Inhalt

VG München, Beschluss v. 24.04.2020 – M 26 S 20.1401
Titel:

Rechtsverordnungen zur Corona-Bekämpfung – Vorrangigkeit des Verfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO

Normenketten:
2. BayIfSMV § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 3 S. 1, § 5 Abs. 2, Abs. 3
VwGO § 47 Abs. 6, § 80 Abs. 5, § 123
IfSG § 28 Abs. 1 S. 2 u. 4
Leitsatz:
Soweit der eigentliche Zweck eines Eilantrags die Überprüfung der Rechtmäßigkeit bzw. die Außervollzugsetzung einer untergesetzlichen Norm ist, ist das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorrangig. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, Rechtmäßigkeit von Teilen der 2. BayIfSMV, vorläufige Ausgangsbeschränkung, Infektionsschutzmaßnahmen, vorläufige Außervollzugsetzung, Normenkontrollantrag, Unzulässigkeit, Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Ausbreitung des Corona-Virus, Überlastung des Gesundheitssystems
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7967

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die anlässlich der Corona-Pandemie per Rechtsverordnung erlassenen Beschränkungen.
2
Die Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24. März 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 130) trat mit Wirkung vom 21. März 2020 in und mit Ablauf des 31. März 2020 außer Kraft (§ 2 der Verordnung zur Änderung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 31. März 2020, BayMBl. 2020 Nr. 162).
3
Durch die Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung - BayIfSMV) vom 27. März 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 158), geändert durch Verordnung zur Änderung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 31. März 2020 (GVBl. 2020, S. 194 f.), wurden Veranstaltungs- und Versammlungsverbote, Betriebsuntersagungen, Betretungs- und Besuchsverbote sowie allgemeine Ausgangsbeschränkungen erlassen. Das Verlassen der eigenen Wohnung war nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt (§ 4 Abs. 2 und 3 BayIfSMV). Diese Regelungen traten am 31. März 2020 bzw. hinsichtlich der vorläufigen Ausgangsbeschränkungen am 1. April 2020 in Kraft und traten mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft.
4
Mit Erlass der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 (GVBl. 2020 S. 214 ff.) wurden unter anderem ebenfalls Veranstaltungs- und Versammlungsverbote, Betriebsuntersagungen, Betretungs- und Besuchsverbote sowie allgemeine Ausgangsbeschränkungen verordnet. Das Verlassen der eigenen Wohnung ist unverändert nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt (§ 5 Abs. 2 und 3 2. BayIfSMV). Die Verordnung trat am 20. April 2020 in Kraft und tritt mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft (§ 10 Satz 1 2. BayIfSMV).
5
Der Antragsteller beantragte zunächst zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle am 1. April 2020 die Aufhebung der Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 (Az. Z6a-G8000-2020/122-98, BayMBl. 2020 Nr. 152) und der BayIfSMV in der Fassung vom 31.03.2020 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
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Auf einen gerichtlichen Hinweis hin beantragte der Antragsteller sodann am 7. April 2020 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle:
7
Hiermit erhebe ich Feststellungsklage (in Form der negativen Feststellungsklage) nach § 43 VwGO und stelle einen Antrag auf verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz gemäß § 123 Abs. 1 VwGO gegen den Freistaat ...
8
Zur Begründung seines Antrags führt der Antragsteller aus, dass die obigen Rechtsverordnungen unverhältnismäßig in die Grundrechte eingriffen. Es handle sich um die umfassendste Grundrechtseinschränkung in der Geschichte der Bundesrepublik. Zum Schutze der vom aktuellen Corona-Virus betroffenen Risikogruppe, die nur einen Bruchteil der Bevölkerung ausmache, würden Beschränkungen gegen die gesamte Bevölkerung verhängt. Vorzugswürdig seien vielmehr nur gegen die Risikogruppe verhängte Beschränkungen. Zudem müssten die durch das aktuelle Corona-Virus bedingten Opferzahlen im Verhältnis zu durch andere Krankheitserreger bzw. Gesundheitsgefahren veranlasste Opferzahlen gesehen werden, wie etwa Grippewellen, Zigaretten, Alkohol und Feinstaub, die jährlich auch tausende Todesopfer fordern würden.
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Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 14. April 2020:
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Der Antrag wird abgelehnt.
