Inhalt

VGH München, Urteil v. 29.01.2020 – 4 B 19.1354
Titel:

zur Äußerungsbefugnis eines Amtsträgers bei der Erfüllung kommunaler Verwaltungsaufgaben

Normenketten:
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 28 Abs. 2
BV Art. 11 Abs. 2
BayGO Art. 21
BGB analog § 1004 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Kommunale Amtsträger dürfen, wenn sie sich zur wissenschaftlichen Konzeption einer gemeindlichen Bildungseinrichtung äußern, auch zu den in der Fachöffentlichkeit vertretenen konkurrierenden Auffassungen wertend Stellung nehmen. (Rn. 26)
Schlagworte:
allgemeines Persönlichkeitsrecht, öffentlichrechtlicher Unterlassungsanspruch, Äußerungen eines kommunalen Amtsträgers über Dritte, wissenschaftliche Ausrichtung einer gemeindlichen Bildungseinrichtung, NS-Dokumentationszentrum, amtliche Äußerung, staatliches Informationshandeln, Wissenschaftsrichtertum
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 26.04.2018 – M 10 K 17.238
Rechtsmittelinstanz:
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 08.09.2020 – 1 BvR 987/20
Fundstellen:
DVBl 2020, 1361
DÖV 2020, 643
LSK 2020, 6795
BeckRS 2020, 6795

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen auf ihn bezogene, in einem Antwortschreiben an eine Privatperson getroffene Äußerungen des Oberbürgermeisters der beklagten Landeshauptstadt M.
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Die Beklagte ist Trägerin des im Jahr 2015 eröffneten NS-Dokumentationszentrums M. Der Kläger Prof. Dr. L., ein emeritierter Politikwissenschaftler, hat mit einem Co-Autor im Frühjahr 2016 ein Buch zum NS-Dokumentationszentrum veröffentlicht. Im Vorfeld kam es zu einem Schriftverkehr zwischen dem Kläger und der Beklagten betreffend die Konzeption des Zentrums und die darin vorgenommene Bewertung der Rolle Münchens im Nationalsozialismus. Mit Schreiben vom 18. Juli 2016 wandte sich Herr Dr. G. an den Oberbürgermeister der Beklagten und kritisierte unter Hinweis auf das vom Kläger veröffentlichte Buch die Konzeption des Zentrums bzw. der dortigen Dauerausstellung, die M zu Unrecht als „Täterstadt“ präsentiere; er mahnte eine von der Beklagten zu initiierende öffentliche Diskussion über die seiner Meinung nach unvollständige und fehlerhafte Darstellung an.
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Mit Schreiben vom 13. September 2016 beantwortete der Oberbürgermeister der Beklagten den Brief wie folgt:
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„Der Inhalt der Dauerausstellung des NS-Dokumentationszentrums wurde von mehreren international renommierten Zeithistorikern erarbeitet und von einem großen wissenschaftlichen Beirat begleitet. Die von Herrn L. vorgetragenen Thesen werden von allen am Projekt beteiligten Fachleuten als falsch abgelehnt. Der beste Kenner der Materie, Prof. Dr. B., ehem. Direktor des Z., schreibt zur Arbeit von Herrn L., dessen Zitate seien ‚willkürlich zusammengeklaubt‘ … ‚Hier werden Zitatsplitter missbraucht, um Vorurteile zu generieren.‘ Nach Prof. B. betreibt Herr L. die Geschäfte jener, ‚die das deutsche Volk von jedem Wissen und jeder Verantwortung für den Holocaust reinwaschen wollen.‘ ‚Anteilnahme und Unterstützung für die verfolgten Menschen ist die absolute Ausnahme.‘
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Diskussion findet am NS-Dokumentationszentrum sehr wohl statt, jedoch auf wissenschaftlich fundiertem Niveau.“
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Der Kläger erfuhr über Herrn Dr. G. von dem - nach Angaben der Beklagten nur an diesen versandten - Schreiben und wandte sich diesbezüglich in einem Brief vom 28. September 2016 an die Beklagte. In dem vom Oberbürgermeister der Beklagten unterzeichneten Antwortschreiben an den Kläger vom 9. November 2016 heißt es: „Es stand zu keinem Zeitpunkt in meiner Absicht, Ihre Persönlichkeitswürde zu verletzen. Dies gilt auch für die Zukunft. Sollte darüber hinaus ein weiterer Bedarf bestehen, sich über Ausstellungsinhalte, Gewichtungen, Formulierungen etc. auseinanderzusetzen, bitte ich Sie, sich hierzu unmittelbar an das NS-Dokumentationszentrum zu wenden.“
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Am 16. Januar 2017 hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und die Feststellung beantragt, dass er durch die Äußerungen der Beklagten im Schreiben vom 13. September 2016 an Herrn Dr. G. rechtswidrig in eigenen Rechten, insbesondere in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie in seinem Recht auf freie wissenschaftliche Betätigung verletzt sei; des Weiteren begehrte er die Verurteilung der Beklagten, die in dem Schreiben geäußerten Vorwürfe zu widerrufen. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das Schreiben verletze den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Beklagte übernehme ungeprüft die Vorhaltungen, die der „beste Kenner der Materie“ dem Kläger mache, und mache sie sich zu Eigen. Durch den Verweis auf das „wissenschaftlich fundierte Niveau“ werde dem Kläger seinerseits das wissenschaftliche Niveau abgesprochen. Für ihn als Wissenschaftler seien die unbelegten Vorwürfe der Beklagten existenzvernichtend. Der Rechtsstaat müsse gewährleisten, dass der engagierte Bürger nicht üblen Nachreden und Verleumdungen eifersüchtiger Kollegen ausgesetzt sei.
