Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 23.01.2020 – B 1 S 19.1233
Titel:

Feststellung der Inlandsungültigkeit einer polnischen Fahrerlaubnis – einstweiliger Rechtsschutz (verfristete Widerspruchseinlegung)

Normenketten:
VwGO § 55a, § 60 Abs. 1, Abs. 2 S. 3, S. 4, Abs. 4, § 70 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 173 S. 1, § 70
VwVfG § 3a
ZPO § 85 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Einlegung eines Widerspruchs als PDF-Dokument im Anhang einer E-Mail ohne Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur entspricht nicht der Formvorschrift des § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO iVm § 3a VwVfG. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Enthielt ein vom Bevollmächtigten des Widerspruchsführers per E-Mail übersandtes PDF-Dokument neben der Einlegung des Widerspruchs den Vermerk "vorab per E-Mail" und ist die Behörde ausweislich eines Antwortschreibens mit den Worten "vorab des angekündigten noch schriftlich erfolgenden Widerspruchs" auch nach außen hin offensichtlich davon ausgegangen, dass der Widerspruch noch formgerecht eingereicht werde, hat sie durch eine Aufforderung zur Begründung oder Zurücknahme des Widerspruchs weder rechtlich falsch beraten noch eine widersprüchliche Aussagen getroffen, sodass der Widerspruchsführer sich das Versäumnis seines Bevollmächtigten zurechnen lassen muss, den Widerspruch im Anschluss an die Einreichung per E-Mail nicht nochmals form- und fristgerecht an die Behörde übermittelt zu haben. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einlegung Widerspruch per E-Mail-Anhang, Keine unrichtige Auskunft über Fristlauf durch die Behörde, Einlegung eines Widerspruchs per E-Mail-Anhang, qualifizierte elektronische Signatur, Ablauf der Widerspruchsfrist, Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, unverschuldete Fristversäumnis, Zurechnung des Verhaltens eines Bevollmächtigen, Nachholung eines formgerechten Widerspruchs
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 15.04.2020 – 11 CS 20.316
Fundstelle:
BeckRS 2020, 6743

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung, dass er von seiner polnischen Fahrerlaubnis der Klassen C, C1, C1E, CE, D, D1, D1E und DE im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht Gebrauch machen darf und weitere Verfügungen.
2
Mit Schreiben vom 18. September 2018 teilte die Verkehrspolizeiinspektion … dem Landratsamt … (im Folgenden Landratsamt) mit, dass der Antragsteller am 11. September 2018 in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen sei und einen polnischen Führerschein, ausgestellt am 8. August 2008, vorgelegt habe. Eine Abfrage beim Einwohnermeldeamt habe jedoch ergeben, dass der Antragsteller seit dem 8. August 2007 dauerhaft in Deutschland gemeldet sei. Es werde daher um Überprüfung der Fahrerlaubnis gebeten. Eine daraufhin durchgeführte RESPER Abfrage hat ergeben, dass dem Antragsteller die Führerscheinklassen C und C1 am 16. April 2002, die Klassen C1E und CE am 14. Juni 2006 und die Klassen D, D1, D1E und DE am 8. August 2008 erteilt worden sind und der Führerschein am 28. August 2018 von der Behörde … … bis zum 28. August 2033 verlängert worden ist. Aus dem Melderegisterauszug vom 2. Oktober 2018 geht hervor, dass der Antragsteller seit dem 8. August 2007 in … (Umzüge jeweils innerhalb von …) gemeldet gewesen sei. Unter dem 14. November 2018 bat das Landratsamt das Kraftfahrt-Bundesamt um Überprüfung, ob der Antragsteller zum Zeitpunkt der Ausstellung (8. August 2008) und Verlängerung (28. August 2018) seines Führerscheins einen polnischen Wohnsitz inne gehabt habe. Eine daraufhin durchgeführte Abfrage bei der polnischen Behörde … hat ergeben, dass der Antragsteller bei der Behörde als Adresse … angegeben hat. Die Frage, ob der Antragsteller einen gewöhnlichen Aufenthalt von mindestens 185 Tagen im Jahr in Polen gehabt habe, wurde mit „No“ beantwortet. Selbige Antwort wurde bei einer beruflichen Tätigkeit in Polen gegeben. Auf die Fragen, ob der Antragsteller familiäre Bindungen, eine Unterkunft, Eigentumsinteressen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten in Polen habe, wurde jeweils mit „Yes“ geantwortet. Der Antragsteller teilte dem Landratsamt mit, dass er in Polen unter der Anschrift … ein Wohnhaus mit dazugehörigem Grundstück besitze. Hierzu fügte er einen Screenshot eines Google Maps Auszugs bei.