11
Er ist der Auffassung, dass der Antrag bereits unzulässig sei. Der Antrag sei bereits unstatthaft, da er sich gegen die Rechtsverordnung als solche richte. Weiterhin fehle es am Feststellungsinteresse und Rechtsschutzbedürfnis. In jedem Fall sei der Antrag aber unbegründet mangels Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund.
12
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg.
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1. Der Antragsteller begehrt bei verständiger Würdigung seines Vorbringens die Feststellung der mangelnden Verbindlichkeit mehrerer in der 2. BayIfSMV enthaltenen Beschränkungen.
15
Nach § 88 VwGO, der nach § 122 Abs. 1 VwGO entsprechend für Beschlüsse gilt, ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden, darf aber über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Vielmehr hat das Gericht das im Klageantrag und das im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen (BVerwG, U. v. 23.2.1993 - 1 C 16/87). Das Klageziel ist danach nicht allein dem Klageantrag zu entnehmen, sondern dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere auch der Klagebegründung. Maßgeblich kommt es insoweit auf das erkennbare Klageziel an, so wie sich dieses dem Gericht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Gerichts aufgrund des gesamten Parteivorbringens und Akteninhalts darstellt (vgl. OVG Magdeburg, B. v. 19.8.2009 - 3 L 41/08). Allerdings legitimiert § 88 VwGO das Gericht nicht dazu, die Wesensgrenzen der Auslegung zu überschreiten und an die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie nach Ansicht des Gerichts zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (so BVerwG, B. v. 29.8.1989 - 8 B 9.89).
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Der Antragsteller wendet sich gegen mit der 2. BayIfSMV erlassenen Beschränkungen. Dass ausweislich der zur Begründung des Antrags beigefügten Anlage auf die Verordnungen vom 24., 27. und 31. März 2020 abgestellt wird, ist insofern unschädlich, da die 2. BayIfSMV zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht existent war und sich aus dem Vorbringen des Antragstellers entnehmen lässt, dass er sich gegen die aktuellen Beschränkungen wendet.
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Dem Vorbringen und Verhalten des Antragstellers lässt sich entnehmen, dass er die Feststellung der Unverbindlichkeit mehrerer in der 2. BayIfSMV enthaltenen Beschränkungen und deren vorläufige Außervollzugsetzung begehrt. Denn die Ausführungen des Antragstellers enthalten mehrheitlich Aussagen in Bezug auf die Gültigkeit der erlassenen Rechtsverordnungen als solche. Zugleich lässt sich dem Vorbringen des Antragstellers angesichts der ausdrücklichen Bezeichnung als „negative Feststellungsklage“ nicht entnehmen, dass er die allgemeingültige Aufhebung der ganzen Rechtsverordnung bzw. von Teilen derselben im Wege einer Normenkontrolle begehrt. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller vom Gericht mit Schreiben vom 3. April 2020 darauf hingewiesen wurde, dass sein ursprüngliches Begehren als gegen die Rechtsverordnung als solche gerichtet ausgelegt werde und dass hierfür das Normenkontrollverfahren zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorrangig sei. Auch wurde darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht lediglich konkrete einstweilige Anordnungen oder Feststellungen im Einzelfall treffen könne. Der Antragsteller hat daraufhin seinen Antrag dahingehend geändert, dass er nunmehr Eilrechtsschutz gemäß § 123 Abs. 1 VwGO begehrt. Angesichts dessen sowie des Umstands, dass der Antragsteller mangels Vertretung durch einen Rechtsanwalt die für einen Normenkontrollantrag erforderliche Postulationsfähigkeit nicht besitzt, kamen eine entsprechende Auslegung als Normenkontrollantrag und eine Verweisung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht.
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2. Der Antrag ist unzulässig, da es bereits an einem statthaften Rechtsbehelf fehlt.