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Die Beklagte führte zur Klageerwiderung aus, die Äußerung in dem Brief an Herrn Dr. G. verletze den Kläger nicht in seinen Grundrechten. Die Beklagte sei bei der Gestaltung des NS-Dokumentationszentrums dem Ansatz gefolgt, dass M. ein Zentrum des nationalsozialistischen Regimes gewesen sei. Der konzeptionelle Ansatz der Ausstellung sei durch das Selbstverwaltungsrecht der Beklagten gedeckt; einen Anspruch des Klägers auf eine bestimmte Ausstellungskonzeption gebe es nicht. In ihrem Brief vom 13. September 2016 zitiere die Beklagte aus einem in der Zeitung „Die Welt“ im Jahr 2007 veröffentlichten Interview mit Herrn Prof. Dr. B. über einen Artikel des Klägers in der FAZ. Es gehe in dem Brief also nicht darum, die Aussagen und wissenschaftlichen Thesen des Klägers durch die Beklagte bewerten zu lassen, sondern darum, auf welcher Grundlage die Beklagte zu einer bestimmten Ausstellungskonzeption gekommen sei. Im Übrigen hätte sich eine Verletzung des Klägers mit dem Schreiben der Beklagten vom 9. November 2016 erledigt. Ergänzend trug die Beklagte mit Schriftsatz vom 7. Februar 2018 vor, der Oberbürgermeister bedauere es, wenn sich der Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlen sollte. Es habe zu keinem Zeitpunkt in seiner Absicht gelegen, den persönlichen Geltungs- und Achtungsanspruch des Klägers zu beeinträchtigen.
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Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 26. April 2018 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei sowohl im Feststellungs- als auch im Widerrufsantrag zulässig, bleibe jedoch in der Sache ohne Erfolg. Zwar handele es sich nicht um bloße Tatsachenbehauptungen und der Beklagten seien die zitierten Passagen zuzurechnen; die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers sei jedoch gerechtfertigt und verhältnismäßig. Das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG umfasse auch das Recht, ein städtisches Museum als öffentliche Einrichtung nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und diesen inhaltlichen Entwurf nach außen zu vertreten. Die Beklagte habe sich als Trägerin des NSDokumentationszentrums für ein bestimmtes Konzept entschieden und trete dem Kläger somit nahezu in einer Konkurrenzsituation der wissenschaftlichen Meinungen gegenüber. Zwar dürfe sich die Beklagte in ihrer „Spieler-Position“ als Hoheitsträgerin nicht wie ein privater Museumsträger oder Wissenschaftler gegenüber dem Kläger verhalten, jedoch müsse der Kläger im wissenschaftlichen Austausch meinungsstärkere und kritischere Äußerungen hinnehmen als von einem am wissenschaftlichen Diskurs unbeteiligten Hoheitsträger. Nach der „Wunsiedel-Rechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts sei die Beklagte zu einer klaren Stellungnahme über die Schrecken der NS-Zeit berechtigt. Die Beklagte dürfe daher die Arbeit des Klägers kritisieren, nicht aber Kritik an der Person des Klägers üben und so die Grenzen der Neutralität verlassen. In diesen Grenzen habe sich die Beklagte noch gehalten. Sie habe auf ein Schreiben mit konkreten Vorwürfen zu der Konzeption des Museums geantwortet, in dem sie auf die Arbeit des Klägers und deren Fehlen in der Ausstellung hingewiesen worden sei. Hierbei habe die Beklagte keine neuen Vorwürfe gegen den Kläger erhoben, sondern nur durch Bezugnahme auf die wissenschaftliche Meinung von Herrn Prof. Dr. B. die bereits bestehende Kritik durch ihre hoheitliche Autorität vertieft. Zudem sei die Mitteilung nur an eine einzelne Person und nicht gegenüber der Allgemeinheit erfolgt. Die Ablehnung der Thesen des Klägers und der Hinweis auf handwerkliche Fehler in seiner Arbeit sei gerechtfertigt durch das Recht der Beklagten, ihre methodische und inhaltliche Auswahl an Quellen und ihre Ansprüche an die Ausstellung zu verteidigen. Mit der Formulierung „jedoch auf wissenschaftlich fundiertem Niveau“ werde nicht zwangsläufig dem Kläger dieses Niveau abgesprochen, da damit auch Herr Dr. G. gemeint sein könnte. Ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit liege nicht vor, weil der Kläger in seinem wissenschaftlichen Arbeiten nicht beeinträchtigt sei; er wäre im Übrigen aus denselben Gründen gerechtfertigt.
