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VG Augsburg, Urteil v. 21.04.2020 – Au 8 K 19.1142
Titel:

Gebührenschuldner bei Eigentumsübergang

Normenketten:
BayKAG Art. 8
BGS-EWS § 16 Abs. 1
BGS/WAS § 13 Abs. 1
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 2
BGB § 883
Leitsatz:
Gebührenschuldner ist, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld Eigentümer des Grundstücks oder ähnlich zur Nutzung des Grundstücks dinglich berechtigt ist. Der Eigentümer eines verkauften Grundstücks bleibt Schuldner der Benutzungsgebühren, die bis zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs durch Eintragung im Grundbuch entstanden sind. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wasser- und Abwassergebühren, Gebührenschuldner nach Abschluss eines Kaufvertrags, Eigentümer oder ähnlich zur Nutzung des Grundstücks dinglich Berechtigter, Grundbucheintrag, Schmutzwasser, Widerspruchsfrist
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7878

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Wasser-, Schmutzwasser- und Niederschlagswassergebühren für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. August 2018 für das Grundstück mit der Fl.Nr. ... im Gemeindegebiet der Beklagten.
2
Der Kläger verkaufte das o.g. Grundstück im Jahr 2018 und lt. Auszug aus dem Grundbuch wurde am 23. April 2018 eine Auflassungsvormerkung und der neue Eigentümer am 29. Januar 2019 eingetragen.
3
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2018 hat die Beklagte den Kläger zu einer Wassergebühr in Höhe von 89,57 EUR, zu einer Schmutzwassergebühr in Höhe von 64,78 EUR und zu einer Niederschlagswassergebühr in Höhe von 51,70 EUR für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 2018 herangezogen. Der Verbrauchsabrechnung wurde dabei ein Zählerstand alt von 535 m³ und als Zählerstand neu 576 m³ zugrunde gelegt.
4
Mit E-Mail vom 28. Oktober 2018 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er bereits zum 27. Mai 2018 ausgezogen sei und der neue Eigentümer die Schlösser ausgetauscht habe. Der Zähler habe an diesem Tag bei 525 m³ und nicht bei 576 m³ gestanden. Die Beklagte wies ihn darauf hin, dass ein Widerspruch nicht mit E-Mail eingelegt werden könne und der neue Eigentümer ein Foto mit dem Zählerstand von 576 m² am 15. August 2018 vorgelegt habe. Lt. Einwohnermeldeamt habe sich der Kläger am 21. September 2018 rückwirkend zum 1. September 2018 umgemeldet. Ein Übergabeprotokoll würde nicht vorliegen.
5
Mit Schreiben vom 4. November 2018, lt. Eingangsstempel bei der Verwaltungsgemeinschaft ...  am 12. November 2018 eingegangen, legte der Kläger Widerspruch ein. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 21. November 2018 darauf hin, dass die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen sei.
6
Einer Notiz über ein Telefongespräch der Widerspruchsbehörde mit der Beklagten vom 14. Mai 2019 lässt sich entnehmen, dass die Beklagte keinen Nachweis habe, wann der streitgegenständliche Bescheid zur Post gegeben worden sei. Sie habe jedoch von dem privaten Postdienstleister telefonisch die Auskunft erhalten, dass der Bescheid am 4. Oktober 2018 versandt worden sei. Ein schriftlicher Nachweis sei nicht möglich.
7
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2019 wies das Landratsamt * den Widerspruch zurück. Nach Auskunft des Grundbuchamtes sei der Widerspruchsführer bis zum 29. Januar 2019 als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks im Grundbuch eingetragen gewesen. Im Abrechnungszeitraum sei dieser somit nachweislich Eigentümer des Grundstücks gewesen. Daran ändere auch der Einwand nichts, dass er nicht mehr Besitzer des Anwesens gewesen sei. Nach den maßgeblichen Satzungen sei derjenige Gebührenschuldner, der im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld Eigentümer des Grundstücks oder ähnlich zur Nutzung des Grundstücks dinglich Berechtigter sei.
8
Dagegen erhob der Kläger Klage und beantragte sinngemäß,
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den Gebührenbescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2019 aufzuheben.
10
