Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 29.01.2020 – AN 1 K 18.02510
Titel:

Erfüllungsübernahme des Schmerzensgeldanspruchs eines Polizeivollzugsbeamten bei einem Anerkennntnisurteil

Normenketten:
BayBG Art. 97
BayBeamtVG Art. 46, Art. 47
ZPO § 307
Leitsätze:
1. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut wird lediglich ein rechtskräftig festgestellter Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten gefordert. Ein solcher kann auch durch ein Anerkenntnisurteil im Sinne des § 307 ZPO zugesprochen werden.  (Rn. 57 und 59 – 61) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 97 BayBG gebietet keine einschränkende Auslegung dahingehend, dass eine Beschränkung der Erfüllungsübernahme auf dienstunfallrechtlich anerkannte Verletzungsfolgen zu erfolgen habe. Hierfür bietet Art. 97 BayBG seinem Wortlaut nach keinen Anknüpfungspunkt. (Rn. 71 – 76) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erfüllungsübernahme eines Schmerzensgeldanspruchs, Vorliegen eines Anerkenntnisurteils, Erfüllungsübernahme, Schmerzensgeld, Anerkenntnisurteil, Unfall, Angemessenheitsprüfung, dienstunfallrechtlich anerkannte Verletzungsfolge, Ermessensspielraum
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 26.02.2021 – 3 BV 20.1258
Fundstelle:
BeckRS 2020, 7115

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes …, Dienststelle …, Bezügestelle …, vom 14. November 2018, Gz. …, verpflichtet, an den Kläger 3.500,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30. Januar 2020 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt eine Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen gem. Art. 97 BayBG.
2
Der … 1984 geborene Kläger steht als Beamter im Dienste des Beklagten. Er ist als Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) bei der Polizeiinspektion … als Polizist tätig.
3
Der Kläger machte in einem Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalles nach Art. 47 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz folgende Angaben zu einem Unfallereignis vom 6. April 2015, 13:00 Uhr, … in …:
„Ich führte zu o.g. Zeitpunkt eine Personenkontrolle durch. Die Person wollte flüchten. Ich brachte die Person zu Boden. Hier schlug und trat er mehrfach auf mich ein und zog mich zu Boden. Ich stürzte mit meinem linken Ellbogen auf den Asphalt. Am Boden kam es zu einem Gerangel, wobei ich mir das linke Knie verdrehte. Durch die Auseinandersetzung erlitt ich Schürfwunden an der Stirn, der rechten Hand, dem linken Ellenbogen und beiden Knien.“
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Als Schädiger wurde Herr … … (nachfolgend: Schädiger) benannt. Es wurde angegeben, dass Dienstunfähigkeit vom 18. April 2015 bis mindestens 5. Mai 2015 (OP) bestünde.
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Der Kläger habe nach dem Ereignis zunächst zwei Wochen lang Innendienst gemacht, da er gedacht habe, dass die Schmerzen von alleine wieder weggehen würden. Nach einer ärztlichen Untersuchung wurde festgestellt, dass eine Operation am Knie erforderlich sei. Für die Operation sei er zwei Nächte in der Klinik und danach für sechs Wochen auf ambulanter Reha gewesen.
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Gemäß einem Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. med. … … vom 16. April 2016 wurde festgestellt: Kontusion linkes Ellenbogengelenk, Distorsion linkes Kniegelenk, traumatischer Meniskusschaden.
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Der Kläger legte weitere Atteste vor, gemäß denen im Jahr 2013 bereits eine Innenmeniskusnaht mit Kreuzband-Ersatzoperation stattgefunden habe; unfallbedingt habe sich ein Innenmeniskus-Hinterhorn-Schaden sowie ein Außenmeniskus-Hinterhorn-Schaden gezeigt, wobei die Kreuzbandplastik intakt sei (Schreiben vom 11.5.2015 der Diagnostischen Teilgemeinschaftspraxis, … Straße …, …, Dr. med. … …).
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Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin in mehreren Schreiben auf, Unterlagen zu Privatunfällen mit Beteiligung des linken Knies vorzulegen.
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Der Kläger legte daraufhin ein Schreiben der Orthopädischen Chirurgie und Unfallchirurgie, …, … … vom 1. Februar 2016 sowie ärztliche Unterlagen aus den Jahren 2007, 2013 und 2014 vor, gemäß denen der Kläger bereits am linken Knie operiert worden sei.
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Der Beklagte beauftragte daher Herrn Dr. … … mit Schreiben vom 8. Juni 2016 gutachterlich zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
„1. Welche Körperschäden und Erkrankungen lagen am Unfalltag (6. April 2015) vor und welche wurden am Untersuchungstag festgestellt?
2. Welche der von Ihnen zu Ziffer 1 zu nennenden Körperschäden wurden im Sinne der Entstehung
a) allein oder wesentlich durch den Unfall verursacht oder
b) annähernd gleichwertig durch den Unfall und unfallunabhängige Faktoren (Vorschädigung, degenerative, anlagebedingte Veränderungen, Krankheitsdispositionen u. Ä.) verursacht oder
c) allein oder wesentlich durch unfallunabhängige Faktoren (Vorschädigung, degenerative anlagebedingte Veränderungen, Krankheitsdispositionen u. Ä.) verursacht?
3. Welche der von Ihnen zu Ziffer 1 zu nennenden Körperschäden sind nicht wesentlich durch den Unfall verursacht, da sie bereits vor dem Unfall (evtl. latent) bestanden, wurden jedoch allein oder wesentlich durch den Unfall verschlimmert, sofern der unfallbedingte Anteil gegenüber dem unfallunabhängigem überwiegt, ggf. in welcher Weise (vorübergehend - Dauer der Verschlimmerung ist anzugeben, dauernd und zwar sachlich abgrenzbar oder richtungsgebend)?“
11
Mit Gutachten vom 29. September 2016 nahm Herr Dr. … zu den von dem Beklagten aufgeworfenen Fragen wie folgt Stellung:
„1.
