Inhalt

OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 04.02.2020 – 5 U 4765/19
Titel:

Dieselskandal: Keine Herstellerhaftung wegen Thermofenster und Abschalteinrichtung

Normenketten:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
StGB § 263
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 5 Abs. 2 S. 2, Art. 3 Nr. 10
Leitsatz:
Selbst wenn die Konstruktion eines Dieselmotors (hier: Typ OM 651 des Herstellers Mercedes) wegen einer temperaturabhängigen Abschalteinrichtung der Abgasrückführung gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verstieße, kann aus der Installation einer solchen Einrichtung nicht auf einen Schädigungsvorsatz der Verantwortlichen geschlossen werden, da die maßgebenden Vorschriften der Verordnung keineswegs so klar formuliert sind, dass sich die Verwendung einer temperaturabhängigen oder sonst variablen Abgasrückführung eindeutig als unzulässig darstellen müsste (ebenso OLG München BeckRs 2019, 19592; OLG Stuttgart BeckRS 2019, 17247).  (Rn. 11 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dieselmotor, Thermofenster, Abschalteinrichtung, Abgasrückführung, OM 651, Mercedes, sittenwidrige Schädigung, Betrug
Vorinstanz:
LG Regensburg, Endurteil vom 19.11.2019 – 41 O 122/19
Fundstelle:
BeckRS 2020, 8420

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 19.11.2019, Az. 41 O 122/19, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung erfordert.

Entscheidungsgründe

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1. Der Kläger, der bei einem selbstständigen Kraftfahrzeughändler einen gebrauchten Pkw Marke Mercedes Benz Typ C220 CDI BlueEFFICENCY erworben hat, nimmt die Herstellerin des Fahrzeuges auf Schadensersatz in Anspruch, weil die Beklagte in das Fahrzeug einen Dieselmotor mit einer manipulativen Motorsteuerung eingebaut habe, die dazu führe, dass im praktischen Fahrbetrieb die hier maßgeblichen Grenzwerte für den Stickoxidausstoß gemäß der sogenannten Euro 5-Norm nicht eingehalten, vielmehr überschritten würden.
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Das Fahrzeug, das im Jahr 2011 hergestellt und vom Kläger im März 2012 erworben worden ist, ist mit einem Motor des Typs OM 651 ausgestattet. Es ist von einer Rückrufanordnung des Kraftfahrtbundesamtes nicht betroffen. Allerdings bietet die Beklagte für das Fahrzeug eine „freiwillige Kundendienstmaßnahme zum Diesel-Software-Update“ an.
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Der Kläger behauptet, der Motor seines Fahrzeuges sei mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet, die im Sinne von Artikel 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringere. Das Abgasrückführungssystem werde nämlich zu Beginn der Warmlaufphase des Motors und/oder bei tiefen Außentemperaturen abgeschaltet mit der Folge, dass die Abgasrückführung reduziert werde und der Stickoxidausstoß erheblich ansteige. Diese Abschalteinrichtung arbeite länger als zum Anlassen des Motors erforderlich; sie sei auch nicht notwendig, um das Fahrzeug, den Motor oder Bauteile hiervon vor Beschädigung zu schützten. Sie sei deshalb unzulässig. Indem die Beklagte - mit Kenntnis ihres Vorstandes - das Fahrzeug dennoch unter Verschweigen der Funktionsweise der Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht habe, habe sie die Erwerber des Fahrzeuges und damit auch den Kläger sittenwidrig vorsätzlich geschädigt. Die Sittenwidrigkeit ergebe sich unter anderem daraus, dass die Beklagte die Einhaltung der gesetzlichen Umweltstandards mit Hilfe der von ihr verwendeten Software vorspiegele, um damit ein dem gesellschaftlichen Zeitgeist der Umweltfreundlichkeit und Umweltverträglichkeit entsprechendes Fahrzeug zu vermarkten, und dies nicht nur im Einzelfall, sondern massenhaft. Die Haftung der Beklagten ergebe sich aus § 831 BGB, aber auch aus § 31 BGB. Der Kläger sei geschädigt, denn kein durchschnittlich informierter und wirtschaftlich vernünftig denkender Käufer würde ein Fahrzeug erwerben, welches mit einer betrügerischen Software ausgestattet sei; auch dem Kläger sei es vor allem darum gegangen, ein Fahrzeug zu erwerben, das in allen Belangen den gesetzlichen Voraussetzungen entspreche. Der Kläger sei im Sinne der Naturalrestitution so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde, also so, wie er stünde, wenn er den schädigenden Vertrag nicht abgeschlossen hätte, sodass ihm ein Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes der durch die Klagepartei gezogenen Nutzungen gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges an die Beklagte zustehe. Ursprünglich eingeklagt hat der Kläger einen Betrag von 22.718,09 € nebst Zinsen; auf Grund der während des Rechtsstreits fortgesetzten Nutzung des Fahrzeuges hat er zuletzt noch 22.498,99 € gefordert.
