Inhalt

SG Augsburg, Endurteil v. 26.11.2020 – S 6 VG 5/18
Titel:

Widerspruchsbescheid, Beweiserleichterung, Außergerichtliche Kosten, Angaben des Antragstellers, tätlicher Angriff, Gewaltanwendung, Glaubhaftmachung, Sexuelle Handlung, Opferentschädigungsgesetz, Alkoholisierung, Entschädigungsansprüche, Kostenentscheidung, Schädigungsfolgen, Rechtswidrigkeit, Klageabweisung, Polizeiliche Vernehmung, Bundesversorgungsgesetz, Kriegsopferversorgung, Sachverhaltsaufklärung, Beweisantrag

Schlagworte:
Klageabweisung, Beweismaßstab, Zeugenaussage, Glaubhaftmachung, psychische Gewalt, körperliche Gewalt, Schädigungsfolgen
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 10.08.2021 – L 15 VG 31/20
BSG Kassel, Beschluss vom 21.12.2021 – B 9 V 34/21 B
Fundstelle:
BeckRS 2020, 68717

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 9. Januar 2018 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2018 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Tatbestand

1
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) streitig.
2
Der 1972 geborene Kläger stellte am 18.10.2016 bei dem Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem OEG.
3
Dies begründete er damit, dass er im Rahmen eines Beichtgesprächs im Sommer 1997 vom damaligen Kaplan der Pfarrkirche in M, dem Zeugen D., zu sexuellen Handlungen genötigt worden sei.
4
Seither leide er an einer Traumatisierung, Depression, Paranoia, Sozialphobie, Angststörung, Suizidalität, Zwangsstörungen und psychosomatischem Asthma.
5
Beigefügt waren dem Antrag zwei E-Mails des Zeugen vom 22.04.2015 und vom 23.04.2015. In diesen erklärte der Zeuge, dass er dankbar sei, dass der Kläger sich bei ihm melde. Er leide darunter und es täte ihm von Herzen leid, ihm das angetan zu haben. Er habe auch überlegt, wie er mit dem Kläger Kontakt hätte aufnehmen können. Gerne würde er in irgendeiner Weise wiedergutmachen können, was er angerichtet habe. Ihm sei damals nicht bewusst gewesen, dass er seine Rolle als Priester verdrängt habe und seine eigenen Bedürfnisse im Vordergrund gestanden hätten. Weiter bot der Zeuge an, sich an Therapiekosten oder ähnlichem zu beteiligen.
6
Nach Beiziehung ärztlicher Behandlungsunterlagen und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte M lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 09.01.2018 ab.
7
In dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft M habe zwar der Zeuge bestätigt, dass es zwischen ihm und dem Kläger zu sexuellen Handlungen gekommen sei. Diese seien aber einvernehmlich erfolgt. Der Kläger habe sich nämlich auf seine Einladung hin selbst in das Bett gelegt und sei bis zum nächsten Morgen auch geblieben. Damit sei nicht nachweisbar, dass der Kläger an einem Tag vor dem 28.08.1996 Opfer einer sexuellen Nötigung durch den Beschuldigten geworden sei.
8
Dagegen legte der Kläger am 15.01.2018 Widerspruch ein.
9
Die Ausführungen im Bescheid widersprächen dem Schuldeingeständnis des Zeugen per E-Mail. Wären die Handlungen einvernehmlich gewesen, hätte er sich wohl nicht schriftlich entschuldigt für einen nicht akzeptablen Übergriff im Rahmen eines Abhängigkeitsverhältnisses. Die angebliche Übernachtung wie auch die behauptete Alkoholisierung seien Schutzbehauptungen.
10
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2018 zurück.
11
Der Kläger selbst habe in dem E-Mail-Verkehr mit dem Beschuldigten mit keinem Wort ein Nötigungselement erwähnt bzw. von Anwendung von Gewalt geredet. Vielmehr habe der Kläger dem Zeugen nur vorgeworfen, eine „Hilfssituation“ im Rahmen eines seelsorgerischen Gesprächs dahingehend ausgenutzt zu haben, ihn zu sexuellen Handlungen veranlasst zu haben.
12
Dagegen hat der Kläger am 09.04.2018 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.
