Titel:
Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, hier: Unterschied zwischen Bereitschaftsdienst und Tagesdienst
Normenketten:
AZV § 2 Nr. 12, § 3, § 13 Abs. 1
GG Art. 3
BBG § 87 Abs. 3 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1
Leitsätze:
1. Es liegt im Ermessen des Verordnungsgebers, ob er in einem durch Schichtdienst mit Bereitschaftszeiten geprägten Dienst bei Beamten, die für ein Kind unter zwölf Jahren Kindergeld erhalten, eine Reduzierung der Arbeitszeit für geboten hält oder nicht (ebenso BayVGH BeckRS 2016, 45515). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ungleichbehandlung bei der Arbeitszeit dahingehend, dass Beamten im Schichtdienst mit Bereitschaftszeiten für ein Kind unter zwölf Jahren keine Reduzierung der Arbeitszeit von 1 Stunde wöchentlich erhalten, andere Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes (zB im Tagesdienst eingesetzte Feuerwehrbeamte) aber schon, ist wegen der sachlichen Unterschiede beider Arbeitszeitformen gerechtfertigt (ebenso BayVGH BeckRS 2016, 45515). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im feuerwehrtechnischen Schichtdienst, Dienststelle, Notwendigkeit, Widerspruchsbescheid, Beamter, Kinderbetreuung, Bereitschaftsdienst, Tagesdienst
Fundstelle:
BeckRS 2020, 6773
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt eine Verkürzung seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.
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Er steht im Dienst der Beklagten und ist als Oberbrandmeister im feuerwehrtechnischen Dienst der Bundeswehr beschäftigt, wo er Schichtdienst unter Einschluss von Bereitschaftsdienstzeiten leistet. Mit Bescheid vom 3. Juli 2013 wurde die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers ab 1. Juli 2013 von 41 Stunden auf 40 Wochenstunden verkürzt, nachdem der Kläger dies mit Schreiben vom 16. Mai 2013 gem. § 3 Abs. 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (Arbeitszeitverordnung - AZV) beantragt und zur Begründung ausgeführt hatte, dass er für ein Kind unter 12 Jahren Kindergeld erhalte.
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Unter dem 28. August 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Bundesministerium der Verteidigung mit Erlass vom 15. Juli 2013 festgelegt habe, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für im Schichtdienst der Bundeswehrfeuerwehren eingesetzte Beamtinnen und Beamte ab dem 1. August 2013 48 Stunden betrage. Ferner wurde dem Kläger mit weiterem Schreiben vom 11. Dezember 2013 mitgeteilt, dass die Möglichkeit einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde mit Ablauf des 31. Juli 2013 entfallen sei, da der Wortlaut des § 3 AZV eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit ausdrücklich nur für Bedienstete mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden vorsehe.
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Mit Schreiben vom 28. Februar 2014 bestellte sich der Bevollmächtigte des Klägers für diesen und beantragte eine Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers von 48 auf 47 Wochenstunden. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger Vater eines im April 2013 geborenen Sohnes sei. Soweit seitens der Beklagten mitgeteilt worden sei, dass mit der Festsetzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers auf 48 Stunden die Möglichkeit einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde entfallen sei, verstoße diese Auslegung des § 3 AZV gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, da vergleichbare Sachverhalte ohne sachlich rechtfertigenden Grund ungleich behandelt würden. § 3 AZV solle Vätern eine Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit ermöglichen, um sich bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres um das Kind kümmern zu können. Es gebe auch keinen sachlich rechtfertigenden Grund, weshalb die Regelung des § 3 AZV nicht auch auf Beamte, deren regelmäßige Arbeitszeit mehr als 41 Stunden betrage, anzuwenden sei. Gerade diese Personengruppe benötige zur Erziehung des Kindes eine Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.
