Inhalt

LSG München, Urteil v. 11.03.2020 – L 12 KA 127/17
Titel:

Vertragsarztrecht: Schadensersatz für die unzulässige Abrechnung von Leistungen

Normenketten:
SGB V § 95 Abs. 3 S. 3
BGB § 242, § 280
Leitsätze:
1. Die zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen am 16.12.2009 mit Wirkung zum 01.01.2010 vereinbarte Änderung der Anlage 10 Anhang 1, die Substitutionsleistungen nach den GOP 01950 - 1952 zum Gegenstand der HzV machte, ist gegenüber dem Beklagten im Quartal 1/2010 mangels der nach § 7 Abs. 2 S. 1 HzV-Vertrag erforderlichen Mitteilung der Änderung des Anhangs 1 zur Anlage 10 zm HzV-Vertrag nicht wirksam geworden. (Rn. 36)
2. Im Zuge der Abrechnung für das 1. Quartal 2010 war der Beklagte jedoch aus § 6 Abs. 1 S. 2 HzV-Vertrag verpflichtet, sich über die aktuellen Vergütungsregelungen, auch in Hinblick auf die vom Beigeladenen ausdrücklich mitgeteilten Neuerungen, zu informieren. Übt der Beklagte dann - nach der zu unterstellenden vollständigen Kenntnis von den Änderungen der Anlage 10 - sein Sonderkündigungsrecht gegenüber dem Beigeladenen nicht aus und macht auch nicht in anderer Weise gegenüber dem Beigeladenen deutlich, mit den Änderungen nicht einverstanden zu sein, ist er nach § 242 BGB an dem von ihm gesetzen Rechtsschein der Genehmigung der Vertragsänderung festzuhalten. Ab dem 2. Quartal 2010 gelten daher auch für ihn die mit Wirkung zum 01.01.2010 geänderten Vergütungsregelungen der Anlage 10 HzV-Vertrag. (Rn. 57 – 63)
Schlagworte:
EBM-Ziffernkranz, Grundpauschale, Hausarztvertrag, HzV-Vertrag, Schadensersatzanspruch, Sonderkündigungsrecht, Substitutionsleistungen, Treu und Glauben, hausarztzentrierte Versorgung, Kassenärztliche Vereinigung, Rechtsschein, Informationspflichten
Vorinstanz:
SG München, Urteil vom 23.10.2017 – S 28 KA 1938/14
Rechtsmittelinstanz:
BSG Kassel, Beschluss vom 27.01.2021 – B 6 KA 11/20 B
Fundstelle:
BeckRS 2020, 6637

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. Oktober 2017, S 28 KA 1938/14, abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 6.349,55 Euro zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 25% und der Beklagte 75%.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Noch streitig im Berufungsverfahren ist ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 9.306,11 Euro. Dieser resultiert aus einer Forderung im Zusammenhang mit Substitutionsleistungen aus einem Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung.
2
Zwischen der Klägerin und dem beigeladenen Bayerischen Hausärzteverband e.V. (nachfolgend: BHÄV) bestand in den Jahren 2009 und 2010 ein Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung (nachfolgend: HzV-Vertrag), der durch die Klägerin zum 31.12.2010 gekündigt wurde. Die Abrechnung der vom Hausarzt erbrachten Leistungen erfolgte im Verhältnis Hausarzt und Bayerischer Hausärzteverband (= Beigeladener). Der Beigeladene bediente sich hierzu einer Abrechnungsgesellschaft, der H. V. AG (HÄVG). Die HÄVG nimmt auch die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen vor (vgl. § 13 Abs. 3 HzV-Vertrag). Auch der Klägerin kommt ein Prüfungsrecht auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung zu.
