Inhalt

LG München I, Endurteil v. 13.02.2020 – 5 HK O 2393/19
Titel:

Abschluss eines Vorstandsdienstvertrages durch vollmachtlosen Vertreter

Normenketten:
AktG § 108, § 112
BGB § 177, § 179 Abs. 1, 3
Leitsätze:
1. Die Vorschriften der §§ 177 ff. BGB finden auf die gesetzliche oder organschaftliche Vertretung Anwendung. (Rn. 16)
2. Fehlt für den Abschluss eines Vorstandsdienstvertrags der Beschluss des Aufsichtsrats, so handelt der Aufsichtsratsvorsitzende als Vertreter ohne Vertretungsmacht, wenn er einen entsprechenden Vertrag abschließt. (Rn. 17)
3. Der Vertragspartner darf grundsätzlich auf die behauptete Vertretungsmacht vertrauen, ohne zu Nachforschungen über deren Bestand und Umfang verpflichtet zu sein. (Rn. 19)
4. Nimmt der Vorstandsdienstvertrag auf die Bestellung zum Organ Bezug, ohne dass ein Beschlussdatum angegeben ist, trifft das potentielle Vorstandsmitglied indes eine Nachforschungsobliegenheit. Bei deren Verletzung ist ein Schadensersatzanspruch aus § 179 III BGB ausgeschlossen. (Rn. 20)
Schlagworte:
Vorstandsdienstvertrag, Vertretungsmacht, Aufsichtsratsbeschluss, Vertreter ohne Vertretungsmacht, Vertrauensschutz, Nachforschungsobliegenheit, Schadensersatzanspruch, Ausschluss
Fundstellen:
EWiR 2020, 491
ZIP 2020, 971
AG 2020, 446
BeckRS 2020, 7299
LSK 2020, 7299

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf € 100.000,- festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um das Bestehen von Schadensersatzansprüchen gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden der F... AG.
I.
2
Die zuvor für ein Unternehmen von ... B... arbeitende Klägerin - von Beruf Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht - führte am 19.6.2017 ein Gespräch mit dem Vorstand der F... AG - ein den Vorschriften des KWG unterliegendes Finanzdienstleistungsinstitut -, in dem es um den möglichen Beginn eine: Tätigkeit der Klägerin als Vorstand für dieses Unternehmen ging. Am 23.8.2017 lernte die Klägerin den Beklagten, der Aufsichtsratsvorsitzender der F... AG war, bei einem weiteren Gespräch kennen. Im Anschluss daran erhielt die Klägerin den Entwurf eines Vorstandsdienstvertrages (Anlage K 3) zugesandt. In einer Sitzung des Aufsichtsrats vom 22.09.2017 wurde über den Entwurf gesprochen, ohne dass es zu einer Beschlussfassung über den Vertragsabschluss kam. Auch in der Folgezeit erfolgte keine Beschlussfassung des Aufsichtsrats der F... AG über den Abschluss eines derartigen Vertrages mit der Klägerin. Ebenso wenig kam es zum Beschluss über die Bestellung der Klägerin zum Vorstandsmitglied.
3
Mit Schreiben vom 26.10.2017 (Anlage K 5) übersandte der Beklagte der Klägerin den von ihm für den Aufsichtsrat unterzeichnete Schriftstück mit der Bezeichnung „Dienstvertrag“ sowie eine Ergänzung hierzu in zweifacher Ausfertigung zur Unterzeichnung und Rücksendung eines gegengezeichneten Exemplars an die F... AG in Frankfurt am Main. Das sodann auch von der Klägerin unterzeichnete Schriftstück enthielt unter anderem folgende Passagen:
„§ 1 Bestellung zum Mitglied des Vorstands
1. Der Aufsichtsrat der F... hat Frau Z... durch Beschluss vom für die Zeit vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2020 zum ordentlichen Mitglied des Vorstands der Gesellschaft bestellt. Voraussetzung ist außerdem, dass seitens der Aufsichtsbehörden keine Einwände gegen die Bestellung bestehen.
...
§ 3 Bezüge
1. FIXUM
Frau Z... erhält für ihre Tätigkeit ein Gehalt in Höhe von € 175.000,-, welches in zwölf gleichen Monatsraten gezahlt wird. Das Gehalt ist jeweils am 15. eines jeden Kalendermonats fällig. Ab dem 1.1.2019 wird das Jahresgehalt um einen Betrag in Höhe von € 10.000 angehoben.
