Übernahme von Wohnheimkosten für den Auszubildenden Z. erbracht hat.
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Der Kläger ist überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Er leistete dem an einer bilateralen spastischen Zerebralparese erkrankten Auszubildenden Z. (geb. am …1993, Grad der Behinderung 100, Merkzeichen G - Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit, aG - außergewöhnliche Gehbehinderung, H - hilflos, RF - Rundfunk/Fernsehen), u.a. im Zeitraum 9/2012 bis 7/2013 Sozialhilfe in Form von Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung als Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 und 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII durch Übernahme der Kosten für das Caritas-Wohnheim Haus … in B.…
3
Der Auszubildende, dessen Eltern in … (…str. 131) wohnhaft waren, besuchte im Zeitraum 9/2001 bis 9/2010 die Förderschule für Körperbehinderte des Integrationszentrums für Cerebralparesen (früher: Spastiker-Zentrum …, … Straße 241) und wurde unter der Woche stationär im schuleigenen Wohnheim betreut. Nach dem Abschlussbericht (Bl. 2/18 der medizinischen Akte - mA) verbrachte der Auszubildende zuletzt auch einen Großteil der Ferien sowie ein Wochenende im Monat im Wohnheim. Seit 9/2010 besuchte der Auszubildende die Berufsschulstufe der … … Schule, staatlich anerkanntes privates Förderzentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in R.… und wohnte im Caritas-Wohnheim Haus … Auf den Bericht des Wohnheims zu Problemen, Ressourcen, Zielen und zu treffenden Maßnahmen im Zeitraum 1. bis 31. Juli 2012 (Bl. 2/34 ff. mA) sowie die Auswertung des Hilfebedarfs des Auszubildenden vom 29. Juni 2012 (Bl. 2/77 ff. mA) wird verwiesen.
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Am 24. Juli 2012 stellte der Kläger bei der Beklagten vorsorglich einen Antrag gemäß § 95 SGB XIl und machte einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X geltend (Bl. 1 Behördenakte der Beklagten - BA-Bekl.). Auf die nachgereichte endgültige Kostenaufstellung für das Schuljahr 9/2012 bis 7/2013 wird verwiesen (Bl. 85 f. BA-Bekl.). Neben dem Kläger beantragten auch die Betreuer (Eltern) des Auszubildenden mittels Formblattantrag vom 31. Juli 2012 Ausbildungsförderungsleistungen.
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Mit Bescheid vom 8. Oktober 2012 (Bl. 70 BA-Bekl.) setzte die Beklagte die Höhe der Ausbildungsförderung nach dem BAföG für den Bewilligungszeitraum 9/2012 bis 7/2013 unter Zugrundelegung eines Grundbedarfs i.H.v. 465,- Euro (ohne Berücksichtigung der Wohnheimkosten) auf 0,- Euro fest, da das Einkommen der Eltern den Bedarf übersteige. Zudem wurde ausgeführt, dass gemäß 104 SGB X die Ausbildungsförderung in voller Höhe als Ersatz für gleichzeitig erbrachte Sozialleistungen erstattet werde. Ein Abdruck des Bescheids ging beim Kläger am 12. Oktober 2012 ein.
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Am 10. Januar 2013 erhob der Kläger Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München (Az. M 15 K 13.84, fortgesetzt unter dem Az. M 15 K 19.3729), gerichtet auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, dem Auszubildenden Z. für den Besuch der … … Schule für die Zeit vom 1. September 2012 bis 31. Juli 2013 Ausbildungsförderung in Höhe der tatsächlich entrichteten Kosten seiner Unterbringung im Haus … zu leisten.
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Mit Schreiben vom 9. Mai 2014 forderte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Januar 2014 (Az. 5 C 9.13) von der Beklagten eine Erstattung für den Zeitraum 9/2012 bis 7/2013.
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Mit Schreiben vom 5. Juni 2014 erklärte die Beklagte, dass sie der Aufforderung zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs nicht nachkommen könne, da mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. Oktober 2012 nicht nur über die Gewährung von Ausbildungsförderung, sondern auch über den Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X entschieden worden sei. Darüber hinaus habe das Bundesverwaltungsgericht im zitierten Urteil nicht darüber entschieden, dass der Erstattungsanspruch auch dann zu erfüllen sei, wenn im Rahmen des Leistungsanspruchs gegen die in § 95 Satz 2 SGB XII genannten Verfahrensfristen verstoßen worden sei. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. Mai 1999 (Az. B 7 AL 74/98 R), wonach die Leistungspflicht des auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträgers grundsätzlich durch die gegenüber dem Leistungsempfänger ergangenen Bescheide begrenzt sei, wurde verwiesen.
