Inhalt

AG Amberg, Beschluss v. 09.04.2020 – 6 Gs 591/20
Titel:

Zeitpunkt der Antragstellung bei Bestellung eines Anwalts als Pflichtverteidiger entscheidend

Normenketten:
StPO § 140 Abs. 2, § 141 Abs. 4, 142, § 154 Abs. 1
EMRK Art. 6
Leitsatz:
Die Ablehung der Beiordnung als Pflichtverteidiger kann nicht mit der Begründung des Verfahrensabschlusses abgelehnt werden, wenn die Antragstellung bereits vor Abschluss der Verfahrens erfolgt ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antragstellung, Beiordnung, Pflichtverteidigung, Notwendige Verteidigung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7655

Tenor

Dem Beschuldigten wird gemäß § 140 Abs. 2 StPO i.V.m. §§ 141 Abs. 4, 142 StPO Rechtsanwalt xxx, xxx, 9 Altdorf als Pflichtverteidiger bestellt.

Gründe

1
Es liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor, § 140 Abs. 2 StPO.
2
Der Beschuldigte steht unter Führungsaufsicht. Gegen ihn ist eine Anklage am Amtsgericht Amberg wegen besonders schweren Fall des Diebstahls und Sachbeschädigung anhängig. Ferner führt die Staatsanwaltschaft Amberg Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das BtMG sowie des Computerbetrugs. Das hiesige Verfahren hat ebenfalls den Vorwurf des Computerbetrugs zum Gegenstand und wurde unter dem 02.03.2020 in Bezug auf die vorgenannte Anklage gem. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
3
Mit Schreiben vom 01.02.2020 sowie vom 18.02.2020 beantragte der Verteidiger seine Beiordnung als Pflichtverteidiger.
4
Die Staatsanwaltschaft verneinte die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung.
5
In der Rechtsprechung ist umstritten, ob eine Beiordnung noch in Betracht kommt, wenn das Verfahren bereits abgeschlossen ist. Das Gericht teilt diejenige Auffassung, die unter Verweis auf das Rechtsstaatsgebot und Art. 6 EMRK auf den Zeitpunkt der Antragstellung der Beiordnung als Pflichtverteidiger abstellt. Es liegt ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich in der Hand der Justiz, zeitnah über den Antrag zu befinden. Dem Beschuldigten ist eine Einflussnahme hierauf weitgehend entzogen. Es darf daher dem Beschuldigten nicht zum Nachteil gereichen, wenn nach Eingang und vor Verbescheidung des Antrags das Verfahren eingestellt wird. Es kommt vorliegend hinzu, dass das Verfahren lediglich vorläufig eingestellt ist. Das Erfordernis einer weiteren Verteidigung in diesem Verfahren kann durchaus auftreten. Im Übrigen kann auch die vorliegende Straftat, die von der Verfolgung ausgenommen ist, bei der Strafzumessung in dem anderweitigen gerichtlich anhängigen Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt werden.