Inhalt

OLG München, Beschluss v. 26.03.2020 – Verg 22/19
Titel:

Vergabeverstoß wegen Verletzung der Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung

Normenketten:
GWB § 121 Abs. 1 S. 1, § 134 Abs. 1, § 173
VgV § 31 Abs. 6
Leitsätze:
1. Die Entscheidung, welcher Gegenstand mit welcher Beschaffenheit und welchen Eigenschaften beschafft werden soll, obliegt zwar dem öffentlichen Auftraggeber. Begrenzt wird das Bestimmungsrecht aber durch die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung, von der nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden darf. Nach § 31 Abs. 6 VgV darf auf ein bestimmtes Produkt nicht verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gegen diese Verpflichtung wird nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen in der Leistungsbeschreibung genannt wird, sondern auch dann, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein bestimmtes Produkt vorgegeben wird und nur mit diesem die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllt werden können. Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers sind eingehalten, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Leistungsbeschreibung, Leistungsverzeichnis, produktneutrale Ausschreibung, Vergabeverstoß, Medienausstattung
Vorinstanz:
Vergabekammer Ansbach, Beschluss vom 10.09.2019 – RMF-SG21-3194-4-36
Fundstellen:
VergabeR 2020, 805
BeckRS 2020, 7129
LSK 2020, 7129

Tenor

I. Der Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 10.09.2019, Az. RMF-SG 21 - 3194-4-36, wird aufgehoben.
II. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das streitgegenständliche Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen und bei erneuter Vergabe die Rechtsauffassung des Senats zu beachten.
III. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.
IV. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigen für die Antragstellerin in dem Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
V. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin, mit Ausnahme der Kosten für das Verfahren nach § 173 GWB, die die Antragstellerin zu tragen hat.

Gründe

I.
1
Der Antragsgegner schrieb mit EUweiter Bekanntmachung vom 13.6.2019 die Lieferung der Medienausstattung für das L.-Gymnasium in A. im Offenen Verfahren aus. Eine Vorinformation des Lieferauftrags erfolgte am 14.5.2019. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der 4.7.2019 und wurde rechtzeitig auf den 9.7.2019 verlängert. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Nebenangebote waren nach Ziffer 11.2.10 der Bekanntmachung nicht zugelassen.
2
Leistungsgegenstand war gemäß Ziffer 11.2.4 der EU-Bekanntmachung die Lieferung und Montage folgender Geräte:
- 30 Stück interaktive Multi-Touch Display 86 auf Pylonentafel mit Klappflügel
- 1 Stück Dokumentenkamera
- 1 Stück Bildschirme
- 6 Stück Mikro PC
- 6 Stück Beamer
- 6 Stück Drucker-Kopierer
3
In der Leistungsbeschreibung waren in den Positionen 1.1.10 und 1.2.60 folgende technische Vorgaben enthalten:
1.1.10 interaktives Multi-Touch Display 86“ Ultra HD interaktives Multi-Touch Display 86 " Ultra HD, inklusive Montage an gesondert beschriebene Pylone.
Abmessungen mindestens: Breite: ca. 205 cm, Höhe: ca. 125 cm Aktive Fläche mindestens: Breite: ca. 190 cm, Höhe: ca. 105 cm Diagonale: 86“/217 cm
Technologie:
weiterentwickelte Infrarot-Technologie für präzises punktgenaues Arbeiten.
Bildseitenverhältnis: 16:9
Auflösung: mindestens Ultra-HD, 2160 p (3840 x 2160)
Bildwiederholrate: mindestens 60 Hz
Kontrastverhältnis: mindestens 4000:1
Helligkeit: mindestens 400 cd/m2 Panel ausgelegt für Dauereinsatz Touch-Auflösung: 0,4 mm mindestens Positionierungsgenauigkeit: 1 mm
Eingabemöglichkeit: mindestens 20 Touches gleichzeitig möglich
… Ablageschale unterhalb des Displays für die Stifte Inklusive mindestens der folgenden Anschlussmöglichkeiten: HDMI 2.0 4x, HDMI Out 1x, USB Touch 4x, VGA In, VGA Audio In, SPDIF Out 1/ x, Mic In 3,5 mm, Kopfhörer, USB 2.0 2x, USB 3.0 1x, RS232, SD-Kartenleser Mikro 1x, RJ-45 Ethernet In (10/100, 1000 Mbps) sowie RJ-45Ethemet out davon mindestens jeweils 1 x USB-A sowie USB-B und HDMI - Anschluss.. von Peripheriegeräten Erweiterbarkeit: mindestens 1 x Open Pluggable Specification (OPS)-Schacht sowie Montage von NUC (Mini-PC) muss vorhanden/möglich sein.
Inklusive Hotspot-Funktionalität Display inklusive Whiteboardfunktion in weniger als 1 Minute einsatzbereit.
Android mit mindestens folgenden Anschlüssen: HDMIin, 2x USB-A 2.0, 1x Mikro-SD Kartenleser.
Integriertes Sound-System: mindestens 2x 15 W, nach vorne abstrahlend Stromverbrauch des Displays: maximal 350 W; im Standby Modus kleiner 0,5 W.
1.2.60 Drucker
SW-Laserdrucker als kompaktes Multifunktionsgerät mit den Funktionen drucken, scannen, kopieren, als Tischgerät, für Papierformat DIN A 4, Duplex-Funktion für beidseitigen Druck, mehrzeilige LCD Bedienfeldanzeige, hintergrundbeleuchtet, CPU Speicher 512 MB, RAM, integriertes Kostenstellenmanagement mit bis zu 100 Kostenstellen, reduzierte Geräuschemission, Drucken und Kopieren maximal 47,5 dB (A), 250 Blatt Papierkassette und Einzelblatteinzug, vorinstallierte Tonerbox.
Schnittstellen: USB 2.0, LAN/Netzwerkanschluss, WLAN, Steckplatz für SD/SDHC-Karten.