13
Zur Klagebegründung hat er ausgeführt, dass der Zeuge als Kaplan für das ehemalige K-Internat zuständig gewesen sei, in welchem er seinerzeit gewohnt habe. Er habe dort regelmäßig Gottesdienste gefeiert und für die Bewohner einen seelsorgerischen Auftrag gehabt, auch für die Gemeinde, zu der das Internat und damit auch er gehört habe. Er habe den Zeugen nicht privat besucht, sondern in einer seelsorgerischen Notsituation aufgesucht, in einer psychischen Ausnahmesituation. Damit sei er wehrlos den Übergriffen des Täters ausgesetzt gewesen. Warum habe er ihn nicht gebeten, wie es ein professionelles Vorgehen erfordert hätte, in sein Arbeitszimmer zu kommen, sondern in seine Wohnräume bzw. auf seine Alkoholisierung im Vorfeld hingewiesen, die dazu geführt hätte, dass er von einer Hilfesuche bei ihm Abstand genommen hätte. Das seelsorgerische Vertrauensverhältnis, das ihm seinerzeit qua Amt auferlegt worden sei, habe er schamlos für seine niedrigen Beweggründe ausgenutzt. Versuche, die Tat abzuwehren, habe dieser ignoriert bzw. mit entsprechender physischer Übermacht durchgesetzt, auch wenn er dies heute bestreiten möge, wie die Beklagte behaupte. Die seinerzeitige Alkoholisierung des Zeugen möge ihm heute phasenweise suggerieren, dass das Geschehen einvernehmlich gewesen sei, um sich der Verantwortung für sein Tun zu entledigen. Er als Opfer sei allerdings nüchtern und wisse, was er erlebt und habe erleiden müssen.
14
Weiter hat der Kläger mit Schreiben vom 27.04.2019 und vom 27.06.2019 vorgetragen, dass in seinem Fall von einer Beweiserleichterung nach § 6 Abs. 3 OEG auszugehen sei. Es dürfte wohl kaum einen sexuellen Übergriff im Kontext „Kirche“ geben, der so gut und hinreichend durch Tätereingeständnis schriftlich belegt sei wie in seinem Fall. Insoweit werde auch auf seinen Kontakt und die E-Mails des Pfarrers M an den Generalvikar G verwiesen.
15
Am 28.10.2020 hat der Kläger einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen über einen Zwischenbericht zur sexuellen Gewalt im bei Gericht eingereicht und am 02.11.2020 beantragt, den in diesem Zeitungsbericht benannten und berichtenden Bischof als Zeugen zu laden. Dieser könne aus den ihm vorliegenden Akten zur causa D. darlegen und begründen, warum als verantwortlicher Dienstvorgesetzter das Handeln des Zeugen übergriffig und nicht tolerabel gewesen sei.
16
Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat das Gericht Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und zwar auf nervenärztlichem Gebiet von J. vom 05.06.2018, vom I. vom 05.06.2018 und von der Ärztin G. vom 14.06.2018.
17
In der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2020 beantragt der nicht anwesende und auch nicht vertretene Kläger sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 09.01.2018 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2018 zu verurteilen, ihm eine Versorgung nach dem OEG zu gewähren.
18
Die Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
19
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die beigezogene Verwaltungsakte und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
21
Zu Recht hat die Beklagte es mit Bescheid vom 09.01.2018 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2018 abgelehnt, dem Kläger Leistungen nach dem OEG zu gewähren.
22
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält eine natürliche Person, die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschrift des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
23
Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG besteht damit aus drei Merkmalen, nämlich einem schädigenden Vorgang, einer Schädigung und Schädigungsfolgen, die durch einen Ursachenzusammenhang (Kausalität) verknüpft sind.
24
Dabei bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) grundsätzlich des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 3 Abs. 3 BVG dagegen die Wahrscheinlichkeit. Des Weiteren gilt nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, ein erleichterter Beweismaßstab, nach dem bei der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung (also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff) im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen sind, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
25
Grundsätzlich kommt diese Beweiserleichterung aber nur dann in Betracht, wenn auf Seiten des Antragstellers eine Beweisnot besteht, also keine Beweismittel für den geltend gemachten Anspruch beigebracht werden können. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn der beschuldigte Täter aussagt. In einem solchen Fall ist es nämlich dann vielmehr Aufgabe des Gerichts einzelfallbezogen die jeweiligen Aussagen richterlich zu würdigen (siehe hierzu Urteil des Landessozialgerichts – LSG – Baden-Württemberg vom 22.09.2016 – L 6 VG 1927/15). Weiter ist eine Absenkung des Beweismaßes auf bloße Glaubhaftmachung nur dann möglich, wenn die Angaben des Antragstellers auf eigenem Wissen beruhen und widerspruchsfrei sind (siehe Urteil des Eufach0000000028s – BSG – vom 28.07.2000 – B 9 VG 3/99 R).
26
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme durch Einvernahme des Zeugen steht aber für das Gericht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, also im Vollbeweises, fest, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG geworden ist.
