Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 25.03.2020 – 4 W 21/20
Titel:

Vertretung einer eingetragenen Genossenschaft

Normenkette:
GenG § 25 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Ermächtigen zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder einer eingetragenen Genossenschaft einzelne Mitglieder gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 GenG zur Vornahme bestimmter Geschäfte, so können diese an der Beschlussfassung mitwirken. (Rn. 14)
2. Das zu ermächtigende Vorstandsmitglied muss an seiner eigenen Ermächtigung mitwirken, wenn der Vorstand nur aus zwei Mitgliedern besteht und das weitere Mitglied allein nicht vertretungsbefugt ist. (Rn. 12)
Schlagworte:
Beschwerde gegen Zwischenverfügung, Vertretung einer eingetragenen Genossenschaft, Ermächtigung einzelner Vorstandsmitglieder gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 GenG, Mitwirkungsrecht und -pflicht des zu ermächtigenden Mitglieds, Grundbuchbeschwerde, Löschungsbewilligung, eingetragene Genossenschaft, Vertretung, Vollmacht, Ermächtigung, Vorstand, Gesamtvertretung
Vorinstanz:
AG Würzburg, Verfügung vom 10.02.2020 – RO-3946-12
Fundstellen:
FGPrax 2020, 122
GmbHR 2020, 902
NotBZ 2020, 353
BeckRS 2020, 8126
NZG 2020, 749
LSK 2020, 8126
ZIP 2020, 1461
RNotZ 2020, 477
EWiR 2020, 553