Geschwindigkeit Drucken/Kopieren von 35 Seiten pro Minute Aufwärmzeit nach dem Einschalten maximal 20 Sekunden,
Leistungsaufnahme: Ruhemodus maximal 1 W, bereit maximal 21 W Drucken Auflösung 1200 x 1200 dpi Scannen
Auflösung 600, 400, 300, 200 dpi Kopieren
4
Auflösung 600 x 600 dpi Zoom-Funktion, feste Zoomfaktoren mit 7 Verkleinerungen,
5. Vergrößerungen, elektronisches Sortieren
5
Der Antragsgegner teilte bzgl. der Vorgaben in der Position 1.1.10 den Bietern am 24.6.2019 unter anderem mit:
… aufgrund von Bieternachfragen wurde die Mindestanforderung geändert. „Die Mindestanforderung gemäß LV für die Helligkeit der Multi-Touch-Displays wird geändert von mindestens 400 CD/m² auf mindestens 350 CD/m²“.
6
Am 2.7.2019 erläuterte der Antragsgegner den Bietern unter anderem:
7
Der Display Port als digitaler Anschluss wird als gleichwertig zu einem HDMI-Anschluss gewertet.
8
Es können Displays mit 4 HDMI Anschlüssen oder 3 HDMI Anschlüssen und einem Display Port angeboten werden.
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Mit Schreiben vom 3.7.2019 erfolgte an die Bieter die Mitteilung:
die beiden Sätze: „Des Weiteren wird eine weiterentwickelte Infrarot-Technologie benötigt, die um ein Vielfaches präziser ist und punktgenaues Arbeiten bei deutlich höherem Schreibkomfort ermöglicht. Aufgrund der weiterentwickelten Infrarot-Technologie ist kein Nachziehen des Stiftes zu erkennen,“ werden aus der Position gestrichen und sind nicht mehr Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen.
10
Die Abmessungen waren mit ca. versehen, die exakten Gehäuseabmessungen sind unerheblich, entscheidend ist die aktive Fläche des 86“ Displays.
… Es werden auch alternative Formen der Stiftaufbewahrung am Display zugelassen.
11
Der SD-Kartenleser muss nicht im Display verbaut sein.
„ Mit Schreiben vom 3.7.2019 rügte die Antragstellerin das Leistungsverzeichnis und die darin enthaltenen technischen Vorgaben als verdeckte Produktvorgabe und begehrte Abhilfe. Weiterhin fragte die Antragstellerin bezüglich der Position 1.1.10 der Leistungsbeschreibung an, was das Wort „Dauereinsatz“ bedeute und wie das geforderte Kontrastverhältnis von 4000:1 zu berechnen sei.
12
Der Antragsgegner wies mit Schreiben vom 5.7.2019 die Rüge zurück und beantwortete die Fragen der Antragstellerin wie folgt:
„1. Spezifikationen“
Display Pos. 1.1.10: Dauereinsatz/Dauerbetrieb Display.
Dauereinsatz als Qualitätsmerkmal bedeutet 24 Stunden 7 Tage die Woche. Im Schulbetrieb muss das Display einen arbeitstäglichen ununterbrochenen Einsatz von 9 Stunden (ca. 8:00 Uhr bis 17.00 Uhr) gewährleisten.
Kontrastverhältnis:
wie im Votum 2018 vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus angegeben, wird als Mindestanforderung ein Kontrastverhältnis von 4000:1 gefordert.
13
Bis zum 9.7.2019 reichten neben der Antragstellerin vier weitere Bieter Angebote ein. Ausweislich des am gleichen Tag an die Antragstellerin versandten Eröffnungsprotokolls (wobei die Angebote der Mietbieter nicht geschwärzt worden waren) lag das Angebot der Antragstellerin preislich an fünfter Stelle. Mit Schreiben vom 17.7.2019 rügte die Antragstellerin erneut eine verdeckte Produktvergabe und beanstandete eine unzulässige Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen.
14
Der Antragsgegner half mit Schreiben vom 19.7.2019 den vorgebrachten Rügen nicht ab.
15
Ein Informationsschreiben nach § 134 Abs. 1 GWB ist bisher nicht abgesendet worden.
16
Die Antragstellerin reichte am 22.7.2019 einen Nachprüfungsantrag mit dem Begehren, dass dem Antragsgegner untersagt wird, einen Zuschlag im streitgegenständlichen Vergabeverfahren zu erteilen, und ihm aufgegeben wird, das streitgegenständliche Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen und ein Leistungsverzeichnis zur Verfügung zu stellen, welches den Grundsatz der Produktneutralität wahrt und die Leistung so eindeutig und erschöpfend wie möglich beschreibt.
17
Zur Begründung führte die Antragstellerin aus:
18
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die Rüge sei rechtzeitig, und zwar unverzüglich nach Kenntniserlangung und vor Ablauf der Angebotsfrist erfolgt. Der Nachprüfungsantrag sei rechtzeitig eingereicht worden. Der Antragsgegner habe sich nach Informationen der Antragstellerin von der Firma D. GmbH & Co. KG beraten lassen, die ausweislich ihres Internetauftritts Medientafeln des Herstellers Pr. vertreibe. Die Antragstellerin vermute, dass auch andere Bieter für den Antragsgegner im Vorfeld beratend tätig gewesen seien.
19
Das L. Gymnasium habe zur Vorbereitung der Beschaffung der Medientafeln verschiedene Anbieter ins Haus geholt, worunter sich nach Informationen der Antragstellerin zwei an dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren beteiligte Bieter befunden hätten, die ausweislich ihres Internetauftritts Medienboards des Herstellers Pr. vertrieben. Die Antragstellerin sei vom Antragsgegner nicht um eine Präsentation ihrer Medientafeln gebeten worden. Da der Antragsgegner Schulträger sei, müsse er sich Handlungen der Schule zurechnen lassen.
20
Die LV Position 1.1.10 und die Position 1.2.60 würden eine Vielzahl von Mindestkriterien aufstellen, die, wie aus den als Anlagen AST 12 und 13 vorgelegten Tabellen hervorgehe, in ihrer Gesamtheit dazu führten, dass die Position 1.1.10 lediglich durch die Medienboards des Herstellers Pr. und die Position 1.2.60 lediglich durch den Drucker Ky. M …dn erfüllt werden könne. § 31 Abs. 6 VgV schütze den Bieter vor einer Einengung des Wettbewerbs und vor Diskriminierung und sei daher bieterschützend. Sofern eine Vergabestelle von der Ausnahme des § 31 Abs. 6 VgV Gebrauch machen wolle, so müsse dies ausdrücklich und nicht verdeckt geschehen. Die hilfsweisen Ausführungen des Antragsgegners zur Rechtfertigung der Produktvorgabe seien daher unbeachtlich, weil sie die hier vorliegende verdeckte Produktvorgabe ohnehin nicht rechtfertigen könnten.