9
Am 10. Dezember 2015 erhob der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage und beantragte,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 1. September 2012 bis 31. Juli 2013 Leistungen der Ausbildungsförderung unter Berücksichtigung der Kosten der Unterbringung des Auszubildenden im Caritas-Haus-… zu erstatten.
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Der Leistungsanspruch des Berechtigten und der eigene Erstattungsanspruch des Klägers seien jeweils rechtlich selbstständige Ansprüche (BVerwG, U.v. 23.1.2014 - 5 C 9.13). Selbst wenn der Sozialhilfeträger Fristen für einen Rechtsbehelf versäume, bleibe noch das Erstattungsverfahren nach § 104 SGB X (Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, § 95 Rn. 5). Dafür genüge es, dass in der Person des Berechtigten die wesentlichen und unverzichtbaren Grundvoraussetzungen des Leistungsanspruchs gegen den auf Erstattung in Anspruch genommen Träger vorlägen. Dies werde von der Beklagten nicht bezweifelt, da sie den Anspruch dem Grunde nach bejaht habe. Auch das Bundessozialgericht habe Ausnahmen vom Grundsatz, dass ein nachrangiger Träger bestandskräftige Bescheide über einen Leistungsanspruch akzeptieren müsse, genannt. Hierzu zähle insbesondere ein offensichtlich unrichtiger Leistungsbescheid. Der Bescheid vom 8. Oktober 2012 sei offensichtlich rechtswidrig, weil er die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die damals gültigen Vollzugshinweise des StWFK vom 2. August 2011, wonach Internatskosten bis zur Höhe des Pflegesatzes von 70,- Euro kalendertäglich anzuerkennen seien, außer Acht gelassen und selbst diesen Pflegesatz nicht berücksichtigt habe. Die Beklagte habe die Internatskosten in voller Höhe zu berücksichtigen, wie auch in den endgültigen Vollzugshinweisen der zuständigen Ministerien vom 19. November 2012 und 21. November 2012 ausgeführt sei.
11
Die Beklagte beantragte,
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Die Klage sei unzulässig, da eine Verpflichtungsklage hinsichtlich des geltend gemachten Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X unstatthaft sei. Da Beklagte und Kläger zueinander nicht in einem Über-/Unterordnungsverhältnis stünden, könne die Beklagte nicht zur Festsetzung der Erstattung mittels Verwaltungsakt verpflichtet werden. Sofern die Klage als Leistungsklage zu verstehen sei, sei sie zu unbestimmt. Die Klage sei zudem infolge Erfüllung unbegründet, da die Beklagte dem Kläger Leistungen erstattet habe (Bl. 70 ff. BA-Bekl.), soweit ein Anspruch des Auszubildenden auf Gewährung von Ausbildungsförderung bei Hinwegdenken der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X bestanden habe. Ein darüber hinausgehender Erstattungsanspruch hinsichtlich der Unterbringungskosten des Auszubildenden bestehe nicht. Die Beklagte berufe sich höchst vorsorglich auf Verjährung des Erstattungsanspruchs nach § 113 Abs. 1 SGB X. Ungeachtet dessen bestehe ein Erstattungsanspruch jedenfalls deshalb nicht, weil das Erstattungsbegehren über das hinaus gehe, was mittels bestandskräftigen Bescheids an Ausbildungsförderung gewährt (und erstattet) worden sei. Auf eine Ausnahme wegen offensichtlicher Unrichtigkeit eines Bescheids könne sich der Kläger nicht berufen, wenn er das Verwaltungsverfahren gemäß § 95 SGB XII selbst betrieben habe (BSG, U.v. 12.5.1999 - B 7 AL 74/98 R - juris Rn.15 ff.). Im Übrigen sei der Bescheid nicht offensichtlich unrichtig, da ein Anspruch auf Förderung der Internatskosten schon dem Grunde nach nicht bestanden habe. Die Voraussetzungen des § 14a Abs. 1 Nr. 1 BAföG i.V.m. §§ 6, 7 HärteV lägen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 2.12.2009 - 5 C 21/08, 5 C 31/08 und 5 C 33/08) reiche es nicht aus, dass die auswärtige Unterbringung des Auszubildenden zur Erreichung des Ausbildungsziels notwendig sei, vielmehr müssten die für die Unterbringung des Auszubildenden anfallenden Internatskosten in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausbildung stehen. Vorliegend ergebe sich aus der medizinischen Akte (insbesondere Bl. 2/22, 2/26 ff., 2/77 ff., 2/31, 2/34 ff. mA), dass bei der Internatsunterbringung des geistig und körperlich schwerbehinderten Auszubildenden dessen pflegerische, medizinische und soziale Betreuung überwiegend maßgebend gewesen sei.