Am Unfalltag ist eine Verletzung noch nicht ärztlich dokumentiert worden. Bei der Untersuchung durch Dr. … am 10.04.2015 wurde eine Prellung des linken Ellenbogens festgestellt. Radiologisch bestand keine knöcherne Verletzung. Am linken Kniegelenk bestand eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung bei positiven Zeichen für den Innenmeniskus. Eine Restinstabilität nach durchgeführter Kreuzbandersatzplastik lag vor. Bei der aktuellen gutachterlichen Untersuchung war die Prellung des linken Ellenbogens folgenlos ausgeheilt. Im Bereich des linken Kniegelenks kann man geringe Veränderungen nach früherer Kreuzbandruptur und vorderer Kreuzbandersatzplastik erkennen. Es besteht eine geringe, gut kompensierte Restinstabilität. Die Meniskuszeichen sind negativ. Unfallfolgen aufgrund des Dienstunfalls vom 06.04.2015 sind nicht feststellbar. Hier ist davon auszugehen, dass es unfallbedingt zu einer Zerrung des linken Kniegelenks kam, in deren Rahmen sich die vorbestehende Meniskusschädigung und die instabilitätsbedingte Meniskusschädigung nach vorderer Kreuzbandruptur und Kreuzbandersatzplastik bemerkbar gemacht hat, nicht jedoch dabei entstanden ist.
2. a) Die Prellung des linken Ellenbogens und Zerrung des linken Kniegelenks sind wesentlich durch den Unfall verursacht.
b) Entfällt
c) Die vordere Kreuzbandruptur am linken Kniegelenk, die vorbestehende Meniskusschädigung und Z.n. Meniskusnaht, sowie der Z.n. Kreuzbandersatzplastik und inzwischen eingetretener reaktiven Veränderungen und die gering verbliebene gut kompensierte Restinstabilität sind durch unfallunabhängige Faktoren bedingt. Auch die nach dem Dienstunfall diagnostizierte Rissbildung des Meniskus ist als Folge der vorangegangenen vorderen Kreuzbandruptur, Z.n. Meniskusnaht und als instabilitätsbedingte Meniskusschädigung zu bewerten.
3. Vor dem Unfall bestand ein Z.n. vorderer Kreuzbandruptur, vorderer Kreuzbandersatzplastik und Meniskusnaht am Innenmeniskus. Hier kam es durch die unfallbedingte Zerrung zu keiner vorübergehenden oder auch dauerhaften Verschlimmerung. Im Rahmen der Zerrung des Kniegelenks hat sich eine Meniskussymptomatik bemerkbar gemacht, ist jedoch nicht dadurch entstanden. Die unfallbedingte Zerrung des Kniegelenks kann innerhalb von 2 Wochen als ausgeheilt angesehen werden. Die dann im weiteren Verlauf durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen waren nicht mehr aufgrund der unfallbedingten Zerrung erforderlich.
Ein unfallbedingter Dauerschaden ist nicht eingetreten. Auch eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit besteht nicht mehr und ist auf Dauer nicht zu erwarten. Ein Gutachten für eine andere Stelle wurde nicht erstellt.“
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Mit Bescheid des Beklagten vom 5. Januar 2017 wurde der Unfall vom 6. April 2015 als Dienstunfall nach Art. 46 BayBeamtVG anerkannt. Als Dienstunfallfolge wurde festgestellt: „Prellung linker Ellbogen, Zerrung linkes Kniegelenk“. Die Anerkennung weiterer Körperschäden (vor allem am linken Kniegelenk) als Unfallfolgen wurde abgelehnt.
13
Der Kläger ließ mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 Klage vor dem Amtsgericht … erheben (…) und machte gegenüber dem Schädiger ein Schmerzensgeld geltend, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wurde, mindestens jedoch 3.500,00 EUR betragen sollte. In dem zivilgerichtlichen Schadensersatzprozess wurde der Unfallhergang wie folgt beschrieben: „Im Rahmen dieser Widerstandshandlungen schlug der Beklagte gegen den Oberkörper des Klägers und trat mehrfach gegen seine Beine. Es gelang ihm hierbei auch den Kläger zu Boden zu ziehen und während der Auseinandersetzung am Boden das linke Knie des Klägers zu verdrehen. Neben einer ganzen Reihe von Schürfwunden erlitt der Kläger insbesondere eine Ellbogenkontusion links mit knöcherner Absprengung und eine Kniedistorsion links mit Innenmeniskusabriss, die operativ behandelt werden musste. Der Kläger war vom 18. April 2015 bis 17. Mai 2015 dienstunfähig.“
14
Mit Versäumnisurteil vom 18. Januar 2017 wurde der Schädiger verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,00 EUR zuzüglich Zinsen zu zahlen.
15
Nachdem der Schädiger mit Schreiben vom 20. März 2017 darauf hinwies, dass er 17 Jahre alt sei, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 31. März 2017 die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil einstweilen eingestellt.
16
Ein Vergleichsvorschlag des Amtsgerichts … vom 9. Mai 2017, gemäß dem der Schädiger 2.000,00 EUR an den Kläger zu zahlen habe, wurde seitens des Klägers abgelehnt.