3
Der Beklagte war im streitigen Zeitraum in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und nahm als Hausarzt am HzV-Vertrag teil. Mit der Schlussabrechnung für das Quartal 4/2010 informierte die HÄVG den Beklagten, dass durch die Klägerin 11.931,84 € für die Absetzung von KV-Leistungen geltend gemacht wurden, die in den Anlagen zur Schlussabrechnung näher dargestellt wurden. Die Forderung werde dem Honorarkonto des Beklagten belastet. Nach Verrechnung weiterer Gutschriften, Belastungen und eines Sicherungseinbehalts in Höhe von 3.430,73 € wurde durch die HÄVG eine Forderung in Höhe von 9.384,88 € geltend gemacht, welche bis zum 26.09.2013 an die HÄVG zu zahlen sei. Der Beklagte beglich die Forderung nicht und widersprach der Schlussabrechnung. Die Substitutionsleistungen seien außerbudgetär über die KVB abzurechnen. Dies sei auf gemeinsamen Veranstaltungen der KVB und des Hausärzteverbandes so kommuniziert worden.
4
Mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 17.02.2014 an die HÄVG ergänzte der Beklagte seinen Widerspruch insbesondere hinsichtlich der Absetzung der Substitutionsleistungen. Im Infobrief Nr. 10 sei die Substitution als Bestandteil der Pauschalvergütung nicht erwähnt. Einem Rückforderungsanspruch stehe das grundrechtlich verankerte Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 des Grundgesetzes sowie der allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen.
5
Der BHÄV erklärte mit Schreiben vom 03.09.2014 die Abtretung der Forderung gegen den Beklagten in Höhe von 9.306,11 Euro an die Klägerin und informierte den Beklagten hierüber mit Schreiben vom gleichen Tag.
6
Die Klägerin hat am 17.12.2014 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Abzüglich des Sicherungseinbehalts von 3.430,73 Euro machte die Klägerin letztlich insgesamt 9.306,11 Euro nebst den gesetzlichen Zinsen ab Rechtshängigkeit gegen den Kläger geltend. Die streitgegenständliche Forderung ergebe sich aus abgetretenem Recht.
7
Zur Begründung führte die Klägerin aus, der Beklagte habe im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung die im HzV-Vertrag vorgesehenen Pauschalen und Zuschläge zu den Pauschalen für die bei ihm eingeschriebenen Patienten abgerechnet und über den BHÄV von der Klägerin vergütet bekommen. Eine nochmalige Abrechnung und Vergütung der Leistungen, die bereits durch die Pauschalen, Zuschläge und sonstige Vergütungspositionen nach dem HzV-Vertrag bezahlt waren, gegenüber der KVB sei nicht zulässig. Die Klägerin stellte diejenigen Gebührenordnungspositionen des EBM, die der Beklagte nicht gegenüber der KVB hätte abrechnen dürfen, detailliert in einer Tabelle dar.
8
Hinsichtlich der Leistungen nach den GOP 01950 bis 01953 EBM für die Substitutionsbehandlung könne der Beklagte der Forderung auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, er habe nicht gewusst, dass diese Leistungen ab dem 01.01.2010 nicht mehr über die KVB abrechenbar seien. Der BHÄV sei nach § 7 Abs. 2 HzV-Vertrag verpflichtet gewesen, die Hausärzte über Änderungen des Vertrages oder einer Anlage schriftlich zu informieren. Die Klägerin gehe nach den Schreiben des BHÄV vom 26.10.2009 und 22.12.2009 davon aus, dass auch der Beklagte über die 1. Änderungsvereinbarung des HzV-Vertrages und mithin über die Änderung des EBM-Ziffernkranzes informiert wurde und dieser zugestimmt habe.
9
Substitutionsleistungen seien bis zum 31.12.2009 keine Leistung der hausarztzentrierten Versorgung und nur über die KVB abrechenbar gewesen. Dies ergebe sich aus dem damaligen Anhang 1 zur Anlage 10 zum HzV-Vertrag. Die einschlägigen EBM-Ziffern 01950 - 01952 seien dort dergestalt gekennzeichnet, dass eine Honorierung als Einzelleistung über die KVB erfolgen sollte. Ab dem 01.01.2010 seien diese Leistungen Gegenstand der hausarztzentrierten Versorgung und Gegenstand der hausärztlichen Grundpauschale. Dies ergebe sich aus der ab 01.01.2010 geltenden Neufassung des Anhangs 1 zur Anlage 10 zum HzV-Vertrag.