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Der Kläger erwiderte, dass der Auszubildende bis zum Beginn der Schulpflicht stets im elterlichen Haushalt gelebt und dort auch die Wochenenden und Ferien verbracht habe. Ausschlaggebend sei demnach die Auswahl einer geeigneten Schule gewesen, die von der elterlichen Wohnung in zumutbarer Zeit aber nicht erreichbar gewesen sei.
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Dem entgegnete die Beklagte, dass der Auszubildende nach Aktenlage bereits vor Beginn der Schulpflicht, nämlich von September 2000 bis Juli 2001 vollstationär in einem heilpädagogischen Kinderheim in … gelebt habe. Zudem lägen die Zeiten vor Beginn der Schulpflicht derart lange vor dem streitgegenständlichen Leistungszeitraum, dass daraus keine Rückschlüsse mehr auf den maßgeblichen Grund für die Internatsunterbringung im streitgegenständlichen Leistungszeitraum möglich seien.
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Mit Schreiben vom 18. Juni 2019 bzw. 2. Juli 2019 haben die Parteien ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
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Vorliegend konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich die Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Kläger begehrt mit der als Leistungsklage auszulegenden Klage (§ 88 VwGO; vgl. a. BayVGH, B.v. 31.5.2019 - 12 ZB 14.1513 - juris Rn. 37) die Erstattung von Leistungen in einer sich aus der endgültigen Kostenaufstellung für den Zeitraum 9/2012 bis 7/2013 ergebenden Höhe von 94.742,06 Euro, sodass ein bestimmbarer Antrag vorliegt.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da dem Kläger gegenüber der Beklagten kein Erstattungsanspruch gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X für von ihm gegenüber dem Auszubildenden Z. erbrachte Leistungen für dessen auswärtige Unterbringung zusteht.
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Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist für den Fall, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, derjenige Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
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Zwar ist ein Erstattungsanspruch des Klägers als nachrangig verpflichtetem Leistungsträger nicht dadurch begrenzt bzw. erloschen, dass die Beklagte gegenüber dem Auszubildenden Z. bestandskräftig die Leistung von Ausbildungsförderung mit Bescheid vom 8. Oktober 2012 abgelehnt hat (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, B.v. 31.5.2019 - 12 ZB 14.1513 - juris Rn. 46 ff.).
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Jedoch fehlt es vorliegend an einem dem Erstattungsanspruch zugrundeliegenden Anspruch des Auszubildenden Z. gegen die Beklagte auf Ausbildungsförderung: Ein Anspruch bei Annahme eines (nicht erhöhten) Grundbedarfs nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 BAföG besteht unstreitig jedenfalls aufgrund anzurechnenden Elterneinkommens nicht. Eine Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterbringung scheitert am Vorliegen eines unmittelbarem Zusammenhangs der besonderen Aufwendungen mit der Ausbildung i.S.v. § 14a Satz 1 Nr. 1 BAföG i.V.m. §§ 6 und 7 HärteV.