17
In einer mündlichen Verhandlung vom 7. August 2017 erließ das Amtsgericht … ein Anerkenntnisurteil, gemäß dem der Schädiger 3.500,00 EUR als Schmerzensgeld an den Kläger zu zahlen habe. Die gesetzlichen Vertreter des Schädigers haben zu Protokoll erklärt, dass sie die Forderung für grundsätzlich berechtigt erachten würden. Die Ladung zu der mündlichen Verhandlung enthielt den Hinweis, dass die Möglichkeit bestünde, die Klage schriftlich anzuerkennen und dann keine weiteren Kosten für die Verhandlung anfallen würden.
18
Unter Vorlage eines entsprechenden Formblattes vom 23. Juni 2018 stellte der Kläger einen Antrag auf Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen nach Art. 97 BayBG.
19
Dem Schreiben waren das Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts … vom 7. September 2017 (…) sowie die Klagebegründung vom 13. Dezember 2016 als Anlagen beigefügt.
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Ausweislich eines ebenfalls vorgelegten Vermögensverzeichnisses vom 18. Juni 2018 des Hauptgerichtsvollziehers … … (…) verfüge der Schädiger über kein nennenswertes Vermögen. Es sei Arbeitslosengeld bei der Bundesagentur für Arbeit in … beantragt worden. Das Kindergeld in Höhe von 194,00 EUR monatlich erhalte die Mutter und verwende das Geld ausschließlich für den Schädiger.
21
Die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten wandte sich mit E-Mail vom 9. August 2018 an das damalige Bayerische Staatsministerium der Finanzen für Landesentwicklung und für Heimat (nachfolgend: Finanzministerium) mit der Frage nach der Angemessenheit, da die Verletzung (Innenmeniskusabriss mit nachfolgender operativer Versorgung) nicht als dienstunfallbedingt anerkannt worden sei.
22
Das Finanzministerium antwortete mit E-Mail vom 24. August 2018, dass eine Erfüllungsübernahme grundsätzlich nicht ausscheide, wenn ein Ereignis als Dienstunfall, aber nur ein Teil von mehreren Verletzungen, auf die der Antrag auf Erfüllungsübernahme gestützt werde, als Dienstunfallfolge anerkannt worden sei. Vielmehr sei im Rahmen der Angemessenheitsentscheidung zu berücksichtigen: Wurden Vorschäden und Gelegenheitsursachen bei der Zumessung des Schmerzensgeldes entsprechend mindernd berücksichtigt, auf welcher Verletzung beruht das Schmerzensgeld maßgeblich etc. Liege demnach kein angemessener Schmerzensgeldbetrag vor, könne die Erfüllungsübernahme abgelehnt werden. In der Sache des Klägers wirke sich die Vorschädigung wie eben geschildert bei der Angemessenheitsprüfung mindernd auf die Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes aus.
23
Mit Bescheid vom 14. November 2018, der am 6. Dezember 2018 zur Post gegeben wurde, wurde der Antrag auf Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen abgelehnt.
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass sich die Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalles bestimme. Bei einem unangemessenen Schmerzensgeld sei die Erfüllungsübernahme nicht möglich. Eine Reduzierung auf ein angemessenes Maß erfolge seitens der Pensionsbehörden nicht. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes könnten nur dienstunfallrechtlich anerkannte Körperschäden berücksichtigt werden. Die weiteren Körperschäden am linken Kniegelenk, wie zum Beispiel der dienstunfallrechtlich nicht anerkannte Innenmeniskusabriss mit nachfolgender operativer Versorgung, müssten vorliegend außer Ansatz bleiben. Mit Verweis auf die Beck`sche Schmerzensgeldtabelle sei bei vergleichbaren Verletzungen Schmerzensgeld zwischen 255,65 EUR und 766,94 EUR zuerkannt worden. Beträge in der Größenordnung des hier geltend gemachten Schmerzensgeldes von 3.500,00 EUR seien bei Hinzutreten erheblicher weiterer Verletzungsfolgen zugesprochen worden.
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Mit Schreiben vom 20. Dezember 2018, am 27. Dezember 2018 bei Gericht eingegangen, ließ der Kläger durch seinen anwaltlichen Bevollmächtigten Klage erheben und mit weiterem Schreiben vom 20. Februar 2019 beantragen,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 14. November 2018, an den Kläger eine Erfüllungsübernahme in Höhe von 3.500,00 EUR zu leisten.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger zunächst außergerichtlich die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 3.500,00 EUR gefordert habe. Nach einem ergebnislosen Schriftverkehr mit dem Strafverteidiger des Schädigers habe er das Schmerzensgeld zivilgerichtlichen geltend gemacht, wobei die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt und als Mindestbetrag eine Summe von 3.500,00 EUR gefordert worden sei. In einem Versäumnisurteil vom 18. Januar 2017 sei diese Forderung zunächst durch das Amtsgericht … zuerkannt worden. Im weiteren Verfahren habe der Schädiger seine Minderjährigkeit erwähnt, weshalb das Amtsgericht … die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil eingestellt habe. Im Rahmen des nachfolgenden Verfahrens, unter Einbindung der Erziehungsberechtigten des Schädigers, sei bereits mit der Terminsladung ein ausdrücklicher gerichtlicher Hinweis auf die Möglichkeit, aus Kostenersparnisgründen ein schriftliches Anerkenntnis abzugeben, erfolgt. Da die Forderung grundsätzlich berechtigt sei, sei die Klageforderung anerkannt worden. Nach erfolgloser Zwangsvollstreckung habe der Kläger den Antrag auf Erfüllungsübernahme gestellt.
