Inhalt

VG München, Beschluss v. 16.04.2020 – M 26 E 20.1501
Titel:

Keine Außervollzugsetzung der Ausgangsbeschränkung der bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung

Normenketten:
BayIfSMV § 4, § 5 Nr. 9
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
BayPOG Art. 1 Abs. 3 S. 2
GG Art. 2, Art. 19 Abs. 4
Leitsätze:
1. Ein Eilantrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnis grds. unzulässig, wenn sich der Betroffene bereits an die zuständige Behörde gewandt hat und diese seinen Rechtsstandpunkt teilt. (Rn. 14 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regelungen zur Ausgangsbeschränkung in Bayern verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Verlassen der eigenen Wohnung zu dem Zweck, sich für unbestimmte Zeit auf einer öffentlichen Sitzgelegenheit niederzulassen, stellt keinen triftigen Grund dar. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Coronavirus-Pandemie, Ausgangsbeschränkung, Infektionsschutzmaßnahmen, Corona-Pandemie, Reifenwechsel, Aufenthalt, triftiger Grund, Rechtsschutzbedürfnis
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7963

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die in der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung erlassene Ausgangsbeschränkung.
2
In § 4 der Bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung - BayIfSMV) vom 27. März 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 158), geändert durch Verordnung zur Änderung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 31. März 2020 (BayVBl. 2020, S. 194 f.), wurde eine vorläufige Ausgangsbeschränkung erlassen, wonach das Verlassen der eigenen Wohnung nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt ist (§ 4 Abs. 2 und 3 BayIfSMV). Ein Verlassen der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 7 Nr. 9 BayIfSMV). Diese Regelungen traten am 1. April 2020 in Kraft und treten mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft (§ 7 Abs. 1 BayIfSMV).
3
Mit E-Mail vom 5. April 2020 wandte sich der Antragsteller an das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (StMI) unter anderem mit der Frage, ob der Aufenthalt im öffentlichen Raum während eines eigenhändigen Reifenwechsels einen triftigen Grund zum Verlassen der Wohnung darstelle. Am 6. April 2020 erhielt der Antragsteller die Antwort, dass unter Verweis auf die FAQ zum Coronavirus des StMI und den dortigen Punkt „Darf ich mit meinem Kfz in die Werkstatt?“ ein Reifenwechsel von Winterauf Sommerreifen sowie aus sicherheitsrelevanten Gründen (z. B. abgefahrene Reifen) erlaubt sei.
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Mit Schriftsatz vom 7. April 2020 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht München; er hat zuletzt beantragt (vgl. auch Schriftsatz vom 9.4.2020):
I.
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Gegenüber dem Antragsgegner als Träger der Polizei des Freistaates ... wird zugunsten des Antragstellers vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller im Rahmen von § 4 Abs. 2-3 BayIfSMV berechtigt ist, seine eigene Wohnung am 17.04.2020 zu dem Zwecke einer eigenhändigen Auswechslung der Winterbereifung seines privaten Kraftfahrzeuges gegen eine Sommerbereifung zu verlassen.
II.
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Gegenüber dem Antragsgegner als Träger der Polizei des Freistaates ... wird zugunsten des Antragsstellers mit Wirkung bis zum Ablauf des 19.04.2020 vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller im Rahmen von § 4 Abs. 2-3 BayIfSMV berechtigt ist, seine eigene Wohnung zu dem Zweck zu verlassen, sich nach Belieben sowie auf unbestimmte Zeit, nach seiner Wahl auch neben ein oder zwei weiteren ihm bekannten oder unbekannten Personen, auf einer öffentlichen Sitzgelegenheit seiner Wahl im Stadtgebiet Regensburg niederzulassen und - ggf. gesprächig - zu verweilen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich in der Hauptsache vorliegend um eine zulässige Feststellungsklage, da es dem Antragsteller nicht um die Aufhebung der einschlägigen Vorschrift gehe, sondern um das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, das zudem auch streitig sei. Auch sei ein Feststellungsinteresse angesichts des als Ordnungswidrigkeit bewerteten Verstoßes gegen die Ausgangsbeschränkung gegeben. Der Antragsteller fahre mit seinem Fahrzeug, das noch mit Winterreifen bereift sei, werktäglich zu seinem Arbeitsplatz und wieder zurück. Ob er zum Zwecke des Wechsels von Winterreifen auf Sommerreifen die eigene Wohnung verlassen dürfe, sei trotz elektronischer Auskunft des StMI nach wie vor unklar. Er beabsichtige, sich nach Belieben auf Bänken im Staatsgebiet des Freistaates niederzulassen und dort auf unbestimmte Zeit zu verweilen, während ausweislich der „Frequently Asked Questions“ des StMI auf dessen Internetseite längere Aufenthalte im Freien unzulässig seien. Weiterhin sei lediglich das Verlassen der Wohnung ohne triftigen Grund verboten, nicht aber der Aufenthalt im Freien; da es sich bei einem Verstoß um eine Ordnungswidrigkeit handele, sei die Regelung insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 103 Abs. 2 GG rechtswidrig. Das Ausgangsverbot lasse sich ferner auch nicht auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG stützen.
