Titel:
Kein Abschiebungsverbot für Somalia wegen allgemeiner Sicherheitslage
Normenketten:
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3
AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
Leitsatz:
In Mogadischu besteht eine ausgesprochen fragile Sicherheitslage. Sie erreicht jedoch nicht ein Niveau willkürlicher Gewalt, bei dem praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit damit rechnen müsste, dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK erleiden zu müssen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asyl Somalia, Asyla, Somalia, Gefahrenprognose, Vorfluchtgründe, Al-Shabaab-Miliz, Mogadischu, Sicherheitslage, willkürliche Gewalt
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7947
Tenor
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger ist nach seinen Angaben ein im Jahr 1992 geborener somalischer Staatsangehöriger.
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Er reiste im Oktober 2015 nach Deutschland ein. In der Folge wurden EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für Norwegen und Italien festgestellt.
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Am 1. Juli 2016 stellte der Kläger in Deutschland einen Asylantrag.
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Ebenfalls am 1. Juli 2016 führte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit dem Kläger ein persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens. Der Kläger gab im Wesentlichen an, im Juni 2012 ausgereist zu sein und zuvor schon in Norwegen, wo er sich 2 Jahre aufgehalten habe, und in Italien, wo er sich ein Jahr aufgehalten habe, Asylanträge gestellt zu haben.
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Am 12. Januar 2017 wurde der Kläger vom Bundesamt persönlich angehört. Der Kläger gab im Wesentlichen an, der Volksgruppe der Hawiye anzugehören und in Mogadischu gelebt zu haben. Ausgereist sei er am 27. Juni 2012. Er habe in Norwegen einen ablehnenden Asylbescheid bekommen. Seine Flucht habe insgesamt zwischen 6000 und 8000 USD gekostet. Sein Vater sei unbekannten Aufenthalts, seine Mutter lebe in Mogadischu. Er habe 2 Schwestern und einen Bruder, die bei der Mutter leben würden. Er habe 5 bis 6 Jahre die öffentliche Grundschule besucht und habe seinen eigenen Laden gehabt, in dem er Gegenstände des täglichen Bedarfs verkauft habe. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Kläger an, Leute der AMISOM hätten zwischen dem 10. und dem 13. Juni 2012 in der Nähe seines Ladens eine Bombe der Al-Shabaab-Miliz entschärft. Er sei danach von der Miliz angerufen worden. Ihm sei vorgeworfen worden, er habe die Bombe an die Soldaten der Friedenstruppen verraten. Er sei deshalb als Abtrünniger bezeichnet worden. Am folgenden Tag sei eine Aushilfe des Klägers, die er beschäftigt habe, von der Miliz angeschossen worden, weil man die Person mit dem Kläger verwechselt habe. Der Kläger habe sich daraufhin in einem anderen Stadtviertel versteckt. Weil er sein Handy dabeigehabt habe, sei er wieder von der Al-Shabaab-Miliz angerufen worden. Sie hätten ihm gesagt, dass man den Falschen angeschossen habe und der sei gestorben. Der Tod des Klägers stehe daher fest. Dies habe der Kläger im norwegischen Asylverfahren den Behörden nicht mitgeteilt. Gleichzeitig habe die Al-Shabaab-Miliz sein Haus durchsucht. Seine Mutter sei verprügelt worden, weil sie sich geweigert habe, die Milizen ins Haus zu lassen. Dies habe er den norwegischen Behörden auch nicht mitgeteilt. Seine Familie sei intensiv von der Al-Shabaab-Miliz befragt worden. Es sei mitgeteilt, dass sie überleben würden, wenn sie den Aufenthaltsort des Klägers mitteilen würden. Der Kläger fürchte in Somalia um sein Leben.
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Das Bundesamt richtete in der Folge Informationsersuchen an Norwegen und an Italien. Beide Ersuchen wurden nicht beantwortet.
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Mit Bescheid vom 20. März 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nummer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nummer 2), forderte den Kläger unter Androhung der Ausreise nach Somalia zur Ausreise auf (Nummer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nummer 4).
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Der Kläger erhob am 23. März 2017 Klage, die im Hauptantrag zunächst auch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtet gewesen ist.
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Zur Begründung nahm er Bezug auf seine Angaben beim Bundesamt und erklärte zusätzlich, er könne auf keinen Fall nach Somalia zurück.
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In der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger nur noch,
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den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. März 2017 in den Nummern 2 bis 4 aufzuheben
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und die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Somalias festzustellen.