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2.1 Gemäß § 14a Satz 1 Nr. 1 BAföG kann durch Rechtsverordnung bestimmt werden, dass bei einer grundsätzlich nach § 2 BAföG förderfähigen Ausbildung im Inland Ausbildungsförderung über die Beträge nach § 12 Abs. 1 und 2, § 13 Abs. 1 und 2 sowie § 13a BAföG hinaus zur Deckung besonderer Aufwendungen des Auszubildenden für seine Ausbildung geleistet wird, wenn sie hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehen und dies zur Erreichung des Ausbildungsziels notwendig ist. Nach § 6 Abs. 1 HärteV wird u.a. einem Auszubildenden, dessen Bedarf sich - wie hier - nach § 12 Abs. 2 BAföG bemisst, zur Deckung der Kosten der Unterbringung in einem Internat oder einer gleichartigen Einrichtung Ausbildungsförderung geleistet, soweit sie den nach diesen Bestimmungen des Gesetzes maßgeblichen Bedarfssatz übersteigen.
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Ein Zusammenhang im Sinne des § 14a Satz 1 Nr. 1 BAföG besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. U.v. 2.12.2009 - 5 C 33/08 - juris Rn. 27 ff.; vgl. a. VG Augsburg, U.v. 5.2.2013 - Au 3 K 12.396 - juris Rn. 33 ff.; VG München, U.v. 7.11.2013 - M 15 K 13.68 - juris Rn. 53; VG Ansbach, U.v. 11.4.2014 - AN 2 K 11.02478 - juris Rn. 47 ff.), wenn ein Auszubildender eine seiner Behinderung entsprechende Ausbildungsstätte besuchen will, dies aber aufgrund der räumlichen Entfernung von Schul- und Wohnort eine Internatsunterbringung erforderlich macht und die Internatsbetreuung nicht ausschließlich oder vorrangig wegen der Art und Schwere einer Behinderung oder sonst zur Sicherung des Erfolges der Teilhabe notwendig wird. Bei einer derart aus Entfernungsgründen erforderlichen auswärtigen Unterbringung entfällt der unmittelbare Zusammenhang mit der Ausbildung nicht schon deswegen, weil die Behinderung für die Wahl der speziellen Ausbildungsstätte maßgebend ist und ohne die Behinderung eine wohnortnahe allgemeine Ausbildungsstätte besucht werden könnte. Die Internatsunterbringung hängt in diesen Fällen zwar mit der Behinderung zusammen, welche die Wahl des Standortes der Ausbildungsstätte prägt; für die Unterbringung in einem Wohnheim bzw. Internat, die bei einem Schulbesuch am Wohnort der Eltern nicht erforderlich gewesen wäre, ist dann aber unmittelbar die Ausbildung an einem bestimmten Ort und nicht - gar überwiegend - die pflegerische, medizinische und soziale Betreuung des Behinderten maßgebend. Liegen diese Voraussetzungen vor, handelt es sich auch dann um von dem Anwendungsbereich des § 14a Satz 1 Nr. 1 BAföG erfasste ausbildungsgeprägte besondere Aufwendungen, wenn sie im Übrigen durch die Behinderung bedingt sind (vgl. a. BayVGH, U.v. 13.5.2008 - 12 B 06.3207 - juris Rn. 31). § 6 Abs. 1 HärteV setzt voraus, dass in dem Internat oder Wohnheim auch eine pädagogische Betreuung durch geeignetes Fachpersonal erfolgt, so dass die Internatskosten regelmäßig deutlich über reinen Unterbringungskosten liegen werden, weil von ihnen auch die Aufwendungen umfasst sind, die wegen einer entsprechenden, auch auf die Behinderungen des betreuten Personenkreises sowie dessen Alter eingestellten pädagogischen Betreuung entstehen. Solche Mehrkosten der nach § 6 Abs. 1 HärteV gerade als Leistungsvoraussetzung geforderten pädagogischen Betreuung können nicht als spezifisch behinderungsbedingte Aufwendungen qualifiziert werden.
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Wären die Aufwendungen dagegen auch erforderlich, wenn der Auszubildende eine Schule am Wohnort der Eltern besucht hätte, fehlt es schon an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausbildung im Sinne des § 14a Satz 1 Nr. 1 BAföG. Solche lediglich in einem mittelbaren Zusammenhang zur Ausbildung stehenden behinderungsbedingten Aufwendungen sind im Gegensatz zu den ausbildungsgeprägten behinderungsbedingten Aufwendungen als besondere, behinderungsbedingte Aufwendungen zu qualifizieren, die schon vom Ansatz her nicht geeignet sind, den ausbildungsförderungsrechtlichen Bedarf zu erhöhen (vgl. OVG NW, U.v. 23.1.2012 - 12 A 1905/11 - juris Rn. 62).
