Inhalt

VGH München, Beschluss v. 04.05.2020 – 20 CE 20.960
Titel:

Betriebsbeschränkungen für Ladengeschäfte im Rahmen des Infektionsschutzes

Normenketten:
VwGO § 80, § 91, § 123, § 146 Abs. 4
IfSG § 32 S. 1
3. BayIfSMV § 4 Abs. 4
Leitsätze:
1. Adressat der sich aus § 4 der 3. BayIfSMV ergebenden Betriebsbeschränkungen für Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäuser ist der jeweilige Betreiber der genannten Einrichtungen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine subjektive Antragserweiterung ist im Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts nach §§ 80, 80 a, 123 VwGO gemäß § 146 Abs. 4 VwGO nicht zulässig. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine subjektive Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren, Antragserweiterung, Betreiber, Lebensmittelhandel, Einzelfall, Mindestabstand, Verkauf, Infektionsschutz, Einkaufszentrum, Geschäftsöffnung, Mund-Nasen-Bedeckung, Einlass, Parkplatzkonzept, Hygienekonzept, Betriebsbeschränkung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 26.04.2020 – AN 30 S 20.775
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7698

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Das Verwaltungsgericht … hat mit Beschluss vom 26. April 2020 den Antrag der Antragstellerin abgelehnt, einstweilig anzuordnen, dass sie ihr Einzelhandelsgeschäft im … ab dem 27. April 2020 bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder eröffnen darf.
2
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
II.
3
Der Antrag ist bereits unzulässig, weil zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis besteht. Die im Streit stehenden Verpflichtungen aus der aktuell geltenden bayerischen Rechtsverordnung nach § 32 Satz 1 IfSG bestehen nicht zwischen den Beteiligten dieses Rechtsstreits. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft derer eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (vgl. BVerwG, U.v. 31.8.2011 - 8 C 8.10 - BVerwGE 140, 267; U.v. 20.11.2003 - 3 C 44.02 - NVwZ-RR 2004, 253).
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Die für die Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage für die Beurteilung dieser Frage ist diejenige im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts. Danach ist der zum 4. Mai 2020 in Kraft getretene § 4 Abs. 4 der Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (3. BayIfSMV) vom 1. Mai 2020 maßgebend, welcher folgendermaßen lautet:
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§ 4 Betriebsuntersagungen
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(4) 1Für Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäuser des Einzelhandels gilt:
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1. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden eingehalten werden kann und die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 20 m2 Verkaufsfläche,
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2. Es dürfen höchstens 800 m2 Verkaufsfläche geöffnet werden; dies gilt nicht für Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Geldautomaten, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Verkauf von Presseartikeln, Filialen des Brief- und Versandhandels, Post, Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Tierbedarf, Tankstellen, Kfz-Handel, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten und Reinigungen,
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5. der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept (z.B. Einlass, Mund-Nasen-Bedeckung) und, falls Kundenparkplätze zur Verfügung gestellt werden, ein Parkplatzkonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
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2Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können im Einzelfall ergänzende Anordnungen erlassen, soweit es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich ist.
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Adressat der sich aus § 4 ergebenden Betriebsbeschränkungen für Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäuser ist der jeweilige Betreiber der genannten Einrichtungen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, der zunächst die Betreiber von Ladengeschäften, Einkaufszentren und Kaufhäusern in § 4 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 5 ausdrücklich verpflichtet. Aber auch im Fall des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Hs. 1 3. BayIfSMV sind die Betreiber der Verkaufseinrichtungen, hier also des Einkaufszentrums, Adressat der Maßnahme. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Regelung, weil dort kein ausdrücklicher Adressat der Verkaufsflächenbeschränkung genannt wird. Für Ladengeschäfte und Kaufhäuser erschließt es sich aus der Natur der Sache heraus, dass hier nur der jeweilige Betreiber gemeint sein kann. Bei Einkaufszentren ist dagegen deren Eigenart zu beachten. Sie sind eine Zusammenfassung verschiedener Branchen und Größenordnungen des Einzelhandels, des Handwerks und von Dienstleistungsbetrieben, die in der Regel einen einheitlich geplanten und finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplex mit mehreren Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe - zumeist verbunden mit verschiedenen Dienstleistungsbetrieben - bilden (BVerwG U.v. 27.4.1990 - 4 C 16.87 - NVwZ 1990, 1074 = BeckRS 9998, 47372; B.v. 18.12.2007 - 4 B 3.12 - ZfBR 2013, 272 = BeckRS 2013, 48610). Die Bezeichnung als Einkaufszentrum ist dabei nicht entscheidend, sodass Outletcenter, Einkaufspassagen und Ähnliches auch hierunter fallen können. Entscheidend ist vielmehr die einheitliche Konzeption und Verwaltung dieser Konzentration von Einzelhandelsgeschäften, Handwerksbetrieben und Dienstleistern. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass die Verordnung bei Ladengeschäften, die sich in einem Einkaufszentrum befinden, einheitlich auf den Betreiber des Einkaufszentrums abstellt und nicht auf die Betreiber der einzelnen Einzelhandelsgeschäfte des Einkaufszentrums. Sie werden durch § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Hs. 1 3. BayIfSMV nicht verpflichtet, sondern ausschließlich der Betreiber des Einkaufszentrums. Dieses Ergebnis bestätigt § 9 Nr. 5 lit. a) bb) 3. BayIfSMV, der als ordnungswidrig ahndet, wenn der Betreiber eines Einkaufzentrums die vorgeschriebene Begrenzung der Verkaufsfläche missachtet.
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Die von der Antragstellerin beantragte subjektive Antragserweiterung, mit dem Ziel, den Betreiber des örtlichen Einkaufszentrums am streitgegenständlichen Beschwerdeverfahren zu beteiligen, ist nicht zulässig. Im Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts nach §§ 80, 80 a, 123 VwGO ist gem. § 146 Abs. 4 VwGO für eine Klageänderung regelmäßig kein Raum, weil die Beschwerde der Intention des Gesetzgebers zufolge nach § 146 Abs. 4 S. 3 und S. 6 VwGO nur zulässig ist, soweit sie der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung dient. Ggf. muss erneut erstinstanzlicher Eilrechtsschutz in Anspruch genommen werden (Schoch/Schneider/Bier, § 91 VwGO, Rn. 92).
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).