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Die Auffassung des Beklagten, wonach sich eine Erfüllungsübernahme lediglich auf anerkannte Dienstunfallfolgen beziehe, finde weder in der Vorschrift des Art. 97 BayBG noch in der Gesetzesbegründung eine Grundlage. Eine derartige Begrenzung sei nicht vorgesehen, zumal sich dem Klägerbevollmächtigten nicht erschließe, wie nach der Vorstellung der Beklagtenseite Schmerzensgeldansprüche im Zivilprozess in einer Form geltend gemacht werden könnten, die dieser Einschränkung genügten, da im Zivilprozess lediglich ein Mindestbetrag oder Orientierungsbetrag angegeben werde.
28
Hinzu komme, dass die Erfüllungsübernahme eine besondere Fürsorgeleistung sei und der Beamte zunächst versuchen müsste, seine Schmerzensgeldansprüche beim Verursacher zu realisieren. Sollten lediglich Verletzungen einzubeziehen seien, die zugleich als Dienstunfallfolgen anerkannt worden seien, hätte es näher gelegen einen eigenständigen beamtenrechtlichen Schmerzensgeldanspruch zu schaffen und es dem geschädigten Beamten freizustellen, ob dieser zivilrechtliche Ansprüche, die über das vom Dienstherrn gewährte Schmerzensgeld hinausgehen, gegen den Schädiger selbst geltend mache.
29
In zivilrechtlicher Hinsicht würden schwerwiegende Schädigungen zur Erhöhung des angemessenen Schmerzensgeldes führen, da sich dieses nach den erlittenen Schmerzen und Beeinträchtigungen bestimme. Zugleich würde der gemäß Art. 97 BayBG anerkennbare Schmerzensgeldbetrag bei mehrfachen schweren Verletzungen stets geringer.
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Zudem wäre es für den Beamten unvorhersehbar, in welcher Höhe der Dienstherrn Schmerzensgeld für angemessen halte, da das vom Beklagten festgelegte fiktive Schmerzensgeld unter Ausblendung von Vorschädigungen nicht über die Schmerzensgeldtabellen bestimmbar sei.
31
Der Gesetzgeber habe mit Art. 97 BayBG die Zielsetzung verfolgt, besonders von Gewalttaten betroffenen Beamtengruppen einen gewissen Ausgleich zu bieten. Bereits vorgeschädigte Beamte würden zusätzlich mit dem Risiko belastet, dass selbst ein vom Zivilgericht festgesetztes Schmerzensgeld als überhöht angesehen werde, mit der Folge, dass der Beklagte die Erfüllungsübernahme insgesamt ablehne.
32
Mit Schreiben vom 22. März 2019 trat der Beklagte dem entgegen und beantragte,
die Klage abzuweisen.
33
Die Auswirkungen einer Vorschädigung würden im Dienstunfallrecht einerseits und im Zivilrecht andererseits auseinanderlaufen. Vorschädigungen könnten im Dienstunfallrecht zu einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs führen. Im zivilrechtlichen Verfahren zur Feststellung des Schmerzensgeldes werde dagegen auf Vorschäden nicht bereits im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität, sondern allenfalls bei der Frage der Höhe des Anspruchs eingegangen.
34
Bei Art. 97 BayBG könnten nur dienstunfallrechtlich anerkannte Verletzungen zugrunde gelegt werden, da es sich um einen Ausnahmetatbestand handle.
35
Würde nur ein Teil von mehreren Verletzungen als Dienstunfallfolge anerkannt, sei eine Erfüllungsübernahme nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings sei im Rahmen der Angemessenheitsentscheidung nach Art. 97 BayBG zu prüfen, ob Vorschäden und Gelegenheitsursachen bei der Zumessung des Schmerzensgeldes mindernd berücksichtigt worden seien. Bei dem Kläger sei dies nicht der Fall, da sich selbst preisindexbereinigt das Schmerzensgeld in einem Bereich unter einem Drittel des hier titulierten Betrages bewegen würde.
36
Mangels angemessenen Schmerzensgeldbetrages habe die Erfüllungsübernahme insgesamt abgelehnt werden müssen.
37
Mit Schreiben vom 20. Mai 2019 ergänzte der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers seinen Vortrag dahingehend, dass dem Gesetzgeber durch die Regelung des Art. 97 Abs. 2 Satz 2 BayBG bewusst gewesen sei, dass die von ihm neu geschaffene Leistung Überschneidungen mit dem Dienstunfallrecht aufweise, aber nicht Teil des Dienstunfallrechts sein solle. Die von dem Beklagten vorgenommene Einschränkung bestünde nicht, vielmehr spreche die Regelung des Art. 97 Abs. 2 Satz 2 BayBG dafür, dass nur in diesen Fällen eine Einschränkung erfolgen solle.
38
Da im Zivilrecht der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gelte (BGH, U.v. 20.1.2015 - VI ZR 27/14), sei eine Aufspaltung nach Verletzungen nicht möglich. Der Umstand, dass der Gesetzgeber keine Möglichkeit für eine Teilübernahme vorsehe, zeige ebenfalls, dass das Dienstunfallrecht gerade keine Sperrwirkung für die Erfüllungsübernahme haben sollte, soweit nicht die in Abs. 2 Satz 2 geregelten Sonderfälle vorlägen.
39
Aus Sicht des Klägervertreters sei die Auffassung des Beklagten, dass sich Vorschäden beim zivilrechtlichen Schmerzensgeldanspruch mindernd auswirken könnten, nicht zutreffend. Vielmehr könne nach der einschlägigen Rechtsprechung der Schädiger sich nicht darauf berufen, dass bereits Vorschäden bestanden hätten (BGH, U.v. 19.4.2005 - 6 ZR 175/15).
