Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 27.02.2020 – AN 18 K 18.02284
Titel:

Gewährung einer Beihilfe für Aufwendungen aus der kieferorthopädischen Behandlung, hier: Ausgliederung eines Teil- bzw. Vollbogens

Normenketten:
BayBhV § 7, § 15
BayBG Art. 96 Abs. 3 S. 2 Nr. 3
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 2, § 88
Leitsätze:
1. Ein  gesonderter Gebührenansatz nach den GOZ-Nrn. 6140 und 6150 ist nur für die im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung erbrachte Eingliederung von Teil- bzw. Vollbögen vorgesehen, nicht aber für deren Ausgliederung; eine entsprechende Anwendung kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil dann der damit einhergehende Kosten- und Zeitaufwand in der Regel zu hoch bewertet wäre. (Rn. 21 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein gesonderter Gebührenansatz für die Ausgliederung von Teil- bzw. Vollbögen nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 GOZ iVm GOÄ-Nr. 2702 scheidet ebenfalls aus, da die Ausgliederung eines Teil- bzw. Vollbogens gerade keine selbständige zahnärztliche Leistung darstellt, sondern vielmehr als unselbständiger Teil der nach den GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 berechneten Maßnahmen anzusehen ist (ebenso: VG Münster BeckRS 2017, 104616; VG Saarlouis BeckRS 2016, 47464). (Rn. 26 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
kein gesonderter Gebührenansatz für die Ausgliederung von Teil- bzw. Vollbögen nach GOÄ-Nr. 2702 im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung nach den GOZ-Nrn. 6030 bis 6080, Vollbogen, Teilbogen, zähnärztliche Leistung, selbständige Leistung, Eingliederung, Gebührenansatz, Kieferumformung, medizinische Notwendigkeit, gesonderte Abrechnungsfähigkeit, planwidrige Regelungslücke
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7681

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 67,15 EUR für Aufwendungen aus der kieferorthopädischen Behandlung ihres Sohnes … Die Klägerin steht als Beamtin im Dienst des Beklagten und ist Empfängerin von Dienstbezügen. Sie ist die Mutter des … 2005 geborenen …, der in der Gemeinschaftspraxis …, kieferorthopädisch behandelt wird.
2
Die Behandlung erfolgt auf Grundlage eines kieferorthopädischen Behandlungs- und Kostenplans vom 12. Oktober 2017, in welchem voraussichtliche kieferorthopädische Gesamtkosten in Höhe von 8.770,68 EUR veranschlagt wurden. Der Beklagte teilte hierzu mit Schreiben des Landesamts für Finanzen vom 20. Oktober 2017 mit, dass die nach dem Behandlungsplan vorgesehenen Gesamtkosten grundsätzlich bis zu einem Betrag von 8.015,16 EUR beihilfefähig seien. Die voraussichtliche Kürzung der Beihilfeleistungen wurde unter anderem damit begründet, dass „GOZ 2197“ nicht gesondert berechnungsfähig und mithin nicht beihilfefähig sei.
3
Mit Leistungsantrag vom 28. August 2018 legte die Klägerin eine Rechnung der Praxis… vom 4. Juli 2018 über insgesamt 612,64 EUR beim Beklagten vor und beantragte die Gewährung einer entsprechenden Beihilfe. In der Rechnung waren unter anderem die folgenden Gebührenpositionen aufgeführt:

Datum

Nr.

Leistungsbeschreibung/Auslagen

Faktor

Anzahl

EUR

17.4.2018

6050

Umformung Kiefer einschließlich Retention, hoher Umfang

2,3

1

38,81

6040

Umformung Kiefer einschließlich Retention, mittlerer Umfang

2,3

1

22,64

6080

Einstellung Unterkiefer in den Regelbiss, hoher Umfang

2,3

1

38,81

Ä 2702

Ausgliedern eines Teil-/Vollbogens, Verankerung § 6 Abs. 1 analog, Wiederanbringen

1,5

2

52,46

6150

Eingliederung eines ungeteilten Bogens je Kiefer

3,0

2

168,72

6100

Eingliederung eines Brackets

2,3

1

21,34

26.6.2018

6100

Eingliederung eines Brackets

2,3

1

21,34

6150

Eingliederung eines ungeteilten Bogens je Kiefer

3,5

1

98,42

Ä 2702

Ausgliedern eines Teil-/Vollbogens, Verankerung § 6 Abs. 1 analog, Wiederanbringen