27
Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) wird nämlich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person geprägt, es muss also auf einen anderen mit körperlicher Gewalt eingewirkt worden sein (vergleiche BSG, Urteile vom 16.12.2014 – B 9 V 1/13 R – und vom 07.04.2011 – B 9 VG 2/10 R –, m.w.N.). Damit ist unter einem tätlichen Angriff im Sinne des OEG grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung zu verstehen, wobei ein tätlicher Angriff jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn es an einer unmittelbaren Gewaltanwendung fehlt. Fehlt es an einem tätlichen – körperlichen – Angriff, ergeben sich für die Opfer allein psychischer Gewalt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG keine Entschädigungsansprüche (vergleiche BSG, a.a.O. m.w.N. sowie Urteil des BayLSG vom 26.01.2016 – L 15 VG 8/12). Nach der Zeugenaussage ist aber auf den Kläger nicht mit körperlicher Gewalt entgegen seinem geäußerten Willen eingewirkt worden, vielmehr hat der Zeuge annehmen können, nachdem sich der Kläger zu ihm freiwillig – was auch unstrittig ist – in das Bett gelegt hatte und dieses auch nicht sofort wieder verlassen hatte, nachdem er die Geschlechtsteile des Klägers berührt hatte, dass die sexuelle Handlung mit Einverständnis des Klägers erfolgt. Ein irgendwie geartetes körperliches Gewaltmoment lässt sich damit nicht erkennen.
28
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten E-Mails aus dem Jahr 2015. In keiner von diesen hat nämlich der Zeuge erklärt, dass er den Kläger mit Gewalt gegen seinen Willen zu sexuellen Handlungen gezwungen hat. Das darin niedergelegte Schuldeingeständnis kann ohne Weiteres vielmehr als das Eingestehen einer moralischen Schuld verstanden werden, die aber bei fehlender Gewaltanwendung nicht von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erfasst wird.
29
Soweit der Kläger dem entgegen in seiner polizeilichen Vernehmung am 27.02.2017 angegeben hat, dass seine rechte Hand vom Zeugen an dessen Geschlechtsteil zur Befriedigung geführt worden sei und mit der zweiten Hand des Zeugen dort fixiert worden sei, sodass er die Hand nicht mehr habe zurückziehen können, ist dies selbst bei Annahme einer Beweiserleichterung gemäß § 6 Abs. 3 OEG nicht durchgreifend, da nicht glaubhaft.
30
Bereits die Angaben des Klägers zum Zeitpunkt und Ort des Geschehens, nämlich in M im Sommer 1997, können nach den Ermittlungen des Gerichts nicht zutreffend sein, da nachweislich mit Schreiben des Bischöflichen Ordinariats M vom 12.07.1996 dem Zeugen die Kaplaneistelle S übertragen worden war. Im Sommer 1997 wohnte daher der Zeuge nicht mehr in M. Weiter nicht glaubhaft ist, dass der Zeuge, wie vom Kläger ebenfalls in der polizeilichen Vernehmung angegeben, versucht haben soll, in der Folgezeit mehrfach telefonischen Kontakt mit ihm aufzunehmen. Insoweit hat nämlich der Zeuge in den vom Kläger vorgelegten E-Mail-Nachrichten, auf auf die sich der Kläger ausdrücklich beruft, ausgeführt, dass er sich überlegt habe, wie er mit dem Kläger wieder Kontakt aufnehmen könne. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Zeuge gerade keine Kontaktdaten vom Kläger gehabt hat. Andernfalls hätte der Zeuge in dieser E-Mail berichtet, dass leider seine bisherigen Kontaktversuche gescheitert seien und gerade nicht, dass es ihm wohl „leider“ nicht möglich gewesen sei, Kontakt aufzunehmen.
31
Letztendlich ist aber auch nicht glaubhaft, dass der Kläger, der damals 26 Jahre war, sich ohne Bedenken in das Bett mit dem Zeugen gelegt hat, nur, weil dieser gesagt habe, dass er dies bequemer fände und sogar noch liegen geblieben ist, nachdem der Zeuge sich während des Gesprächs seine Hose geöffnet habe und sein Geschlechtsteil herausgenommen habe, das bereits deutlich erigiert gewesen sein soll, wenn er keine sexuellen Handlungen mit dem Zeugen wollte. Anstelle aber dann das Bett zu verlassen, habe er nur gefragt, was das jetzt solle. Wenn aber die sexuellen Handlungen, wie vom Kläger behauptet, entgegen seinem Willen gewesen wären, erschließt sich dem Gericht weiter nicht, weshalb der Kläger nicht umgehend das Bett verlassen hat, nachdem – selbst nach den eigenen Angaben des Klägers – zu diesem Zeitpunkt der Zeuge keinerlei Gewalt gegenüber ihm angewandt hatte. Ebenso wenig glaubhaft ist, dass es dem Zeugen gelungen sein soll, sich selbst unter Fixierung der Hand des Klägers auf seinem Geschlechtsteil mit seiner eigenen zweiten Hand im Liegen zu befriedigen, ohne dass sich der Kläger trotz seines Bemühens hieraus nicht befreien konnte. Schließlich hat auch der Kläger eine zweite Hand, die er hätte einsetzen können, um seine Hand zu lösen. Das Gericht denkt auch nicht, dass es möglich ist, sich mit der Hand eines anderen zu befriedigen, wenn dieser nicht still hält. Dass der Kläger zu einer geeigneten Befreiungsreaktion nicht fähig gewesen sein könnte, weil er wie gelähmt gewesen sei und nicht habe einordnen können, was das jetzt solle, ist ebenfalls angesichts des damaligen Alters des Klägers und fehlender Anhaltspunkte dafür, dass er mit Beruhigungsmitteln vom Zeugen ruhiggestellt worden war, für das Gericht nicht nachvollziehbar. Nach Ansicht des Gerichts konnte der Zeuge das Verhalten des Klägers somit nur dahingehend verstehen, dass dieser mit sexuellen Handlungen einverstanden gewesen war.
