Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 24.03.2020 – M 10 K 18.5235
Titel:

Erfolglose Klage auf Erlass von Säumniszuschlägen zur Gewerbesteuer und von weiteren steuerlichen Nebenleistungen

Normenketten:
VwGO § 84
AO § 227
BayKAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 1b, Nr. 6
Leitsätze:
1. Ein Steuerschuldner ist säumig, wenn wegen der Umwandlung einer GmbH in GmbH (atypisch still) eine neue Gewerbesteuer-Kassenkontonummer erteilt wird und eine erteilte Einzugsermächtigung nach dieser Änderung nicht fortgilt. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein persönlicher Billigkeitsgrund für den Erlass von Säumniszuschlägen kann auch darin liegen, dass einem bisher pünktlichen Steuerzahler ein offenbares Versehen unterlaufen ist. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewerbesteuer, Erlass von Säumniszuschlägen und anderen steuerlichen Nebenleistungen, Umwandlung von GmbH in GmbH (atypisch still), Veränderung der Kassenkontonummer, Keine Fortgeltung des SEPA-Mandats, Keine entschuldbaren Gründe für verzögerte Zahlung, Einziehung, Aufgabe zur Post, Krankheit, Mahnung, Regierung, Zwangsvollstreckung, Säumniszuschlägen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7927

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt den Erlass von Säumniszuschlägen zur Gewerbesteuer sowie von weiteren steuerlichen Nebenleistungen.
2
Die Klägerin betrieb bis 31. Dezember 2013 ein Gewerbe in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Dieser Betrieb wurde beim Finanzamt München unter der Steuernummer …, bei der Beklagten hinsichtlich der Gewerbesteuer unter der Kassenkontonummer … geführt. Für diese Kassenkontonummer hatte die Klägerin durch ihren Vertreter am 18. Dezember 2007 der Beklagten eine Einzugsermächtigung zur Abbuchung der jeweils fälligen Gewerbesteuer erteilt. In der Folgezeit zog die Beklagte die Gewerbesteuer von diesem Konto ein, was in den jeweiligen Gewerbesteuerbescheiden vermerkt war.
3
Das Finanzamt München teilte der Beklagten am 2. November 2017 mit, dass die Klägerin seit 1. Januar 2014 in der Rechtsform der GmbH (atypisch still) betrieben werde. Die Klägerin habe in dieser Rechtsform eine neue Steuernummer (143/198/20435). Seitdem führt die Beklagte die Klägerin unter der (neuen) Gewerbesteuer-Kassenkontonummer …
4
Aufgrund Mitteilungen des Finanzamts München vom 20. November 2017 und 15. Dezember 2017 über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2014 und 2015 setzte die Beklagte mit Gewerbesteuerbescheiden vom 18. Dezember 2017 und 30. Januar 2018 gegenüber der Klägerin Gewerbesteuer für die Jahre 2014 sowie 2015, Vorauszahlungen für die Folgejahre sowie einen Verspätungszuschlag betreffend das Jahr 2015 fest. Im Rahmen der Zahlungsaufforderung unter IV. des jeweiligen Bescheids findet sich der Hinweis, dass die festgesetzten Beträge zu den Fälligkeitsterminen abgebucht würden, sollte sich die Klägerin für die Möglichkeit eines Lastschrifteinzugs entscheiden. Als Anlage war den Bescheiden jeweils ein Vordruck eines SEPA-Basislastschriftmandats, auf das die neue Gewerbesteuer-Kassenkontonummer … aufgedruckt war, beigefügt.
5
Unter dem 19. Februar 2018 mahnte die Beklagte bestimmte, mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 bekannt gegebene Forderungen, insbesondere die Gewerbesteuer für das Jahr 2014, Säumniszuschläge und eine Mahngebühr an. Die Klägerin reagierte hierauf nicht. Mit Mahnung vom 9. April 2018 wurden weitere Forderungen aus dem Bescheid vom 18. Dezember 2017 angemahnt, insbesondere weitere Säumniszuschläge und Mahngebühren. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde auch die Zwangsvollstreckung angekündigt.