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Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, die Beklagte habe sich die InterviewÄußerungen des Historikers Prof. Dr. B., die weit über das akademisch und rechtlich Zulässige hinausgingen, in vollem Umfang zu eigen gemacht. Dass die Beklagte auch die abwertende und verächtliche Diktion von Prof. Dr. B. mindestens billige, zeige sich daran, dass sie diesen durchgängig mit akademischem Grad und Titel, den Kläger hingegen nur mit bürgerlichem Namen bezeichne. Eine gezielte Persönlichkeitsverletzung liege darin, dass dem Kläger attestiert werde, er arbeite nicht wissenschaftlich. Es sei eine grobe persönliche Beleidigung des Klägers, ihn in die Nähe von Rechtsextremen und Geschichtsrevisionisten zu rücken. Die Vorwürfe im Schreiben der Beklagten seien offensichtlich sachlich unzutreffend und durch ihren Sprachgebrauch persönlich verletzend; sie stellten eine Schmähkritik an der Person des Klägers dar. Eine Verteidigung des Ausstellungskonzepts wäre auch ohne Bezugnahme auf seine Person, nämlich durch eine positive Argumentation mit der Richtigkeit des eigenen wissenschaftlichen Ansatzes, möglich gewesen. Das Handeln der Beklagten sei nicht aus ihrem Selbstverwaltungsrecht heraus gerechtfertigt. Selbst ein wissenschaftlicher Konkurrent dürfe seine Kritik an Fachkollegen nicht in Form von Schmähkritik äußern. Die Beklagte als Hoheitsträgerin müsse besondere Zurückhaltung wahren und dürfe sich nicht am politischen Meinungskampf beteiligen. Höhepunkt der Schmähkritik sei der durch eigenständige Formulierung erhobene Vorwurf unwissenschaftlichen Arbeitens gegenüber dem Kläger. Die Beklagte werde ihrerseits dem verfassungsrechtlichen Maßstab der - von Ergebnisoffenheit geprägten - Wissenschaftsfreiheit nicht gerecht, indem sie mit einer vorgefassten Meinung an die Konzeption des NSDokumentationszentrums herangegangen sei. Der Kläger sei in seinem Recht auf freie wissenschaftliche Betätigung verletzt, weil er infolge der Rufschädigung keinen renommierten Verlag zur Publikation seiner Forschungsergebnisse mehr finde.