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Mangels eines in der Hauptsache einschlägigen Anfechtungsrechtsbehelfs richtet sich die Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers nach § 123 Abs. 1 VwGO. Die im vorliegenden Fall zu treffende Regelung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann dabei auch auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines auf eine Norm zurückgehenden Rechtsverhältnisses gerichtet sein, was zu einer Inzidentprüfung der Norm Anlass geben kann (Eyermann, § 43 VwGO Rn.9). Die Feststellungsklage nach § 43 VwGO und das Verfahren nach § 123 VwGO schließen insoweit eine durch den beschränkten Anwendungsbereich des § 47 VwGO bedingte Rechtsschutzlücke zur Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes. Für eine atypische, einem angenommenen numerus clausus der Klagearten nicht zugehörige und auf Feststellung der Ungültigkeit der Norm gerichtete Feststellungsklage gegen den Normgeber ist darüber hinaus jedoch regelmäßig kein Raum (Eyermann, § 43 VwGO Rn. 9a; BVerwG NVwZ 2007, 1311; BVerwGE 129, 199 Rn. 23; Schenke JZ 2006, 1004, 1012 f.; Engels NVwZ 2018, 1001). Soweit daher wie im vorliegenden Fall der eigentliche Zweck des Antrags die Überprüfung der Rechtmäßigkeit bzw. die Außervollzugsetzung einer untergesetzlichen Norm ist, ist das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO, das nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. Art. 5 Abs. 1 AGVwGO für die streitgegenständliche Verordnung auch statthaft ist, vorrangig (VG München, B. v. 14.4.2020 - M 26 S 20.1536; Fehling/Kastner/Störmer, § 43 VwGO Rn. 13; BeckOK, § 123 VwGO Rn. 16; Rupp, NVwZ 2002, 286, 290). Dem Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz wird durch die Möglichkeit einer Normenkontrollklage und eines Eilantrags nach § 47 Abs. 6 VwGO hinreichend Rechnung getragen.
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Mangels eines hinreichend konkreten Tatsachenvortrags des Antragstellers liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, die im Rahmen eines Verfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO eine inzidente Prüfung der Rechtsverordnung als Vorfrage eines hinreichend konkreten Rechtsverhältnisses ermöglichen würden. Das Erfordernis der hinreichenden Konkretisierung des Rechtsverhältnisses dient dazu, den für die Rechtsprechungstätigkeit typischen Fallbezug sicherzustellen und eine Entscheidung über abstrakte Rechtsfragen zu verhindern (Schoch/Schneider/Bier, § 43 VwGO Rn. 17). Notwendig ist daher stets die Anwendung einer Norm auf einen bestimmten, bereits übersehbaren Sachverhalt (BVerwG, U. v. 8.6.192 - VII C 78/61), während sich die Ausführungen des Antragstellers überwiegend auf die Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen im Allgemeinen beziehen Zwar führt der Antragsteller am Ende seiner Begründung auch Beispiele von Folgen durch die verhängten Beschränkungen auf seine Person an, etwa, dass ein Besuch seiner nicht vorerkrankten Geschwister nicht möglich sei und ein sich außerhalb der Wohnung befinden untersagt sei. Diese Ausführungen sind jedoch so vage und abstrakt gehalten, dass mangels einer hinreichenden Konkretisierung der Ausführungen insbesondere nach Zeit und Ort nicht genügend Anhaltspunkte für die Prüfung einer Ausnahme im Einzelfall von den Beschränkungen vorhanden sind.
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3. Ungeachtet der mangelnden Zulässigkeit des Antrags ist dieser jedenfalls unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach summarischer Prüfung hat er keinen Anspruch darauf, dass die individuelle Unverbindlichkeit von §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 3 Satz 1 sowie 5 Abs. 2 2. BayIfSMV festgestellt wird.
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Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens geht die Kammer von der Rechtmäßigkeit des Veranstaltungs- und Versammlungsverbots (§ 1 Abs. 1 2. BayIfSMV), der Untersagung der Zurverfügungstellung von Unterkünften zu privaten touristischen Zwecken (§ 2 Abs. 3 Satz 1 2. BayIfSMV) sowie der allgemeinen Ausgangsbeschränkung (§ 5 Abs. 2 2. BayIfSMV) aus.
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a) Die entsprechenden Vorschriften sind durch die Veröffentlichung der 2. BayIfSMV im Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl. 2020, S. 214 ff.) ordnungsgemäß verkündet und damit wirksam geworden.
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b) Die vorgenannten Vorschriften erweisen sich als voraussichtlich rechtmäßig.
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aa) Bei summarischer Prüfung ist § 1 Abs. 1 2. BayIfSMV mit der Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes, geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587), sowie mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG, Art. 113 BV) und auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 GG vereinbar.