6
Mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vom 12. April 2018 wurde ausgeführt, dass der Buchhalter der Klägerin davon ausgegangen sei, dass die erteilte Lastschrifteinzugsermächtigung für alle Forderungen, die gegen die Klägerin bestünden, gelte. Die zuletzt übersandten Gewerbesteuerbescheide seien daher mit dem Vermerk „wird abgebucht“ abgelegt worden. Es werde jedoch als Anlage das vom Prokuristen der Klägerin ausgefüllte und unterschriebene SEPA-Basislastschriftmandat vom 12. April 2018 für die Gewerbesteuer-Kassenkontonummer … übermittelt und gebeten, die noch offenen Beträge vom dort genannten Konto einzuziehen. Im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang angefallenen Mahngebühren, Säumniszuschläge und sonstigen Zuschläge werde allerdings beantragt, diese zu erlassen, da die Nichtzahlung auf der für die Klägerin nicht erkennbaren internen Zuordnung der erteilten Einzugsermächtigung beruht habe.
7
Mit Bescheid vom 30. April 2018, für den sich ein Zustellnachweis oder jedenfalls ein Vermerk über den Tag der Aufgabe zur Post nicht in den Akten befindet, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erlass der angefallenen Nebenkosten (Säumniszuschläge, Mahngebühren und Gebühr für die Ankündigung der Zwangsvollstreckung) in Höhe von 1.087 EUR ab. Die Einziehung der Nebenkosten sei im vorliegenden Fall nicht unbillig. Es handle sich nicht um ein offenbares Versehen eines in der Vergangenheit pünktlichen und gewissenhaften Schuldners, da die Klägerin auch in der Vergangenheit nicht pünktlich gezahlt habe, wie sich aus der ersten Mahnung vom 19. Februar 2018, auf die die Klägerin nicht reagiert habe, ergebe. Spätestens aufgrund dieser Mahnung habe der Klägerin überdies klar sein müssen, dass ein gültiges SEPA-Mandat nicht bestehe. Eine entschuldbare Säumnis (z.B. aufgrund von Krankheit) liege ebenfalls nicht vor. Auch eine sonstige sachliche oder persönliche Härte sei nicht erkennbar.
8
Die Klägerin erhob mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 4. Juni 2018, eingegangen bei der Beklagten am gleichen Tag, Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. April 2018. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die Klägerin habe für alle bei ihr anfallenden Gewerbesteuerbeträge einschränkungsfrei ein Lastschriftmandat erteilt. Schuldnerin der Gewerbesteuer sei immer die Klägerin (gewesen), unabhängig von der stillen Beteiligung. Bei einer atypisch stillen Gesellschaft handle es sich um eine reine Innengesellschaft. Wenn es zur verwaltungstechnischen Abwicklung notwendig sei, intern unterschiedliche Kassenzeichen zu verwenden, berühre dies die Gültigkeit der Lastschrifteinzugsermächtigung nicht. Der Vordruck zur Erteilung des Lastschriftmandats sehe insoweit auch keine Einschränkung vor. Da eine gültige Lastschrifteinzugsermächtigung vorgelegen habe, sei die Klägerin nicht säumig gewesen.
9
Die Beklagte legte nach Nichtabhilfe den Widerspruch der Regierung von Oberbayern zur Entscheidung vor. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 20. September 2018, zugestellt ausweislich der Postzustellungsurkunde am 22. September 2018, wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Gründe des Bescheids wird Bezug genommen.
10
Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 22. Oktober 2018, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage erhoben und beantragt,
Der Bescheid der Beklagten vom 30. April 2018 in Form des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2018 der Regierung von Oberbayern wird aufgehoben.