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Die Beklagte hat eingewandt, das streitgegenständliche Fahrzeug sei in Übereinstimmung mit der EG-Typgenehmigung hergestellt worden, wie zutreffend bescheinigt; die Typgenehmigung sei bestandskräftig und uneingeschränkt wirksam, das Kraftfahrtbundesamt habe sie weder ganz oder teilweise widerrufen noch nachträgliche Nebenbestimmungen getroffen. Damit entspreche das Fahrzeug in seinem Abgasverhalten den Vorgaben der anwendbaren Euro-5-Norm. Für deren Einhaltung komme es nicht auf die Emissionen im wirklichen Fahrzeugbetrieb an, sondern auf diejenigen unter detailliert geregelten Prüfstandsbedingungen. Abweichungen des Emissionsverhaltens des Fahrzeugs im Straßenverkehr von dem unter Prüfstandsbedingungen seien rechtlich nicht erheblich. Die Rückführung von Abgas in das Ansaugsystem des Motors sei zwar eine wirkungsvolle Maßnahme zur Reduzierung der Stickoxidemissionen, sie müsse aber unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen, darunter auch der Außentemperatur, gesteuert werden, um Schäden am Motor und am Abgassystem zu vermeiden, insbesondere komme es bei zu niedrigeren Temperaturen zur Kondensation von Abgasbestandteilen im Abgasrückführkühler und damit zur Versottung, was zu dauerhaften Schäden bis hin zum Motorausfall führen könne. Bei niedrigeren Außentemperaturen müsse deshalb die Abgasrückführung reduziert werden, was Stand der Technik und den Genehmigungsbehörden bekannt sei. Eine derartige Steuerung der Abgasrückführung stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht dar; hätte das Kraftfahrbundesamt dies anders gesehen, hätte es die Typgenehmigung nicht erteilt oder die erteilte Genehmigung widerrufen. Eine Einrichtung, die den Prüfstandsbetrieb erkenne und dann die Abgasrückführung verstärke, um besonders niedrigere Stickoxidemissionen zu erreichen, gebe es in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht.
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2. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Endurteil die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Einbau eines sogenannten thermischen Fensters erfülle nicht die Voraussetzungen der als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden Bestimmungen der §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB, 826 BGB. Jedenfalls habe die Beklagte durch den Einbau des streitgegenständlichen Motors nicht in vorsätzlicher und sittenwidriger Weise gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verstoßen, da die dort aufgeführten Ausnahmen vom Verbot einer Abschaltvorrichtung nicht eindeutig und klar definiert seien; insbesondere gelte dies für die Ausnahme des Motorenschutzes, die der Beklagten die Definition und Verwendung weitreichender Thermofenster ermögliche.
