Inhalt

LG Passau, Beschluss v. 05.05.2020 – 3 S 3/20
Titel:

Hinterbliebenengeld, Prozeßbevollmächtigter, Näheverhältnis, Tatsächliche Feststellungen, Mitverschulden, Haftpflichtprozeß, häusliche Gemeinschaft, Persönliche Abhängigkeit, Eigene Ermessensentscheidung, Straßenverkehrsrecht, Genugtuungsfunktion, Schockschaden, Entscheidung des Amtsgerichts, Berufungsrücknahme, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Offensichtliche Unbegründetheit, Angriffs- und Verteidigungsmittel, Entscheidung des Berufungsgerichts, Informatorische Anhörung, Großeltern

Schlagworte:
Hinterbliebenengeld, Verkehrsunfall, Persönliches Näheverhältnis, Seelisches Leid, Großeltern-Enkel-Beziehung, Anspruchshöhe, Berufungsverfahren
Vorinstanz:
AG Passau, Urteil vom 03.12.2019 – 11 C 721/19
Fundstelle:
BeckRS 2020, 68393

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Passau vom 03.12.2019, Az. 11 C 721/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 2.500 € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

1
Die Klägerin begehrt die Zahlung eines weiteren Hinterbliebenengelds. Die Großmutter der zum Unfallzeitpunkt 1-jährigen Klägerin verstarb in Folge eines Verkehrsunfalls am 04.08.2017, welcher durch einen bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw verursacht worden war.
2
Die Verstorbene wohnte unweit der Klägerin. Die Mutter der Klägerin war als Hausfrau und deren Vater im Sicherheitsdienst mit häufigen Nachtschichten beschäftigt.
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Vorgerichtlich zahlte die Beklagte bereits 5.000 € an die Klägerin.
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Die Klägerin macht geltend, sie habe Anspruch auf ein um mindestens 2.500 € höheres Hinterbliebenengeld aufgrund ihrer engen Beziehung zur Verstorbenen. Diese sei regelmäßig zu Besuch gekommen, habe die beiden Enkel beaufsichtigt, mit diesen gespielt und sei auch über Nacht geblieben. Zudem habe sie an Familienausflügen teilgenommen und oft mit der Familie gegessen. Noch heute vermisse die Klägerin ihre Großmutter, die den Mittelpunkt des Lebens der Großfamilie dargestellt habe, und stehe oft nachts im Bett, zeige Richtung Himmel und rufe nach der verstorbenen Großmutter.
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Die Beklagte bestreitet diesen Vortrag mit Nichtwissen und ist, insbesondere unter Berücksichtigung des jungen Alters der Klägerin und der fehlenden häuslichen Gemeinschaft, der Ansicht, ein Anspruch auf weitere Zahlung bestehe nicht.
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Mit Endurteil vom 03.12.2019, auf dessen tatsächliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, wurde die Klage abgewiesen.
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Zwar bestehe Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenengeld, §§ 844 Abs. 3 BGB, 10 Abs. 3 StVG als Ausgleich für den seelischen Nachteil der Klägerin aufgrund des Verlusts. Die bereits gezahlten 5.000 € seien aber ausreichend und angemessen.
8
Die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten zeige, dass auch diese von dem erforderlichen besonderen persönlichen Näheverhältnis ausgehe. Der mit Nichtwissen bestrittene klägerische Vortrag und die Aussagen der informatorischen Anhörung des Vaters der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung könnten als wahr unterstellt werden.
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Ausweislich der Gesetzesbegründung gehe der Gesetzgeber von einer durchschnittlichen Zahlung von 10.000 € und einer Orientierung der Anspruchshöhe an der bestehenden Rechtsprechung zu Schockschäden und Schmerzensgeld aus. Diese seien aber die Obergrenze, da der Tatbestand des § 844 Abs. 3 BGB im Gegensatz zu diesen keine gesundheitliche Beeinträchtigung voraussetze.
10
Ein höherer Anspruch bestehe nicht, da zwar aufgrund der regelmäßigen Kontakte der Verstorbenen zur Klägerin von einem prägenden Einfluss ausgegangen werden müsse, das Näheverhältnis aber nicht mit einer elterlichen Beziehung gleichzusetzen sei. Trauer sei die übliche Folge eines plötzlichen und unerwarteten Todes. Der Tod der Großeltern sei aber übliches Erleben im Rahmen der Generationenfolge.
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Das Endurteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.12.2019 zugestellt.