3
Nach erfolgter Anhörung stellte das Landratsamt mit Bescheid vom 11. November 2019 fest, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, von seiner polnischen Fahrerlaubnis, ausgestellt am 28. August 2018 durch …, für die Klassen C, C1, C1E, CE, D, D1, D1E, DE im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (Ziffer 1). Die polnische Fahrerlaubnis, ausgestellt am 28. August 2018 durch … unter der Führerscheinnummer …, sei unverzüglich bei der Führerscheinstelle des Landratsamts zur Eintragung eines Sperrvermerks abzugeben (Ziffer 2). Der Antragsteller werde verpflichtet, sich einen neuen Führerschein über die verbleibenden Klassen AM, B, BE und T ausstellen zu lassen (Ziffer 3). Bei Nichtbefolgung der Verpflichtung in Ziffer 2 innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 4). Der Sofortvollzug der Ziffern 1 und 2 wurde angeordnet (Ziffer 5). Ziffer 6 enthält eine Kostenentscheidung. Im Übrigen wird auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen.
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Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 13. November 2019 mittels Postzustellung zugestellt.
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Per E-Mail vom 22. November 2019 übersandte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Landratsamt ein PDF-Dokument. Das PDF-Dokument enthielt ein Schreiben an das Landratsamt, das den Vermerk „vorab per E-Mail“ enthielt und die Einlegung eines Widerspruchs gegen den streitgegenständlichen Bescheid beinhaltete (vgl. Behördenakte S. 76).
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Mit Schreiben vom 26. November 2019 (vgl. Behördenakte S. 71) gewährte das Landratsamt dem Bevollmächtigten Akteneinsicht und erklärte diesem:
„Vorab des angekündigten noch schriftlich erfolgenden Widerspruchs teilen wir Ihnen mit, dass Gründe, wonach dem Widerspruch entsprochen werden könne, derzeit nicht vorliegen.
Wir geben Ihnen die Möglichkeit, eine entsprechende Begründung bis 17. Dezember 2019 nachzureichen, hierzu insbesondere geeignete Nachweise […] zu verifizieren.
Gleichzeitig geben wir Ihnen die Möglichkeit, den Widerspruch schriftlich bis 17. Dezember 2019 zurückzunehmen […].“
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Daraufhin reichte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine von einem vereidigten Übersetzer vorgenommene Übersetzung eines Schreibens des Landratsamts … vom 4. November 2019 vor, sowie eine Bescheinigung des Arbeitgebers des Antragstellers, wonach dieser an 172 Tagen im Jahr 2018 gearbeitet habe, und einen Schriftsatz, der weitere Ausführungen zum Aufenthalt des Antragstellers in Polen im Jahr 2018 enthielt.
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Unter dem 16. Dezember 2019 teilte das Landratsamt den Antragsteller mit, dass kein fristgerechter Widerspruch in der zulässigen Form beim Landratsamt eingegangen sei. Am 18. Dezember 2019 übersandte der Bevollmächtigte des Antragstellers das Schreiben vom 22. November 2019 (Einlegung Widerspruch) nochmals per Fax an das Landratsamt. Am 3. Januar 2019 bestätigte das Landratsamt den Eingang des Faxes vom 18. Dezember 2019 und wies den Bevollmächtigten nochmals auf den nicht fristgerecht eingelegten Widerspruch hin. Im Übrigen sei der Widerspruch auch unbegründet.
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Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2019,
der am 19. Dezember 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen ist:
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Es wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 22. November 2019 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. November 2019 zum Az.: … angeordnet.
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Auf die Begründung des Antrags wird vollumfänglich Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2020 - Eingang bei Gericht am 14. Januar 2020 - beantragte das Landratsamt, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde insbesondere auf die verfristete Einlegung des Widerspruchs sowie auf die Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheides verwiesen.
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Nach erfolgtem gerichtlichen Hinweis vom 14. Januar 2020 zu einer möglichen Verfristung des erhoben Widerspruchs beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers unter dem 17. Januar 2020 die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.