21
Das Leistungsverzeichnis verstoße gegen das Gebot, die Leistung so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben (§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB). Auch nach Mitteilung des Antragsgegners vom 5.7.2019 sei unklar, ob das Display für den Dauereinsatz (24/7) oder für den Schulbetrieb (9/5) ausgelegt sein solle. Ebenso sei unklar geblieben, wie der verlangte Kontrast von 4000:1 zu berechnen sei.
22
Der Antragsgegner habe den Bietern das (ungeschwärzte) Submissionsprotokoll bekannt gegeben und damit den Vertraulichkeitsgrundsatz gemäß § 55 Abs. 2 VgV verletzt.
23
Durch die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes drohe der Antragstellerin ein Schaden. Die Bekanntgabe des Submissionsergebnisses ermögliche den Konkurrenten Rückschlüsse auf ihre Kalkulation. Hierin liege ein künftiger Schaden.
24
Der Antragsgegner trat den Anträgen der Antragstellerin entgegen und trug vor:
25
Der Antrag sei weder zulässig noch begründet.
26
Der Nachprüfungsantrag sei verspätet nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB. Die Rüge der Antragstellerin wegen der Verletzung des Gebots der produktneutralen Ausschreibung und einer ungenauen Leistungsbeschreibung und der Verletzung des Vertraulichkeitsgebot sei gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert.
27
Die Vergabestelle werde im Rahmen des Vergabeverfahrens von einem Ingenieurbüro und einem Architekturbüro fachtechnisch bzw. sachverständig unterstützt. Keiner der Bieter sei bei der Vorbereitung der Ausschreibung beteiligt gewesen. Keiner der Bieter habe die Gelegenheit zu einer Präsentation ihrer Medientafeln gehabt. Allenfalls das Gymnasium selbst habe den Markt erkundet. Dies sei vergaberechtlich nach § 28 Abs. 1 VgV zulässig. Die Antragstellerin habe ein Angebot abgegeben. Auch andere Bieter hätten ein Angebot abgegeben. Dies belege, dass nicht nur ein Produkt eines Herstellers angeboten werden könne.
28
Es liege keine vergaberechtswidrige hersteller-/produktbezogene Leistungsbeschreibung vor, die gegen § 31 Abs. 6 VgV verstoße. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft nachgewiesen, dass die von der Vergabestelle im Leistungsverzeichnis aufgeführten Produkte „Drucker“ und “interaktives Multi-Touch Display“ nur von einem einzigen, bestimmten Hersteller am Markt angeboten werden. Die Vergabestelle habe in ihren Vergabeunterlagen keinen Typ namentlich benannt. Selbst wenn die einzelnen Leistungs- und Funktionsanforderungen im Leistungsverzeichnis der Vergabestelle einen bestimmten Hersteller bzw. ein bestimmtes Produkt kennzeichnen würden, so wäre dies durch den Auftragsgegenstand im Sinne des § 31 Abs. 6 Satz1 VgV gerechtfertigt.
29
Der schulische Bedarfsträger habe sich im Zuge des Neubaus der Schule intensiv mit der Medienausstattung beschäftigt und ein eigenes Medienausstattungskonzept ausgearbeitet. Zahlreiche Leistungs- und Funktionsanforderungen des verfahrensgegenständlichen Leistungsverzeichnisses folgten zudem den Vorgaben der sogenannten Voten 2018 und 2019 des Freistaates Bayern. Auch der Lehrplan erfordere bestimmte Anforderungen an die Displays.
30
Eine detaillierte Begründung bzw. Festlegung der konkreten technischen Vorgaben, wie sie die Antragstellerin fordere, sei im Rahmen der Leistungsbestimmung gerade nicht erforderlich und zudem praxisfern. Es handele sich darüber hinaus bei zahlreichen Leistungs- und Funktionsvorgaben um übliche Standardeigenschaften. Die Ausschreibung bewege sich zudem auf der Grundlage und im Rahmen der Empfehlung zur IT-Ausstattung von Schulen des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, dem Votum 2019.
31
Die Weitergabe des Submissionsergebnisses an die Bieter verletze die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Diese sei nach Angebotsöffnung erfolgt und könne daher keine Auswirkungen auf das Vergabeverfahren haben.
32
Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 10.9.2019 als unbegründet zurück und führte zu Begründung aus:
33
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, aber unbegründet. Die Durchführung des Vergabeverfahrens verletze die Antragstellerin nicht in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB.
34
Die Leistungsbeschreibung der Vergabestelle verstoße nicht gegen § 31 Abs. 6 VgV.
35
Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers seien vorliegend eingehalten. Dem Auftraggeber stehe hierbei ein Beurteilungsspielraum zu. Die Vergabekammer kontrolliere dieses Ermessen nur dahingehend, ob die Entscheidung des Auftraggebers sachlich vertretbar sei. Der Ermessensspielraum werde eingehalten, wenn der Auftraggeber für seine Vorgabe einen auftragsbezogenen, objektiv vorliegenden und nachvollziehbaren Grund habe. In den Vergabeunterlagen sei dokumentiert, welche Funktionen das Multi-Touch Display für den Gebrauch an der Schule u.a. erfüllen müsse. Die Schule habe sich im Vorfeld mit verschiedenen technischen Lösungen für eine Medienausstattung befasst und schriftlich die für sie unverzichtbaren Anforderungskriterien für die Neubeschaffung festgehalten.
36
Die Vergabestelle habe im Hinblick auf die Erklärung der Schule ein Leistungsverzeichnis erstellt, welches diese Anforderungen weitestgehend als technische Vorgaben für das Multi-Touch-Display umsetze. Mit Schriftsatz vom 4.9.2019 habe die Vergabestelle das Erfordernis der im LV gemachten technischen Vorgaben im Einzelnen begründet. Es handele sich insgesamt um objektive, auftragsbezogene und nachvollziehbare Gründe, die sich auf die Erfordernisse der Schule bezögen und daher nicht diskriminierend seien.