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Mit Schriftsatz vom 03.01.2020, eingegangen am selben Tag, legte diese dagegen Berufung ein, die im selben Schriftsatz begründet wurde.
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Die amtsgerichtliche Abwägung rechtfertige aufgrund der einbezogenen Gesichtspunkte die getroffene Entscheidung nicht. Daher habe das Berufungsgericht eine eigene Ermessensentscheidung unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffen.
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Das Amtsgericht habe das besondere persönliche Näheverhältnis verkannt. Entscheidend seien Art und Ausmaß des seelischen Leids und die Intensität der Beziehung. Diese hingen auch von den Lebensumständen und der geistigen Verfassung der Klägerin ab.
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Das Hinterbliebenengeld sei zwischen 3.000 € und 20.000 € zu bemessen. Aufgrund des tragischen Unfalls und des plötzlichen Todes sei eine höhere Zahlung geschuldet.
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Das Amtsgericht habe zudem nicht berücksichtigt, dass die Verstorbene keine Schuld an ihrem Tod traf.
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Die Beziehung sei weit über die normale Bindung eines Enkels an seine Großmutter hinausgegangen. Die besondere subjektive Veranlagung bedinge eine höhere Zahlung, da die Klägerin und die gesamte Familie heute noch leide.
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Auch der Tod der Eltern sei ein übliches Erleben, widerspreche höheren Zahlungen aber nicht, weshalb das amtsgerichtliche Argument nicht einbezogen werden könne. Zudem sei die Verstorbene noch voll berufstätig und erst 63 Jahre alt gewesen, sodass der Klägerin viele Jahre mit dieser verloren gegangen seien.
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Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin und Berufungsklägerin beantragt:
Unter Abänderung des am 03.12.2019 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Passau, Az. 11 C 721/19 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Hinterbliebenengeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens weitere 2.500€ nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.06.2018 zu zahlen zzgl. vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 236,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
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Die Prozessbevollmächtigte der Berufungsbeklagten beantragte,
die Berufung zurückzuweisen.
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Das Berufungsgericht dürfe die Ermessensentscheidung nur auf Ermessensfehler hin überprüfen. Das Amtsgericht habe dezidiert ausgeführt, wie es zu seinem zutreffenden Ergebnis gekommen sei. Mit einem plötzlichen Tod sei zudem immer, auch bereits im Alter von 63 Jahren, zu rechnen.
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Hinsichtlich der Einzelheiten sowie zur Vervollständigung wird Bezug genommen auf die Verfahrensakte des Amtsgerichts Passau, Az.: 11 C 721/19.
II.
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Die Voraussetzungen einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.
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1. Die Berufung ist offensichtlich unbegründet (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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a) Eine Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1 Alt. 1 i.V.m. § 546 ZPO), die Tatsachenfeststellung unrichtig ist (§ 513 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder neue berücksichtigungsfähige Angriffs- und Verteidigungsmittel vorliegen (§ 513 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO).
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Dabei hat eine Berufung nur dann Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO, wenn eine Abänderung des Ersturteils zugunsten des Berufungsführers zu erwarten ist, was nur einem durchgreifenden Fehler des Ersturteils zu bejahen ist. Eine offensichtliche Unbegründetheit i.S. d. § 522 Abs. 2 ZPO ist gegeben, wenn die zuvor genannten Fehler für jeden Sachkundigen ohne längere Nachprüfung erkennbar das angefochtene Urteil nicht zu Fall bringen können. Offensichtlichkeit setzt aber nicht voraus, dass die Aussichtslosigkeit gewissermaßen auf der Hand liegt. Sie kann vielmehr auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein. Der Kammer ist es auch nicht verwehrt, auf der Grundlage der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen ergänzende, das angefochtene Urteil weiter rechtfertigende oder berichtigende Erwägungen anzustellen (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.02.2012, Az. 10 U 817/11; OLG Hamm, Beschl. v. 02.03.2012, Az. 20 U 228/11; Heßler in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 522 Rn. 36).
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b) Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Entscheidung des Amtsgerichts Passau, auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens, als zutreffend. Die Kammer tritt der Entscheidung des Erstgerichts bei und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die nachvollziehbare Entscheidung des Amtsgerichts. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich folgende Anmerkungen veranlasst:
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aa) Eine Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung wird von der berufungsführenden Partei nicht gerügt. Ausdrücklich wendet sich die Berufung nur gegen die amtsgerichtlichen Ausführungen zur angemessenen Höhe des Hinterbliebenengelds. Die Kammer ist daher nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Amtsgerichts gebunden.