11
Dem Antrag der Klägerin vom 12. April 2018 auf Erlass der Nebenkosten in Höhe von 1.087 EUR wird stattgegeben.
12
Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen der Vortrag aus der Widerspruchsbegründung wiederholt. Das ursprünglich erteilte SEPA-Mandat gelte fort. Die zivilrechtliche Wirksamkeit der Einzugsermächtigung werde durch die aus verwaltungstechnischen Gründen notwendige Zuweisung intern unterschiedlicher Verwaltungsmerkmale nicht berührt. Der Schuldner habe sich im vorliegenden Fall nicht verändert. Dass die Änderung eines Verwaltungskennzeichens die Wirksamkeit einer erteilten Lastschrifteinzugsermächtigung nicht berühren könne, ergebe sich bereits daraus, dass der Gläubiger sonst die Möglichkeit hätte, den Schuldner durch interne Umorganisation nach Belieben in Verzug zu bringen, ohne dass der Schuldner hierauf Einfluss nehmen könne.
13
Mit Schriftsatz vom 14. November 2018 beantragt die Beklagte:
Die Klage wird abgewiesen.
14
Zur Begründung wird vorgetragen, die für die Kassenkontonummer … erteilte Einzugsermächtigung der Klägerin in der Rechtsform der GmbH gelte nicht automatisch für die Klägerin in der Rechtsform der GmbH (atypisch still) unter der neuen Kassenkontonummer. Handelsrechtlich liege zwar unbestritten die gleiche Gesellschaft vor. Steuerlich liege nunmehr jedoch eine andere Innengesellschaft in Form einer atypisch stillen Gesellschaft vor, so dass auch das Finanzamt München eine neue Steuernummer vergeben habe. Auf der erteilten Einzugsermächtigung sei auch die frühere Kassenkontonummer der Klägerin aufgedruckt gewesen. Eine Unbilligkeit, die einen Erlass nach § 227 Abgabenordnung (AO) rechtfertigen könne, liege nicht vor. Persönliche Billigkeitsgründe seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch sachliche Billigkeitsgründe seien mangels eines entschuldbaren Versehens oder einer entschuldbaren Säumnis nicht gegeben. Die steuerlichen Änderungen hätten der Klägerin aufgrund verschiedener Anlässe (z.B. Wechsel der Steuernummer sowie der Kassenkontonummer, Hinweistexte in den Gewerbesteuerbescheiden, Übersendung der SEPA-Mandats-Vordrucke) auffallen müssen. Insbesondere habe es die Klägerin nach der ersten Mahnung unterlassen nachzuforschen, warum die Forderungen nicht eingezogen worden seien.
15
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 4. Februar 2020, zugestellt am 5. bzw. 7. Februar 2020, zur beabsichtigten Entscheidung des Gerichts durch Gerichtsbescheid angehört worden.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten einschließlich der Widerspruchsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

17
1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
18
2. Nach dem erkennbaren Rechtsschutzbegehren der Klägerin (§ 88 VwGO) ist der gestellte Antrag zu verstehen als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Die Klage ist unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids der Beklagten vom 30. April 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 20. September 2018 gerichtet auf die Verpflichtung der Beklagten, die steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von 1.087 EUR zu erlassen.
19
3. Die so verstandene Klage ist zulässig; insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden. Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erlass der steuerlichen Nebenleistungen nach § 227, § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a, Art. 10 Nr. 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) noch einen Anspruch auf eine diesbezügliche ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 227 AO sind bereits nicht erfüllt.
20
Nach § 227 AO können Ansprüche aus dem (Gewerbe-)Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Dies gilt auch für Säumniszuschläge als steuerliche Nebenleistungen nach § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 Nr. 5 AO und für Mahn- und Vollstreckungsgebühren, auch wenn diese Kosten im Bereich des bayerischen Kommunalabgabenrechts nicht unter den Begriff der steuerlichen Nebenleistungen im Sinne des § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 Nr. 7 AO fallen, da § 3 Abs. 4 Nr. 7 AO wegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 1b, Nr. 6 KAG nicht gilt (s. zur Anwendbarkeit des § 227 AO auf Mahn- und Vollstreckungsgebühren: BayObLG, U.v. 25.11.2003 - 1 Z RR 6/02 - NVwZ-RR 2004, 318).