37
Eine Wiederholung des Vergabeverfahrens scheide vorliegend aus. Es widerspräche dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz, eine Wiederholung anzuordnen, nur um die bestehenden objektiv nachvollziehbaren Gründe, noch einmal zu dokumentieren. Eine Manipulationsmöglichkeit der Vergabestelle sei vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich.
38
Hinsichtlich des geforderten Druckers seien in den Vergabeunterlagen keine Gründe dokumentiert. Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens berufe sich die Vergabestelle hinsichtlich der technischen Vorgaben im Leistungsverzeichnis wiederum auf das Votum 2018 des Freistaates Bayern, das die technischen Vorgaben für zu beschaffende Drucker in Schulen beschreibe. In ihrem Schreiben vom 4.9.2018 trage die Vergabestelle vor, dass es sich bei den technischen Vorgaben zum Drucker weitestgehend um Standardvorgaben handele und begründe ihre technischen Vorgaben im Einzelnen. Es handele sich hier ebenfalls um objektive, auftragsbezogene und nachvollziehbare Gründe, die sich auf die Erfordernisse der Schule bezögen und daher nicht diskriminierend seien. Die nachgeholte Dokumentation könne hier ebenfalls berücksichtigt werden.
39
Das Leistungsverzeichnis sei ausreichend eindeutig und bestimmt.
40
Ein Verstoß gegen § 55 Abs. 2 VgV liege nicht vor. § 55 Abs. 2 VgV regele die Öffnung der Angebote. Der Vortrag der Antragstellerin zur unberechtigten Versendung der Submissionsergebnisse durch die Vergabestelle liege zeitlich nach der Öffnung der Angebote. Einen Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung durch die Bekanntmachung der Submissionsergebnisse habe die Antragstellerin im Übrigen nicht gestellt.
41
Die Antragstellerin legte gegen die Entscheidung der Vergabekammer form- und fristgerecht Beschwerde ein und begehrte neben der Aufhebung der Entscheidung und der Stattgabe des Nachprüfungsantrages die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bis zur Entscheidung über dieselbe zu verlängern.
42
Die Antragstellerin führte zur Begründung an, dass der Nachprüfungsantrag begründet sei, weil die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt sei und diese Verletzung aus einer Verletzung des Gebots der produktneutralen Ausschreibung, einer ungenauen Leistungsbeschreibung und einem Verstoß gegen das Vertraulichkeitsgebot resultiere.
43
Eine Produktvorgabe liege vor, weil die Anforderung des Leistungsverzeichnisses an die Medientafel jeweils nur von Produkten eines Herstellers erfüllt werden könne. Dies stehe aufgrund des substantiierten Vortrags der Antragstellerin und der Vorlage der Aufstellungen gemäß Anlagen AST 12 und 13 sowie der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Listen fest. Die von dem Antragsgegner nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 14.2.2020 genannten Tafeln der Hersteller würden den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses nicht gerecht.
44
Die versteckte Produktvorgabe führe zu einem europarechtswidrigen Ausschluss des Wettbewerbs. Die versteckte Produktausschreibung habe zu einer Diskriminierung der Antragstellerin geführt. Die Diskriminierung ergebe sich aus dem Umstand, dass die Antragstellerin die Medientafel nicht zu vergleichbaren Marktbedingungen wie andere Bieter erwerben könne. Die Firma Pr. gewähre einigen Händlern einen sogenannten Projektpreis. Angesichts der bekannten Angebotspreise dränge sich auf, dass diejenigen Bieter, welche Pr.-Geräte angeboten hätten, in den Genuss eines Projektpreises gekommen seien. Dieser Unterschied im Einkaufspreis sei nicht auf das normale Risiko zurückzuführen, dem jeder Bieter am Markt ausgesetzt sei. Der Ausschluss des Wettbewerbs auf dem Herstellermarkt durch die versteckte Produktvorgabe führe demnach im Ergebnis dazu, dass auf dem Händlermarkt der vom EU-Vergaberecht gewünschte Wettbewerb nicht stattfinde und damit ein diskriminierungsfreier Wettbewerb um das wirtschaftlichste Angebot nicht mehr möglich sei.
45
Eine versteckte Produktvorgabe könne entgegen der Auffassung der Vergabekammer nie gerechtfertigt werden auch nicht durch ein legitimes sachliches Interesse. Hinsichtlich der Position 1.1.10 könne der Dokumentation in der Vergabeakte nichts entnommen werden. Dort fänden sich im Ergebnis lediglich die Vorgaben, welche die Schulleitung mit ihren Schreiben vom 14.3.2019 und 31.5.2019 aufgestellt habe. Zur Position 1.2.60 Drucker finde sich in der Vergabeakte überhaupt keine Dokumentation.
46
Darüber hinaus läge der Sachverhalt nahe, dass ein typischer Fall der verdeckten Produktvorgabe vorliege, bei dem das Leistungsverzeichnis aus dem Produktdatenblatt des Wunschproduktes entwickelt worden sei. So sei zu berücksichtigen, dass die Schule im Rahmen der an sich zulässige Markterkundung, insbesondere mit den Firmen D. und XX, die beide Pr. Geräte vertrieben, Kontakte gehabt hätten, in der Schule sich bereits ein Pr. Gerät befände, mit denen sich die Lehrkräfte vertraut gemacht hätten und der Antragsgegner nach Bieteranfrage die Ausrüstung mit einem Mini PC zugelassen habe jedoch gleichzeitig an der dann überflüssigen Leistungsverzeichnisanforderung eines OPS Slots festgehalten habe.
47
Das Nachschieben von Gründen im Nachprüfungsverfahren sei unzulässig.
48
Im Übrigen rechtfertigten die nachgeschoben Gründe keine produktspezifische Ausschreibung. Die Ausschreibung gehe über die in dem Votum 2018 aufgestellten Anforderungen als Mindestkriterien hinaus. Bei der gerügten Anforderung, dass die Medientafel eine integrierte OPS Schnittstelle haben müsse, handele es sich nicht um ein Mindestkriterium nach dem Votum 2018. Die Funktionalität bei Ausfall des Internets könne nicht durch den OPS Slot gewährt werden.