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Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 14. April 2020:
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Der Antrag wird abgelehnt.
10
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antrag zu I. sei unstreitig, da ein Wechsel von Winterauf Sommerreifen bereits aus der ins Internet eingestellten Information ersichtlich zulässig sei. Hinsichtlich des Antrags zu II. sei der Antrag ebenfalls unzulässig, da eine vorherige Befassung der Behörde unterblieben sei. Ferner fehle es am Rechtsschutzbedürfnis sowie am Feststellungsinteresse, jedenfalls aber an einem Anordnungsanspruch sowie an einem Anordnungsgrund.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
12
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist sowohl hinsichtlich I. (Verlassen der Wohnung zwecks Reifenwechsels) als auch II. (Verlassen der Wohnung zwecks Niederlassens auf öffentlicher Sitzgelegenheit) bereits unzulässig, da dem Antragsteller bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
14
a) Hinsichtlich des Antrags zu I. ist das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers jedenfalls mit der Aussage des Antragsgegners im Rahmen seines Schriftsatzes vom 14. April 2020, wonach der Wechsel von Winterauf Sommerreifen bei eigenhändiger Vornahme auf öffentlichem Grund einen triftigen Grund für das Verlassen der Wohnung darstellt, entfallen, da § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ein streitiges Rechtsverhältnis erfordert, woran es nunmehr mangelt, da nach Ansicht beider Parteien das gegenständliche Verhalten erlaubt ist (vgl. Eyermann/Happ, 15. Auflage 2019, VwGO § 123 Rn. 34).
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Das Rechtsschutzbedürfnis ist überdies nicht erst nach Antragserhebung entfallen, sondern fehlte von Beginn an. Am Rechtsschutzinteresse fehlt es insbesondere, wenn die Befassung des Gerichts nicht erforderlich ist (Eyermann/Happ, 15. Auflage 2019, VwGO § 123 Rn. 34). Daher ist grundsätzlich vor einer gerichtlichen Antragstellung die zuständige Verwaltungsbehörde mit der jeweiligen Thematik zu befassen (beispielhaft VGH Kassel, NvWZ 1989, 1183, 1184).
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Der Antragsteller hat sich zunächst an das StMI als oberste Dienstbehörde der für die Kontrolle der Einhaltung der Ausgangsbeschränkung zuständigen Polizei (Art. 1 Abs. 3 Satz 2 POG, § 4 Abs. 4 Satz 1 BayIfSMV) gewandt mit der Frage, ob der Aufenthalt im öffentlichen Raum während eines eigenhändigen Wechsels der Reifen einen triftigen Grund zum Verlassen der eigenen Wohnung darstellt. Von dort erhielt er bereits am nächsten Tag die Auskunft, dass der Wechsel der Reifen zulässig ist. Auch wenn man zugunsten des Antragstellers davon ausgeht, dass die Auskunft nicht eindeutig war, da in der E-Mail auf die Homepage des StMI verwiesen wurde, wo die in der E-Mail zitierte Passage unter dem Punkt „Darf ich mit meinem KfZ in die Werkstatt?“ zu finden ist und infolgedessen für den Antragsteller somit nicht mit Sicherheit fest stand, ob der Reifenwechsel nur in einer Werkstatt erfolgen darf oder auch von ihm selbst vorgenommen werden kann, so wäre dem Antragsteller angesichts der schnellen Antwort des StMI auf seine Anfrage eine klärende Rückfrage zumutbar gewesen. Eine klärende Rückfrage hätte die Befassung des Gerichts aller Voraussicht nach obsolet gemacht, da der eigenhändige Reifenwechsel im öffentlichen Raum anders als das Aufsuchen einer Kfz-Werkstatt zum Zwecke des Reifenwechsels aufgrund des fehlenden Kontakts mit anderen Menschen unter dem Aspekt der Kontaktvermeidung als noch unbedenklicher einzustufen ist. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller dieselbe Antwort auf seine Rückfrage bekommen hätte wie nunmehr vom Antragsgegner. Dass die Auskunft des StMI angesichts des als Ordnungswidrigkeit geahndeten Verstoßes gegen die Ausgangsbeschränkung nicht ausreichend sei, überzeugt angesichts der Stellung des StMI als oberste Dienstbehörde der Polizei (Art. 1 Abs. 3 Satz 2 POG) nicht.