1,8

1

31,48

4
Mit Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 18. September 2018 erkannte der Beklagte bezüglich der Rechnung vom 4. Juli 2018 Aufwendungen in Höhe von 528,70 EUR als beihilfefähig an und gewährte - unter Zugrundelegung eines persönlichen Beihilfebemessungssatzes von 80% für den Sohn der Klägerin - eine Beihilfe von 422,96 EUR. Die hinsichtlich der beihilfefähigen Aufwendungen vorgenommene Kürzung wurde damit begründet, dass das Entfernen von Vollbögen oder Teilbögen von den Kernpositionen der GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 umfasst und daher nicht gesondert beihilfefähig sei.
5
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Widerspruch, welchen der Beklagte mit Widerspruchsbescheid des Landesamts für Finanzen vom 23. Oktober 2018 als unbegründet abwies. Zur Begründung wurde ausgeführt, die GOÄ-Nr. 2702 befinde sich zwar innerhalb des - gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 GOZ für die Berechnung der Vergütung ergänzend heranzuziehenden - Abschnitts L IX des Gebührenverzeichnisses der GOÄ. Die danach berechnete Leistung, nämlich das Ausgliedern von Bögen und Teilbögen, sei jedoch als Teil der nach GOZ-Nr. 6050 berechneten Leistungen im Gebührenverzeichnis der GOZ enthalten und habe somit nicht mehr gesondert angesetzt werden können. In beihilferechtlicher Hinsicht sei der Ansatz der GOÄ-Nr. 2702 deshalb nicht angemessen gewesen.
6
Zur Weiterverfolgung ihres Rechtsschutzbegehrens ließ die Klägerin am 23. November 2018 Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben.
7
Entgegen der Auffassung des Beklagten seien zusätzliche selbständige Maßnahmen im Zusammenhang mit der Umformung des Kiefers nicht vom Leistungsumfang nach GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 umfasst und könnten damit gesondert berechnet werden. Die insoweit einschlägigen Gebührentatbestände der GOZ-Nrn. 6140 bis 6160 würden zwar das Anpassen, die Einprobe und das Einsetzen umfassen, keinesfalls aber die Entfernung. Diese Einschätzung werde auch vom Kommentar der Bundeszahnärztekammer geteilt; dieser gehe namentlich davon aus, dass die GOZ-Nr. 6150 zwar unter anderem für die Wiedereingliederung eines gelösten Bogens oder die erneute Eingliederung desselben Bogens berechnet werden könne, für die Entfernung eines ungeteilten Bogens aber die GOÄ-Nr. 2702 einschlägig sei. Zum selben Ergebnis gelange auch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. August 2017 - gemeint ist wohl 24. April 2014 - (12 K3839/12), auf dessen Ausführungen und Begründungen vollinhaltlich Bezug genommen werde. Ferner sei auf ein Urteil des Amtsgerichts Ravensburg vom 19. Januar 2017 (5 C 887/16) sowie ein Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 19. Juli 2017 (6 C 2064/16) zu verweisen, die jeweils zu dem Ergebnis gelangen würden, dass die Entfernung eines ungeteilten Bogens nicht von den Leistungsbeschreibungen der GOZ-Nrn. 6140 und 6150 erfasst seien und deshalb nach GOÄ-Nr. 2702 in Ansatz gebracht werden dürften.
8
Die Klägerin beantragt,
1.
Der Bescheid des Beklagten vom 18. September 2018 wird insoweit aufgehoben, als darin die Gewährung von Beihilfe für Aufwendungen der Klägerin für die kieferorthopädische Behandlung ihres Sohnes … aus der Rechnung der … vom 4. Juli 2018 nach GOÄ-Nr. 2702 (Ausgliedern eines Teil-/Vollbogens) versagt wird.
2.
Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 23. Oktober 2018 wird aufgehoben.
3.
Der Beklagte wird verpflichtet, die Aufwendungen der Klägerin für die kieferorthopädische Behandlung ihres Sohnes …, aus der Rechnung der … vom 4. Juli 2018 nach GOÄ-Nr. 2702 (Ausgliedern eines Teil-/Vollbogens) mit einem Beihilfesatz von 80% zu übernehmen.
9
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
10