49
Die Antragstellerin beantragt,
1.
Der Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 10.09.2019, RMF-SG 21 - 3194 - 4 - 36 wird aufgehoben.
2.
3.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.
4.
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das streitgegenständliche Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen, ein Leistungsverzeichnis zur Verfügung zu stellen, welches den Grundsatz der Produktneutralität wahrt und die Leistung so eindeutig und erschöpfend wie möglich beschreibt.
5.
Hilfsweise zu Ziffer 4: dem Antragsgegner wird aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das streitgegenständliche Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen und die Vergabeunterlagen nach Rechtsauffassung des Vergabesenates anzupassen sowie den Bietern Gelegenheit zur Abgabe eines neuen Angebots zu geben
6.
Hilfsweise zu 5: die Vergabekammer wird verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Sache zu entscheiden.
7.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
50
Der Antragsgegner tritt der sofortigen Beschwerde entgegen und beantragt,
die sofortige Beschwerde vom 27.09.2019 zurückzuweisen.
51
Zur Begründung der Antragsgegner aus:
52
Die sofortige Beschwerde sei unbegründet, da der Nachprüfungsantrag zu Recht als unbegründet zurückgewiesen worden sei und im Übrigen sei er auch nicht zulässig gewesen.
53
Es liege keine produktbezogene Ausschreibung vor. Die Beweislast liege insoweit bei der Antragstellerin. Die als Anlage AST 12 und 13 vorgelegten Tabellen belegten die Behauptung der Antragstellerin nicht. Die Antragstellerin habe darin lediglich eine subjektiv ausgewählte Anzahl an Produkten aufgeführt, keinesfalls aber eine europaweite, objektive Marktanalyse vorgenommen.
54
Das Wettbewerbsergebnis zeige, dass die streitbetroffene Leistungsbeschreibung keineswegs geeignet sei, bestimmte Unternehmen zu bevorzugen. Eine Diskriminierung wegen der vorherrschenden Marktbedingungen für Multi-Touch Displays bestehe nicht. Der Antragsgegner trage keine Verantwortung dafür, auf welche Weise und zu welchen Konditionen der Hersteller Pr. seine Produkte vermarkte. Die Entscheidung, wem der Hersteller einen Projektpreis anbiete, liege allein in dessen Verantwortungsbereich. Es sei reine Spekulation, dass diejenigen Bieter, welche Pr.- Geräte angeboten hätten, in den Genuss eines Projektpreises gekommen seien.
55
Die Leistungsbeschreibung sei nicht auf ein einziges Produkt zugeschnitten, weil der Antragsgegner davon ausgehe, dass auch andere Hersteller als die Firma Pr. ein dem Leistungsverzeichnis konformes Produkt anbieten könnten. Der Antragsgegner habe bei einer Marktüberprüfung insgesamt drei Multi-Touch Displays eruiert, die die von der Antragstellerin in Bezug genommenen Merkmale erfüllen würden.
56
Im Übrigen sei sowohl für eine offene als auch für eine verdeckte Produktvorgabe eine Rechtfertigung durch ein legitimes sachliches Interesse möglich. Eine verdeckte Vorgabe sei nicht automatisch unzulässig.
57
Die Anforderungen, welche die Schulleitung in ihren Schreiben vom 14.3.2019 und 31.5.2019 getroffen hätten, spiegele sich in der Leistungsbeschreibung wieder. Die technischen Vorgaben seien auf Basis dieser Dokumentation gerechtfertigt. Die weiteren schriftlichen Ausführungen des Antragsgegners im Rahmen des Nachprüfungsverfahren hätten die bereits vorhandene Dokumentation zulässigerweise lediglich ergänzt.
58
Die konkreten technischen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses seien aus den Vorgaben der Schulleitung entwickelt worden und lägen damit in dessen Anforderung begründet. Da die Schulleitung selbst kein eigenes Fachpersonal für Medienprodukte unterhalte, habe sie in den der Vergabeakte beiliegenden Schreiben aus technischer Laiensicht erläutert, welche Eigenschaft die künftigen Medientafeln erfüllen müssten. Das Leistungsverzeichnis habe lediglich diese Anforderungen in eine vergaberechtskonforme technische Leistungsbeschreibung übersetzt. Das Vergabeverfahren sei deshalb sowohl transparent als auch fair.
59
Die technischen Anforderungen an die Drucker habe der Antragsgegner aus dem Votum 2018 abgeleitet. Eine darüberhinausgehende Dokumentation sei nicht erforderlich gewesen.
60
Der Senat hat den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 30.10.2019 zurückgewiesen.
61
In der mündlichen Verhandlung vom 24.1.2020 wurden Hinweise erteilt und die Beteiligten angehört. Aufgrund gewährter Schriftsatzfristen wurden die Ausführungen in den Schriftsätzen des Antragsgegners vom 14.2.2020 und 13.3.2020 sowie der Schriftsatz der Antragstellerin vom 21.2.2020 berücksichtigt, der Schriftsatz der Antragstellerin vom 24.3.2020 blieb dagegen unberücksichtigt.
II.
62
Die zulässige Beschwerde erwies sich als begründet.
63
Dem zulässigen Nachprüfungsantrag der Antragstellerin war stattzugeben, da die Vorgaben zu den ausgeschriebenen interaktiven Multi-Touch Displays gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung verstoßen haben, die Verengung auf ein bestimmtes Produkt nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt war (§ 31 Abs. 6 VgV) und die Antragstellerin durch den Vergabeverstoß in ihren Rechten verletzt ist (§ 97 Abs. 2 GWB).
64
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, da er innerhalb der in § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB bestimmten Frist eingereicht wurde und die Antragstellerin hinreichend eine mögliche Rechtsverletzung dargelegt hat. Es kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer auf Seite 20 des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden. Nicht gefolgt werden kann insoweit der Argumentation des Antragsgegners, dass die Antragstellerin durch die Abgabe eines Angebots (dessen Konformität mit der Leistungsbeschreibung nicht geklärt wurde) dokumentiert habe, sie könne sich trotz der Vorgaben an der Ausschreibung beteiligen. Ebenso wenig entfällt die mögliche Rechtsverletzung dadurch, dass das Angebot der Antragstellerin, das sie ggf. gar nicht hätte abgeben müssen, auf dem letzten Platz liegt.