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Nachdem das Verfahren zunächst ruhend gestellt worden war, um erste gerichtliche Entscheidungen zur Thematik abzuwarten, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2018, dem Klägerbevollmächtigten ausweislich des Empfangsbekenntnisses zugestellt am 25. Juli 2018, zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die zwischenzeitlich mit der Thematik befassten Verwaltungsgerichte die Rechtmäßigkeit der Arbeitszeiterhöhung bei den Bundeswehrfeuerwehren auf Grundlage des § 13 Abs. 1 AZV bejahten. Mit der Anhebung der Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden im Wochendurchschnitt auf Grundlage von § 13 Abs. 1 AZV sei auch die nach § 3 Abs. 1 AZV mögliche Verkürzung auf 40 Stunden in der Woche nicht mehr anwendbar. Für die von § 13 AZV erfassten Bereitschaftsdienstmodelle, bei denen während des Bereitschaftsdienstes von einer geringeren Beanspruchung des Beamten auszugehen sei, habe der Verordnungsgeber dem Dienstherrn gerade kein Ermessen zur Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eingeräumt. Unter dem Gesichtspunkt eines wöchentlichen Bereitschaftsdienstanteils von 16 Stunden und einer größeren zeitlichen Flexibilität des Schichtdienstmodells werde seitens des Dienstherrn auch keine Notwendigkeit hierzu gesehen. Eine Möglichkeit zur Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit in der vom Kläger beantragten Form sei daher nicht mehr gegeben.
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Hiergegen hat der Kläger am 22. August 2018 Klage erheben lassen. Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 18. Januar 2020 im Wesentlichen das bisherige Vorbringen im Verwaltungsverfahren wiederholt und ergänzend ausführt, dass die Argumentation der Beklagten mit dem Wesen des Bereitschaftsdienstes, bei welchem von einer geringeren Beanspruchung des Beamten auszugehen sei, nicht durchgreife. Auch die Zeiten während des Bereitschaftsdienstes würden Vollarbeitszeiten darstellen. Der Kläger habe 48 Stunden wöchentlich auf der Dienststelle zu verbringen und könne diese Zeit nicht der Erziehung seines Kindes widmen. Vor diesem Hintergrund sei es gerechtfertigt, die Verkürzungsmöglichkeit auch auf Beamte, deren wöchentliche Arbeitszeit mehr als 41 Stunden betrage, zur Anwendung zu bringen.
„1. Der Bescheid der ... vom 11.12.2013 und der Widerspruchsbescheid der ... vom 23.07.2018 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die beantragte Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 auf 47 Stunden zu erteilen.“
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Wortlaut der §§ 13 Abs. 1 und 3 Abs. 1 AZV keinen Raum für die hier begehrte Verkürzung von 48 auf 47 Stunden lasse. Für einen schwerbehinderten Beamten sei in der Rechtsprechung im Sinne der von der Beklagten praktizierten Rechtsanwendung entschieden worden. Die Interessenlage sei vergleichbar. Die Ungleichbehandlung im Vergleich zu Beamten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden bzw. einer auf 40 Stunden verkürzten Arbeitszeit sei - trotz unter Umständen vergleichbarer familiärer Verpflichtungen - sachlich gerechtfertigt. Zwischen den Beamten im Schichtdienst mit Bereitschaftszeitanteilen und denjenigen, die nicht in Schichten unter Einschluss von Bereitschaftszeiten Dienst leisteten, bestünden Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung bei der Arbeitszeit durchaus rechtfertigten. Diese würden sich daraus ergeben, dass Bereitschaftszeiten anders strukturiert seien als Arbeitszeiten, während derer eine durchgehende Tätigkeit des Beamten erwartet werde. So sei von den Beamten bereits nur ein auf 32 Wochenstunden reduzierter Zeitanteil von Dienstzeit inklusive der dienstpostenbezogenen Aufgabenerfüllung zu erbringen, während in den regelmäßig 16 Stunden wöchentlich umfassenden Bereitschaftsdiensten vorrangig eine Anwesenheit und Arbeitsbereitschaft in der Dienststelle zu verrichten sei. Die Problematik ergebe sich zudem nicht aus der geltenden Arbeitszeit an sich, sondern aus dem Wesen des Schichtdienstes, das auch bei einer - einmal theoretisch angenommenen - wöchentlichen Arbeitszeit von 47 Stunden bestehen bliebe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung am 22. Januar 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verkürzung seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 auf 47 Stunden (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3 Nr. 1 AZV können Beamtinnen und Beamte, die für ein Kind unter zwölf Jahren Kindergeld erhalten, eine Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden auf 40 Stunden beantragen. Ein Anspruch des Klägers auf Verkürzung seiner Arbeitszeit lässt sich aus dieser Vorschrift jedoch nicht ableiten.