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Hierzu führte der Bevollmächtigte aus, dass eine unverschuldete Fristversäumnis vorliege. Das Landratsamt habe dem Antragsteller mit Schreiben vom 26. November 2019 mitgeteilt, dass er eine Begründung des Widerspruchs nachreichen solle und ihm die Möglichkeit eingeräumt, „den Widerspruch schriftlich bis 17. Dezember 2019 zurückzunehmen“. Wenn die Behörde dem Antragsteller Gelegenheit zur Widerspruchsbegründung gebe und zur Rücknahme des Widerspruchs auffordere, könne der Widerspruchsführer nur von einem wirksam eingelegten Widerspruch ausgehen. Aus diesem Grund sei davon abgesehen worden, den Widerspruch nochmals schriftlich bei der Behörde einzureichen. Dies sei erst nach erfolgtem Hinweis des Landratsamts zum Fristablauf geschehen.
16
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).
II.
17
1. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den streitgegenständlichen Bescheid wird abgelehnt.
18
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen/anordnen bzw. die Vollziehung des Bescheids aussetzen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da der Widerspruch des Antragstellers nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
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Der erhobene Widerspruch erweist sich bei summarischer Prüfung als unzulässig, sodass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
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a. Der Widerspruch wurde nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Landratsamt formgerecht eingelegt. Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3 a Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - (vgl. auch inhaltsgleiche Vorschrift des Art. 3 a Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG) oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Der streitgegenständliche Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers laut Postzustellungsurkunde am 13. November 2019 zugestellt. Demnach begann die Rechtsmittelfrist gemäß Art. 79 2. Halbsatz, Art. 31 Abs. 1 - BayVwVfG - i. V. m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - am 14. November 2019 zu laufen und endete nach Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB am 13. Dezember 2019.
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Ein formgerechter Widerspruch ging bis zu diesem Zeitpunkt nicht beim Landratsamt ein. Zwar legte der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten bereits am 22. November 2019 Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Bescheid als PDF-Anhang per E-Mail ein, dies entsprach jedoch nicht der Form, die § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die Einlegung des Widerspruches vorsieht. Nach § 3 a VwVfG kann die durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden. Der elektronischen Form genügt ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder wenn eine Kommunikationsmöglichkeit des § 3 a Abs. 2 Satz 3 VwVfG genutzt wurde. Der Bevollmächtigte des Antragstellers bediente sich bei der Übermittlung des Widerspruchsdokuments weder einer der in § 3 a Abs. 2 Satz 3 VwVfG bezeichneten Kommunikationswege noch verwendete er eine qualifizierte elektronische Signatur. Zwar befindet sich auf dem eingescannten Schriftsatz die Unterschrift des Bevollmächtigten des Antragstellers, hierdurch kann jedoch nicht mit der für § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotenen Sicherheit festgestellt werden, ob die betreffende E-Mail und der Anhang vollständig und richtig und vom angegebenen Urheber stammen. Es fehlt daher an der erforderlichen Vertraulichkeit im Übermittlungsvorgang und dem damit gewährleisteten Schutz vor Manipulationen der zu übermittelten E-Mail und ihrer Anhänge. Durch die Einführung der Vorschriften zum elektronischen Rechtsverkehr (bspw. § 3 a VwVfG, § 55a VwGO) hat der Gesetzgeber gerade selbst zum Ausdruck gebracht, dass er nur die gesetzlich normierten elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten als Gewähr in die Vertraulichkeit des Übermittlungsweges und als Garantie für die Unverfälschbarkeit der übersandten Dokumente ansieht. Aufgrund dieser gesetzlichen Wertung entspricht die Einlegung des Widerspruchs als PDF-Dokument im Anhang einer E-Mail, ohne eine qualifizierte elektronische Signatur zu enthalten, gerade nicht der Formvorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 3 a VwVfG.
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Die formgerechte Einlegung des Widerspruchs per Fax am 18. Dezember 2019 erfolgte erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist.
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b. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wird aller Voraussicht nach von der zuständigen Widerspruchsbehörde (§ 70 Abs. 2 i. V. m. § 60 Abs. 1, Abs. 4 VwGO) abgelehnt werden, da nach summarischer gerichtlicher Prüfungen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht gegeben sind.
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Der Antragsteller hat, wie unter a. bereits ausgeführt wurde, die gesetzliche Widerspruchsfrist nicht eingehalten. Seit dem Hinweis des Landratsamts vom 16. Dezember 2019 war dem Antragsteller bekannt, dass der Widerspruch nicht fristgerecht erhoben wurde. Ein expliziter Antrag innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO) wurde nicht gestellt. Nach § 60 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 VwGO wurde jedoch die versäumte Rechtshandlung nachgeholt, sodass die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden kann. Eine solche Nachholung fand durch die Übermittlung des Widerspruchs an das Landratsamt per Fax am 16. Dezember 2019 statt. Ob die Gründe der Wiedereinsetzung beim Landratsamt als Ausgangsbehörde oder bei der Widerspruchsbehörde bereits glaubhaft gemacht wurden, vermag das Gericht nicht zu bestimmen. Im Verfahren des gerichtlichen Eilrechtsschutzes wurden diesbezügliche Gründe zumindest vorgetragen.