10
Der Beklagte, vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, führte aus, er sei davon ausgegangen, dass die Abrechnungspositionen der GOP 01950 ff. EBM auch über den 01.01.2010 hinaus für die in den HzV-Vertrag eingeschriebenen Patienten gegenüber der KVB abrechenbar gewesen seien. Er habe die geänderten Abrechnungsmodalitäten aufgrund der dürftigen Information des Beigeladenen (Informationsbrief Nr. 10) nicht erkennen können. Er sei über die Änderungen des Ziffernkranzes zu keinem Zeitpunkt ausreichend informiert worden. Eine Internetrecherche sei ihm nicht zumutbar. Im Übrigen berufe er sich auf Vertrauensschutz sowie auf den Grundsatz von Treu und Glauben.
11
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 23.10.2017 hinsichtlich der nicht auf die Substitutionsziffern entfallenden GOP (908,31 €) stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.
12
Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs wegen Abrechnung von Leistungen gegenüber der KVB für Versicherte, die in den HzV-Vertrag eingeschrieben waren, sei § 15 Abs. 4 Satz 5 HzV-Vertrag in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB.
13
Die Kammer schließe sich der Auffassung der 21. Kammer des Sozialgerichts München (Urteil vom 22.03.2017, Az. S 21 KA 1924/14) an, wonach Rechtsgrundlage eines geltend gemachten Zahlungsanspruchs wegen unzulässiger Abrechnung von Leistungen gegenüber der KVB für Patienten, die in den HzV-Vertrag eingeschrieben waren, nicht § 15 Abs. 4 Satz 1 HzV-Vertrag, sondern § 15 Abs. 4 Satz 5 HzV-Vertrag in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB sei. Denn die Klägerin mache mit ihrer Klage, worauf die 21. Kammer zutreffend hingewiesen hat, „nicht die Erstattung überzahlter HzV-Vergütung geltend, sondern Ersatz für dasjenige vertragsärztliche Honorar, welches sie selbst an die KVB für Abrechnungen des Beklagten gezahlt habe. Damit betreffe die Forderung der Klägerin nicht einen Teil der HzV-Vergütung, die auf § 15 Abs. 4 Satz 1 HzV-Vertrag gestützt werden könnte. Denn nach dieser Vorschrift wäre der Beklagte nur zur Erstattung von zu viel erhaltener HzV-Vergütung verpflichtet“.
14
Gemäß § 280 Abs. 1 BGB könne bei einer Verletzung einer Verpflichtung aus dem HzV-Vertrag durch den Beklagten die Klägerin Ersatz des dadurch verursachten Schadens verlangen. Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs sei, dass der Beklagte eine ihn treffende Pflicht aus dem HzV-Vertrag verletzt habe, der Klägerin dadurch ein Schaden entstanden sei und ein Verschulden des Beklagten vorliege. Im Streit stehe ein Verstoß gegen § 12 Abs. 2 Satz 4 HzV-Vertrag. Der Beklagte habe aber seine Pflicht aus § 12 Abs. 2 S. 4 HzV-Vertrag im Hinblick auf die Abrechnung von Leistungen nach den GOP 01950 - 01952 EBM in Höhe von 8.397,80 € gegenüber der KVB nicht verletzt, da diese Leistungen auch ab dem 01.01.2010 nicht Gegenstand der HzV-Vergütung gewesen seien. Die entsprechende Vertragsänderung in Anlage 10 Anhang 1 HzV-Vertrag sei gegenüber dem Beklagten nicht wirksam geworden. Zur Begründung schloss sich das SG vollumfänglich der Auffassung der 21. Kammer aus dem Urteil vom 22.03.2017, Az. S 21 KA 1924/14, an und zitierte insoweit aus dem genannten Urteil.