40
Die von dem Beklagten für vergleichbar erachteten Urteile würden mehr als 25 Jahre zurückliegen, die Entwicklung in der zivilrechtlichen Rechtsprechung zu angemessenen Schmerzensgeldhöhen in diesem Zeitraum vollständig ausblenden und auch die Kaufkraftentwertung bliebe unberücksichtigt. Der Beklagte lasse zudem die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes völlig außer Acht und gehe wohl von der Grundannahme aus, dass auch bei vorsätzlichen Straftaten Schmerzensgeldbeträge aus Verfahren wegen fahrlässig verursachten Verkehrsunfällen vergleichbar wären.
41
Der Beklagte entgegnete hierauf mit Schreiben vom 26. August 2019, dass sich eine Nähe zur Dienstunfallfürsorge bereits aus der Vorschrift des Art. 97 Abs. 2 Satz 2 BayBG ergäbe, der eine Übervorteilung durch mehrfachen Ausgleich verhindern solle. Das zentrale Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte knüpfe an die Dienstunfallfürsorgeleistungen aus Art. 45 ff. BayBeamtVG an. Die Ausnahmevorschrift des Art. 97 BayBG sei restriktiv auszulegen, weshalb sich die Erfüllungsübernahme auf Schäden begrenze, die tatsächlich ihre Ursache in dem konkreten Schadensereignis hätten. Eine Ausweitung auf andere Schäden, die im Wesentlichen auf einer persönlichen Veranlagung des Beamten oder anderweitigen Vorschäden beruhen würden, müsse unterbleiben.
42
Die Meniskusschädigung und deren operative Versorgung stünden in keinem ursächlichen Verhältnis zum Dienstunfallereignis vom 6. April 2015. Vielmehr handele es sich um einen Zufallsbefund, weshalb es auch zivilrechtlich an der Kausalität fehle. Gleichwohl sei diese Schädigung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zugrunde gelegt worden. Ein Anerkenntnisurteil zeichne sich dadurch aus, dass das Gericht ein Urteil entsprechend dem Anerkenntnis des Beklagten ohne rechtliche und auch ohne tatsächliche Prüfung erlasse. In Fällen, in denen eine richterliche Kontrolle des Titels nicht oder nur eingeschränkt stattfinde, erfordere der Zweck des Art. 97 BayBG daher jedenfalls zwingend eine Angemessenheitskontrolle.
43
Mit Schreiben vom 19. September 2019 ergänzte der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers, dass lediglich die Möglichkeit bestünde, bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes eine vorhandene Schadensbereitschaft in der Konstitution des Geschädigten zu berücksichtigen (BGH, U.v. 5.11.1996 - VI ZR 275/95, Rn. 14). Der Kläger sei vor dem schädigenden Ereignis weitgehend beschwerdefrei gewesen. Erst durch die Verletzung habe er einen Verlust an Lebensqualität erlitten, weshalb ausgeschlossen sein dürfte, dass bei der Vorlage des Gutachtens des Beklagten im Zivilprozess eine Minderung des Schmerzensgeldes aufgrund von Billigkeitserwägungen vorgenommen worden wäre.
44
Der Kläger habe nicht kollusiv mit dem Schädiger zusammengewirkt.
45
Der Dienstunfallanerkennungsbescheid habe keine präjudizielle Wirkung für den Antrag auf Erfüllungsübernahme. Dieser treffe keine tatsächlichen Feststellungen zu den erlittenen Schmerzen und den Beeinträchtigungen der Lebensführung des Klägers.
46
Der Behörde sei kein Spielraum eingeräumt worden, einen Schmerzensgeldanspruch nur teilweise zu übernehmen, um gegebenenfalls darauf in Fällen zu reagieren, in denen der Schmerzensgeldanspruch auch auf dienstunfallrechtlich unerheblichen Verletzungen beruhe, weil bei diesem ggf. das hohe Beweismaß des Dienstunfallrechts nicht erfüllt sei oder der Angriff bei beschwerdefreien körperlichen Veränderungen als Auslöser für Beschwerden fungiere.
47
Der Beklagte vertiefte seinen Vortrag mit Schreiben vom 28. Oktober 2019 und verwies nochmals darauf, dass sich die Meniskussymptomatik anlässlich der Zerrung des Kniegelenkes bemerkbar gemacht habe, jedoch nicht dadurch entstanden sei. Dies sei im Schmerzensgeldprozess weder dem Prozessgegner noch dem Richter bekannt gewesen.
48
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

49
Die zulässige Klage ist begründet.
50
Der Bescheid des Landesamts für Finanzen, Dienststelle …, Bezügestelle Dienstunfall, vom 14. November 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
51
Der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf die im Klageverfahren geltend gemachte Erfüllungsübernahme des Schmerzensgeldanspruchs durch den Beklagten aus Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG.
52
Nach Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG kann der Dienstherr auf Antrag die Erfüllung eines Schmerzensgeldanspruchs bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldbetrag übernehmen, sofern der Beamte oder die Beamtin wegen eines tätlichen rechtswidrigen Angriffs, den er oder sie in Ausübung des Dienstes oder außerhalb des Dienstes wegen der Eigenschaft als Beamter oder Beamtin erleidet, einen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten hat und die Erfüllungsübernahme zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist.
53
Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500,00 EUR erfolglos geblieben ist (Art. 97 Abs. 2 Satz 1 BayBG).
54
Die Übernahme der Erfüllung ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils schriftlich unter Nachweis der Vollstreckungsversuche zu beantragen (Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG).
55
Die vorgenannten Voraussetzungen einer Erfüllungsübernahme sind vorliegend erfüllt.