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b) Hinsichtlich des Antrags zu II. fehlt das Rechtsschutzbedürfnis bereits mangels der wie bereits oben dargestellt erforderlichen vorherigen Befassung der Behörden mit dieser Frage.
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Ob der Antragsteller sich insofern an das StMI als oberste Dienstbehörde der für die Kontrolle der Einhaltung der Ausgangsbeschränkung zuständigen Polizei (Art. 1 Abs. 3 Satz 2 POG, § 4 Abs. 4 Satz 1 BayIfSMV) hätte wenden sollen oder wie vom Antragsgegner vorgebracht an das Bayerische ... als die Rechtsverordnung erlassende Behörde, kann dahingestellt bleiben, da weder die eine noch die andere Behörde mit dieser Fragestellung befasst wurde. In jedem Fall wäre eine rechtzeitige Rückmeldung wie hinsichtlich der Frage zum Antrag unter I. zu erwarten gewesen.
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2. Ungeachtet der mangelnden Zulässigkeit des Antrags zu II. ist dieser jedenfalls unbegründet. Weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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a) Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Bei summarischer Prüfung hat er keinen Anspruch darauf, seine Wohnung zwecks Niederlassens von unbestimmter Zeit auf einer öffentlichen Sitzgelegenheit verlassen zu dürfen.
22
Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens geht die Kammer von der Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 BayIfSMV, der für die Beantwortung dieser Frage maßgeblich ist, aus. Das Bundesverfassungsgericht hat es - ebenso wie zuvor bereits der Bayerische Verfassungsgerichtshof sowie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof - unter Verweis auf die staatliche Verpflichtung zum Schutz des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG im Eilverfahren abgelehnt, die bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung außer Vollzug zu setzen (BVerfG, B.v. 7.4.2020 - 1 BvR 755/20; BayVerfGH, B.v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20; BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 zur wortgleichen Vorgängernorm; B.v. 9.4.2020 - 20 NE 663). Der Verordnungsgeber hat mit der Befristung bis zum 19. April 2020 in gebotener Weise dokumentiert, dass er die Erforderlichkeit und Wirksamkeit der Regelung - wie es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert - weiterhin fortlaufend überprüfen wird
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Im Übrigen teilt das Gericht insbesondere nicht die Ansicht des Antragstellers, wonach §4 Abs. 2 BayIfSMV lediglich das Verlassen der Wohnung ohne triftigen Grund, nicht aber den Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund untersagt. Bereits aus Sinn und Zweck der Regelung, eine Verbreitung des Virus durch Kontaktreduzierung zu verringern, ergibt sich in Zusammenschau mit den beispielhaft genannten Ausnahmen in § 4 Abs. 3 BayIfSMV hinreichend, dass auch ein Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung nur bei hinreichenden Gründen zulässig ist. Die vom Antragsteller vorgebrachte Auslegung der Norm würde zu einem weitgehenden Leerlaufen der Vorschrift führen, da dann der Großteil der Aufenthalte außerhalb der eigenen Wohnung etwa mit dem pauschalen Hinweis, man habe die Wohnung zum Zwecke der Bewegung an der frischen Luft verlassen (§ 4 Abs. 3 Nr. 7 BayIfSMV), gerechtfertigt werden könnte.