Das Ausgliedern eines Teil- bzw. Vollbogens stelle keine selbständige Leistung im Sinne des § 6 Abs. 2 GOZ dar, so dass auch eine Vergütung nach dem Gebührenverzeichnis der GOÄ ausscheiden müsse. Vielmehr seien alle im Behandlungsplan vorgesehenen Maßnahmen innerhalb eines Zeitraums von bis zu vier Jahren unabhängig von der angewandten Behandlungsmethode oder den verwendeten Therapiegeräten bereits von den Gebührenvorschriften der GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 erfasst. Bei der Ausgliederung eines eingegliederten Bogens handle es sich insoweit um einen methodisch notwendigen Leistungsbestandteil, ohne den die Umstellung des Kiefers nicht abgeschlossen werden könne.
11
Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
12
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vom Beklagten vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13
Die zulässige Klage, über die das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, erweist sich in der Sache als unbegründet.
I.
14
Der als Verpflichtungsbegehren formulierte Klageantrag ist nach § 88 VwGO vor dem Hintergrund des erkennbaren Rechtsschutzziels dahingehend auszulegen, dass der Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheids vom 18. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2018 dazu verpflichtet wird, der Klägerin für die aus der Rechnung der … vom 4. Juli 2018 entstandenen Aufwendungen aus der kieferorthopädischen Behandlung ihres Sohnes … eine weitere Beihilfe über 67,15 EUR zu gewähren.
15
Seitens des Beklagten wurden die Aufwendungen über 612,64 EUR, die der Klägerin aus der Rechnung der … vom 4. Juli 2018 entstanden sind, um die nach GOÄ-Nr. 2702 veranschlagte Summe von insgesamt 83,94 EUR gekürzt und in Höhe des verbleibenden Betrags von 528,70 EUR als beihilfefähig anerkannt. Unter Zugrundelegung eines persönlichen Beihilfebemessungssatzes von 80% für den Sohn der Klägerin (Art. 96 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayBG) erfolgte demnach eine Beihilfegewährung über 422,96 EUR. Ohne eine solche Kürzung hätten sich die beihilfefähigen Aufwendungen auf die volle Summe von 612,64 EUR belaufen, woraus sich eine Beihilfe von 490,11 EUR ergeben hätte. Offen bleibt mithin ein Differenzbetrag von 67,15 EUR.
II.
16
Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2018 erhoben, § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zwar kann den Akten der Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids an die Klägerin nicht entnommen werden. Selbst für den Fall, dass diese noch am Tag des Erlasses erfolgt wäre, erweist sich die Klageerhebung am 23. November 2018 aber als fristgerecht.
III.
17
In der Sache jedoch bleibt die Klage ohne Erfolg. Die Beschränkung der Beihilfe für die Aufwendungen aus der Rechnung vom 4. Juli 2018 auf den Betrag von 422,96 EUR, wie sie der Beklagte mit Beihilfebescheid vom 18. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2018 vorgenommen hat, erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 67,15 EUR, weil der Ansatz der Gebühren nach GOÄ-Nr. 2702 über insgesamt 83,94 EUR in der Rechnung vom 4. Juli 2018 zu Unrecht erfolgt ist und sich damit in beihilferechtlicher Hinsicht als unangemessen erweist.
18
1. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Beihilfe ist Art. 96 BayBG in Verbindung mit den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV). Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (BVerwG, U.v. 2.4.2014 - 5 C 40.12 - juris Rn. 9; U.v. 8.11.2012 - 5 C 4.12 - juris Rn. 12). Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird.
19
Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen richtet sich grundsätzlich nach § 15 BayBhV, wobei hier im Hinblick auf die am 17. April 2018 sowie am 26. Juni 2018 erfolgte Behandlung die in der Zeit vom 1. April 2011 bis zum 31. Dezember 2018 gültige Fassung der Vorschrift maßgeblich ist. Gemäß § 15 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn vor Behandlungsbeginn ein Heil- und Kostenplan vorgelegt wird und die behandelte Person das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat vor dem Beginn der kieferorthopädischen Behandlung ihres Sohnes den kieferorthopädischen Behandlungs- und Kostenplan der … vom 12. Oktober 2017 beim Beklagten vorgelegt. Auch hat der … 2005 geborene Sohn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet.