56
Der Kläger wurde unstreitig am 6. April 2015 während eines dienstlichen Einsatzes Opfer eines tätlichen rechtswidrigen Angriffs durch den Schädiger. Dieser sollte einer Personenkontrolle unterzogen werden. Er versuchte zu flüchten und griff den Kläger nach seiner Festnahme tätlich an. Der Kläger wurde bei dem Einsatz durch den Schädiger körperlich verletzt. Jener nahm die Schädigung des Klägers zumindest billigend in Kauf. Rechtsfertigungsgründe lagen nicht vor (vgl. Buchard in BeckOK Beamtenrecht Bayern, Brinktrine/Voitl, Stand 30.12.2019, Rn. 9 zu Art. 97 BayBG).
57
Das Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts … vom 7. September 2017 (…) begründet einen rechtkräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten und ist damit ein geeigneter Titel im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG.
58
Der Kläger erhob mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13. Dezember 2016 gegen den Schädiger vor dem Amtsgericht … eine Schadensersatzklage u.a. mit dem Antrag, den Schädiger zu verurteilen, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens aber 3.500,00 EUR zuzüglich Zinsen zu zahlen.
59
Mit Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts … vom 7. September 2017 wurde der Schädiger zu einer Zahlung von 3.500,00 EUR als Schmerzensgeld an den Kläger verpflichtet. Dieses ist auch vom Anwendungsbereich des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG erfasst (kritisch hierzu: Buchard in BeckOK Beamtenrecht Bayern, Brinktrine/Voitl, Stand 30.12.2019, Rn. 22.3 zu Art. 97 BayBG). Nach dem klaren Gesetzeswortlaut wird lediglich ein rechtskräftig festgestellter Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten gefordert. Ein solcher kann auch durch ein Anerkenntnisurteil im Sinne des § 307 ZPO zugesprochen werden. Der Gesetzgeber (GVBl. 2014, 521) hat diesbezüglich jedenfalls keine weiteren Einschränkungen gemacht. Weder die Erläuterungen zum Haushaltsgesetz 2015/2016 noch die Durchführungsbestimmungen hierzu enthalten hierfür Anhaltspunkte. Vielmehr wird dort ausgeführt, dass durch die Norm eine Verbesserung der Rechtsstellung des betroffenen Beamten herbeigeführt werden sollte, es sich jedoch um einen Ausnahmetatbestand für schwerwiegende Übergriffe handeln sollte. Demnach spricht auch die Intention des Gesetzgebers gegen eine restriktive Auslegung von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG.
60
Im Übrigen zeigt auch die Vorschrift des Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG, dass Anerkenntnisurteile nicht vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen werden sollten. Lediglich für zivilgerichtliche Vergleiche nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wurde eine spezialgesetzliche Vorschrift geschaffen. Demnach war sich der Gesetzgeber bewusst, dass vor den Zivilgerichten geltend gemachte Ansprüche entweder keiner oder lediglich nur einer eingeschränkten richterlichen Kontrolle und Nachprüfung unterworfen sein können. Gleichwohl wurde für Anerkenntnisurteile, aber auch für Versäumnisurteile, keine spezialgesetzliche Regelung erlassen, die den Anwendungsbereich des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG diesbezüglich einschränken würde.
61
Die erkennende Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass eine Angemessenheitsprüfung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal oder auf Rechtsfolgenseite im Rahmen des Ermessens eine Plausibilitätskontrolle durchzuführen ist (so aber Buchard in BeckOK Beamtenrecht Bayern, Brinktrine/Voitl, Stand 30.12.2019, Rn. 22.3 zu Art. 97 BayBG). Es ist zutreffend, dass eine inhaltliche Kontrolle durch die Zivilgerichtsbarkeit nur bei streitigen Endurteilen stattfindet. Gleichwohl darf dies nicht zulasten des Klägers gehen, da er letztlich auf den Erlass eines Anerkenntnisurteiles keinen Einfluss nehmen kann und es somit unbillig wäre, eine Erfüllungsübernahme alleine deshalb abzulehnen, zumal das Gesetz eine derartige Rechtsfolge nicht vorsieht.
62
Seitens des Beklagten ist auch keine Kontrolle des zivilgerichtlichen Anerkenntnisurteiles der Höhe nach möglich. Das Gesetz sieht eine solche Möglichkeit lediglich in Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG für Vergleiche vor.
63
Selbst wenn man, dem Umstand Rechnung tragend, dass Anerkenntnisurteile gem. § 307 ZPO keiner inhaltlichen Prüfung unterzogen werden, eine Kontrolle durch den Beklagten bejahen wollte, so könnte sich diese lediglich darauf beschränken, einen Rechtsmissbrauch auszuschließen.
64
Anhaltspunkte hierfür sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Insbesondere hat der Kläger in dem zivilgerichtlichen Verfahren den Sachverhalt im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Unfallschilderung des Klägers anlässlich dessen Dienstunfalls geschildert.
65
Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Schädigung ein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff zugrunde lag. Ein offensichtliches, grobes Missverhältnisses zwischen den Körperschäden, die der Kläger erlitten hat, und der Höhe des Schmerzensgeldes ist bei der vorliegend gebotenen besonderen Gewichtung der Genugtuungsfunktion des Schmerzengeldes zu Gunsten des Klägers nicht gegeben (zu einem Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO: VG Ansbach, U.v. 25.7.2019 - AN 1 K 18.01545 - juris Rn. 104).