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Auf Grundlage von § 87 Abs. 3 Satz 1 BBG i.V.m. § 13 Abs. 1 AZV in der Fassung vom 14. September 2012, wonach bei Bereitschaftsdienst die regelmäßige tägliche Arbeitszeit und die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit entsprechend den dienstlichen Bedürfnissen angemessen verlängert werden können, ist die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für die Beamten im Schichtdienstbetrieb der Bundeswehrfeuerwehren mit Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 15. Juli 2013 (in der Fassung vom 31. März 2014) auf 48 Stunden festgelegt worden. Gegen diese Erhöhung der Arbeitszeit wendet sich der Kläger ausdrücklich nicht. Vielmehr möchte er in Anwendung des § 3 Abs. 1 AZV eine Verkürzung seiner Arbeitszeit auf 47 Stunden erreichen.
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Eine Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für Beamte, die für ein Kind unter zwölf Jahren Kindergeld erhalten, sieht der Verordnungsgeber nach § 13 Abs. 1 AZV bei der Verrichtung von Bereitschaftsdienst jedoch nicht vor (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2016 - 6 ZB 15.2614 - juris Rn. 9, zum Fall der Verkürzung der Arbeitszeit nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AZV für einen schwerbehinderten Beamten). Der Verordnungsgeber lässt mit der sogenannten Opt-Out-Regelung des § 13 Abs. 2 AZV auf freiwilliger Basis sogar noch längere Wochenarbeitszeiten, nämlich bis zu 54 Stunden im Siebentageszeitraum zu. Es liegt in seinem Ermessen, ob er in einem solchen durch Schichtdienst mit Bereitschaftszeiten geprägten Dienst bei Beamten, die für ein Kind unter zwölf Jahren Kindergeld erhalten, eine Reduzierung der Arbeitszeit für geboten hält oder nicht (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2016 - 6 ZB 15.2614 - juris Rn. 9, zum Fall der Verkürzung der Arbeitszeit nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AZV für einen schwerbehinderten Beamten). Insofern weist die Beklagte auch zutreffend darauf hin, dass etwaige Schwierigkeiten hinsichtlich der Wahrnehmung familiärer Verpflichtungen bzw. von Erziehungsaufgaben bereits im Wesen des Schichtdienstes an sich begründet sind.
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Auch soweit sich der Kläger auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG beruft, kann er hiermit nicht durchdringen. Denn zwischen den Beamten im Schichtdienst mit Bereitschaftszeiten und den anderen Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes (z.B. im Tagesdienst eingesetzten Feuerwehrbeamten) bestehen sachliche Unterschiede, die die Ungleichbehandlung bei der Arbeitszeit rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2016 - 6 ZB 15.2614 - juris Rn. 9).
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Nach § 2 Nr. 12 AZV ist der Bereitschaftsdienst die Pflicht, sich, ohne ständig zur Dienstleistung verpflichtet zu sein, an einer vom Dienstherrn bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall den Dienst aufzunehmen, wenn dabei Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Zeiten der Bereitschaft, die auch Ruhephasen einschließen, sind anders strukturiert als Arbeitszeiten, bei denen eine durchgehende Tätigkeit des Beamten erwartet wird.
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Nach den - unbestrittenen - Angaben der Beklagten ist in der Gesamtstundenanzahl von 48 Stunden ein Bereitschaftsdienstanteil von durchschnittlich 16 Stunden pro Woche enthalten. Zwar sind Bereitschaftsdienste i.S.d. § 2 Nr. 12 AZV arbeitszeitrechtlich wie Volldienst zu behandeln (vgl. EuGH, U.v. 25.11.2010 - C-429/09 - juris; B.v. 11.1.2007 - C-437/05 - juris). Die Beklagte weist jedoch zutreffend darauf hin, dass während der Bereitschaftszeiten eine größere zeitliche Flexibilität und eine geringere Beanspruchung gegeben sind. Während dieser Zeiten ist es den Beamten insbesondere möglich - wenn auch in der Dienststelle - privaten Aktivitäten nachzugehen bzw. private Angelegenheiten zu erledigen. Zwar ist während dieser Zeiten keine Kinderbetreuung möglich. Jedoch können - u.a. in Zusammenhang mit den Erziehungsaufgaben stehende - Telefonate geführt bzw. Schrift- oder E-Mail-Verkehr sowie sonstige Dinge erledigt werden, die ansonsten außerhalb der Dienstzeiten zu erledigen wären, sodass wiederum Zeit für die eigentliche Kinderbetreuung geschaffen werden kann.
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Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Mangels Kostenerstattungsanspruchs scheidet der vom Kläger begehrte Ausspruch zur Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren aus.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.