32
Sollte der Kläger jedoch tatsächlich aufgrund eines psychisch empfundenen Drucks gegenüber dem Zeugen nicht fähig gewesen sein, sich den sexuellen Handlungen des Zeugen zu widersetzen, ergäbe sich hieraus ebenfalls kein Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, da wie bereits oben ausgeführt psychische Gewalt nicht unter den Gewaltbegriff dieser Norm fällt (vergleiche hierzu auch Urteil des BSG vom 17.04.2013 – B 9 V 1/12 R –, wonach bezüglich Kindern gilt, dass nicht jede Vernachlässigung von diesen und jede missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, die das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet, als Gewalttat angesehen werden kann, sowie Urteil des BayLSG vom 26.01.2016, a.aO.).
33
Der vom Kläger sodann gestellte Antrag auf Zeugeneinvernahme des Bischofs K war als ungeeignet abzulehnen. Für den geltend gemachten Anspruch kommt es nämlich nicht darauf an, ob das Verhalten des Zeugen gegenüber dem Kläger als übergriffig und nicht tolerabel einzustufen ist, da ein solches Verhalten allein nicht ausreicht, um die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zu erfüllen. Entscheidend ist wie ausgeführt allein eine gewalttätige Einwirkung auf den Körper eines anderen. Dass aber der vom Kläger benannte Zeuge die behauptete Tatsache wird bestätigen können, dass der Zeuge D. mit körperlicher Gewalt auf ihn eingewirkt hat, ist dem Zeitungsartikel gerade nicht zu entnehmen. Vielmehr wird in diesem berichtet, dass der Bischof einen Zwischenbericht zur sexuellen Gewalt im abgegeben hat, auf Grundlage von Gesprächen, die vom Anwalt U J. mit Betroffenen geführt worden sind. Soweit der Kläger also meint, dass von seinem Fall in diesem Bericht gesprochen worden ist, muss er auch ein Betroffener gewesen sein, der mit Rechtsanwalt J. gesprochen hat bzw. diesem Unterlagen zu seinem Fall überlassen hat. Der vom Kläger benannte Zeuge kann daher nur das berichten, was der Kläger selbst berichtet hat. Dies ist aber dem Gericht bereits durch das Klageverfahren selbst bekannt.
34
Im Übrigen wird auch in dem Zeitungsartikel „nur“ von einer Ausnutzung der besonderen Vertrauenssituation gesprochen, also nicht von einer Gewaltanwendung, sodass der Beweisantrag im Ergebnis auf einen unzulässigen sogenannten Ausforschungsantrag (vgl. BSG 05.02.2009 – B 13 RS 85/08 B –) hinausläuft.
35
Mangels des Nachweises bzw. Glaubhaftmachung eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 OEG war daher die Klage als unbegründet abzuweisen.
36
Nur ergänzend wird daher noch darauf hingewiesen, dass nach Ansicht des Gerichts aber auch kein Kausalzusammenhang zwischen den psychischen Erkrankungen des Klägers und dem damaligen Ereignis hätte angenommen werden können, da der Kläger bereits vor 1996 nervenärztlich erkrankt war. So hat der Kläger nach dem Entlassungsbericht an Frau G. der R Kliniken vom 23.07.2012 bereits 1995 einen Suizidversuch begangen und war im Jahre 1994/1995 in tiefenpsychologischer Behandlungen infolge eines Traumas durch einen sexuellen Missbrauch. Die jetzigen nervenärztlichen Erkrankungen des Klägers sind daher wahrscheinlich nicht auf das Ereignis von 1996 zurückzuführen.
37
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.