15
Im Übrigen habe der Beklagte mit der KVB-Abrechnung der weiteren, von der Klägerin im Schriftsatz vom 21.07.2015 näher bezeichneten und sich nicht auf die Substitutionsziffern beziehenden Leistungen i.H.v. 3.479,74 € für Patienten, die im HzV-Vertrag eingeschrieben waren, § 12 Abs. 2 Satz 4 HzV-Vertrag verletzt (wird ausgeführt). Zudem seien die Abrechnungsvoraussetzungen weiterer Einzelleistungen nach dem HzV nicht erfüllt. Diese Überzahlung betrage 859,30 € und sei nach § 15 Abs. 4 Satz 1 HzV-Vertrag zurückzufordern. Die diesbezüglichen Ersatzansprüche der Klägerin in Höhe von insgesamt 4.339,04 € seien in Höhe von 3.430,73 € bereits durch den Sicherungseinbehalt befriedigt, so dass eine Forderung in Höhe von 908,31 € verbleibe.
16
Einen Zinsanspruch der Klägerin verneinte das SG.
17
Hiergegen hat allein die Klägerin am 20.11.2017 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben.
18
Zu Unrecht gehe das SG davon aus, dass die Anlage 10 Anhang 1 in der streitgegenständlichen Fassung nicht wirksam geworden sei bzw. keine Information der Hausärzte über die streitgegenständlichen Änderungen erfolgt sei. Es sei unschädlich, dass die die Substitution betreffenden GOP 01950 bis 01952 auf der ersten Seite des Informationsbriefes nicht gesondert ausgewiesen worden seien. Der geänderte Anhang 1 zur Anlage 10 enthalte eine Vielzahl von Änderungen, die nichts mit den neuen im Infobrief Nr. 10 hervorgehobenen Leistungen zu tun hätten. Viele Positionen würden als HzV-Leistung entfallen, andere hinzukommen. Die Klägerin wies hierzu auf die dem Ziffernkranz vorangestellten Grundsätze hin. Es liege auf der Hand, dass der Hausarzt nicht nur das Informationsschreiben zur Kenntnis nehmen müsse, sondern dass ihm auch die regelmäßige Lektüre des Ziffernkranzes nicht erspart bleibe. Auch in der selektivvertraglichen Versorgung gebe es eine Obliegenheit des teilnehmenden Arztes, sich über die jeweils geltenden Abrechnungsbestimmungen auf dem Laufenden zu halten. Die überwiegende Mehrheit der Hausärzte sei dieser Obliegenheit nachgekommen und habe in Kenntnis der geänderten Vergütungsregelungen im Ziffernkranz korrekt abgerechnet.
19
Der Schluss aus § 95 Abs. 3 S. 3 SGB V, dass der Vertragsarzt sich über Rechtsänderungen zu informieren habe, sei auf den Hausarztvertrag übertragbar. Der Wirkung der Zulassung im Kollektivvertragsrecht entspreche die Wirkung der Teilnahmeerklärung des Arztes im Selektivvertragsrecht. Der Arzt unterwerfe sich mit der Teilnahmeerklärung dem Regime des HzV-Vertrages und müsse sich deshalb auch hier stets über die für ihn geltenden Vorschriften einschließlich der Abrechnungsbestimmungen informieren. Es sei nicht damit getan, einzelne, in einem Begleitschreiben angesprochene bzw. besonders hervorgehobene Neuregelungen zur Kenntnis zu nehmen.
20
Zudem handele es sich bei der hausarztzentrierten Versorgung ebenfalls um eine im 4. Kapitel 2. Abschnitt 1. Titel im SGB V geregelte vertragsärztliche Versorgungsart. Erst mit der Zulassung erwerbe der Vertragsarzt das Recht, auch an dieser Versorgungsform teilzunehmen. Wegen der Abhängigkeit vom Vertragsarztstatus würden auch die sich aus dem SGB V ergebenden vertragsärztlichen Grundsätze gelten, soweit in Selektivverträgen und den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben nichts Abweichendes geregelt sei.