21
Die Unbilligkeit im Sinne des § 227 AO kann sich aus sachlichen oder persönlichen Gründen ergeben.
22
a) Eine sachliche Unbilligkeit liegt im konkreten Fall nicht vor.
23
Sachliche Billigkeitsgründe sind gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. hierzu: Fritsch in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 227 Rn. 13 m.w.N.). Mit dem Instrument des Erlasses soll Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung getragen werden, welche der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 21.9.2009 - 4 BV 07.498 -BeckRS 2010, 55165 Rn. 29).
24
Im vorliegenden Fall käme eine sachliche Unbilligkeit möglicherweise in Betracht, wenn die Säumniszuschläge, Mahn- und Vollstreckungsgebühren verlangt würden, obwohl eine Säumnis der Klägerin im Hinblick auf die Zahlung der Gewerbesteuerforderungen nicht vorgelegen hat. Dies ist entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin jedoch nicht der Fall.
25
Durch die Nichtzahlung der Forderungen zum jeweiligen Fälligkeitstermin ist die Klägerin in Zahlungsverzug geraten. Die Einzugsermächtigung, die die Klägerin der Beklagten für die frühere Gewerbesteuer-Kassenkontonummer … erteilt hat, gilt nicht für die neue Gewerbesteuer-Kassenkontonummer fort. Dies ergibt sich bereits daraus, dass auf der erteilten Einzugsermächtigung explizit die frühere Gewerbesteuer-Kassenkontonummer aufgedruckt war. Die Einzugsermächtigung ist insoweit hinsichtlich ihres Verwendungszwecks eingeschränkt worden; sie gilt immer nur für die konkrete Kassenkontonummer.
26
Dem steht nicht entgegen, dass - wie der Bevollmächtigte der Klägerin zutreffend ausführt - Schuldnerin der Gewerbesteuerforderungen im Außenverhältnis immer die Klägerin als GmbH war und ist, da die rechtliche Umgestaltung in eine GmbH (atypisch still) lediglich Wirkungen im Innenverhältnis hat. Allerdings ist eine GmbH steuerrechtlich anders zu bewerten als eine GmbH (atypisch still), so dass das Finanzamt München eine andere Steuernummer vergab und infolgedessen die Änderung der Kassenkontonummer der Beklagten gerechtfertigt war. Insoweit greift auch der Einwand des Bevollmächtigten der Klägerin nicht, die Beklagte hätte es durch interne Verwaltungsumorganisation in der Hand, den Schuldner in Verzug zu bringen, da es im vorliegenden Fall gerade nicht lediglich um eine bloße Neuzuweisung einer Kassenkontonummer ging, sondern die Änderung der Kassenkontonummer ihre Ursache in einer rechtlichen Umgestaltung der Klägerin und einer damit einhergehenden anderen steuerrechtlichen Bewertung der Klägerin hatte.
27
b) Auch eine persönliche Unbilligkeit ist im vorliegenden Fall nicht anzunehmen.
28
aa) Nach den allgemeinen Grundsätzen zu § 227 AO ist die Erhebung einer Steuer aus persönlichen Gründen unbillig, wenn der Steuerpflichtige erlasswürdig und -bedürftig ist. Erlassbedürftigkeit liegt vor, wenn die Erhebung der Steuer die Fortführung der persönlichen wirtschaftlichen Existenz gefährden, d.h. wirtschaftlich existenzgefährdend oder existenzvernichtend wirken würde (BVerwG, U.v. 23.8.1990 - 8 C 42/88 - juris).