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3. Die Berufung beanstandet diese Auffassung als rechtsfehlerhaft. Sie hat jedoch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
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Zweifelhaft ist bereits die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Die nach § 525 ZPO erforderliche Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Streitfall zugeschnitten sein und erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen das angefochtenen Urteil unrichtig sei; dies erfordert eine Auseinandersetzung mit der Argumentation des Erstgerichts (ständige Rechtsprechung des BGH, etwa BGH NJW-RR 2004, 1716). Ob diesem Erfordernis hier entsprochen ist, unterliegt zumindest Bedenken. Die Berufungsbegründung besteht aus einer umfangreichen Abhandlung, die den Streitfall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eingehend würdigt, so als ob ein erstinstanzliches Verfahren noch gar nicht stattgefunden hätte. Auf die Ausführungen des Landgerichts geht sie nicht ein. Soweit die Gründe der erstrichterlichen Entscheidung überhaupt erwähnt werden, nämlich auf Seite 3 der Berufungsbegründung, wird das Erstgericht mit Aussagen zitiert, die sich in seinem Urteil tatsächlich nicht finden, auch nicht in dem vom Landgericht in Bezug genommenen Urteil des Senats vom 19.7.2019 (5 U 1670/18). Das Landgericht hat auch nicht, wie auf Seite 33 der Berufungsbegründung aber zum Gegenstand einer Beanstandung gemacht wird, eine unbeachtliche Behauptung „ins Blaue hinein“ angenommen.
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Ungeachtet dieser Bedenken hält der Senat die Berufung des Klägers jedenfalls für sachlich offensichtlich nicht begründet.
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a) Dass der Motor des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges mit einer zur Verringerung der Stickoxidemissionen dienenden Abgasrückführung ausgestattet ist, deren Steuerung - unter anderem - die Temperatur der für den Verbrennungsvorgang angesaugten Außenluft berücksichtigt, bestreitet die Beklagte nicht. In einer solchen unter anderem temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vom 20.6.2007 zu sehen, unterliegt angesichts der weiten Fassung dieser Bestimmung (siehe auch BGH, Beschluss vom 8.1.2019, NJW 2019, 1133) keinen Bedenken; auch der Senat ist in seinem Urteil vom 19.7.2019, das ebenfalls ein mit einem Motor der Baureihe OM 651 ausgestattetes Fahrzeug der Beklagten betraf, hiervon ausgegangen, ohne dies ausdrücklich festzustellen. Die Erörterungen in diesem Urteil, auf die das Landgericht ausdrücklich Bezug genommen hat, befassten sich vielmehr mit der Zulässigkeit einer derartigen Einrichtung unter dem Gesichtspunkt der in Art. 2 Abs. 2 der genannten EG-Verordnung Nr. 715/2007 angeführten Ausnahmen vom generellen Verbot von Abschalteinrichtungen.
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b) Ob die unter dem Begriff des „thermischen Fensters“ in mittlerweile zahlreichen Gerichtsentscheidungen behandelte temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung schlechthin unzulässig ist oder, falls dies zur verneinen ist, doch in der konkreten Ausführung, wie sie unter anderem im Fahrzeug des Klägers zu finden ist, als unzulässig gewertet werden muss, sind voneinander zu trennende Fragen. Wie der Kläger selbst ausführlich unter Hinweis auf eingehende Untersuchungen zur Technik der Abgasrückführung vorträgt, besteht grundsätzlich die Gefahr, dass sich im Abgasrückführungssystem - dazu gehören jedenfalls der Abgasrückführungskühler, das Abgasrückführungsventil und die erforderlichen Verbindungsleitungen - Abgasbestandteile infolge Kondensation niederschlagen, was zur „Versottung“ oder „Verlackung“ dieser Bauteile und infolgedessen zu Funktionsbeeinträchtigungen des Motors führen kann. Da Kondensationsvorgänge bekanntlich temperaturabhängig sind, erscheint, wie der Senat in dem erwähnten Urteil ausgeführt hat, auch dem technischen Laien plausibel, dass ein Zusammenhang zwischen der Außentemperatur und dem Risiko schädlicher Kondensationsvorgänge besteht und deshalb bei niedriger Außentemperatur eine Verringerung der Abgasrückführungsrate anzustreben ist, zumal, wie die Beklagte durch eine Prinzipskizze veranschaulicht hat, der rückzuführende Teil des Abgases mit der von außen angesaugten frischen Verbrennungsluft vor dem Eintritt in den Brennraum vermischt wird. Dem gegenüber behauptet der Kläger, die Temperatur der Umgebungsluft spiele für das Versottungsrisiko keine Rolle, womit er zu begründen versucht, dass die Reduzierung der Abgasrückführungsrate bei niedrigeren Außentemperaturen nicht mit dem Zweck des Motorschutzes gerechtfertigt werden könne, wie aber von der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorausgesetzt. Träfe dies zu, wäre die von der Beklagten eingesetzte Abschaltvorrichtung in dem streitgegenständlichen Motor möglicherweise unzulässig, wenn sich für die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführung nicht ein anderer Rechtfertigungsgrund fände.