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Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren,
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1. das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. April 2018 aufzuheben,
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2. festzustellen, dass der Kläger durch die Äußerungen der Beklagten im Schreiben vom 13. September 2016 rechtswidrig in seinen eigenen Rechten, insbesondere in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie in seinem Recht auf freie wissenschaftliche Betätigung verletzt sei,
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3. die Beklagte zu verurteilen, die im Schreiben vom 13. September 2016 geäußerten Vorwürfe zu widerrufen
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung wird Folgendes ausgeführt: Aus der Berufungsbegründung lasse sich das Vorliegen einer Schmähkritik, also der Absicht der Beklagten, jenseits polemischer und überspitzter Kritik vorrangig eine Herabsetzung der Person des Klägers zu bewirken, nicht feststellen. Die im Kontext einer Sachauseinandersetzung stehende Wiedergabe der „B.-Zitate“ im Schreiben vom 13. September 2016 überschreite die Grenze zur Schmähkritik nicht. Die konkrete Nachfrage von Herrn Dr. G., eines nicht zur Fachöffentlichkeit gehörenden Mediziners, bilde den Anlass der Äußerungen der Beklagten. Nach deren Sachzusammenhang gehe es erkennbar nicht um die Person des Klägers, sondern um die Konzeption der Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum, die Rezeption der Arbeit des Klägers in der (Fach-)Öffentlichkeit und die Verträglichkeit der Ausstellungskonzeption mit dieser Rezeption. Der Kläger setze sich nicht mit der entscheidenden Differenzierung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass sich die Beklagte die Wertung der zitierten Thesen im Hinblick auf die Ausstellungskonzeption zu eigen mache, aber sich ihnen deshalb nicht konkret im Hinblick auf die Person des Klägers anschließe. Auch aus dem Indiz des nicht genannten akademischen Grades und Titels des Klägers lasse sich keine Diffamierungsabsicht festmachen, zumal sich die Beklagte im Schreiben vom 9. November 2016 und mit dem Schriftsatz vom 7. Februar 2018 bereits entschuldigt habe. In dem streitgegenständlichen Schreiben werde der Kläger weder als Geschichtsrevisionist noch als Rechtsextremist bezeichnet bzw. dargestellt. Die Beklagte dürfe im Rahmen ihrer Organisationshoheit als Teil des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts die wissenschaftliche Arbeit auf die dafür mit Sorgfalt ausgewählten Gremien delegieren und müsse keine eigenen Nachforschungen wissenschaftlicher Art anstellen. Das NS-Dokumentationszentrum stelle eine örtliche Angelegenheit der Beklagten dar, der insoweit ein allgemeines Äußerungsrecht zukomme. Die Ausstellungskonzeption trage durchaus dem vom Kläger betonten Aspekt des „guten Münchners“ Rechnung und genüge damit dem verfassungsrechtlichen Maßstab der Wissenschaftlichkeit.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
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Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die Feststellung, dass er durch das Schreiben vom 13. September 2016 in seinen eigenen Rechten verletzt ist, noch einen Anspruch auf Widerruf der in dem Brief getätigten Äußerungen. Unabhängig von seiner prozessualen Geltendmachung bzw. der konkreten Antragstellung liegen die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden öffentlichrechtlichen Unterlassungsanspruchs nicht vor. Dieser allgemein anerkannte Anspruch, der Schutz gegen schlichtes Verwaltungshandeln in Gestalt amtlicher Äußerungen bietet (vgl. BVerfG, B.v. 16.8.2002 - 1 BvR 1241/97 - NJW 2002, 3458 ff.; BVerwG, B.v. 11.11.2010 - 7 B 54.10 - juris Rn. 14 ff. m.w.N.), greift nicht durch, weil der Kläger durch das streitgegenständliche Schreiben nicht in grundrechtlich geschützten Rechtspositionen verletzt wird. Zwar kann der Kläger gegenüber den in dem Brief enthaltenen Aussagen den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beanspruchen (dazu 1.). Die der Beklagten zuzurechnenden amtlichen Äußerungen ihres Oberbürgermeisters sind jedoch im Kontext des ihr durch Art. 28 Abs. 2 GG zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs zu sehen (dazu 2.). Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs halten sich die Aussagen in dem von der Verfassung vorgegebenen Rahmen (dazu 3.).
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1. Maßstab für die Prüfung der vom Kläger beanstandeten Äußerungen ist sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, das nicht nur die Ehre, sondern auch weitere Aspekte des sozialen Geltungsanspruchs schützt. Namentlich umfasst es den Schutz vor Äußerungen, die - ohne im engeren Sinn ehrverletzend zu sein - geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. BVerfG, B.v. 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 - BVerfGE 99, 185/193 f.; B.v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 - BVerfGE 114, 339/346). Jedenfalls dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Staat verbietet es das allgemeine Persönlichkeitsrecht darüber hinaus aber auch, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen Bürger zu äußern, etwa eine von diesem vertretene Meinung abschätzig zu kommentieren (BVerfG, B.v. 17.8.2010 - 1 BvR 2585/06 - NJW 2011, 511 Rn. 21). Für den Kläger, der sich als emeritierter Professor der Politikwissenschaft auf die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen kann, bedeutet dies, dass er im Rahmen seines Persönlichkeitsrechts davor geschützt ist, gerade in seiner Eigenschaft als Wissenschaftler desavouiert zu werden. Er kann daher Schutz vor hoheitlichen Äußerungen beanspruchen, die ihn in seiner wissenschaftlichen Reputation bzw. seinem beruflichsozialen Ansehen beeinträchtigen.