...“
4
Der Beklagte sowie das Vorstandsmitglied C... B... schickten der Klägerin ein von ihnen unterzeichnetes Schreiben vom 27.11.2017 (Anlage K 7), in dem sie mitteilten, der Aufsichtsrats könne und werde der Bestellung der Klägerin zum Vorstand und dem Abschluss des entsprechenden Dienstvertrages mit der F... AG nicht zustimmen.
5
Verhandlungen über eine anschließende Tätigkeit der Klägerin als Generalbevollmächtigte blieben ohne Erfolg. Mit Schreiben vom 19.2.2018 (Anlage B 4) bot die Klägerin der F... AG ihre Dienste als Vorstandsmitglied an. Die Rechtsanwälte der Gesellschaft teilten der Klägerin mit Schreiben vom 22.2.2018 (Anlage K 8) mit, Ansprüche der Klägerin aus dem Vorstandsdienstvertrag abzulehnen.
6
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Schriftwechsels sowie des als Dienstvertrag bezeichneten Schriftstücks wird in vollem Umfang auf die Anlagen K 5, bis K 8 sowie B 4 Bezug genommen.
II.
7
Zur Begründung ihrer offenen Teilklage, die die Vergütung für die Monate Januar 2018 bis Juni 2018 in Höhe von jeweils € 14.583,33 sowie die anteilige Vergütung für Juli 2018 in Höhe von € 12.500,02 umfasst, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, ihr stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz zu, weil er ihr als Vertreter ohne Vertretungsmacht auf Schadensersatz hafte. Von dem fehlenden Beschluss des Aufsichtsrates habe sie keine Kenntnis gehabt. Vielmehr habe ihr das Vorstandsmitglied Dr. S... nach der Aufsichtsratssitzung vom 22.9.2019 gesagt, man freue sich auf die Zusammenarbeit. Eine Verpflichtung zur Nachfrage beim Beklagten nach dessen Bevollmächtigung habe angesichts der typischerweise durch den Aufsichtsratsvorsitzenden erfolgenden Vertretung bei der Umsetzung von Aufsichtsratsbeschlüssen nicht bestanden. Auch sei sie intern schon als neuer Vorstand vorgestellt worden; den Führungskräften der F... AG sei mitgeteilt worden, die Klägerin werde zum 1.1.2018 als Vorstand anfangen. Zudem habe sie einen Mitarbeiter angesichts der intendierten engen Zusammenarbeit mit diesem näher kennenlernen sollen. Bei einem Rotary-Meeting am 11.10.2017 habe sie Herrn B... begleitet; dort seien sie als Vorstandskollegen vorgestellt worden. Auch gegenüber einer Kundin habe Herr B... die Klägerin in einem Schreiben vom 13.10.2017 (Anlage K 15) bereits erwähnt. Das Vertrauen auf ihre Ernennung ergebe sich auch aus der Einladung zur Wirtschaftsbeiratssitzung der F... entsprechend einer E-Mail vom 25.10.2017 (Anlagen K 16 und K 17). Da auch bereits ein Geschäftswagen ausgesucht und die Möglichkeiten einer Parkplatzanmietung erörtert worden seien, habe die Klägerin vom Vorliegen eines entsprechenden Beschlusses über den Abschluss des Vorstandsdienstvertrages ausgehen müssen. Angesichts der Trennungstheorie zwischen Bestellungsakt und schuldrechtlichem Dienstvertrag habe sie keine Kenntnis von dem fehlenden Aufsichtsratsbeschluss haben müssen; gerade als Volljuristin kenne sie die Unterschiede. Die Klägerin sei schon vor dem 19.2.2018 leistungsbereit gewesen und habe dies deutlich gemacht. Trotz ihrer Bemühungen habe sie keine adäquate Stelle gefunden, weshalb sie kein Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht treffe. Die Vertretung als Generalbevollmächtigte sei angesichts der stark abweichenden Konditionen nicht annahmefähig gewesen. Die Tätigkeit als Rechtsanwältin sei wegen der im Vertrag enthaltenen Genehmigung als Nebentätigkeit nicht schadensmindernd anzusetzen.
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Die Klägerin beantragt daher:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 100.000,- nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
III.
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Die Beklagte beantragt demgegenüber:
Klageabweisung.