25
Der Antragsteller war, entgegen der Ansicht seines Bevollmächtigten, jedoch nicht ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die gesetzliche Rechtsmittelfrist einzuhalten.
26
Verschulden liegt dann vor, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrzunehmenden Prozessführenden geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl. BVerwG, B.v. 29.6.2016 - 2 B 18/15 - juris Rn. 11 m. w. N.). Dem Beteiligten wird hierbei das Verhalten seines Bevollmächtigen nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet. Ein Bevollmächtigter hat grundsätzlich für die form- und fristgerechte Rechtsmitteleinlegung Rechnung zu tragen. Eine Wiedereinsetzung kann zwar dann zu gewähren sein, wenn durch das Verhalten eines Beamten, insbesondere, wenn dieser eine unrichtige Auskunft erteilt, ein Irrtum über den Fristlauf oder die erforderliche Form des Widerspruchs hervorgerufen wird (vgl. BVerwG, U.v. 8.3.1983 - 1 C 34/80 - juris Rn. 22, 23; VG Sigmaringen, B.v. 27.12.2004 - 5 K 1313/04 - juris Rn. 8). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Bevollmächtigte des Antragstellers beruft sich darauf, dass durch ein Schreiben des Landratsamts vom 26. November 2019, mit dem er aufgefordert wurde, den Widerspruch zu begründen und ihm zugleich die Rücknahme des Widerspruchs vor Weiterleitung an die Widerspruchsbehörde vorgeschlagen wurde, bei ihm der Irrtum eines bereits form- und fristgerechten Widerspruchs hervorgerufen worden sei und er daher von einer nochmaligen Erhebung des Widerspruchs abgesehen habe. Diesem Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers kann nicht gefolgt werden. Eine unrichtige Auskunft, die einen Irrtum über den form- und fristgerecht eingelegten Widerruf hervorgerufen haben könnte, lag gerade nicht vor. Der Bevollmächtigte des Antragstellers unterließ es, trotz seiner Ankündigung im Schreiben vom 22. Oktober 2019 („vorab per E-Mail“) den Widerspruch nochmals formgerecht, entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung:, einzulegen. Das vom Bevollmächtigten des Antragstellers angeführte Schreiben vom 26. November 2019 enthielt zusätzlich zu der vom Antragsteller erwähnten Passage noch den Absatz: „Vorab des angekündigten noch schriftlich erfolgenden Widerspruchs teilen wir Ihnen mit, dass Gründe, wonach dem Widerspruch entsprochen werden könne, derzeit nicht vorliegen.“ Erst im Anschluss an diesen Absatz forderte das Landratsamt den Antragsteller zu einer Begründung oder einer Zurücknahme des Widerspruchs bis zum 17. Dezember 2019 auf. Liest man das gesamte Schreiben des Landratsamts im Zusammenhang und nicht nur einzelne Passagen, wird ersichtlich, dass das Landratsamt (insbesondere aufgrund des Vermerks im Dokument vom 22. November 2019 „vorab per E-Mail“) offensichtlich davon ausgegangen ist, dass der Widerspruch noch formgerecht eingereicht werden wird und dies durch die Worte „vorab des angekündigten noch schriftlich erfolgenden Widerspruchs“ auch nach außen hin zeigte. Das Landratsamt hat den Bevollmächtigten des Antragstellers daher zu keinem Zeitpunkt rechtlich falsch beraten oder diesem gegenüber widersprüchliche Aussagen getroffen. Der Antragsteller hat sich daher das Versäumnis seines Bevollmächtigten, den Widerspruch im Anschluss an die Einreichung per E-Mail nochmals formgerecht, entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung:und seiner eigenen Ankündigung, an die Behörde zu übermitteln, zuzurechnen.
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c. Der erhobene Widerspruch hätte voraussichtlich auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Diesbezüglich wird auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides sowie das Schreiben des Landratsamts vom 26. November 2019 verwiesen.
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2. Der Antrag ist daher mit der Kostenentscheidung des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5, 46.4 und 46.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).