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Das Verlassen der eigenen Wohnung zu dem Zweck, sich für unbestimmte Zeit auf einer öffentlichen Sitzgelegenheit niederzulassen, stellt keinen triftigen Grund dar. Wie bereits ausgeführt, bezweckt § 4 Abs. 2 BayIfSMV eine Reduzierung der Virusverbreitung mittels Kontaktreduzierung. Aus § 4 Abs. 3 BayIfSMV ersichtlich sind Aufenthalte außerhalb der eigenen Wohnung grundsätzlich nur in besonderen Fällen und nur von begrenzter Dauer vorgesehen. Für andere als ausdrücklich in § 4 Abs. 3 BayIfSMV genannte Fälle kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Daher kann ein Aufenthalt im öffentlichen Raum für unbestimmte und damit unbefristete Zeit keinen triftigen Grund darstellen.
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Soweit der Antragsteller im Lichte des Art. 103 Abs. 2 GG, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde, Zweifel an der Rechtmäßigkeit von § 5 Nr. 9 BayIfSMV hat, kommt es auf diese Norm für die Bewertung, ob das vom Antragsteller beabsichtigte Verhalten zulässig ist, nicht an. Eine Überprüfung der Bußgeldvorschrift des § 5 Nr. 9 BayIfSMV anhand des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes hat allein im ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren zu erfolgen.
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b) Darüber hinaus fehlt es auch an einem Anordnungsgrund.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine „einstweilige“ Anordnung zur Regelung eines „vorläufigen“ Zustands treffen. Hieraus wird ersichtlich, dass die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden darf.
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Der Antragsteller begehrt jedoch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, für die Dauer bis zum 19. April 2020 und damit bis zum Außerkrafttreten der BayIfSMV das begehrte Verhalten zu gestatten, mithin für denselben Zeitraum wie in der Hauptsache. Damit kommt sein Antrag auf vorläufigem Rechtsschutz einer Vorwegnahme der Hauptsache gleich, die ausweislich des Wortlauts von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO grundsätzlich unzulässig ist. Einem solchen, die Hauptsache vorwegnehmenden Antrag ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 7 VR 6/11). Einstweiliger Rechtsschutz ist zu gewähren, wenn anders dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Grundrechte droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe bestehen (BVerfG, NJW 1989, 827).
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Zugunsten des Antragstellers ist neben der erheblichen Einschränkung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG auch Art. 19 Abs. 4 GG und das daraus resultierende Gebot des effektiven Rechtsschutzes anzuführen, da eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr vor Außerkrafttreten der maßgeblichen Regelung am 19. April 2020 zu erwarten ist. Allerdings ist unter Berücksichtigung der bereits zitierten Rechtsprechung der Verfassungsgerichte und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die aktuell geltende Ausgangsbeschränkung angesichts der Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nicht als untragbar zu bewerten. Das Interesse des Antragstellers an persönlicher Freiheit ist zwar angesichts des Umfangs der Beschränkung seiner persönlichen Freiheit ebenso wie sein Interesse an Gewährung effektiven Rechtsschutzes als gewichtig anzusehen, haben aber vor dem Aspekt des möglichst weitgehenden Gesundheits- und Lebensschutzes und der Gefahren für Leib und Leben hinter dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG als überwiegende, besonders gewichtige Gründe einstweilen zurückzutreten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner durch Erklärungen sowohl des Bayerischen Ministerpräsidenten als auch des Bayerischen Staatsministers des Innern bereits ausdrücklich (auch in der Presse) verlautbart hat, dass der zeitweilige Aufenthalt im öffentlichen Raum (wie beispielsweise auf einer Parkbank) unter Einhaltung des erforderlichen Abstands zu anderen im Rahmen der geltend gemachten Ausgangsbeschränkungen erlaubt sei. Weitergehende vorübergehende Beschränkungen seiner persönlichen Handlungsfreiheit hat der Antragsteller im Hinblick auf das Schutzziel der Norm, eine Überfüllung insbesondere des städtischen Raums und der dortigen Freizeitflächen zu vermeiden und allen Bürgern unter Einhaltung des erforderlichen Mindestabstands auch in der gegenwärtigen Situation die größtmögliche Inanspruchnahme ihrer persönlichen Freiheiten zu ermöglichen, hinzunehmen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.