29
Eine solche Erlassbedürftigkeit ist für die Klägerin weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich.
30
bb) Im besonderen Fall des Erlasses von Säumniszuschlägen (vgl. hierzu ausführlich: Oosterkamp in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO, 11. Ed. 1.1.2020, § 240 Rn. 45 f. m.w.N.) ist die Entschuldbarkeit der verspäteten Zahlung grundsätzlich kein Grund, die Säumniszuschläge zu erlassen, weil diese kraft Gesetzes ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen entstehen. Ausnahmsweise kann ein Erlass jedoch in Betracht kommen, wenn die Behörde die Zahlungsverzögerung durch ihr Verhalten verursacht hat, der Steuerpflichtige aber alles ihm nach den Umständen Zumutbare getan hat oder zumindest eine ihm nicht vorwerfbare, unvorhergesehene Zahlungsverzögerung eingetreten ist. Ein persönlicher Billigkeitsgrund kann auch darin liegen, dass einem bisher pünktlichen Steuerzahler ein offenbares Versehen unterlaufen ist.
31
Diese Voraussetzungen liegen im konkreten Fall jedoch nicht vor. Die Klägerin hat weder alles ihr Zumutbare getan, um die Zahlungsverzögerung zu verhindern; es handelt sich auch nicht um eine unvorhergesehene Zahlungsverzögerung. Die Klägerin ist zudem nicht als grundsätzlich zuverlässige Steuerzahlerin anzusehen, der ein einmaliges Versehen unterlaufen ist.
32
Bei sorgfältiger Buchführung hätte dem Buchhalter der Klägerin auffallen müssen, dass sich sowohl die Steuernummer des Finanzamts München als auch die Gewerbesteuer-Kassenkontonummer der Beklagten geändert haben. Auch wenn der Buchhalter der Klägerin die Kassenkontonummern nicht abgeglichen haben sollte, hätte er bei sorgsamem Durchlesen der Bescheide vom 18. Dezember 2017 und 30. Januar 2018 erkennen können und müssen, dass sich die Zahlungssituation verändert hatte. Denn zum einen wies die Beklagte in ihrer Zahlungsaufforderung jeweils unter IV. der Bescheide darauf hin, dass die festgesetzten Beträge zu den Fälligkeitsterminen abgebucht würden, sollte sich die Klägerin für die Möglichkeit eines Lastschrifteinzugs entscheiden. Hieraus hätte der Buchhalter entnehmen können und müssen, dass die Beklagte davon ausging, dass kein gültiges SEPA-Mandat für die Klägerin (mehr) vorlag, zumal dieser Hinweis in den Gewerbesteuerbescheiden der vergangenen Jahre zur früheren Gewerbesteuer-Kassenkontonummer der Beklagten nicht vorhanden war. In den früheren Bescheiden war vielmehr vermerkt, dass die Forderung aufgrund des Lastschriftmandats von der Beklagten eingezogen würde. Zum anderen fügte die Beklagte den Bescheiden vom 18. Dezember 2017 und 30. Januar 2018 jeweils einen Vordruck für ein SEPA-Basislastschriftmandat bei, auf dem die neue Gewerbesteuer-Kassenkontonummer … bereits aufgedruckt war. Solche Vordrucke waren den Gewerbesteuerbescheiden der vergangenen Jahre (zur früheren Gewerbesteuer-Kassenkontonummer) gerade nicht beigefügt, so dass auch insoweit ein Unterschied hätte auffallen müssen.
33
Jedenfalls hätte der Buchhalter der Klägerin spätestens bei Erhalt der ersten Mahnung vom 19. Februar 2018 merken müssen, dass die für die alte Kassenkontonummer erteilte Einzugsermächtigung nicht mehr fortgilt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Klägerin aktiv werden und bei der Beklagten nachforschen müssen. Dies hat sie jedoch (vorwerfbar) unterlassen.
34
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.