20
Allerdings trifft § 15 BayBhV keinerlei Aussage zur Beihilfefähigkeit der im Rahmen einer derartigen kieferorthopädischen Behandlung konkret erbrachten zahnärztlichen Einzelleistungen. Die Bewertung der Angemessenheit dieser Einzelleistungen selbst erfolgt daher nach den Vorgaben des § 7 BayBhV (Mildenberger, Beihilfevorschriften, 166. AL November 2016, BayBhV, § 15 Anm. 1). Es gilt hier - die Behandlung ist am 17. April 2018 sowie am 26. Juni 2018 erfolgt - die in der Zeit vom 1. September 2017 bis zum 31. Dezember 2018 gültige Fassung des § 7 BayBhV. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind die in der Verordnung vorgesehenen Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig sowie der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Die Angemessenheit der Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen beurteilt sich dabei ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayBhV. Streitig ist hier alleine die Frage nach der Angemessenheit der gesonderten Gebührenberechnung für die im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung vorgenommene Ausgliederung von Teil- bzw. Vollbögen, die in der Rechnung vom 4. Juli 2018 konkret auf GOÄ-Nr. 2702 gestützt wurde.
21
2. Nach den Vorschriften der GOZ kommt ein gesonderter Gebührenansatz für das Ausgliedern von Teil- bzw. Vollbögen im Rahmen einer kieferorthopädischen Heilbehandlung nicht in Betracht und erweist sich daher in beihilferechtlicher Hinsicht als unangemessen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - auch eine Berechnung der Gebühren nach GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 stattgefunden hat.
22
a) Zunächst ist ein solcher Kostenansatz für die Ausgliederung von Teil- bzw. Vollbögen im Gebührenverzeichnis der GOZ nicht vorgesehen.
23
Gemäß § 4 Abs. 1 GOZ werden die im Gebührenverzeichnis der GOZ genannten zahnärztlichen Leistungen durch Gebühren vergütet. Die Vergütung von kieferorthopädischen Leistungen ist dabei im Abschnitt G dieses Verzeichnisses in den GOZ-Nrn. 6000 ff. geregelt. Während die GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 - je nach Umfang - grundsätzlich alle Maßnahmen zur Umformung eines Kiefers einschließlich Retention erfassen, enthalten die GOZ-Nrn. 6100 ff. bestimmte, daneben zur gesonderten Berechnung vorgesehene kieferorthopädische Einzelleistungen.
24
Ein entsprechender Gebührentatbestand für die Ausgliederung von Teil- bzw. Vollbögen ist dort aber nicht vorgesehen. So betreffen die GOZ-Nrn. 6140 bzw. 6150 alleine die Eingliederung eines Teilbogens bzw. eines ungeteilten Bogens. Die GOZ-Nrn. 6110 und 6130 sind auf die Entfernung von Klebebrackets und Bändern beschränkt.
25
b) Daneben kommt ein solcher Kostenansatz auch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ in Verbindung mit der entsprechenden Anwendung einer Leistung nach dem Gebührenverzeichnis nicht in Betracht.
26
§ 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ sieht vor, dass selbständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden können. Davon abgesehen, dass die vorliegend berechnete Ausgliederung von Teil- bzw. Vollbögen bereits keine selbständige zahnärztliche Leistung darstellt, enthält das Gebührenverzeichnis jedenfalls keinen nach Art und Aufwand vergleichbaren Leistungstatbestand.
27
Ausscheiden muss namentlich eine entsprechende Anwendung der GOZ-Nrn. 6140 und 6150. Zwar betreffen diese - auf die Eingliederung beschränkten - Gebührenvorschriften den hier streitigen Leistungsgegenstand „Teilbögen und ungeteilte Bögen“. Ein entsprechender Ansatz der GOZ-Nrn. 6140 und 6150 für die Ausgliederung derartiger Bögen kommt jedoch bereits deshalb nicht infrage, weil sie für den damit einhergehenden Kosten- und Zeitaufwand in der Regel zu hoch bewertet sind (LZK BW, Zahnärzteblatt 1/2018, 50; s. auch AG Ravensburg, U.v. 19.1.2017 - 5 C 887/16).
28