66
Im konkreten Fall ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass sich der Kläger anlässlich des rechtswidrigen Angriffs durch den Schädiger für einen Zeitraum von zwei Tagen in stationärer Behandlung befunden hat und eine Operation am Knie (Innenmeniskus) erforderlich wurde. Anschließend hat er nach Angabe in der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2017 vor dem Amtsgericht … (Bl. 18 der Gerichtsakte) eine ambulante Reha für eine Dauer von sechs Wochen machen müssen und durfte in dieser Zeit keinen Sport treiben. Diese erheblichen Folgen sowie der Umstand, dass dem Schmerzensgeld auch eine Genugtuungsfunktion zukommt - dies hat der Beklagte bei den von ihm in Bezug genommenen Urteilen zu Schmerzensgeldbeträgen gerade nicht berücksichtigt - begründen aus Sicht der erkennenden Kammer kein rechtsmissbräuchliches Verhalten.
67
Auch die Verknüpfung des Dienstunfallrechtes mit der Erfüllungsübernahme dahingehend, dass die Erfüllungsübernahme lediglich auf dienstunfallbedingte Verletzungen beschränkt sei, findet nach Auffassung der Kammer in dem Gesetz keine Grundlage.
68
Im vorliegenden Fall ist problematisch, dass der Kläger am linken Knie eine Vorschädigung hatte (Innenmeniskusnaht und Kreuzbandersatz), die wohl erst durch den rechtswidrigen Angriff des Schädigers für den Kläger bemerkbar wurde.
69
Das Ereignis vom 6. April 2015 wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle …, Bezügestelle Dienstunfall, vom 5. Januar 2017 als Dienstunfall anerkannt mit den Dienstunfallfolgen:
- Prellung linker Ellbogen und
- Zerrung linkes Kniegelenk.
70
Demgegenüber wurden im Zivilverfahren folgende Verletzungen geltend gemacht:
- Schürfwunden,
- Ellbogenkontusion links mit knöcherner Absprengung und
- Kniedistorsion links mit Innenmeniskusabriss, die operativ behandelt werden musste.
71
Entgegen der Auffassung des Beklagten gebietet Art. 97 BayBG keine einschränkende Auslegung dahingehend, dass eine Beschränkung der Erfüllungsübernahme auf dienstunfallrechtlich anerkannte Verletzungsfolgen zu erfolgen habe. Hierfür bietet Art. 97 BayBG seinem Wortlaut nach keinen Anknüpfungspunkt.
72
Auch der Umstand, dass es sich bei Art. 97 BayBG um eine Sondervorschrift mit Ausnahmecharakter handelt, vermag hieran nichts zu ändern. Weder die Gesetzesbegründung enthält diesbezüglich Einschränkungen, noch die systematische Stellung der Vorschrift sprechen hierfür. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich die Erfüllungsübernahme auf anerkannte Dienstunfallfolgen beschränken wollen, so hätte es nahegelegen, die Vorschriften über die Erfüllungsübernahme in das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz zu integrieren, um einen entsprechenden Gleichlauf sicherzustellen. Da dies nicht geschehen ist, sprechen bereits gesetzessystematische Gründe hiergegen.
73
Ferner hat der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers zutreffend darauf hingewiesen, dass ein derartiges Verständnis der Norm erhebliche praktische Probleme aufwerfen würde. Der Kläger müsste bei der Geltendmachung von zivilrechtlichen Schmerzensgeldansprüchen die Klage nach dienstunfallbedingten Schäden sowie etwaigen nicht dienstunfallbedingten Schäden trennen. Dem stünde jedoch der im Zivilrecht geltende Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes entgegen. Dieser gebietet es, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Anspruchs aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen (BGH, U.v. 20.1.2015 - VI ZR 27/14 - juris Rn. 8). Folglich ist eine Trennung nicht ohne weiteres möglich.
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Selbst wenn man der Auffassung des Beklagten folgen würde, dass der bei dem Kläger diagnostizierte Meniskusschaden bereits vor dem schädigenden Ereignis bestanden habe und es daher bereits an der Kausalität fehle, so würde dies nichts an dem Bestehen des Anspruchs auf Erfüllungsübernahme ändern. In der zivilrechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch Vorschäden bzw. eine Schadensgeneigtheit einem zivilrechtlichen Schmerzensgeldanspruch grundsätzlich nicht entgegenstehen. Ein Schädiger kann sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge bereits vorhandener Beeinträchtigungen und Vorschäden besonders anfällig zur erneuten Beeinträchtigung gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre. Dementsprechend ist die volle Haftung auch dann zu bejahen, wenn der Schaden auf einem Zusammenwirken körperlicher Vorschäden und den Unfallverletzungen beruht, ohne dass die Vorschäden „richtunggebend“ verstärkt werden (BGH, U.v. 19.4.2005 - VI ZR 175/04 - juris Rn. 11).
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Ob und gegebenenfalls in welchem Maße eine Vorschädigung einen Anspruch auf Schmerzensgeld mindert, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei darf nicht allein im Wege einer Zukunftsprognose darauf abgestellt werden, ob sich der Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt auch ohne den Unfall verschlechtert hätte. Von wesentlicher Bedeutung ist vielmehr für die Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes, ob der Verletzte vor dem Unfall trotz der Vorschädigung beschwerdefrei war (BGH, U.v. 5.11.1996 - VI ZR 275/95 - juris Rn. 15; OLG Hamm, U.v. 13.6.2014 - 9 U 201/13, I-9 U 201/13 - juris Rn. 34).