10
Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, dem Anspruch stehe bereits die Kenntnis der Klägerin von der fehlenden Vertretungsmacht des Beklagten entgegen, da sie über den fehlenden Beschluss in der Aufsichtsratssitzung vom 22.9.2017 informiert worden sei. Dies ergebe sich insbesondere auch aus dem Leerraum im übersandten Vertrag, der Erklärungswert habe, was der Vergleich mit dem ersten Vertragsentwurf zeige. Jedenfalls aber hätte die Klägerin die fehlende Vertretungsmacht kennen müssen. Angesichts der Umstände des Einzelfalles hätte es Veranlassung gegeben, sich danach zu erkundigen, ob der Vertreter die behauptete Vertretungsmacht tatsächlich habe, wobei berufliches Sonderwissen zu berücksichtigen sei. Die nicht ausgefüllte Passage im Vorstandsdienstvertrag böte Anhaltspunkte für das Fehlen eines Aufsichtsratsbeschlusses und damit die Notwendigkeit einer Nachfrage. Zudem fehle es an einem kausalen Schaden, weil die Klägerin den Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nicht gerecht worden wäre und es nach dem Vertrag genüge, wenn die Aufsichtsbehörde „Einwände“ habe. Bis zum 19.2.2018 fehle es an der Leistungsbereitschaft der Klägerin. Auch müsse sie sich anderweitigen Verdienst wie auch Leistungen der Bundesagentur für Arbeit anrechnen lassen. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin keinen anderweitigen Verdienst erzielt habe. Auch liege eine Verletzung der Schadensminderungspflicht vor, weil die Klägerin den bereits ausgehandelten Vertrag als Generalbevollmächtigte grundlos nicht unterschrieben habe. Als Rechtsanwältin stehe ihr zudem mit ihrer Qualifikation der Arbeitsmarkt in München offen, weshalb jedenfalls das hypothetische Arbeitslosengeld in Abzug zu bringen sei und sie sich möglicherweise unterbliebenen eigenen Verdienst anrechnen lassen müsse.
IV.
11
Die Klägerin hat gegen die F... AG vor dem Landgericht Frankfurt am Main Klage auf Zahlung der (Vorstands-)Bezüge im Rahmen eines Urkundsprozesses, Az. 3-03 O 28/18 erhoben und dem hiesigen Beklagten den Streit verkündet. Das dortige Verfahren ist von den Parteien ruhend gestellt worden.
V.
12
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2019 (Bl. 58/60 d.A.).

Entscheidungsgründe

I.
13
Die Teilklage ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz nicht zusteht.
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1. Ein solcher Anspruch kann nicht aus § 179 Abs. 1 BGB hergeleitet werden, weil dieser Anspruch aufgrund von § 179 Abs. 3 BGB im vorliegenden Fall ausgeschlossen ist.
15
a. Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, aufgrund der Vorschrift des § 179 Abs. 1 BGB dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrages verweigert, was die F... AG durch das Anwaltsschreiben vom 22.2.2018 getan hat.
16
(1) Die Vorschriften der §§ 177 ff. BGB finden auf die gesetzliche oder organschaftliche Vertretung grundsätzlich Anwendung; dies bedeutet keinen Verstoß gegen die zwingenden gesetzlichen oder organschaftlichen Vertretungsregelungen, weil durch die Anwendung der §§ 177 ff. BGB keine unzulässige Übertragung der gesetzlichen oder organschaftlichen Willensbildung und Willenserklärung erfolgt. Eine denkbare - hier aber unstreitig nicht erfolgte - Genehmigung des durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Vertrages - kann dann nämlich nur durch das gesetzlich zuständige Vertretungsorgan erfolgen (vgl. BGH NZG 2013, 792, 794 = AG 2013, 562, 564 f. = WM 2013, 1220, 1222 = DB 2013, 1403, 1404 f. = Der Konzern 2013, 405, 407 = MDR 2013, 858; OLG Karlsruhe AG 1996, 224, 225 = WM 1996, 161, 164 f.; Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 112 Rdn. 31.; Spindler in: Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 112 Rdn. 50; Mertens/Cahn in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 112 Rdn. 11; Cahn in: Festschrift für Hoffmann-Becking, 2013, S. 247, 266).
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(2) Im Ausgangspunkt muss vorliegend davon ausgegangen werden, dass der Beklagte hier als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, weil der Aufsichtsrat unstreitig keinen Beschluss über den Abschluss eines Vorstandsdienstvertrages zwischen der Klägerin und der F... AG gefasst hat. Ein derartiger Beschluss durch das gemäß § 112 AktG für Verträge mit einem (künftigen) Vorstandsmitglied zuständige Organ ist indes aufgrund der Vorschrift des § 108 AktG zwingende Voraussetzung für das Tätigwerden des Aufsichtsratsvorsitzenden im Verhältnis zur Klägerin, weil der Beschluss die Handlungsform für das rechtlich relevante Tätigwerden des Aufsichtsrats ist (vgl. Oltmanns in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 84 Rdn. 12; Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl., § 112 Rdn. 12; Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 112 Rdn. 22). Da ein entsprechender Aufsichtsratsbeschluss nicht zustande kam, handelte der Beklagte bei der auf den Vertragsabschluss mit der Klägerin gerichteten Willenserklärung als Vertreter ohne Vertretungsmacht.
