Inhalt

Anwaltsgericht Nürnberg, Urteil v. 06.03.2020 – AnwG I-13/19, 5 EV 42/19
Titel:

Verletzung der anwaltlichen Pflicht, Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen

Normenkette:
BRAO § 31a Abs. 6, §§ 113 ff.
Leitsatz:
Die Verletzung der anwaltlichen Pflicht, Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen, rechtfertigt einen Verweis und eine nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu bemessende Geldbuße. (Rn. 9 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
anwaltsgerichtliches Verfahren, beA, anwaltliche Pflicht, Verletzung, besonderes elektronisches Anwaltspostfach, Verweis, Geldbuße
Fundstellen:
AnwBl 2020, 363
LSK 2020, 7099
MMR 2020, 565
BeckRS 2020, 7099

Tenor

I. ... ist schuldig, gegen die Pflichten verstoßen zu haben, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und sich innerhalb des Berufes der Achtung, des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwaltes erfordert, würdig zu erweisen, hierzu gehört als Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfaches, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtung vorzuhalten sowie Zustellung und den Zugang von Mitteilung über das beA zur Kenntnis zu nehmen.
II. ... wird daher zu einem Verweis und einer Geldbuße von 3.000,00 Euro (in Worten dreitausend Euro) verurteilt.
III. ... hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 197 BRAO)
Angewendete Vorschriften:
§§ 43, 43 allerdings, 31 allerdings, 113, 114 BORA

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Betroffene wurde mit Urkunde der Rechtsanwaltskammer Nürnberg vom ... am ... als Rechtsanwältin zugelassen. Den Eid gemäß § 26 BRAO leistete sie am ....
2
Die Betroffene ist weiterhin im Bezirk der Rechtsanwaltskammer Nürnberg als Rechtsanwältin zugelassen.
3
Im Bundeszentralregister gibt es keine Eintragung. Die Betroffene ist auch standesrechtlich bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Erscheinung getreten.
II.
4
Die Verhandlung fand in Abwesenheit der Betroffenen statt. Die Betroffene ist mir Postzustellungsurkunde vom 04.02.2020 (zugestellt am 06.02.2020) ordnungsgemäß geladen worden unter gleichzeitiger Beifügung des Eröffnungsbeschlusses vom 31.01.2020 und dem Hinweis nach § 134 BRAO. Aufgrund des Antrages auf Verlegung der Betroffenen vom 05.03.2020 wegen eines fieberhaften, grippalen Infektes, führte der Berichterstatter, ... am 06.03.2020 gegen 8:45 Uhr mit der Betroffenen ein Telefonat und wies darauf hin, dass das Verlegungsgesuch nicht ausreichend glaubhaft gemacht war, da ein ärztliches Attest nicht beigefügt sei. Der Betroffenen wurde Gelegenheit gegeben, dies bis 12 Uhr des gleichen Tages nachzureichen. Anschließend wurde die Betroffene mit Beschluss vom 06.03.2020 die Terminsverlegung auf den 06.03.2020, 12:00 Uhr, verbunden mit dem Hinweis gemäß § 134 BRAO per Telefax mitgeteilt. Mit Telefax Vom gleichen Tag bestätigte die Betroffene den Eingang des vorbezeichneten Beschlusses. Bis zum Beginn der Hauptverhandlung wurde kein ärztliches Attest vorgelegt.
5
Der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft beantragte die Verhandlung in Abwesenheit der Betroffenen durchzuführen. Die Kammer beschloss die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Betroffenen durchzuführen. Eine ausreichende Entschuldigung für die Abwesenheit lag nicht vor. Die alleinige Behauptung eines fiebrigen Infektes genügt hierfür nicht. Insbesondere wurde der Betroffenen bis 12 Uhr Zeit gegeben, ein entsprechendes Attest nachzureichen. Dem ist sie nicht nachgekommen, so dass gemäß § 134 BRAO in ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden konnte.
III.
6
Die Hauptverhandlung hat hinsichtlich der Betroffenen zu Last gelegten Sachverhaltes Folgendes ergeben:
7
Seit dem 01.01.2018, spätestens aber seit dem 03.09.2018, sind alle zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Berufsträger als Inhaber eines besonderen elektronischen Postfaches dazu verpflichtet, sich Zugang zu dem von der Rechtsanwaltskammer empfangsbereit eingerichteten jeweiligen elektronischen Postfach zu verschaffen. Dies erfordert die Durchführung einer sogenannten Erstregistrierung, um Zustellung und Empfang von Mitteilungen zur Kenntnis nehmen zu können. Dieser Umstand ist der Betroffenen durch Schreiben der Rechtsanwaltskammer Nürnberg vom 05.04.2019 zur Kenntnis gebracht worden, wobei auch der Verstoß gegen § 31 a, Abs. 6, Halbsatz 2 BRAO und die damit einhergehende Verletzung der Berufspflichten ausdrücklich hingewiesen wurde. Zuletzt wurde sie aufgefordert bis spätestens zum 06.05.2019 ihr beA empfangsbereit einzurichten. Hierbei wurde sie darüber aufgeklärt, dass zum 01.01.2018 aufgrund des § 174, Abs. 4, Satz 3 ZPO neben der passiven Nutzungspflicht auch die sogenannten elektronische Empfangsbekenntnis eingeführt wurde, um Zustellung entgegennehmen zu können.
8
Das Gericht hat durch Ausdruck aus der beA-Postverwaltung vom 06.03.2020, 8:48 Uhr festgestellt, dass ein beA-Postfach der Betroffenen am 16.12.2015 angelegt wurde und bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Registrierung durch die Betroffene erfolgt ist.
IV.
9
Aufgrund der objektiven Feststellung, steht die der Betroffenen zu Last gelegten berufsrechtlichen Verfehlung fest.
10
Bei der Zumessung des Verweises und der Geldbuße von 3.000,00 Euro (in Worten dreitausend Euro) hat das Gericht sich von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen:
11
1. Die Betroffene ist bis zum jetzigen Zeitpunkt weder strafrechtlich noch berufsrechtlich in Erscheinung getreten.
12
2. Zu Lasten der Betroffenen musste allerdings berücksichtigt werden, dass sie bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Erstregistrierung vorgenommen hat, obwohl ihr lange Zeit der Verstoß bereits bekannt war. Diese fehlende Erstregistrierung führt zu einer erheblichen Gefährdung der Mandanten der Betroffenen, da die Betroffene nicht feststellen kann, ob ihr über beA etwas zugestellt wird. Derartige Zustellungen können Fristen enthalten, deren Versäumung zu Lasten der Mandanten gehen, so dass ein erhebliches Gefährdungspotential vorliegt.
13
Die Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Erstregistrierung und Abfrage der beA-Zustellung ist bereits mehrfach entschieden, so beispielsweise BVerfG Beschluss vom 20.12.2017, Aktenzeichen 1 BvR 223/17; BGH Urteil vom 11.01.2016, Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 335/15, BGH Beschluss vom 23.05.2019, Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 15/19, LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 19.06.2019, Aktenzeichen 5 Ta 94/19 sowie OLG Dresden Urteil vom 18.11.2019, Aktenzeichen 4 U 2188/19.
14
Unter Berücksichtigung dieser Abwägung und bei Unterstellung der Kammer, dass die Betroffene in durchschnittlich wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, sah die Kammer den verhängten Verweis sowie die Geldbuße für erforderlich, aber auch als angemessen an.
V.
15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 BRAO. ... hat als Verurteilte die Kosten des Verfahrens zu tragen.