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Das Bundesamt hat im Gerichtsverfahren einen Bericht über eine physikalisch-technische Untersuchung einer vom Kläger vorgelegten Geburtsurkunde vorgelegt, sich ansonsten aber inhaltlich im Verfahren nicht geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Das Verfahren war einzustellen, soweit der Kläger mit der Klage ursprünglich vorrangig die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und (hilfsweise) die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus erstrebt hat. Insoweit wurde die Klage konkludent zurückgenommen. Die Verfahrenseinstellung und Kostenentscheidung mussten insoweit nicht gesondert durch Beschluss erfolgen. Vielmehr konnte darüber gemeinsam im Urteil über den anhängig gebliebenen Streitgegenstand entschieden werden (vgl. BVerwG vom 06.02.1963 - V C 24/61 - juris).
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2. Soweit die Klage aufrechterhalten wurde, ist sie unbegründet.
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a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
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a) Dem Kläger droht zum einen nicht deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gezielte unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK durch die Al-Shabaab-Miliz, weil er - so sein Vorbringen - vor der Ausreise im Visier der Miliz gewesen sei und diese bei einer Rückkehr des Klägers gegen diesen vorgehen werde.
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Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger trotz der Rücknahme der vorrangigen Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes der Sache nach eine solche Gefahr weiter gelten machen will, besteht eine solche Gefahr jedenfalls deshalb nicht, weil das Gericht dem Kläger seine Vorfluchtgründe nicht glaubt. Der Kläger hat zum einen zur Überzeugung des Gerichts schon beim Bundesamt unwahre Angaben gemacht. Die dortige Behauptung, dass er im norwegischen Asylverfahren weder erwähnt habe, dass auf seine Aushilfe geschossen, noch, dass seine Mutter von der Al-Shabaab-Miliz verprügelt worden sei, als diese den Kläger gesucht habe, ist unglaubhaft. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger diese Übergriffe, wenn sie sich tatsächlich zugetragen hätten, nicht hätte schildern sollen. Unglaubhaft war ferner die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf den Vorhalt des Gerichts, dass der Kläger doch schon im Jahr 2012 ausgereist sei. Der Kläger erklärte auf diesen Vorhalt hin, dass seine Familie bis letztes Jahr nur beobachtet worden sei und dann von der Familie verlangt worden sei, den Kläger wieder zurückzubringen. Angesichts der seit der Ausreise des Klägers verstrichenen erheblichen Zeitspanne ist ein solches Verhalten der Miliz nicht nachvollziehbar. Schließlich spricht gegen die Glaubhaftigkeit der geschilderten Vorfluchtgründe des Klägers dessen Antwort auf die spätere Frage in der mündlichen Verhandlung, wovon seine Familie bis zur Ausreise des Klägers gelebt habe. Der Kläger erklärte, er habe gearbeitet, ihm sei dann gekündigt worden und danach habe seine Mutter Tomaten verkauft. Diese Einlassung passt mit der Schilderung seiner Fluchtgründe beim Bundesamt überhaupt nicht zusammen. Dort hatte der Kläger geschildert, dass er vor seiner Flucht selbst Inhaber eines Ladens gewesen sei und sich dann aus Angst vor der Miliz versteckt habe und ausgereist sei. Dass dem Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung erklärte, „gekündigt“ worden ist, spricht deutlich dafür, dass der Kläger nicht wegen angeblicher Bedrohungen durch die Al-Shabaab-Miliz das Land verlassen hat, sondern weil er seinen Arbeitsplatz verloren hat. Insgesamt glaubt das Gericht dem Kläger seine Vorfluchtgründe nicht.
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b) Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr nach Somalia auch aus anderen Gründen keine bestimmten Personen(gruppen) - seien es Mitglieder der Al-Shabaab-Miliz oder andere Akteure - zurechenbaren Handlungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, die als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK anzusehen wären.