65
2. Die Leistungsbeschreibung des Antragsgegners enthält nicht gerechtfertigte produktspezifische Vorgaben.
66
Die Entscheidung, welcher Gegenstand mit welcher Beschaffenheit und welchen Eigenschaften beschafft werden soll, obliegt zwar dem öffentlichen Auftraggeber, begrenzt wird das Bestimmungsrecht aber durch die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung, von der nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden darf. Nach § 31 Abs. 6 VgV darf auf ein bestimmtes Produkt nicht verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt. Gegen diese Verpflichtung wird nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen in der Leistungsbeschreibung genannt wird, sondern auch dann, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein bestimmtes Produkt vorgegeben wird und nur mit diesem die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllt werden können. Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers sind eingehalten, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert. Gegen diese Grundsätze hat der Antragsgegner bei der Ausschreibung der Displays verstoßen.
67
a) Der Senat ist unter Berücksichtigung der Vergabeunterlagen und des Vortrages der Parteien davon überzeugt, dass die Ausschreibung nicht produktneutral war und bestimmte Produkte der Firma Pr. begünstigt hat.
68
aa) Die Antragstellerin hat durch die Vorlage einer Aufstellung von zunächst 16 Displays hinreichend substantiiert dargelegt, dass nur die Produkte Pr. V6 (Auslaufmodelle) und Pr. API Titanium (Nachfolger) den Vorgaben des abgeänderten Leistungsverzeichnisses entsprechen. Die Antragstellerin hat diese Aufstellung durch die in der mündlichen Verhandlung übergebene Auswertung mit insgesamt nunmehr 41 Produkten nochmals vertieft. Es wird insoweit auf die dem Protokoll der mündlichen Verhandlung beigefügte Auflistung verwiesen. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Antragsgegner darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner dem Vortrag nicht substantiiert entgegen getreten ist, insbesondere dass er bisher keine konkreten Produkte genannt hat, die erfüllungstauglich wären. Es kann nicht von der Antragstellerin verlangt werden, noch mehrere Produkte aufzulisten, die die Anforderungen der Leistungsbeschreibung nicht erfüllen, während sich der Antragsgegner darauf zurückzieht, dass damit nicht feststehe, dass es auf dem gesamten Markt keine Alternative zu den Produkten der Firma Pr. gebe. Dem Antragsgegner, der die Vorgaben gemacht hat und der auch die Konformität der Angebote prüfen und beurteilen muss, ist es bei dieser Sachlage möglich und zumutbar, konkrete Alternativen zu benennen und nachvollziehbar darzutun, dass diese Produkte alle Vorgaben der Leistungsbeschreibung erfüllen.
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bb) Der Antragsgegner hat daraufhin mit Schriftsatz vom 14.2.2020 die Displays Touch AT 86 EC und C. T. Impakt plus unter Beifügung von Datenblättern als Produkte benannt, die nach seiner Auffassung sämtlichen Anforderungen des Leistungsverzeichnisses gerecht werden und meint, damit den Vorwurf einer produktspezifischen Ausschreibung zu widerlegen.
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Zu dem Gerät Display Touch AT 86 EC ist zu bemerken, dass die schriftsätzliche Behauptung des Antragsgegners, dass die in dieses Gerät integrierten Lautsprecher eine Wattleistung von 2 × 15 aufweisen, den Angaben in dem vorgelegten Datenblatt widerspricht. Dort ist die Leistung der Lautsprecher mit 2 × 12 W angegeben. Damit sind aber die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses, das eine Wattleistung von 2 × 15 W fordert, nicht erfüllt. Der Senat vermag insoweit nicht der Auffassung des Antragsgegners zu folgen, dass es sich bei den Wattangaben entgegen der Wortwahl nicht um eine technische Mindestvoraussetzung sondern um eine „technische Orientierungshilfe“ handelt. Gerade wenn die angegebene Wattleistung der integrierten Lautsprecher für eine ausreichende Beschallung eines Klassenzimmers nicht erforderlich ist, ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsgegner dies zwingend vorgibt und nicht klarstellt, dass dies nur als Orientierungshilfe (wofür der Wortlaut nicht die geringsten Anhaltspunkte bietet) gemeint sei.
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Auch das Display c. T. Impakt plus kann gemäß den technischen Daten des mit Schriftsatz vom 14.2.2020 vorgelegten Datenblatts als Alternative keine Berücksichtigung finden, da trotz entsprechenden Hinweises des Senats der Antragsgegner nicht hinreichend dargetan hat, dass das Gerät zu dem maßgeblichen Zeitpunkt (Auftragsbekanntmachung) bereits auf dem Markt verfügbar war, d. h. von den Bietern bezogen werden konnte bzw. mit Preisangaben angekündigt war.