Tenor

1. Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Würzburg vom 10.02.2020, Az. RO-3946-12, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit Schreiben vom 04.02.2020 legte die Beteiligte zu 3) (künftig auch: Notarin) dem Amtsgericht - Grundbuchamt - Würzburg gemäß § 15 GBO die Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 1) vom 04.02.2020 (URNr. …/2020) und die Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 2) vom 16.01.2020 (URNr. zz/2020) vor und beantragte den grundbuchlichen Vollzug dieser Urkunden.
2
Bei der Beteiligten zu 2) handelt es sich um eine eingetragene Genossenschaft. Nach dem Eintrag im Genossenschaftsregister wird die Genossenschaft vertreten durch zwei Vorstandsmitglieder oder einem Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen. Vorstandsmitglieder sind A. und B.. Die Löschungsbewilligung vom 16.01.2020 war von B. unterzeichnet worden. Dieser handelte aufgrund einer Vollmacht vom 27.09.2019 für die Beteiligte zu 2) (URNr. ccc/2019 der Beteiligten zu 3). In der Vollmachtsurkunde vom 27.09.2019 ermächtigt A. gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 GenG B. zur Vertretung der Beteiligten zu 2) in bestimmten Grundbuchsachen.
3
Mit Zwischenverfügung vom 10.02.2020 teilte die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts Würzburg der Notarin mit, dass ein Eintragungshindernis bestehe, weil die Löschung des Grundpfandrechts nur durch ein Vorstandsmitglied bewilligt und die vorgelegte Vollmacht nur durch ein Vorstandsmitglied erteilt worden sei. Sie setzte eine Frist zur Behebung des Hindernisses bis 10.03.2020.
4
Mit Schreiben vom 13.02.2020 legte die Notarin gegen die Zwischenverfügung Erinnerung ein. Eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung sei gegeben. Herr B. könne und müsse sich nicht selbst ermächtigen, so dass die Bevollmächtigung durch Herrn A. ausreichend sei.
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Das Amtsgericht Würzburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren gemäß Beschluss vom 09.03.2020 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
6
Die als Beschwerde auszulegende Erinnerung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
7
1. Die Beschwerde ist zulässig.
8
a) Gegen eine Zwischenverfügung ist die unbeschränkte Beschwerde nach § 71 GBO statthaft (Kramer in BeckOK GBO, Stand 15.12.2019, § 71, Rn. 112).
9
b) Der Notar ist selbst zwar nicht beschwerdeberechtigt. Hat er jedoch bereits den Vollzugsantrag gemäß § 15 GBO gestellt, wird entsprechend § 15 Abs. 2 GBO bei Ablehnung des Antrags oder Erlass einer Zwischenverfügung eine Vollmacht des Notars auch für das Beschwerdeverfahren vermutet (Reetz in BeckOK GBO, Stand 15.12.2019, § 15 GBO, Rn. 62). Stellt der Notar - wie hier - nicht klar, für welchen Antragsberechtigten die Einlegung des Rechtsmittels erfolgt, wird angenommen, dass er die Beschwerde für alle Antragsberechtigten einlegt (Kramer in BeckOK GBO, Stand 15.12.2019, § 71, Rn. 227). Als Beschwerdeführer sind daher die Beteiligten zu 1) und 2) anzusehen, § 13 Abs. 1 S. 2 GBO.
10
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
11
Es fehlt an einer wirksamen Ermächtigung des B. für die Erteilung der Löschungsbewilligung. Denn die Ermächtigung des B. wäre von beiden Vorstandsmitgliedern gemeinsam zu erteilen gewesen, § 25 Abs. 3 S. 1 GenG.
12
a) Gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 GenG können zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Es besteht Einigkeit, dass die Vorstandsmitglieder die Ermächtigung in jeweils vertretungsberechtigter Anzahl aussprechen müssen (Geibel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Rn. 3; Fandrich in Pöhlmann/ Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., Rn. 9). Daraus folgt, dass bei einem mit mehr als zwei Personen besetzten Vorstand die Ermächtigung zwar nicht zwingend durch alle, aber immer durch so viele Mitglieder zu erfolgen hat, wie für eine wirksame Vertretung erforderlich sind, wobei nach überwiegender Meinung der zu Ermächtigende selbst mitwirken kann (Fandrich in Pöhlmann/ Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., Rn. 10; für den gleichlautenden § 78 Abs. 4 AktG: Spindler in MüKo AktG, 5. Aufl., § 78, Rn. 65; Koch in Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl., § 78, Rn. 19). Im Falle einer echten Gesamtvertretung muss das zu ermächtigende Vorstandsmitglied daher mitwirken, wenn der Vorstand ohne es nicht vertretungsbefugt ist, insbesondere dann, wenn der Vorstand nur aus zwei Mitgliedern besteht (RGZ 80, 180, 183; Spindler a.a.O., Rn. 65).
13
Die Gegenauffassung argumentiert, dass niemand sich selbst ermächtigen könne und dass nicht die Genossenschaft oder ihr Gesamtvorstand ermächtige. Vielmehr würden die einzelnen Vorstandsmitglieder dadurch ermächtigen, dass sie dem zu Ermächtigenden die ihnen jeweils zustehende organschaftliche Befugnis zur Ausübung überließen. Es müssten daher nur so viele Vorstandsmitglieder ermächtigen, dass der Ermächtigte neben seiner eigenen (bereits vorhandenen) Vertretungsmacht so viel abgeleitete Vertretungsmacht auf sich vereinigt, wie im Normalfall der Gesamtvertretung vertretungsberechtigter Vorstandsmitglieder tätig werden müssten (Beuthien, GenG, 16. Aufl., § 25, Rn. 11).
14
Dem ist nicht zu folgen. Aus dem Wortlaut der Regelung des § 25 Abs. 3 Satz 1 Genossenschaftsgesetz lässt sich kein Hinderungsgrund für eine Mitwirkung des zu Ermächtigenden ableiten. Zudem ist zu sehen, dass die Regelung zu einer Abschwächung des Grundsatzes der Gesamtvertretung zugunsten des Verkehrs führt. Ursprünglich war daher im Aktienrecht, das eine identische Regelung kennt, die Ermächtigung durch den „Vorstand“ zu erteilen (§ 232 Abs. 1 S. 2 HGB 1900). Nachdem es aber von der herrschenden Meinung als ausreichend angesehen wurde, wenn eine zur Vertretung genügende Zahl von Vorstandsmitgliedern die Ermächtigung erteilte, fasste der Gesetzgeber die Vorschrift entsprechend der heute gültigen Fassung des § 78 Abs. 4 AktG bzw. des § 25 Abs. 3 GenG neu und bestätigte die bisherige Auslegung (Spindler in MüKo AktG, 5. Aufl., § 78, Rn. 63).
15
b) Im vorliegenden Fall gibt es neben dem Vorstandsvorsitzenden A. nur ein weiteres Vorstandsmitglied. Der Vorsitzende kann laut Registereintrag entweder gemeinsam mit diesem oder mit dem Prokuristen die Genossenschaft nach außen vertreten. Es ist ein Fall der Gesamtvertretung gegeben, der eine Mitwirkung des B. an der Ermächtigung erforderlich macht. Die Vollmachtsurkunde vom 27.09.2018 war daher nicht geeignet, eine wirksame Vertretungsberechtigung des B. nachzuweisen.
16
Die Beschwerde ist somit unbegründet.
III.
17
Ein Ausspruch über die Kostentragungspflicht ist nicht erforderlich (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 510).
18
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 78 Abs. 2 GBO.
19
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 61, 53 Abs. 1 GNotKG. Demnach ist der Nennwert der zu löschenden Grundschuld maßgeblich (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.07.2019, 3 Wx 77/17, Rn. 18; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 3. Aufl., § 53, Rn. 3; Becker in BeckOK Kostenrecht, § 53 GNotKG, Rn. 5)