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2. Die für die Zulässigkeit von staatlichen Äußerungen unter dem Gesichtspunkt des „staatlichen Informationshandelns“ entwickelten Grundsätze gelten auch für den in amtlicher Eigenschaft handelnden Oberbürgermeister der Beklagten, der sich in dem vom kommunalen Selbstverwaltungsrecht gezogenen Rahmen bewegt. Hiernach verfügt die ausschließlich grundrechtsverpflichtete Beklagte (dazu a) beim Betrieb des NS-Dokumentationszentrums als gemeindliche Einrichtung (dazu b) über die Befugnis zur Vornahme wertender Unterscheidungen (dazu c) sowie über eine darauf bezogene, durch die Grundsätze von Rechtsstaatlichkeit, Ausgewogenheit und Distanz begrenzte Äußerungskompetenz (dazu d).
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a) Kommunale Amtsträger sind ebenso wie sonstige öffentliche Amtsträger gemäß Art. 1 Abs. 3 GG ausschließlich grundrechtsverpflichtet und nicht grundrechtsberechtigt. Der Oberbürgermeister der Beklagten hat die beanstandeten Äußerungen unstreitig nicht im politischen Meinungskampf bzw. als Privatperson, sondern im Rahmen seiner Amtsführung als Behördenleiter getätigt (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2009 - 4 C 09.2144 - BayVBl 2010, 442 f.). Er kann sich daher für die der Beklagten zuzurechnenden Aussagen weder auf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG noch - wie in einem Rechtsstreit zwischen Privaten - auf die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1967 - 1 BvR 578/63 - BVerfGE 21, 362/369 ff.; HessVGH, B.v. 11.7.2017 - 8 B 1144/17 - juris Rn. 37; zur Bundeszentrale für politische Bildung BVerfG, a.a.O., NJW 2011, 511 Rn. 23). Maßgebend ist insoweit weder die vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund gerückte Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil (dazu BayVGH, B.v. 24.4.2018 - 4 ZB 17.1488 - juris Rn. 14 m.w.N.), noch die vom Kläger betonte - angesichts der strengen Maßstäbe ohne Weiteres zu verneinende - Frage des Vorliegens von Schmähkritik (vgl. dazu BVerfG, B.v. 26.6.1990 - 1 BvR 1165/89 - BVerfGE 82, 272; B.v. 14.6.2019 - 1 BvR 2433/17 - DVBl 2020, 43 Rn. 18 m.w.N.). Entscheidungserheblich ist vielmehr, welche Äußerungsbefugnisse einem Amtsträger bei der Erfüllung von kommunalen (Verwaltungs-)Aufgaben zukommen. Dies hängt von den Vorgaben für den Betrieb der gemeindlichen Einrichtung ab, auf die sich die gerügten Äußerungen beziehen.
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b) Das streitgegenständliche Schreiben steht in einem konkreten Bezug zu der gemeindlichen Einrichtung „NS-Dokumentationszentrum München“, deren Trägerin die Beklagte ist. Die Beklagte hat als Gemeinde nach Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 BV das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben (BVerfG, B.v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127/151 f. m.w.N.). Bestandteil der kommunalen Organisationshoheit ist gemäß Art. 21 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 Satz 1 GO die im eigenen Wirkungskreis angesiedelte Schaffung und Erhaltung öffentlicher Einrichtungen, die für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl der Gemeindeeinwohner erforderlich sind. Zu den Angelegenheiten der öffentlichen Kulturpflege im Sinn des Art. 83 Abs. 1 BV zählt unter anderem die Einrichtung von Museen wie das NS-Dokumentationszentrum M., das nach § 1 seiner Benutzungssatzung vom 9. April 2015 (MüABl. S. 124) als öffentliche Einrichtung gemäß Art. 21 GO betrieben wird und der Volksbildung dient (vgl. § 2 Abs. 3 der Satzung). Dass es sich bei dieser freiwilligen Aufgabe um eine Angelegenheit mit örtlichem Bezug handelt, ergibt sich schon aus dem in § 2 Abs. 1 der Satzung umschriebenen Einrichtungszweck. Danach ist das NS-Dokumentationszentrum M. ein Lern- und Erinnerungsort zur Geschichte des Nationalsozialismus, das einen detaillierten Einblick in die Geschichte Münchens während der Weimarer Republik sowie der NS-Zeit und dem Umgang mit der NS-Zeit nach 1945 gibt. Das Zentrum verfügt somit über einen spezifischen Bezug auf die Stadtgeschichte, so dass die Beklagte mit seinem Betrieb kein unzulässiges allgemeinpolitisches Mandat verfolgt.