Er habe sein Haus verkauft und seit dem 27. Mai 2018 keine Möglichkeit mehr gehabt, das Haus zu betreten, weil der neue Eigentümer die Schlösser ausgetauscht habe. Er habe der Beklagten den Wasserzählerstand vom 28. Mai 2018 in Höhe von 525 m³ mitgeteilt. Die Gemeinde habe ihm bis zum 1. Oktober 2018 das Wasser in Rechnung gestellt, obwohl er schon seit dem 29. Mai 2018 ausgezogen sei.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Die Klage sei bereits unzulässig. Der Widerspruch sei nicht zulässig, weil er zu spät erhoben worden sei. Entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde sei es für die Zugangsfiktion unerheblich, ob auf den Bescheidsentwurf ein Postaufgabevermerk enthalten sei. Die Funktion des fehlenden Postaufgabevermerks erfülle auch die telefonische Auskunft des privaten Postdienstleisters, womit sogar die Übergabe an den Postdienstleister am 4. Oktober 2018 dokumentiert sei, was ein alleiniger Postaufgabevermerk durch den Sachbearbeiter nicht zu leisten vermöge. Es seien keine Gründe vorgetragen, die es rechtfertigen würden, an der Zugangsvermutung zu zweifeln.
14
Die Beteiligten verzichteten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16
Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Klage ist diese jedenfalls nicht begründet. Der streitgegenständliche Gebührenbescheid vom 4. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Über die Klage konnte ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten darauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
17
Rechtsgrundlage des Bescheids ist Art. 8 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.V.m. der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Beklagten (BGS-EWS) vom 5. Dezember 2012 in der Form der 1. Änderungssatzung vom 13. April 2016 und der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatzung der Beklagten (BGS/WAS) vom 11. Dezember 2013 in Form der 1. Änderungssatzung vom 2. Dezember 2014. Diese Satzungen begegnen grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken.
18
Nach § 16 Abs. 1 BGS-EWS bzw. dem gleichlautenden § 13 Abs. 1 BGS/WAS ist Gebührenschuldner, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld Eigentümer des Grundstücks oder ähnlich zur Nutzung des Grundstücks dinglich berechtigt ist. Danach hat die Beklagte die Gebühr zu Recht gegenüber dem Kläger festgesetzt. Dieser war ausweislich des Grundbuchauszugs bis zum 29. Januar 2019 Eigentümer des Grundstücks, für welches die Gebührenschuld festgesetzt worden ist. Wer Eigentümer des Grundstücks ist, bestimmt sich nach der Eintragung als Eigentümer im Grundbuch. Der Eigentümer eines verkauften Grundstücks bleibt Schuldner der Benutzungsgebühren, die bis zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs durch Eintragung im Grundbuch entstanden ist. Etwaige zivilrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem neuen Käufer über den Übergang von Nutzen und Lasten sind für das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis des Klägers zur Beklagten bezüglich der Gebührenschuldnerschaft unerheblich (VG München, U.v. 24.4.2008 - M 10 K 07.5429 - juris Rn. 27).
19
Daran ändert sich auch nichts, dass zugunsten des Käufers eine Auflassungsvormerkung besteht (Nitsche, Satzungen zur Abwasserbeseitigung, 20.13, Nr. 4). Im vorliegenden Fall wurde bereits am 23. April 2018 eine Auflassungsvormerkung zugunsten des neuen Käufers eingetragen. Die Vormerkung (§ 883 BGB) schränkt zwar als Sicherungsinstrument gegenüber einem gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten die dingliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers ein, lässt aber im Übrigen seine Eigentümerstellung unangetastet und stellt auch kein dingliches Recht dar (BayVGH, B.v. 9.4.1997 - 23 CS 95.2599 - juris Rn. 23; VG Augsburg, B.v. 13.7.1995 - Au 5 S 95.314; Palandt, BGB, 79. Aufl., Rn. 2 zu § 883). Unerheblich ist insoweit auch, wer tatsächlich das Wasser verbraucht hat bzw. ob der Kläger tatsächlich noch Zugang zu dem Grundstück bzw. zu dem Gebäude hatte. Voraussetzung für das Entstehen der Gebührenschuld ist alleine, dass der Kläger im Zeitpunkt des Verbrauchs bzw. der Einleitung noch Eigentümer des Grundstücks war.
20
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 und 711 ZPO.