c) Schließlich muss ein gesonderter Kostenansatz für die im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung erbrachte Ausgliederung von Teil- bzw. Vollbögen nach § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 5 GOZ i.V.m. GOÄ-Nr. 2702 ebenfalls ausscheiden.
29
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 GOZ kann eine selbständige zahnärztliche Leistung, sofern eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung im Gebührenverzeichnis dieser Verordnung nicht enthalten ist, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) berechnet werden. Eine solche Berechnung setzt nach § 6 Abs. 2 GOZ voraus, dass die betreffende Leistung nicht als selbständige Leistung oder Teil einer anderen Leistung im Gebührenverzeichnis der GOZ enthalten ist und die Leistungen, die der Zahnarzt erbringt, in einem der dort abschließend aufgezählten Abschnitte des Gebührenverzeichnisses der GOÄ aufgeführt sind.
30
Die in der Rechnung vom 4 Juli 2018 zum Ansatz gebrachte GOÄ-Nr. 2702 befindet sich zwar innerhalb des nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 GOZ entsprechend anwendbaren Abschnitts L IX des Gebührenverzeichnisses der GOÄ. Des Weiteren ist im Gebührenverzeichnis der GOZ keine vergleichbare und damit entsprechend anwendbare Leistung vorgesehen; insbesondere kann eine Ausgliederung von Bögen nicht in entsprechender Anwendung der GOZ-Nrn. 6140 und 6150 berechnet werden, s.o. Die damit grundsätzlich eröffnete Möglichkeit zum Gebührenansatz entsprechend GOÄ-Nr. 2702 scheitert jedoch daran, dass die Ausgliederung eines Teil- bzw. Vollbogens gerade keine selbständige zahnärztliche Leistung darstellt. Vielmehr ist die Ausgliederung von Teil- bzw. Vollbögen als unselbständiger Teil der nach den GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 berechneten Maßnahmen anzusehen.
31
Dieses Ergebnis ist in der Rechtsprechung und Literatur weitestgehend anerkannt (vgl. etwa: VG Münster, U.v. 22.2.2017 - 5 K 397/16 - juris Rn. 22 ff.; VG Saarlouis, U.v. 5.4.2016 - 6 K 2038/13 - juris Rn. 33 ff.; PKV-Kommentar zur GOZ, Stand: 13.11.2019, Erl. zu GOZ-Nrn. 6030 ff., S. 190 m.w.N. aus der Rspr. der ordentlichen Gerichte). Einzig die Kommentierung der Bundeszahnärztekammer befürwortet - allerdings ohne Begründung - auch im Anwendungsbereich der GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 die zusätzliche Berechnungsmöglichkeit der Entfernung von Teil- bzw. Vollbögen entsprechend GOÄ-Nr. 2702 (BZÄK, GOZ-Kommentar, Stand: 2.3.2015, Erl. zu GOZ-Nr. 6040, S. 207; Erl. zu GOZ-Nr. 6050, S. 209). Die nachfolgend ausgeführten Erwägungen sprechen indessen gegen die Zulässigkeit eines derartigen Ansatzes der GOÄ-Nr. 2702 neben den GOZ-Nrn. 6030 bis 6080.
32
Ausweislich der Leistungsbeschreibung zu GOZ-Nr. 6080 umfassen die Maßnahmen im Sinne der GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraums von bis zu vier Jahren, unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegeräten. Sie honorieren damit die intellektuelle Leistung des Zahnarztes, die geplanten Zahnbewegungen zielgerichtet durchzuführen und zu steuern und den Behandlungsfortschritt zu überwachen. Bei jeder Kontrolle des Behandlungserfolgs prüft der Zahnarzt, ob die zu erwartende Veränderung der Zahn- oder Kieferstellung eingetreten ist und wie dann therapeutisch weiter zu verfahren ist. Ebenfalls vom Leistungsumfang erfasst ist die Konzeption der Retentionsmaßnahme am Ende der aktiven Behandlung. Damit erfassen die GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 alle Zielleistungen, die speziell zur kieferorthopädischen Behandlung im eigentlichen Sinne gehören. Ausgehend davon, dass dies unabhängig von der konkret angewandten Behandlungsmethode gilt, gehört die Ausgliederung eines eingegliederten Bogens am Ende der aktiven Behandlung zum Leistungsumfang der Behandlung. Die Ausgliederung der eingegliederten Bögen ist ein methodisch notwendiger Leistungsbestandteil, ohne den die Umstellung des Kiefers nicht abgeschlossen werden kann (zum Ganzen: VG Münster, U.v. 22.2.2017 - 5 K 397/16 - juris Rn. 24 ff.).
33