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c) Zu der Schaffung und Unterhaltung des Dokumentationszentrums gehört es auch, die darin angesiedelte Dauerausstellung sowie die begleitenden Publikationen und sonstigen Vermittlungs- und Veranstaltungsformate (vgl. § 2 Abs. 2 der Satzung) anhand systematischer Kriterien zu erstellen und nach einem bestimmten inhaltlichen und methodischen Konzept - hier die Präsentation der Stadt M. als Zentrum des nationalsozialistischen Regimes - auszurichten. Die Ausgestaltung des von der gemeindlichen Organisationshoheit gedeckten konzeptionellen Ansatzes kann und muss von den kommunalen Amtsträgern nicht selbst geleistet werden. Je stärker eine Kommune als Museumsträgerin eine solche Ausarbeitung - nach sachgerechten Kriterien und unter kommunalpolitischer Kontrolle - an Fachleute delegiert, umso mehr darf sie sich hinter deren externem wissenschaftlichen Sachverstand zurückziehen (vgl. Gärditz, DÖV 2017, 41/42). Hier hat sich die Beklagte, wie ihr Kulturreferent in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt hat, durch die Einsetzung eines Kuratoriums und eines wissenschaftlichen Beirats für die Erstellung des Ausstellungskonzepts wissenschaftsadäquater Verfahren und Organisationformen bedient. Der Umstand, dass das Dokumentationszentrum nach § 2 Abs. 3 der Satzung (unter anderem) der Wissenschaft dient, bedeutet entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass sich die Beklagte bzw. die von ihr beauftragten Verantwortlichen bei der Ausgestaltung jeglicher eigenen Wertung zu enthalten hätten. Insbesondere muss sich die Beklagte nicht von vornherein darauf verweisen lassen, alle im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 GG geschützten (wissenschaftlichen) Meinungen formal gleich zu behandeln. Staat und Kommunen sind vielmehr berechtigt, insoweit - etwa bei der Verteilung knapper Ressourcen - auch wertende Unterscheidungen zu treffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.10.2004 - 1 BvR 911/00 u.a. - BVerfGE 111, 333/359; zur Bundeszentrale für politische Bildung BVerfG, a.a.O., NJW 2011, 511 Rn. 23). Bei dem hieraus folgenden Recht des Sortierens, Selektierens und Priorisierens können insbesondere Kriterien wie Qualität und Repräsentativität eine Rolle spielen, so dass - unter Wahrung von Ausgewogenheit und rechtsstaatlicher Distanz - eine Konzentration auf das Präsentieren von Hauptströmungen zulässig ist. Die Beklagte war daher nicht gehalten, die Forschungsergebnisse des Klägers in ihre Konzeption einzubeziehen oder ihm in anderer Weise - etwa durch die Verteilung seiner Publikationen oder seine Einbeziehung bei sonstigen publizistischen Foren - Gelegenheit zur Präsentation seines wissenschaftlichen Standpunkts zu geben.
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d) Mit der aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden legitimen Aufgabenwahrnehmung ist grundsätzlich die Befugnis der Beklagten verbunden, ihr Ausstellungskonzept nach außen hin zu kommunizieren und es durch Äußerungen, die auch Dritte betreffen, zu bestätigen oder zu verteidigen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Beklagte ein legitimes Ziel verfolgt und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet. Einer über die Aufgabenzuweisung hinausgehenden gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedarf es für daraus ggf. folgende mittelbarfaktische Grundrechtsbeeinträchtigungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht (vgl. BVerfG, a.a.O., NJW 2011, 511 Rn. 24; kritisch Schoch, NVwZ 2011, 193/196; Kluth, DÖV 2018, 1035/1039 f.). Etwas anderes gilt mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes erst dann, wenn eine solche amtliche Verlautbarung als funktionales Äquivalent eines herkömmlichen Eingriffs zu qualifizieren ist, wenn der Staat also zielgerichtet zu Lasten bestimmter Betroffener einen bestimmten Erfolg herbeiführen will (BVerfG, B.v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279/303; BVerwG, U.v. 15.12.2005 - 7 C 20.04 - NJW 2006, 1303 Rn. 29; U.v. 19.2.2015 - 1 C 13.14 - BVerwGE 151, 228 Rn. 35).