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Die Antragstellerin hat eine E-Mail eines Mitarbeiters der Firma c. T. vom 17.2.2020 vorgelegt, wonach die Serie impact + „erst jetzt gelauncht worden und seit kurzem verfügbar“ sei. Der Senat hat mit Beschluss vom 5.3.2020 den Antragsgegner darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Antragstellerin insoweit als plausibel gewertet wird und hat darüber hinaus bemerkt, dass die Ausführungen im Schriftsatz vom 14.2.2020, dass ein Bieter dieses Gerät angeboten habe, anhand der Vergabeunterlagen nicht nachvollzogen werden können. Die als Anlage A 12 vorgelegte E-Mail vom 3.2.2020 eines Mitbieters findet sich inhaltlich so in den Vergabeunterlagen nicht wieder. Mit dem Schreiben Anlage A 12 ist daher nicht klargestellt, dass schon im Zeitpunkt der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens ein anderes leistungsverzeichniskonformes Produkt angeboten werden konnte und auch wurde. Auch die Ausführungen des Antragsgegners, dass in der Vergabedokumentation ein Schreiben des Mitbieters vom 18.7.2019 enthalten sei, das ein leistungskonformes Produkt benenne, kann nicht nachvollzogen werden. Der Senat konnte in den Vergabeunterlagen ein entsprechendes Schreiben nicht auffinden. Vielmehr befindet sich in Vergabeunterlagen ein Schreiben des Antragsgegners an den Mitbieter vom 22.7.2019, wonach sich aus den Unterlagen nicht erkennen lasse, welches Gerät bei der Position 1.1.10 angeboten worden sei. Weiter kam bei der Auswertung der eingegangenen Angebote am 30.7.2019 das beratende Architekturbüro des Antragsgegners zu dem Ergebnis, dass das von dem Mitbieter angebotene Display c. T. Impakt nicht dem Leistungsverzeichnis entspreche und daher ausgeschlossen werden müsse. Die Vergabeunterlagen, insbesondere das Angebot des Mitbieters ist daher nicht geeignet zu belegen, dass der substantiierte Vortrag der Antragstellerin unzutreffend ist. Nach dem Hinweis des Senates wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsgegner - vorzugsweise durch Vorlage einer Hersteller-Auskunft - dem Senat stichhaltige Dokumente vorlegt, die belegen, dass ein Bieter das Gerät entsprechend dem Datenblatt, das dem Schriftsatz vom 14.2.2020 beigelegt war, bei seiner Kalkulation und Angebotsabgabe als geeignetes Produkt anbieten kann. Insoweit ist - anders als bei der Frage des Ausschlusses eines Bieters mangels Leistungsfähigkeit - auf diesen Zeitraum abzustellen, mithin darauf ob im Zeitpunkt der Veröffentlichung nur ein oder mehrere Produkte auf dem Markt verfügbar sind. Allenfalls akzeptabel wäre, dass ein oder mehrere Alternativprodukte schon so konkret mit Ausstattung und Preis von Herstellern avisiert sind, dass ein Bieter hierauf sein Angebot aufbauen kann. Dies hat der Antragsgegner nicht dargetan. Der Hinweis auf die Vergabeunterlagen ist, wie dargelegt nicht ausreichend, sodass der Senat dem substantiierten Vortrag der Antragstellerin folgt, dass ein Display aus der Serie Impakt plus, das den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses entsprochen hätte, zum Zeitpunkt der Durchführung des Vergabeverfahrens noch nicht auf dem Markt war.
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Es kommt damit nicht mehr darauf an, wie sich die Begriffe Positionierungsgenauigkeit (Leistungsverzeichnis) und der Begriff Touchgenauigkeit zueinander verhalten und ob einen Touchgenauigkeit von 1,5 mm eine Positionsgenauigkeit von 1,0 mm ermöglicht, wobei diese Aspekte im Falle einer erneuten Vergabe klargestellt werden könnten und sollten. Im Übrigen ist seitens des Antragsgegners auch nicht dargelegt, dass von dem Gerät Display clever Touch plus die Voraussetzung Positionsgenauigkeit von 1,0 mm erfüllt wird.
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3. Die Antragsgegner kann sich nicht darauf berufen, dass die verdeckte produktspezifische Ausschreibung durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, da er keine hinreichend nachvollziehbaren sachlichen Gründe dargetan hat, dass nur die Tafeln der Firma Pr. die Anforderung an ein für den Schulbetrieb geeignetes Display erfüllen können. Es ist daher entscheidungsunerheblich, ob eine verdeckte produktspezifische Ausschreibung grundsätzlich sachlich nicht gerechtfertigt werden kann, was umstritten sein dürfte. Da die Ausschreibung grundsätzlich produktneutral zu erfolgen hat und die produktspezifische Ausschreibung einen Ausnahmefall darstellt, sind jedenfalls strenge Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit und die Begründung zu stellen, insbesondere wenn die Begründung erst nachträglich erfolgt.
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Es ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner auf Bieteranfragen einige, auch wenig nachvollziehbare, Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abgeändert hat, beispielsweise hinsichtlich der Ablagefläche für Stifte, der Lokalisation, des Kartenlesers, der Helligkeit und der Gerätemaße. Bei diesen erfolgten Abänderungen im Leistungsverzeichnis handelt es sich um Punkte und Vorgaben, die alleine durch den Auftragsgegenstand keine Rechtfertigung finden können, da sie Einsatzmöglichkeiten der Tafel im Unterricht nicht berühren.
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Der Hinweis des Antragsgegners, auf die Schreiben der Schulleiterin und des stellvertretenden Schulleiters des Gymnasiums vom 14.3.2019 und 31.5.2019 rechtfertigen inhaltlich nicht die produktspezifische Ausschreibung. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob diesen Schreiben vor dem Hintergrund, dass in der Schule bereits eine Tafel der Firma Pr. im Einsatz war, überhaupt eine maßgebliche Bedeutung zukommen kann. In dem Schreiben der Schulleiterin vom 14.3.2019 werden keine speziellen technischen Vorgaben wie Schnittstellen, Stromverbrauch, Wattstärke der Lautsprecher formuliert. Das weitere Schreiben vom 31.5.2020 betrifft die Voraussetzung der Tafel für einen geometrischen Mathematikunterricht.
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Eine Rechtfertigung, nur das Produkt der Firma Pr. zu verwenden, kann sich auch nicht aus den für die Verwendung von interaktiven Großbildmonitoren vorgeschlagenen Mindestbedingungen des Beraterkreis zur IT-Ausstattung von Schulen des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (Votum 2018) ergeben. Dieses Votum beinhaltet eine Beschreibung der Eigenschaften von Displaytafeln, Mindestbedingungen und Empfehlungen, aber keine so speziellen technischen Vorgaben, als dass nur die Tafel eines Herstellers zur Erfüllung der dort genannten Bedingungen infrage kommen kann. Gefordert wird unter anderem, dass ein PC an den interaktiven Großbildmonitor (Touchdisplay) angeschlossen werden kann und die erforderliche Übertragung von Bild, Ton und Mausfunktionalität alternativ über die Schnittstellen HDMI und USB, OPS und VGA erfolgen kann. Hinsichtlich eines in die Tafel integrierten PCs wird keine Empfehlung ausgesprochen, sondern nur angemerkt, dass einige Hersteller integrierte PCs anbieten, die als Einschubmodul über eine OPS Schnittstelle angeboten werden und diese über die OPS angebundenen PCs vergleichsweise teuer sind. Dem Votum kann entnommen werden, dass von einer OPS Schnittstelle eher abgeraten wird, da sie eine teure Lösung darstellt.