Gegen die gesonderte Abrechnungsfähigkeit des Ausgliederns von Teil- bzw. Vollbögen neben den GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 spricht ferner die Existenz der GOZ-Nrn. 6100 ff.; diese beschreiben jeweils bestimmte kieferorthopädische Einzelleistungen, die als selbständige Leistungen neben den GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 gesondert abrechenbar sind. Wie bereits dargelegt, sind dort unter anderem die Entfernung eines Klebebrackets (GOZ-Nr. 6110) und die Entfernung von Bändern (GOZ-Nr. 6130) aufgeführt. Es fällt auf, dass die GOZ-Nrn. 6140 und 6150 zwar eine gesonderte Abrechnung der Eingliederung von Teilbögen und ungeteilten Bögen zulassen, eine Regelung zur Entfernung dieser Bögen - anders als in Bezug auf Klebebrackets und Bänder - jedoch nicht vorgesehen ist. Nach Auffassung des Gerichts fehlt es damit an einer planwidrigen Regelungslücke, wie sie für eine entsprechende Anwendung der GOÄ-Nr. 2702 erforderlich wäre. Der Verordnungsgeber hat also bewusst keine eigene Gebührenposition für die Entfernung von Bögen bzw. Teilbögen vorgesehen, sondern mit den GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 eine Abrechnungsbestimmung geschaffen, die die gesonderte Berechnung dieser Maßnahmen ausschließt, so dass auch eine analoge Berechnung der Entfernung von Bögen bzw. Teilbögen nicht zulässig ist (PKV-Kommentar zur GOZ, Stand: 13.11.2019, Erl. zu GOZ-Nrn. 6030 ff., S. 190).
34
Für dieses Ergebnis spricht schließlich ein Vergleich der Neufassung der GOZ durch Änderungsverordnung vom 5. Dezember 2011 (BGBl. I 2661) mit der ursprünglichen Fassung vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I 2316). Nach alter Rechtslage war es weitgehend anerkannt, dass eine gesonderte Abrechnung der Ausgliederung von Teilbögen nicht in Betracht kam, wobei diese Auffassung auch von der damaligen Kommentierung der Bundeszahnärztekammer geteilt wurde (vgl. PKV-Kommentar zur GOZ, Stand: 13.11.2019, Erl. zu GOZ Nrn. 6030 ff., S. 190). Mit der Neufassung der GOZ hat der Verordnungsgeber neue Regelungen zur Verbesserung und Klarstellung der Abrechnungsfähigkeit bestimmter Leistungen (so z.B. für die professionelle Zahnreinigung, die adhäsive Befestigung, die Glattflächenversiegelung bei Fissuren und die Herstellung von Provisorien) aufgenommen, wenngleich damit keine abschließende Aufzählung aller abrechnungsfähigen Leistungen einhergehen sollte. Es wurde damit zwar nicht für jede Leistung, die nach alter Rechtslage nicht abrechenbar war, ein neuer Abrechnungstatbestand geschaffen. Hätte der Verordnungsgeber diese bisher eindeutige Rechtslage aber ändern wollen, so hätte sich die Schaffung einer entsprechenden Regelung für die - mit Sicherheit nicht selten durchzuführende - Ausgliederung von Bögen freilich geradezu aufgedrängt (zum Ganzen: VG Münster, U.v. 22.2.2017 - 5 K 397/16 - juris Rn. 26).
35
Gegenteiliges kann auch den von der Klägerin angeführten Urteilen des Verwaltungsgerichts Stuttgart (U.v. 24.4.2014 - 12 K 3839/12), des Amtsgerichts Ravensburg (U.v. 19.1.2017 - 5 C 887/16) und des Amtsgerichts Ludwigsburg (U.v. 19.7.2017 - 6 C 2064/16) nicht entnommen werden. So betreffen diese Urteile allesamt die vorliegend nicht entscheidungserhebliche Frage, ob neben den GOZ-Nrn. 6140 und 6150 ein gesonderter Ansatz nach GOÄ-Nr. 2702 für die Ausgliederung von Bögen erfolgen kann. Namentlich dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart ist zu entnehmen, dass dort - anders als hier - ein Ansatz der GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 nicht erfolgt ist. Mithin können die in dieser Rechtsprechung getroffenen Wertungen schon deshalb nicht auf die vorliegend zu entscheidende Fallkonstellation übertragen werden, weil die gesonderte Berechnung der GOÄ-Nr. 2702 für das Ausgliedern von Teil- bzw. Vollbögen hier gerade aufgrund des in der Rechnung vom 4. Juli 2018 erfolgten Ansatzes der GOZ-Nrn. 6040, 6050 und 6080 ausgeschlossen ist, s.o.
IV.
36
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.