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Äußern sich kommunale Amtsträger zur wissenschaftlichen Konzeption einer gemeindlichen Bildungseinrichtung, so gehört dazu notwendigerweise das Recht, zu den in der Fachöffentlichkeit vertretenen konkurrierenden Auffassungen wertend Stellung zu nehmen. Insoweit darf auch der Staat in den Fällen wissenschaftlichen Dissenses Position beziehen, dies zwar nicht im Sinne einer autoritativen Entscheidung über die wissenschaftliche Richtigkeit eines bestimmten Forschungsergebnisses, jedoch im Sinne eines - entsprechend zu begründenden - wissenschaftlichen Qualitätsurteils (vgl. Gärditz, DÖV 2017, 41/43, 47). Im Hinblick auf den allein zulässigen Zweck einer von rechtsstaatlicher Neutralität getragenen Aufgabenwahrnehmung sind dabei die Grenzen der Ausgewogenheit, Distanz und Sachlichkeit zu wahren (vgl. BVerfG, a.a.O., NJW 2011, 511 Rn. 24; BVerwG, B.v. 11.11.2010 - 7 B 54.10 - juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 24.5.2006 - 4 CE 06.1217 - juris Rn. 29; Kluth, DÖV 2018, 1035). Auch insoweit gilt das allgemeine Sachlichkeitsgebot für amtliche Äußerungen kommunaler Amtsträger (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 13.9.2017 - 10 C 6.16 - BVerwGE 159, 327 Rn. 23 ff.).
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3. Die Äußerungen des Oberbürgermeisters der Beklagten im Schreiben vom 13. September 2016 halten sich im Rahmen dieser kommunalen Äußerungskompetenz. Dies ergibt eine Ermittlung des objektiven Sinngehalts der einzelnen Aussagen, bei deren Deutung der Wortlaut, der sprachliche Kontext und die Begleitumstände umfassend zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, U.v. 2.7.2019 - VI ZR 494/17 - AfP 2019, 434 = juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 13.11.2009 - 7 CE 09.2455 - ZUM-RD 2010, 99 = juris Rn. 17; OVG Berlin-Bbg, B.v. 23.7.2018 - 1 S 39.18 - juris Rn. 27 ff.). Da sich jede isolierte Betrachtung verbietet, muss bei der Auslegung insbesondere Berücksichtigung finden, dass die Aussagen nicht unaufgefordert, sondern als Reaktion auf die konkrete Anfrage einer Privatperson ergangen sind; zugleich hat das Antwortschreiben der Beklagten den Rahmen der internen Kommunikation mit dieser Einzelperson nicht verlassen. Da die Äußerungen ein legitimes Ziel verfolgen und sich insgesamt als verhältnismäßig erweisen, sind sie im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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a) Satz 1 des Briefs ist neutral gehalten; er enthält lediglich die Mitteilung, dass der Inhalt der Dauerausstellung von mehreren international renommierten Zeithistorikern erarbeitet und von einem großen wissenschaftlichen Beirat begleitet wurde. Mit dieser Aussage verfolgt die Beklagte das legitime Interesse, die Genese der Ausstellungskonzeption des NS-Dokumentationszentrums zu erläutern, die organisatorische Absicherung und inhaltliche Schwerpunktsetzung zu begründen sowie die damit verbundenen wertenden Unterscheidungen zu rechtfertigen. Hieran anknüpfend heißt es in Satz 2, die vom Kläger vorgetragenen Thesen würden von allen am Projekt beteiligten Fachleuten als falsch abgelehnt. Die Einschätzung, dass der Kläger zur Frage, wie sich die Münchner Bevölkerung in der NS-Zeit verhalten hat, eine Minder- bzw. Außenseitermeinung vertritt, wird weder vom Kläger selbst bestritten noch ist sie als ehrenrührig einstufen. Dass in einer Sachfrage ein wissenschaftlicher Dissens zutage tritt, liegt im Wesen des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses und stellt keine Kränkung der am wissenschaftlichen Diskurs beteiligten Personen dar. Dies gilt auch für die von den genannten Fachleuten vorgenommene Bewertung eines Forschungsansatzes als richtig oder falsch, weil über wissenschaftliche Thesen wissenschaftlich geurteilt werden kann und darf (vgl. Gärditz, DÖV 2017, 41/44, 46). Insbesondere liegt in der Aussage kein die Schwelle zum klassischen Grundrechtseingriff überschreitendes funktionales Eingriffsäquivalent in Gestalt eines kommunalen „Wissenschaftsrichtertums“. Angesichts des intern angelegten und auch intern gebliebenen Kommunikationsvorgangs ging es der Beklagten ersichtlich nicht darum, gezielt die Auffassungen des Klägers öffentlich zu disqualifizieren oder sonst zu diskreditieren, um sie als unseriös „aus dem Verkehr zu ziehen“ (vgl. Gärditz, EurUP 2017, 112/117).