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Das Nichtabhilfeschreiben des Antragsgegners vom 5.7.2019 rechtfertigt ebenfalls die produktspezifische Ausschreibung nicht. Es wird dort unzutreffend dargelegt, dass das Votum 2018 eine OPS-Schnittstelle fordert. Des weiteren wird nur pauschal auf das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers verwiesen. Ein sachlicher Grund eine OPS-Schnittstelle zum Einschub eines PC zu fordern, ist nicht erkennbar, zumal über die vorgegebenen anderweitigen Schnittstellen auch externe mobile Computer angeschlossen werden können, die dann ebenfalls einen Betrieb der Tafel bei Ausfall des Internets ermöglichen.
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Auch die Ausführungen des beratenden Architekten in der mündlichen Verhandlung zu den Besprechungen mit den Lehrern (zur Ermittlung des Beschaffungsbedarfs) im Vorfeld der Erstellung des Leistungsverzeichnisses waren nicht geeignet, die - nicht dokumentierten - Erwägungen zu ersetzen, die erforderlich wären, um die Verengung des Wettbewerbs auf einen Hersteller nachvollziehbar zu begründen. Es mag durchaus sein, dass man sich dort umfangreiche Gedanken gemacht hat und sich eingehend mit einzelnen Produkten befasst hat, um dann - zugestandendermaßen anhand der Datenblätter der Firma Pr. - die Vorgaben in der Leistungsbeschreibung zu erstellen. Es mag für einzelne Aspekte nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe (gerade auch für die schulische Nutzung der Tafeln) geben, dass gerade die Erfüllung aller - zur Festlegung auf ein bestimmtes Produkt führenden - Anforderungen aus objektiven, auftragsbezogenen Gründen notwendig ist, kann allerdings nicht festgestellt werden.
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4. Die Antragstellerin wird durch den Verstoß gegen § 31 Abs. 6 VgV in ihren Rechten verletzt, da die produktspezifische Ausschreibung gegen das Diskriminierungsverbot sowie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 und 6 GWB) verstößt.
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Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass sie durch den Verstoß gegen das Gebot des § 31 Abs. 6 VgV benachteiligt werde sei, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass Mitbietern von dem Hersteller der Tafel günstigere Einkaufskonditionen eingeräumt worden seien. Dem Senat reicht die Möglichkeit aus, dass der Hersteller der Tafeln Händlern unterschiedliche Einkaufskonditionen gewährt aus, um eine Rechtsverletzung der Antragstellerin anzunehmen. Durch vergaberechtswidrige Verengung auf ein Herstellerprodukt war die Antragstellerin in der Auswahl der von ihr anzubietenden Displays eingeschränkt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie bei einer produktneutralen Ausschreibung ein anderes und günstigeres Angebot abgegeben hätte. Der Vortrag der Antragstellerin, dass die Firma Pr. unterschiedliche Einkaufskonditionen gewährt und die Möglichkeit, dass die Antragstellerin bei einer erneuten vergaberechtskonformen Ausschreibung grundsätzlich in der Lage ist, ein günstigeres Angebot abzugeben, genügt, um eine Rechtsverletzung der Antragstellerin zu bejahen und festzustellen.
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Der Antragsgegner hat weiter die Rechte der Antragstellerin dadurch verletzt, dass er das Submissionsergebnis ungeschwärzt an alle Bieter weitergegeben hat. Die Weitergabe verletzt das Recht des Bieters auf Vertraulichkeit seines Angebots. Nach § 55 Abs. 2 VgV sind Bieter bei der Angebotsöffnung aus Gründen des Geheimwettbewerbs und der Vertraulichkeit der Angebote nicht zum Submissionstermin zugelassen. Hierdurch soll verhindert werden, dass Bieter vom Inhalt der Angebote ihrer Konkurrenten Kenntnis nehmen und die so gewonnenen Informationen im Zusammenhang mit zukünftigen Vergabeverfahren nutzen (vgl. Beck VOB/B/Koch, 3. Aufl. 2019, VgV § 55 Rn.12). Aus Sinn und Zweck dieser Regelung folgt, dass grundsätzlich eine Weitergabe des Submissionsergebnisses an Anbieter unzulässig ist. Es war daher auch insoweit eine Rechtsverletzung der Antragstellerin festzustellen.
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5. Die Verletzung des Gebotes der produktneutralen Ausschreibung führt dazu, dass eine Zuschlagsentscheidung auf die erholten Angebote nicht in Betracht kommt. Vielmehr hat der Antragsgegner bei fortgesetztem Beschaffungsbedarf zu überprüfen, welche Detailanforderungen er aus schulischen und funktionalen Gründen für die fraglichen Geräte vorgibt, um dann neue Angebote zu erholen. Dass der Antragsgegner dabei den Grundsatz der Produktneutralität und das Gebot der eindeutigen erschöpfenden Leistungsbeschreibung zu beachten hat, ergibt sich bereits aus § 31 VgV und bedarf daher auch keiner Tenorierung.
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6. Der Senat musste nicht entscheiden, ob auch hinsichtlich der Drucker der Grundsatz einer produktneutralen Ausschreibung verletzt worden ist und dadurch eine Rechtsverletzung der Klägerin der Antragstellerin entstanden sein kann. Auch hier gilt, dass der Antragsgegner bei einer erneuten Vergabe § 31 VgV zu beachten hat.
III.
85
Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner, der in beiden Verfahren unterlegen ist, zu tragen (§ 175 Abs. 2 GWB i. V. m.§ 78 GWB). Die Hinzuziehung eines Anwalts auf Seiten der Antragstellerin war zweifelsfrei notwendig, § 182 Abs. 4 GWB. Die Kosten für das Verfahren nach § 173 Abs. 1 GWB hat die Antragstellerin zu tragen, da sie mit diesem Antrag nicht durchgedrungen ist.