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§ 1 Abs. 1 2. BayIfSMV ist als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ausgestaltet und soll dem grundgesetzlich besonders geschützten Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG Rechnung tragen, indem Ausnahmen vom infektionsschutzrechtlich bedingten generellen Versammlungsverbot zugelassen werden können, soweit dies im Einzelfall aus Gründen des Infektionsschutzes vertretbar erscheint.
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Die vorübergehende Einschränkung der Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit, die § 1 Abs. 1 2. BayIfSMV beinhaltet, ist zum Zwecke des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung vor der raschen Ausbreitung des Corona-Virus und der Überlastung des Gesundheitssystems als eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes derzeit wohl verfassungsrechtlich nach wie vor gerechtfertigt (vgl. für Betriebsuntersagungen durch die Vorgängerregelungen VG München, B. v. 20.3.2020 - M 26 E. 20.1209 und M 26 S 20.1222; B.v. 31.3.2020 - M 26 E 20.1343; BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611). Die dortigen Erwägungen insbesondere zur Verhältnismäßigkeit, die unverändert aktuell sind, greifen mutatis mutandis auch für die vorübergehende Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch § 1 Abs. 1 2. BayIfSMV Platz. § 28 Abs. 1 Satz 2 und Satz 4 IfSG sehen ausdrücklich die Einschränkung der Versammlungsfreiheit vor. Auch das Veranstaltungs- und Versammlungsverbot hat, wie die übrigen Verbote der Verordnung, ausschließlich zum Ziel, die Verbreitung des Corona-Virus durch Unterbrechung der Infektionsketten zu verlangsamen. Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht unter Verweis auf die staatliche Verpflichtung zum Schutz des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG im Eilverfahren abgelehnt, die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung als Vorgängernorm der 2. BayIfSMV außer Vollzug zu setzen (BVerfG, B. v. 7.4.2020 - 1 BvR 755/20).
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Soweit der Antragsteller zur Begründung der Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme jährlich tausende Todesopfer etwa durch Grippeviren oder Alkohol anführt, greift der angestellte Vergleich nicht durch. Er lässt zu Unrecht die außergewöhnlich hohe Infektiosität des aktuellen Corona-Virus, dessen rasante pandemische Ausbreitung und die von ihm hervorgerufene hohe Zahl an schwerwiegenden Krankheitsverläufen mit einer beachtlichen Hospitalisierungsrate außer Betracht (VGH Kassel, B. v. 1.4.2020 - 2 B 925/20). Soweit der Antragsteller vorträgt, dass Beschränkungen gegen die Risikogruppen vorzuziehen sind, wird verkannt, dass das Robert-Koch-Institut als nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 IfSG) die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland als derzeit insgesamt hoch einschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch (Robert-Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 am 23.4.2020, S. 9, https://www...de/..pdf? blob=publicationFile). Folglich besteht eine Gefährdung für die Gesundheit über alle Bevölkerungsgruppen hinweg und nicht nur für bestimmte Risikogruppen, so dass Maßnahmen zum Schutze der gesamten Bevölkerung veranlasst sind.
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Umstände, die zu einer anderen Bewertung hinsichtlich der in der 2. BayIfSMV enthaltenen Regelung zum Veranstaltungs- und Versammlungsverbot führen, sind nicht ersichtlich. Dabei verkennt das Gericht auch nicht, dass hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist, dass den Verordnungsgeber angesichts der mit der Verordnung verbundenen Grundrechtseingriffe die Pflicht trifft, ständig zu überwachen, ob die Aufrechterhaltung der verfügten Maßnahmen noch erforderlich und angemessen ist, wobei die Anforderungen umso strenger werden, je länger die Regelungen schon in Kraft sind (BayVGH, B. v. 9.4.2020 - 20 NE 20.688). Vielmehr hat der Verordnungsgeber durch den Erlass einer 2. BayIfSMV, die inhaltlich nicht identisch mit der BayIfSMV ist, dokumentiert, dass die verfügten Maßnahmen der aktuellen Situation angepasst worden sind. Dass die mit der Rechtsverordnung erlassenen Regelungen in großen Teilen mit den Vorgängerregelungen übereinstimmen, ist angesichts der aktuellen Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts, wonach die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland unverändert als insgesamt hoch eingeschätzt wird (Robert-Koch-Institut, a. a. O.), nicht überraschend. Zudem zeigt die Befristung der 2. BayIfSMV bis zum 6. Mai 2020, dass die Erforderlichkeit und Wirksamkeit der erlassenen Regelungen - wie es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert - weiterhin fortlaufend vom Antragsgegner überprüft werden.