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b) Die anschließenden Sätze 3 bis 6 zu den sogenannten „B.-Zitaten“ sind ebenfalls von der gemeindlichen Äußerungsbefugnis gedeckt. Die Sätze bestehen in einer wörtlichen Wiedergabe der Äußerungen von Herrn Prof. Dr. B., die dieser in einem - nach wie vor im Internet abrufbaren, vom Kläger nicht angegriffenen - Interview mit der Zeitung „Die Welt“ im Jahr 2007 getätigt hat. Bereits die Kennzeichnung dieser Textpassagen als Zitate bringt zum Ausdruck, dass der Oberbürgermeister der Beklagten mit diesen Aussagen kein höchstpersönliches Werturteil abgeben, also nicht mit der Autorität seines Amtes selbst unmittelbar in den wissenschaftlichen Disput eingreifen wollte. Vielmehr wollte er mit der Wiedergabe der Zitate lediglich erläutern, worauf die im vorangegangenen Satz 2 erwähnte einhellige Ablehnung der wissenschaftlichen Thesen des Klägers durch die am Projekt beteiligten Fachleute basierte. Für diese Absicht spricht im Übrigen auch die Vorgeschichte in Gestalt des vorangegangenen, unmittelbar zwischen dem Kläger und der Beklagten geführten Schriftverkehrs über die Ausstellungskonzeption sowie die in den Behördenakten der Beklagten dokumentierte Genese des streitgegenständlichen Schreibens, das auf einem insoweit wortgleichen Entwurf des Gründungspräsidenten des Dokumentationszentrums basiert. Nicht zuletzt hat der Oberbürgermeister in seinem Schreiben vom 9. November 2016 den Kläger unmittelbar an das NS-Dokumentationszentrum verwiesen, sofern dieser einen Bedarf an weiterem Austausch über die Ausstellungsinhalte sehen sollte. Der Umstand, dass die Beklagte im Antwortschreiben an Herrn Dr. G. bei der Erwähnung des Klägers - anders als bei Herrn Prof. Dr. B. - dessen akademischen Grad und Titel nicht genannt hat, stellte zwar - sofern dies bewusst geschehen sein sollte - einen Verstoß gegen ungeschriebene Regeln der Höflichkeit, jedoch noch keine Herabwürdigung des Klägers dar, die einen Anspruch auf Unterlassung oder Richtigstellung begründen könnte.
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c) Schließlich überschreitet auch der letzte Satz des Schreibens, der im Unterschied zu den vorausgehenden Sätzen eine eigenständige Formulierung der Beklagten enthält, nicht die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen. Der Satz „Diskussion findet am NS-Dokumentationszentrum sehr wohl statt, jedoch auf wissenschaftlich fundiertem Niveau“ ist optisch durch einen Zeilenumbruch von den vorangegangenen Zitaten abgesetzt. Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs ist auch diesem Satz keine Rechtsverletzung des Klägers zu entnehmen; insbesondere wird dem Kläger damit aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Betrachters nicht das wissenschaftliche Niveau abgesprochen. Der Schlusssatz stellt ersichtlich die Reaktion auf die - ebenfalls am Ende des Schreibens platzierte - konkrete Aufforderung des Herrn Dr. G. gegenüber der Beklagten dar, die wissenschaftliche Debatte in einer bestimmten Art und Weise auszugestalten. Herr Dr. G. hatte in seiner Anfrage vom 18. Juli 2016 „gravierende Fehler und empörende Auslassungen“ des Dokumentationszentrums moniert und damit seinerseits den Vorwurf erhoben, das Zentrum arbeite unwissenschaftlich. Er sah den Oberbürgermeister der Beklagten „in der Pflicht, eine öffentliche Diskussion über die unvollständige und damit fehlerhafte Darstellung im Doku-Zentrum einzuleiten“. Aus Sicht von Herrn Dr. G. sollte diese Diskussion auf eine ganz bestimmte Art und Weise - nämlich durch die Verteilung von Freiexemplaren des Buchs des Klägers an Schulklassen sowie durch Anberaumung einer öffentlichen Podiumsdiskussion als Forum für die Kritik und Korrekturvorschläge des Klägers - geführt werden. Das streitgegenständliche Antwortschreiben begegnet den von Herrn Dr. G. erhobenen Vorwürfen mit der Aussage, man arbeite sehr wohl „auf wissenschaftlich fundiertem Niveau“. Dies lässt sich im konkreten Kontext dahingehend verstehen, dass man seitens der Beklagten nicht einseitig durch die Propagierung bestimmter Meinungen oder Forschungsansätze Position beziehen und als Oberbürgermeister entsprechend intervenieren wolle, sondern die wissenschaftliche Ausrichtung des Dokumentationszentrums ausschließlich in den dafür geschaffenen kollegialen Begleitgremien diskutieren lasse. Eine herabsetzende Wirkung zu Lasten des Klägers ist damit nicht verbunden.
II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
III.
32
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.