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Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist dabei der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr, in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, InfAuslR 2013, 241). Im vorliegenden Fall ist auf Mogadischu abzustellen, wo der Kläger nach seiner Behauptung geboren wurde und vor seiner Ausreise in Somalia gelebt hat. Die Situation stellt sich dort wie folgt dar:
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Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG) besteht in Mogadischu nach wie vor ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Im Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 4. März 2019 (im Folgenden: Lagebericht) ist ausgeführt, dass in vielen Gebieten der Gliedstaaten Somalias und der Bundeshauptstadt Mogadischu Bürgerkrieg herrsche (s. 4). Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Quaidaaffiliierte al-Shabaab-Miliz (S. 5). Auch wenn es im Lagebericht heißt, dass Mogadischu unter der Kontrolle der somalischen Bundesregierung steht (S. 5), ändert dies nichts daran, dass der Lagebericht eine Bürgerkriegssituation ausdrücklich auch für die Bundeshauptstadt Mogadischu selbst bejaht (S. 4: „In vielen Gebieten … und der Bundeshauptstadt Mogadischu herrscht Bürgerkrieg.“). Das Gericht folgt dieser Einschätzung. Dem vorliegenden Erkenntnismaterial (vgl. insbesondere das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia des österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - öBFA - vom 12. Januar 2018 - Länderinformationsblatt 2018 -, S. 22; Analyse der Staatendokumentation Somalia des öBFA vom 12. Oktober 2015 - Analyse 2015 -, S. 8) ist zu entnehmen, dass sich die Einflusssphären des somalischen Staates und der ihn unterstützenden militärischen Einheiten in Süd und Zentralsomalia im Wesentlichen „inselartig“ auf größere Städte beschränkt, während das diese umgebende ländliche Gebiet größtenteils von der al-Shabaab-Miliz kontrolliert wird. In einem solchen Fall kann man die städtischen Gebiete jedenfalls dann nicht gleichsam als bürgerkriegsfreie Enklaven betrachten, wenn es in diesen Städten nach wie vor noch zu bewaffneten Zusammenstößen kommt, was auch in Mogadischu der Fall ist (vgl. Länderinformationsblatt 2018, S. 38). Speziell für Mogadischu ist auch zu berücksichtigen, dass die Al-Shabaab-Miliz eindeutig über eine Präsenz in der Stadt verfügt und die nördlichen Bezirke in der Nacht sogar von der Al-Shabaab kontrolliert werden (Länderinformationsblatt 2018, S. 38).
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Mogadischu steht jedoch unter der Kontrolle der somalischen Bundesregierung (Lagebericht, S. 5). Entsprechend der Zusammenfassung im Lagebericht hat Somalia den Zustand des „failed state“ zwar überwunden, bleibt aber ein sehr fragiler Staat (S. 4). Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach. Im Oktober 2017 kam es in Mogadischu zu einem der verheerendsten Anschläge und auch in der Folge zu weiteren Anschlägen im Stadtgebiet (Lagebericht, S. 4). Das öBFA geht im Länderinformationsblatt 2018 (S. 37 ff) zusammengefasst von Folgendem aus: Mogadischu bleibe weiterhin unter der Kontrolle von Regierung und AMISOM. Die Schritte von Stadt- und Bundesregierung hätten zu einer Verbesserung der Sicherheitslage geführt. Die Zahl der Angriffe der al-Shabaab-Miliz sei zurückgegangen. Andererseits scheine sich die al-Shabaab-Miliz zunehmend auf Sprengstoffanschläge zu verlegen, welche unter der Zivilbevölkerung ein höheres Maß an Schaden verursachten. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass die al-Shabaab-Miliz wieder die Kontrolle über Mogadischu erlange. Es gebe in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al-Shabaab-Miliz zwangsrekrutiert zu werden. Es bestehe zwar kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden, trotzdem seien Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant. Die Sicherheitslage habe sich also verbessert, bleibe aber volatil. Die al-Shabaab-Miliz suche ihre Ziele vor allem im Bereich der Regierung. Für die Zivilbevölkerung sei es das größte Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Die Situation in Mogadischu sei nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Art. 3 EMRK ausgesetzt sei.
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Auch wenn man dies zugrunde legt, bedeutet das jedoch nicht, dass es dort zu keiner die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft ziehenden willkürlichen Gewalt mehr kommt. Eine die Einstufung eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts in Frage stellende wesentliche und ausreichend dauerhafte (vgl. Art. 16 Abs. 2 RL 2011/95/EU) Verbesserung der Sicherheitslage ist bisher auch in Mogadischu nicht festzustellen. Al-Shabaab ist nach wie vor in der Lage, über die Peripherie in Randbezirke von Mogadischu einzudringen. Außerdem kann der Einfluss von al-Shabaab in der Nacht in der Peripherie größer werden und bis zur Kontrolle der nördlichen Bezirke reichen (vgl. Länderinformationsblatt 2018, S. 38).
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Aus dem im Länderinformationsblatt 2018 (S. 40 f.) speziell für Mogadischu aufgelisteten detaillierten Zahlenmaterial geht hervor, dass in der gesamten Region Benadir im Jahr 2017 sowohl die Gesamtzahl der Vorfälle mit Todesopfern als auch die Gesamtzahl der Vorfälle mit zivilen Todesopfern mit 407 bzw. 217 Vorfällen höher war als in den Vorjahren seit 2013. Im Lagebericht ist unter Bezugnahme auf Angaben der United Nation Assistance Mission for Somalia (UNSOM) ausgeführt, dass in Somalia zwischen dem 1. Januar 2018 und dem 31. Oktober 2018 insgesamt 1122 Zivilisten bei Kämpfen oder Anschlägen getötet oder verletzt worden seien (S. 16).