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bb) Auch die Untersagung der Zurverfügungstellung von Unterkünften zu privaten touristischen Zwecken (§ 2 Abs. 3 Satz 1 2. BayIfSMV) begegnet bei summarischer Prüfung keinen Bedenken.
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Soweit § 2 Abs. 3 Satz 1 2. BayIfSMV insbesondere zu einer Einschränkung der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit sowie der Eigentumsfreiheit führt, ist dies zum Zwecke des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung vor der raschen Ausbreitung des Corona-Virus und der Überlastung des Gesundheitssystems als eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes derzeit wohl verfassungsrechtlich gerechtfertigt (zu Betriebsuntersagungen durch die Vorgängerregelungen VG München, B. v. 20.3.2020 - M 26 E. 20.1209 und M 26 S 20.1222; B. v. 31.3.2020 - M 26 E 20.1343; BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611). Die dortigen Erwägungen insbesondere zur Verhältnismäßigkeit sind unverändert aktuell. Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht unter Verweis auf die staatliche Verpflichtung zum Schutz des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG im Eilverfahren abgelehnt, die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung als Vorgängernorm der 2. BayIfSMV außer Vollzug zu setzen (BVerfG, B. v. 7.4.2020 - 1 BvR 755/20).
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Neue Erkenntnisse oder sonstige Umstände, die zu einer anderen Bewertung hinsichtlich der in der 2. BayIfSMV enthaltenen Untersagung der Zurverfügungstellung von Unterkünften zu privaten touristischen Zwecken führen, sind nicht ersichtlich. Hinsichtlich der mit zunehmender Fortdauer der Einschränkungen einhergehenden zunehmend strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie der Auseinandersetzung mit den vom Antragsteller vorgebrachten Argumenten wird auf die obigen Ausführungen zu § 1 Abs. 1 2. BayIfSMV verwiesen.
35
cc) Schließlich erweist sich auch § 5 Abs. 2 2. BayIfSMV als voraussichtlich rechtmäßig. Auch die Einschränkung der grundrechtlich geschützten persönlichen Freiheit geschieht zum Zwecke des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung vor der raschen Ausbreitung des Corona-Virus und der Überlastung des Gesundheitssystems als eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes derzeit wohl verfassungsrechtlich gerechtfertigt (zu Ausgangsbeschränkungen durch die Vorgängerregelungen VG München, B. v. 24.3.2020 - M 26 E. 20.1252 und M 26 S 20.1259; BayVGH, B.v. 9.4.2020 - 20 NE 20.663). Die dortigen Erwägungen insbesondere zur Verhältnismäßigkeit sind unverändert aktuell. Das Bundesverfassungsgericht hat es zudem unter Verweis auf die staatliche Verpflichtung zum Schutz des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG im Eilverfahren abgelehnt, die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung als Vorgängernorm der 2. BayIfSMV außer Vollzug zu setzen (BVerfG, B. v. 7.4.2020 - 1 BvR 755/20).
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Neue Erkenntnisse oder Umstände, die zu einer anderen Bewertung hinsichtlich der in der 2. BayIfSMV enthaltenen allgemeinen Ausgangsbeschränkung führen, sind nicht ersichtlich. Hinsichtlich der mit zunehmender Fortdauer der Einschränkungen einhergehenden zunehmend strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie der Auseinandersetzung mit den vom Antragsteller vorgebrachten Argumenten wird auf die obigen Ausführungen zu § 1 Abs. 1 2. BayIfSMV verwiesen.
37
c) Konkrete Umstände, die eine Ausnahme im Einzelfall von den rechtmäßigen Verboten rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
38
Den Ausführungen des Antragstellers lassen sich keine Anhaltspunkte für eine konkret geplante Versammlung entnehmen. Gleiches gilt für das Vorliegen triftiger Gründe im Sinne des § 5 Abs. 2 und 3 2. BayIfSMV. Schließlich hat der Antragsteller auch keine Umstände vorgetragen, die auf Anhaltspunkte für eine aufgrund höherrangigen Rechts gebotene Einzelfallausnahme von der generellen Untersagung der Zurverfügungstellung von Unterkünften zu privaten touristischen Gründen im Einzelfall hindeuten.
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Der Antrag war daher abzulehnen
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.