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4. Im vorliegenden Rechtsstreit brauchen diese technischen Fragen jedoch nicht aufgeklärt zu werden. Selbst wenn der Senat auf der Grundlage einer detaillierten Darlegung der Steuerung der Abgasrückführung durch die Beklagte und nach Inanspruchnahme technischer Beratung durch einen Sachverständigen zu der Auffassung gelangte, die in dem streitgegenständlichen Motor verwendete Steuerung der Abgasrückführung stelle eine unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne der zitierten EG-Verordnung dar, ergäbe sich daraus nicht, dass den für die Installation dieser Einrichtung Verantwortlichen auf Seiten der Beklagten eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB, auf die sich der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch stützen ließe, vorzuwerfen wäre. Für das Vorliegen einer etwaigen Schädigungsvorsatzes muss auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten Fahrzeugs durch die Beklagte abgestellt werden; der heutige Meinungsstand - und insbesondere die heutige Auffassung eines Zivilgerichts - ist dagegen nicht maßgeblich - (OLG München, Beschluss vom 29.8.2019, 8 U 1449/19, Rz. 164 bei Juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.7.2019, 10 U 134/19, NJW - RR 2019, 1489, Rz 92 bei Juris). Durfte die Beklagte zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt die Abschalteinrichtung in der konkreten Ausgestaltung für zulässig halten, war eine entsprechende Auslegung der damals geltenden Vorschriften zumindest vertretbar, fehlte es, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 19.7.2019 ausgeführt hat, am notwendigen Schädigungsvorsatz, da dieser das Bewusstsein eines möglichen Gesetzesverstoßes verbunden mit einer zumindest billigenden Inkaufnahme desselben erfordert (OLG Stuttgart a.a.O. m.w.N.).
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Gegen die Annahme eines Vorsatzes hinsichtlich des Vorhandenseins einer unerlaubten Abschalteinrichtung sprechen im Streitfall mehrere Gesichtspunkte.
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Zum einen steht der Annahme eines Vorsatzes entgegen, dass die zitierten Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 - entgegen der Auffassung des Landgerichts Stuttgart in der vielfach zitierten Entscheidung vom 17.1.2019, Az 23 O 172/18 - keineswegs so klar formuliert sind, dass sich die Verwendung einer temperaturabhängigen oder sonst variablen Abgasrückführung eindeutig als unzulässig darstellen müsste. Immerhin ist zu diesem Ergebnis auch der 5. Untersuchungsausschuss nach Art. 44 des Grundgesetzes des Deutschen Bundestages (Drucksache 18/12900) gelangt; in den Schlussfolgerungen und Empfehlungen dieses Ausschusses (S. 536 ff. der zitierten Drucksache) wird die Auffassung des Ausschusses festgehalten, die in Art. 5 Abs. 2 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufgeführten Ausnahmen vom Verbot von Abschalteinrichtungen seien nicht eindeutig definiert; das europäische Recht ermögliche der Typgenehmigungsbehörde nicht in jedem Fall, zweifelsfrei festzustellen, ob eine genutzte Abschalteinrichtung zulässig sei oder nicht; auch die Formulierung der Ausnahmen sei teilweise so weit, dass den Automobilherstellern ein weiter Einsatzspielraum verbleibe. Dies gelte insbesondere für die Ausnahme des Motorenschutzes, die den Herstellern die Definition weitreichender sogenannter Thermo-Fenster ermögliche; letztlich bestimme der Hersteller durch seine Motorkonstruktion, wie häufig eine Abschalteinrichtung greifen müsse, damit die vorgegebene Lebensdauer des Motors erfüllt werden könne.