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2.2 Unabhängig davon, ob es sich im vorliegenden Fall bei der vom Auszubildenden besuchten Ausbildungsstätte um eine förderfähige Einrichtung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG handelte, ob das Wohnheim die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 und 3 HärteV erfüllte und ob von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichbar war (§ 2 Abs. 1a BAföG), steht die Unterbringung des Auszubildenden im Caritas-Wohnheim Haus … in … jedenfalls nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausbildung.
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Der schwerbehinderte Auszubildende war nicht im Caritas-Wohnheim Haus … in … untergebracht, weil er aus Entfernungsgründen von der Wohnung der Eltern aus keine zumutbare Schule besuchen konnte. Vielmehr wäre die stationäre Unterbringung nach Auffassung des Gerichts auch erforderlich gewesen, wenn es eine von der Wohnung der Eltern erreichbare, zumutbare - auf die Behinderung des Auszubildenden ausgerichtete - Schule gegeben hätte, sodass es sich bei den Kosten der Unterbringung um besondere behinderungsbedingte Aufwendungen handelte. Der konkrete Umfang des Bedarfs an medizinischer, pflegerischer und pädagogischer Betreuung im streitgegenständlichen Zeitraum lässt sich vorliegend insbesondere aus der Auswertung des Hilfebedarfs des Auszubildenden vom 29. Juni 2012 (Bl. 2/77 ff. mA) sowie dem Bericht des Wohnheims zu Problemen, Ressourcen, Zielen und zu treffenden Maßnahmen im Zeitraum 1. bis 31. Juli 2012 (Bl. 2/34 ff. mA) ableiten. Danach konnte der Auszubildende Z. Aufgaben des täglichen Lebens (alltägliche Lebensführung, individuelle Basisversorgung, Gestaltung sozialer Beziehungen, Teilnahme am kulturellen und gemeinschaftlichen Leben, Kommunikation und Orientierung, emotionale Entwicklung sowie Gesundheitsförderung und Erhaltung) mit wenigen Ausnahmen nicht bewältigen und benötigte weit überwiegend umfassende Hilfestellung bzw. intensive Anleitung und Begleitung seitens der Einrichtung. Im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum wurde der Auszubildende ausweislich einer entsprechenden Mitteilung des Wohnheims (Bl. 657 der Sozialhilfeakte) lediglich einmal über Weihnachten für vier Tage zuhause betreut. Auch bei Heranziehung vorangehender und nachfolgender Zeiträume, wobei die Aussagekraft mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum Bewilligungszeitraum abnimmt, ergibt sich nichts anderes. Der Auszubildende war auch während des Schulbesuchs in … im Zeitraum 9/2001 bis 9/2010 stationär - mit Unterbrechungen an den meisten Wochenenden sowie eines Teils der Ferien - im schuleigenen Wohnheim untergebracht, obwohl die Schule nur ca. 8,4 km vom Wohnort der Eltern entfernt war. Ebenso war der Kläger auch ab November 2013, d.h. nach dem streitgegenständlichen Zeitraum und nach Ende der Schulpflicht, stationär in einer Wohngruppe für Erwachsene mit geistiger Behinderung der Stiftung … untergebracht. Mithin war für die stationäre Unterbringung im Wohnheim die pflegerische und pädagogische Betreuung des schwerbehinderten Auszubildenden Z. maßgebend, sodass die Aufwendungen nicht entfallen wären, wenn der Schüler eine Ausbildungsstätte am Wohnort der Eltern besucht hätte.
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2.3 Ergänzend wird ausgeführt, dass eine von der Voraussetzung des dargestellten Zusammenhangs unabhängige Leistung nach § 14a Satz 1 Nr. 2 BAföG nicht in Betracht kommt, da die HärteV keine isolierte Übernahme von Unterkunftskosten, sondern mit § 6 lediglich eine Leistung zur Deckung von Internatskosten, die über die Unterkunftskosten hinaus weitere Bestandteile enthalten müssen, vorsieht (vgl. BVerwG, U.v. 2.12.2009 - 5 C 33/08 - juris Rn. 22).
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Nach alledem war die nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht gerichtskostenfreie Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.