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bb) Auf Basis der festgestellten, im Berufungsverfahren als maßgeblich zu berücksichtigenden Tatsachen weist die amtsrichterliche Entscheidung auch keine Rechtsfehler i.S.v. § 513 Abs. 1 Var. 1 i.V.m. § 546 ZPO auf.
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Der Kammer ist es dabei nicht verwehrt, auf der Grundlage der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen ergänzende, das angefochtene Urteil weiter rechtfertigende oder berichtigende Erwägungen anzustellen (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.02.2012, Az. 10 U 817/11; Heßler in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 522 Rn. 36).
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1. Wie von der Berufungsklägerin ausgeführt, hat das Berufungsgericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen; der Prüfungsmaßstab ist nicht auf die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung auf Ermessensfehler beschränkt.
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Die „angemessene Entschädigung“ im Sinne des § 844 Abs. 3 BGB ist gerichtlich gem. § 287 ZPO zu bestimmen. Entsprechend der Überprüfung von Schmerzensgeldentscheidungen hat die Kammer eine eigene Abwägung anhand der erstinstanzlich festgestellten und vorliegend nicht angegriffenen Tatsachen, §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO vorzunehmen (vgl. BGH, NJW 2011, 1947; NJW 2006, 1589; Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. A., § 844, Rn. 274)
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Hierbei hat sich die Höhe des Hinterbliebenengelds am Gesetzeszweck, der Kompensation des aufgrund des Verlusts erlittenen seelischen Leids, zu orientieren. Dieses, sowie die Intensität der Beeinträchtigung des Angehörigen sind im Wege einer Gesamtwürdigung geeigneter Indizien zu ermitteln und zu bewerten, u.a. also anhand einer Betrachtung des Grads der Verbundenheit, des Vertrauensverhältnisses, der Abhängigkeit vom Verstorbenen, der Intensität der gelebten Beziehung, einer besonderen subjektiven Veranlagung der Hinterbliebenen bei der Bewältigung von Trauer und der Bedeutung des Verstorbenen im Leben der Hinterbliebenen (Nugel, ZfSch 2018, 72 ff.).
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Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung eines Hinterbliebenengelds gem. § 844 Abs. 3 BGB. Auch die Kammer hält den bereits geleisteten Betrag von 5.000 € aber für ausreichend. Auf die umfassenden und zutreffenden Abwägungen des Amtsgerichts wird Bezug genommen.
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2. Die Kammer stellt die anhaltende und tiefe Trauer der Klägerin aufgrund des schwerwiegenden Verlusts ihrer Großmutter nicht in Frage. Die erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen rechtfertigen aber keinen über die bereits gezahlten 5.000 € hinausgehenden Anspruch. Zwar bestand ein intensives Näheverhältnis der Klägerin zur Verstorbenen, dieses hatte aber dennoch den Charakter einer intensiv gelebten großelterlichen Beziehung.
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Auch wenn der Gesetzgeber von der durchschnittlichen Zahlung von 10.000 € pro Hinterbliebenen ausgeht und sich hierbei an der Rechtsprechung zu Schadensersatz und Schockschäden orientiert (BT Drucks. 18/11, 397 vom 07.03.2017, S. 11), bilden diese nur die Obergrenze. Im Gegensatz zum Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB setzen diese eine weitreichendere, weil krankhafte, Beeinträchtigung des Gläubigers voraus.
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Zudem kann das vorliegende Näheverhältnis nicht mit der Bindung zwischen Eltern und Kindern gleichgesetzt werden. Auch der Grad der persönlichen Abhängigkeit und Angewiesenheit ist einzubeziehen. Insbesondere im jungen Alter sind die Eltern hauptsächlich prägend. Wenn die Verstorbene auch gelegentlich die Klägerin beaufsichtigt hat, lebten diese doch nicht in häuslicher Gemeinschaft. Auch die täglichen, kurzen Treffen begründen keine persönliche Abhängigkeit oder Angewiesenheit der Klägerin.
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Darüber hinaus zeichnen gerade die Mitnahme im Rahmen von Besorgungsfahrten, die gelegentliche Anwesenheit beim Familienessen und die Teilnahme an Familienausflügen das Bild eines fürsorglichen und liebevollen Näheverhältnisses, welches die klassischen Rollen der Großeltern, nicht aber der Eltern, umfasste.