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b. Allerdings ist die Haftung des Beklagten aufgrund von § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift haftet der Vertreter ohne Vertretungsmacht nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kennen musste, was vorliegend zu bejahen ist.
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(1) Für das Kennenmüssen im Sinne des § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB kommt es darauf an, ob die Unkenntnis auf Fahrlässigkeit beruht. Danach führt im Ausgangspunkt jede Fahrlässigkeit zum Ausschluss der Haftung. Die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt liegt indes nur vor, wenn die Umstände des Falles den Vertragspartner dazu veranlassen mussten, sich darüber zu erkundigen, ob der Vertreter die zumindest stillschweigend behauptete Vertretungsmacht tatsächlich hat. Da im Interesse der Verkehrssicherheit in § 179 Abs. 1 BGB eine gesetzliche Garantiehaftung vorgesehen ist, darf der Vertragspartner - hier also die Klägerin - grundsätzlich auf die behauptete Vertretungsmacht vertrauen, ohne zu Nachforschungen über deren Bestand und Umfang verpflichtet zu sein. Nur wenn er Anhaltspunkte für eine fehlende Vertretungsmacht hat und diesen Bedenken nicht nachgeht, ist er nicht schutzwürdig (vgl. BGHZ 105, 283, 285 f. = NJW 1989, 894 = ZIP 1988, 1573, 1574 = DB 1989, 99 = MDR 1989, 246; BGHZ 147, 381, 385 = NJW 2001, 2626, 2627 = WM 2001, 1723, 1724 = MDR 2001, 1053 = VersR 2002, 568, 569 = JR 2002, 278, 279; Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 179 Rdn. 56; Maier-Reimer in: Erman, BGB, 15. Aufl., § 179 Rdn. 18; Schilken in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 179 Rdn. 19; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., § 179 Rdn. 19; Cahn in: Festschrift für Hoffmann-Becking, a.a.O. S. 247, 268).
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(2) Vorliegend hätte die Klägerin Nachforschungen anstellen müssen, nachdem in dem Vorstandsdienstvertrag das Datum des Beschlusses über ihre Bestellung zum Mitglied des Vorstandes durch eine Leerstelle in § 1 Ziffer 1 des Vertrages nicht angegeben war. Aus dem fehlenden Datum in Bezug auf die Bestellung zum Organ wird deutlich, dass ein derartiger Beschluss über die Bestellung zum Mitglied des Vorstandes nicht gefasst wurde. Dies hätte dann aber Anlass geboten nachzufragen, inwieweit der Aufsichtsrat den ebenso erforderlichen Beschluss über den Abschluss des Vorstandsdienstvertrages gefasst hat. Zwar ist weithin anerkannt, dass die Organbestellung und der schuldrechtliche Anstellungsvertrag rechtlich voneinander unabhängig und daher zu trennen sind (vgl. BGH NJW 2003, 351 = NZG 2003, 84 = ZIP 2003, 28, 29 = WM 2002, 2508 f. = DB 2002, 2705, 2706 = BB 2002, 2629, 2630 = MDR 2003, 341 = DNotZ 2003, 149; Oltmanns in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 84 Rdn. 2; Fleischer in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 7; Kort in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 84 Rdn. 1; Bürgers in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Auf., § 84 Rdn. 1). Aus dieser rechtlichen Trennung der beiden Ebenen von korporationsrechtlichem Vorstandsamt und schuldrechtlichem Anstellungsvertrag kann jedoch nicht auf eine fehlende Nachfrageobliegenheit geschlossen werden, wenn sich aus dem Vorstandsdienstvertrag ein klarer Hinweis auf den fehlenden Beschluss über die Bestellung zum Organ ergibt. Der Anstellungsvertrag wird nur wegen der körperschaftlichen Bestellung abgeschlossen; ohne diese ist er gegenstandslos. Demgemäß müssen sie aufeinander abgestimmt und untereinander in Beziehung gesetzt werden. So kann beispielsweise der Vorstandsdienstvertrag nicht für längere Zeit abgeschlossen werden als die Dauer des Vorstandsamts (vgl. Spindler in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 84 Rdn. 10; Fleischer in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 8; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 28 II 2. e., S. 809). Diese faktische Abhängigkeit muss einem potenziellen Vorstandsmitglied bewusst sein, weil es sich dabei um die rechtliche Basis seiner Tätigkeit handelt. Dies gilt für die Klägerin umso mehr, als sie Rechtsanwältin ist und sie sich beruflich erlangtes Sonderwissen zurechnen lassen muss. Die Anforderungen an die Erkundigungen und Nachforschungspflicht hängen nämlich unter anderem auch von der Geschäftserfahrenheft des Erklärungsgegners ab; berufliches Sonderwissen muss dabei berücksichtigt werden (vgl. Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 179 Rdn. 56; Cahn in: Festschrift für Hoffmann-Becking, a.a.O., S. 247, 278; auch BGH NZG 2011, 1271, 1274 = AG 2011, 878, 878 = ZIP 2011, 2097, 2101 = WM 2011, 2092, 2096 = DB 2011, 2484, 2487 = BB 2011, 2960, 2962 = Der Konzern 2011, 554, 558 = MDR 2012, 171, 173 = NJW-RR 2011, 1670, 1673 - Ision). Dann hätte aber die Klägerin als Rechtsanwältin nachfragen müssen, worauf die Leerstelle in dem Vertrag beruhe und demgemäß erkennen können und müssen, dass der für den Vorstandsdienstvertrag erforderliche Aufsichtsratsbeschluss nicht vorliegt.