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Des Weiteren ist nicht nur davon auszugehen, sondern wird hier von der Klagepartei ausdrücklich vorgetragen, dass die Beklagte, wie in der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 vom 18.7.2008 in Art. 3 Nr. 9 vorgeschrieben, zur Erlangung der EG-Typgenehmigung Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems einschließlich seines Funktionierens bei niedrigeren Temperaturen nebst Beschreibung etwaiger Auswirkungen auf die Emission gemacht hat, so dass dem Kraftfahrtbundesamt bei Erteilung der Typgenehmigung die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführungsrate bekannt gewesen sein muss, von ihm jedoch - offensichtlich - nicht beanstandet worden ist. Zwar hat der Kläger im vorliegenden Fall beanstandet, dass die Beklagte die betreffenden Angaben zur Funktionsweise der Abgasrückführung (AGR) in unzulänglicher Form gemacht habe, er räumt jedoch ausdrücklich ein (Schriftsatz vom 30.9.2019, dort Seite 9), dass die Beklagte mitgeteilt habe, die AGR-Rate werde vom Parameter „Ladelufttemperatur“ beeinflusst. Damit war jedenfalls ein Hinweis auf eine temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung gegeben; hätte das Kraftfahrtbundesamt dies für bedenklich im Hinblick auf eine möglicherweise unzulässige Abschalteinrichtung gehalten, hätte es - die Richtigkeit des Klägervortrages im Übrigen unterstellt - weitere Angaben verlangen können und müssen. Auf der Grundlage des klägerischen Vorbringen muss jedoch angenommen werden, dass das Kraftfahrtbundesamt das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung allein wegen einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung nicht in Betracht gezogen hat. Hieraus wiederum konnte die Beklagte durchaus den Schluss ziehen, dass die von ihr gewählte Steuerung der Abgasrückführung - jedenfalls bezüglich der Temperaturabhängigkeit - dem Grunde nach nicht zu beanstanden sei, weil sie ansonsten vom Kraftfahrtbundesamt eben beanstandet worden wäre.
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Aus alledem ist abzuleiten, dass die Einstufung einer temperaturabhängigen Abgasrückführungssteuerung als „unzulässige Abschalteinrichtung“ auf Grund der damals (2011) geltenden Bestimmungen nicht derart eindeutig war, dass eine andere Auffassung kaum vertretbar erschiene und daraus der Schluss gezogen werden müsste, die Beklagte habe die Unerlaubtheit ihres Vorgehens erkannt, also die Typgenehmigungsbehörde und damit auch die Käufer täuschen wollen.
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Selbst wenn das Kraftfahrtbundesamt dies heute anders sähe und deshalb von der Beklagten Änderungen an der Motorsteuerung forderte - was jedoch jedenfalls hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugmodells unstreitig nicht der Fall ist -, ließe das den Rückschluss auf einen Vorsatz der Beklagten hinsichtlich der Unerlaubtheit der Abschalteinrichtung - und damit auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung - aus den bereits dargelegten Gründen nicht zu.
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Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung in Gestalt eines Verstoßes gegen ein Schutzgesetz (etwa § 263 StGB) ergibt sich nichts anderes, auch dann wäre eine vorsätzliche Täuschung erforderlich.
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Darauf, dass dem Kläger auch kein Schaden entstanden sein dürfte, weil nicht zu erkennen ist, dass seinem Fahrzeug die Entziehung der Betriebserlaubnis droht oder er wenigstens damit rechnen muss, zur Aufrechterhaltung der Betriebserlaubnis technische Veränderungen an seinem Fahrzeug vornehmen lassen zu müssen, kommt es schon nicht mehr an.
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Dass die Beklagte dem Kläger als „freiwillige Servicemaßnahme“ eine Veränderung der Motorsteuerung zum Zweck der Optimierung des Abgasverhaltens anbietet, lässt weder den Schluss auf einen ursprünglichen Schädigungsvorsatz noch auf einen Schaden des Klägers zu.
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Nach alledem wird die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben können. Der Senat regt deshalb an, die Zurücknahme des Rechtsmittels zu erwägen.
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Der Klagepartei wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen dreier Wochen nach Zustellung dieses Hinweises gegeben.