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Die Gewährleistung grundlegender Sicherheitsbedürfnisse ist in Mogadischu im Hinblick auf die schwierige bürgerkriegsbedingte Situation für Rückkehrer ohne entsprechendes Netzwerk nicht gewährleistet. Zudem lässt die Vielzahl von Einzelmeldungen zu terroristischen Aktivitäten und bewaffneten Auseinandersetzungen in Süd- und Zentralsomalia einschließlich Mogadischu erkennen, dass auch in Mogadischu noch nicht von einer wesentlichen und ausreichend dauerhaften Verbesserung der Sicherheitslage auszugehen ist. Besonders schwierig stellt sich die Situation in den vielen Flüchtlingslagern in und um Mogadischu dar. Das hohe Gewaltniveau mit einer Vielzahl an Anschlägen sowie auch die prekäre Lage in den Flüchtlingslagern lassen die Annahme einer wesentlichen und ausreichend dauerhaften Verbesserung der Sicherheitslage für die gesamte Zivilbevölkerung nicht zu.
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Unter Berücksichtigung der hohen Bevölkerungszahl in Mogadischu - das öBFA geht für das Jahr 2014 von ca. 1,65 Mio. Menschen aus (Länderinformationsblatt 2018, S. 39) - bewertet das Gericht diese Erkenntnislage insgesamt dahingehend, dass in Mogadischu weiterhin eine zwar ausgesprochen fragile Situation besteht, das Niveau willkürlicher Gewalt aber nicht mehr so hoch ist, dass dort praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit damit rechnen müsste, dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V. m. Art. 3 EMRK erleiden zu müssen. Hieran haben auch die Anschläge im Jahr 2017 und insbesondere der verheerende Anschlag im Oktober 2017 nichts verändert. Mit den Anschlägen hat sich die Tendenz gezielter Attentate fortgesetzt. Eine veränderte Gefährdung der Zivilbevölkerung ergibt sich weder im Hinblick auf die quantitative Gefahrendichte noch auf die Art der Gefährdung.
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Beim Kläger liegen auch keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände vor. Insbesondere gehört der Kläger nicht zu einer in beruflicher Hinsicht besonders gefährdeten Personengruppe. Besonders gefährdet sind grundsätzlich in erster Linie Personen, die bestimmte Berufe ausüben, die sie als Gegner der Al-Shabaab-Miliz ausweisen, insbesondere Sicherheitskräfte und Regierungsmitarbeiter, sowie Personen, die sich an bestimmten Orten aufhalten (müssen), die zu den bevorzugten Zielen der Terrorangriffe der Al-Shabaab-Miliz zählen, wie (bestimmte) Hotels und öffentliche Einrichtungen. Der Kläger gehört zudem einem in Mogadischu dominanten Clan an (Hawiye) und ist dort auch nicht auf sich alleine gestellt. Das Gericht glaubt dem Kläger nicht, wie von ihm in der mündlichen Verhandlung behauptet, dass seine Familienangehörigen, nämlich seine Mutter, 2 Schwestern und ein Bruder, inzwischen in Kenia leben. Der Kläger hat nicht glaubhaft ausgeführt, weshalb seine Familienangehörigen ausgerechnet etwa 2018/2019 Somalia verlassen haben sollen. Er hat lediglich ausgeführt, dass diese auch bedroht worden seien, was das Gericht dem Kläger nicht glaubt, weil seine Vorfluchtgründe unglaubhaft sind (siehe a) und ansonsten nicht ersichtlich ist, von wem die Familienangehörigen sich hätten konkret bedroht sehen sollen.
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Das Gericht geht deshalb insgesamt davon aus, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Mogadischu dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizierenden bürgerkriegsbedingten Gewaltakten rechnen muss.
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c) Schließlich droht dem Kläger aufgrund der allgemeinen Situation in Mogadischu auch nicht eine sonstige, d. h. nicht unmittelbar auf einem gezielten Gewaltakt beruhende erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK. Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass der Kläger in Mogadischu in eine existenzbedrohende Notlage geraten wird. Der Kläger hat in Mogadischu enge Familienangehörige (siehe b) und gehört einem dort dominanten Mehrheitsclan (Hawiye) an. Es ist daher anzunehmen, dass er dort im Falle seiner Rückkehr unterkommen wird. Er ist zudem jung und arbeitsfähig, sodass er dort wieder Fuß fassen kann.
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3. Nicht zu beanstanden sind daher auch die in den Nummern 3 und 4 des Bescheids getroffenen Nebenentscheidungen (vgl. § 34 AsylG, § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 4, Abs. 3 AufenthG).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.