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Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, es gehe um die regelmäßig erfolgende Vertretung des Aufsichtsrats durch dessen Vorsitzenden, sondern vielmehr um die Vertretung der F... AG beim Abschluss des Vorstandsdienstvertrages, wofür ein Aufsichtsratsbeschluss zwingende Handlungsvoraussetzung ist. Auch kann sich die Klägerin nicht auf die unterschiedlichen Äußerungen und Handlungen bei unterschiedlichen Vorkommnissen wie einer internen Vorstellung, dem Auftreten bei gesellschaftlichen Ereignissen oder das Aussuchen eines Geschäftswagens berufen. Derartige Äußerungen konnten nämlich für die Klägerin kein schutzwürdiges Vertrauen begründen. Bei der Haftung aus § 179 Abs. 1 BGB handelt es sich um die gesetzlich geregelte Vertrauenshaftung im Interesse des Verkehrsschutzes, die an der zumindest konkludenten Behauptung des Vertreters anknüpft, Vertretungsmacht zu haben (vgl. BGHZ 32, 250, 254 = NJW 1960, 1565, 1566 = JZ 1960, 603, 604; BGHZ 147, 381, 385 = NJW 2000, 1407, 1408 = WM 2001, 1723, 1724 = VersR 2002, 568, 569 = JR 2002, 278, 279; Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 179 Rdn. 2; Schilken in: Staudinger, BGB, a.a.O., § 179 Rdn. 2; Palandt-Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 179 Rdn. 1). Wenn die Haftung des Vertreters auf Vertretungsmacht auf Inanspruchnahme von Vertrauen beruht, so muss im Falle des § 179 Abs. 3 BGB, der diesen Vertrauenstatbestand ausschließt, davon ausgegangen werden, dass das Kennenmüssen durch Erklärungen von solchen Personen nicht ausgeschlossen werden kann, die selbst keinen wirksamen Vertrauenstatbestand schaffen können, weil sie im Verhältnis zum Vorstand oder zu einem künftigen Vorstandsmitglied keine Vertretungsmacht haben. Daher lässt sich aus den unterschiedlichen Äußerungen und Handlungsweisen im zeitlichen Umfeld der Kontaktaufnahme zur F... AG, auf die sich die Klägerin schriftsätzlich berufen hat, die Verneinung einer Nachfrageobliegenheit nicht annehmen.
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2. Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Für einen Anspruch aus §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1. BGB wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss fehlt es bereits an jeglichem Vortrag zur Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrates. Abgesehen davon wird für die hiesige Konstellation davon auszugehen sein, dass es sich bei dem Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB um eine abschließende Sonderregelung handelt, soweit es um einen Verstoß des Vertreters im Zusammenhang mit dem Mangel der Vertretungsmacht und den daraus entstandenen Schäden geht (vgl. OLGR Hamm 1993, 33 = MDR 1993, 515; Schilken in: Staudinger, BGB, a.a.O. § 179 Rdn. 20; Maier-Reimer in: Erman, BGB, a.a.O., § 179 Rdn. 18; Soergel/Leptien, BGB, a.a.O., § 179 Rdn. 23; Steffen in: RGRK-BGB, 12. Aufl., § 179 Rdn. 8 und 18).
23
Angesichts dessen war die Klage abzuweisen.
II.
24
1. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als Unterlegene hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
25
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
26
3. Der festgesetzte Streitwert entspricht der bezifferten Forderung.