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Vorliegend hat das schädigende Ereignis einen zwar nicht gesunden, jedoch - nach unbestrittenen Vortrag - beschwerdefreien Menschen betroffen. Demnach ist nicht davon auszugehen, dass das Schmerzensgeld des Klägers trotz seiner Vorschädigung gekürzt worden wäre, zumal im Wege der zu treffenden Billigkeitsentschädigung auch zu berücksichtigen ist, dass der Kläger während seines Dienstes als Polizist vorsätzlich verletzt worden ist. Alleine aufgrund des Dienstunfalls hat sich der gesundheitliche Zustand des Klägers verschlechtert, und es ist eine Operation mit einer anschließenden Rehabilitationsmaßnahme für eine Dauer von sechs Wochen erforderlich gewesen. Auch dies kann aus Sicht der Kammer nicht unberücksichtigt bleiben und rechtfertigt daher den Schmerzensgeldanspruch der Höhe nach, da diese jedenfalls nicht missbräuchlich erscheint.
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Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren ein Vermögensverzeichnis gemäß § 802c ZPO vorgelegt. Danach verfügt der Schädiger weder über Einkommen noch Vermögen.
78
Durch die Vorlage dieses Vermögensverzeichnisses hat der Kläger den Anforderungen des Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG Rechnung getragen. Der Nachweis mindestens zweier Vollstreckungsversuche ist in dieser Konstellation nicht notwendig, da der Gerichtsvollzieher gemäß § 802f Satz 1 ZPO zur Abnahme der Vermögensauskunft dem Schuldner für die Begleichung der Forderung (erfolglos) eine Frist von zwei Wochen zu setzen hat. Die im Vermögensverzeichnis dokumentierte Vermögenslosigkeit des Schädigers, der auch über kein Einkommen verfügt, machte einen weiteren Vollstreckungsversuch entbehrlich (vgl. Buchard, a.a.O., Rn. 40.1 zu Art. 97 BayBG; VG Ansbach, U.v. 25.7.2019 - AN 1 K 18.01545 - juris Rn. 94).
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Dem Beklagten verbleibt auch kein Ermessensspielraum zur Ablehnung des Antrages. Das der Behörde grundsätzlich zustehende Ermessen ist im vorliegenden Fall auf Null reduziert.
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Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG räumt dem Dienstherrn nach seinem Wortlaut einen Ermessenspielraum ein, so dass der Dienstherr die Erfüllung übernehmen kann, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich ist. Gleichwohl wird die Ermessensausübung durch Art. 97 Abs. 2 Satz 1 BayBG dahingehend vorgegeben, dass eine unbillige Härte insbesondere dann vorliegt, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500,00 EUR erfolglos geblieben ist. Hier fließen Erwägungen hinsichtlich der Gewichtigkeit des Angriffs mit ein, die nicht mit der Frage zu verwechseln sind, ob überhaupt ein rechtswidriger tätlicher Angriff vorliegt. Denn weniger gewichtige Angriffe, die gegebenenfalls nicht wesentlich genug sind, um eine ärztliche Untersuchung zu erfordern, führen in der Regel zu einem niedrigeren Schmerzensgeldanspruch und erreichen in der Folge nicht die Bagatellgrenze von 500,00 EUR. Vor diesem Hintergrund ist auch der im Gesetzgebungsverfahren abgelehnte Änderungsantrag zu verstehen, nach dem die Erfüllungsübernahme auch bei Platzwunden oder einem Spucken ins Gesicht Anwendung finden sollte (Conrad in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Rn. 6 zu Art. 97 BayBG). Die insofern unter Umständen nicht hinreichend gewichtigen Angriffe sind aufgrund einer Ermessensausübung auf Rechtsfolgenseite auszuschließen, nicht jedoch auf Tatbestandsebene unter Auslegung des Begriffs des „tätlichen Angriffs“.
81
Eine unbillige Härte liegt hier zweifellos vor. Für eine Ermessensausübung verbleibt lediglich in-soweit Raum, als er Dienstherr die Erfüllungsübernahme verweigern kann, wenn auf Grund desselben Sachverhalts eine einmalige Unfallentschädigung (Art. 62 BayBeamtVG) oder Unfallausgleich (Art. 52 BayBeamtVG) gezahlt wurde (Art. 97 Abs. 2 Satz 2 BayBG; vgl. LT-Drs. 17/2871). Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass das Ermessen auf Null reduziert ist (vgl. VG München, U.v. 5.7.2017 - M 5 K 16.4266 - juris Rn. 26; Buchard, a.a.O., Rn. 35.3 zu Art. 97 BayBG).
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Auch sonstige Ausschlussgründe wurden weder vorgetragen, noch sind solche ersichtlich. Insbesondere kann dem Kläger kein grob pflichtwidriges Vorverhalten oder gar eine vorangegangene Provokation entgegengehalten werden.
83
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus entsprechender Anwendung der §§ 291 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2, 246 BGB. Der Kläger kann gegen den Beklagten grundsätzlich Prozesszinsen von dem auf den Eingang der Klage folgenden Tag beanspruchen (vgl. § 187 Abs. 1 BGB; BVerwG, U.v. 4.12.2001 - 4 C 2/00 - juris Rn. 50). Im vorliegenden Fall wurde der Zinsanspruch auf den 30. Januar 2020, und damit deutlich nach dem Eingang der Klage am 27. Dezember 2018, beschränkt, weshalb diesbezüglich keine Bedenken seitens der Kammer bestehen.
84
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
85
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
86
Die Berufung war nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Bisher ist obergerichtlich noch nicht entschieden, inwieweit Anerkenntnisurteile einen rechtskräftigen Anspruch auf Schmerzensgeld im Sinne des Art. 97 BayBG darstellen und ob durch die zuständigen Behörden ein aus deren Sicht zu hohes Schmerzensgeld auf ein aus deren Sicht angemessenes Schmerzensgeld reduziert werden darf oder in derartigen Fällen lediglich eine Ablehnung des gesamten Anspruchs möglich ist.