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3. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass § 844 Abs. 3 S. 1 BGB bereits tatbestandlich ein besonderes Näheverhältnis voraussetzt, welches im Rahmen der Beziehung zwischen Enkel und Großeltern nicht vermutet wird. Ein Anspruch besteht bereits dem Grunde nach nur, soweit eine hinreichend intensive großelterliche Bindung vorliegt. Auch wenn das Verhältnis bereits vorgerichtlich mittels der beklagtischen Zahlung anerkannt worden war, muss diese Erwägung aber doch bei der Bemessung einbezogen werden. Ein über die Mindestbeträge – ob diese bei 3.000€ oder 5.000€ liegen (vgl. Pardey, in: Geigel Haftpflichtprozess, Kap. 7, Rn. 26) – hinausgehendes Hinterbliebenengeld kann nur dann gewährt werden, wenn weitere Faktoren hinzu kommen, welche in der gegen ständlichen engen Beziehung eine noch größere Intensität oder Bindung begründen. Vorliegend vermag die Kammer aber keine erstinstanzlich unberücksichtigt gebliebenen Faktoren zu erkennen. Unter Einbeziehung der amtsgerichtlichen Feststellungen erscheint der bereits bezahlte Betrag als ausreichend.
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4. Zu Recht bezog das Amtsgericht ein, dass der Tod eines Großelternteils im Rahmen der Generationenfolge auch bereits im jungen Alter ein häufiges Erleben eines Enkels darstellt und die damit einhergehende Trauer eine übliche Folge dessen ist (vgl. für den entgegengesetzten Fall: Huber, in: JuS 2018, 744 (749)). Dieser kann auch nicht mit dem Verlust eines Elternteils gleichgesetzt werden, obwohl der Mensch mit beiden Erlebnissen im Verlauf des Lebens üblicherweise konfrontiert wird. Der Verlust von Großeltern tritt gewöhnlich in einem jüngeren Alter ein. Eine größere Härte ergibt sich daher aus dem Alter der Klägerin nicht.
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5. Das Amtsgericht überging zudem nicht fehlerhaft, dass die Verstorbene keinerlei Mitverschulden an ihrem Tod traf. Der Umstand ist nicht ansprucherhöhend zu berücksichtigen. Der Anspruch aus § 844 Abs. 3 BGB ist insoweit nicht mit Ansprüchen auf Schmerzensgeld vergleichbar. Das Hinterbliebenengeld erfüllt gerade keine Ausgleichs- oder Genugtuungsfunktion, sondern dient nur der Kompensation seelischen Leids. Insoweit ist daher nur eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Mitverschuldens des Verstorbenen gem. §§ 846, 254 Abs. 1 BGB möglich, nicht aber die gegenteilige Wertung (Pardey, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 28. A., Teil 1, Kapitel 7, Rn. 28; Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Auflage 2020, § 844 BGB, Rn. 243, 241 m.w.N.).
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6. Das Hinterbliebenengeld dient nicht der Kompensation des Verlusts eines Menschenlebens und ist daher auch nicht an dessen „Wert“ oder wertbildenden Faktoren zu orientieren. Maßgeblich ist einzig die Linderung der Trauer über den Verlust (Wagner, in: NJW 2017, 2641). In der Folge kann auch das Lebensalter der Verstorbenen nicht prinzipiell anspruchserhöhend einbezogen werden. Ein Verhältnis zur Intensität der klägerischen Trauer ist nicht ersichtlich. Diese ist Folge der engen familiären Bande und des Engagements der Verstorbenen, insbesondere der Teilnahme am Familienleben, nicht aber ihres Alters oder ihrer Berufstätigkeit.
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Zu berücksichtigen ist, dass der Tod plötzlich und unerwartet aufgrund eines Verkehrsunfalls eingetreten ist. Dies steht aber ebenso wenig im Zusammenhang mit dem Alter der Verstorbenen. Die Gefahr eines unvermittelten Versterbens aufgrund eines Unfalls besteht in jedem Lebensalter.
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Unter umfassender Würdigung der erstinstanzlichen Feststellungen sowie des Vortrags der Berufungsbegründung schließt sich die Kammer daher der erstinstanzlichen Wertung an. Der beireits gezahlte Betrag von 5.000 € ist ausreichend.
III.
45
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, liegt die Kammer aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
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Der Gegenstandswert ergibt sich in Anwendung der §§ 47, 48 GKG.