21
Den Verpflichtungen aus der Teilnahmeerklärung und aus § 6 Abs. 1 S. 2 HzV-Vertrag könne der Hausarzt nur gerecht werden, wenn er sich stets über die für ihn geltenden Regelungen auf dem Laufenden halte. Es sei kein Anhaltspunkt ersichtlich, warum die für Vertragsärzte geltende Informationsobliegenheit nicht auch für den selektivvertraglichen Teil der Versorgung gelten solle. Auch die in § 7 Abs. 2 S. 1 HzV-Vertrag geregelte Informationspflicht des BHÄV ändere daran nichts. Mit dieser Regelung solle nur klargestellt werden, dass nicht etwa beide Vertragspartner oder nur die Klägerin die Ärzte informiere. Regelungen im Hinblick auf den Umfang der Informationspflicht enthalte der Vertrag nicht und eine solche Regelung sei auch wegen der Informationsobliegenheit der teilnehmenden Hausärzte nicht notwendig.
22
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin stellen den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.10.2017 insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen wurde und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 8.397,80 Euro zu bezahlen.
23
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
24
Der Beklagte wiederholt und vertieft im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Klageverfahren. Ergänzend wird vorgetragen, der Beklagte habe schon das Schreiben des BHÄV vom 26.10.2009 mit der Zustimmungserklärung zum geänderten HzV-Vertrag nicht erhalten. Die Information aus dem Infobrief 10 sei nicht ausreichend, zumal die Substitutionsleistungen gar nicht erwähnt gewesen wären. Dem Kläger sei es nicht zumutbar, auf eine Internetrecherche verwiesen zu werden, um die geänderte Vertragsversion zur Kenntnis zu nehmen. Die Informationen hätten sich direkt im Infoschreiben befinden müssen. Eine Zustimmungsfiktion sei daher nicht eingetreten. Bestritten wird die Aktivlegitimation der Klägerin. Die gegenüber der KVB abgerechneten Leistungen des Beklagten dürften auch nur von dieser und nicht von der Klägerin zurückgefordert werden. Außerdem habe die Klägerin nach wie vor nicht nachgewiesen, dass sie die von ihr behaupteten Zahlungen für die Substitutionsziffern an die KVB gezahlt habe. Der BHÄV habe daher ein Nullum abgetreten, da die Zahlungen nicht vom BHÄV, sondern allenfalls von der KVB erbracht worden seien.
25
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
26
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Klägerin, die Akte des SG mit dem Az. S 28 KA 1938/14 und die Berufungsakte Az.: L 12 KA 127/17 verwiesen.

Entscheidungsgründe

27
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
I.
28
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nur für die Abrechnung von Substitutionsleistungen nach den GOP 01950 bis 01952 EBM gegenüber der KVB in den Quartalen 2/2010 bis 4/2010 zu.
29
1. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 15 Abs. 4 S. 5 HzV-Vertrag in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB.
30
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung einer Überzahlung nach § 15 Abs. 4 S. 1 HzV-Vertrag nicht erfüllt.
31
Gemäß § 15 Abs. 4 S. 1 HzV-Vertrag ist der Hausarzt im Falle einer an ihn geleisteten Überzahlung verpflichtet, den Teil der HzV-Vergütung, auf den sich die Überzahlung bezieht, innerhalb von 4 Wochen nach Zugang einer Zahlungsaufforderung zu erstatten. Eine Überzahlung ist nach § 15 Abs. 4 S. 3 HzV-Vertrag jede Auszahlung der HÄVG an einen Hausarzt, soweit sie die Gesamtheit der zum Zeitpunkt der Auszahlung fälligen HzV-Vergütungsansprüche des Hausarztes gegenüber der HÄVG bzw. dem BHÄV (in der Fassung des HzV-Vertrages nach der 1. Änderungsvereinbarung vom 03.09.2009) übersteigt.
32
Die von der Klägerin geltend gemachten Beträge betreffen jedoch nicht die nach dem HzV-Vertrag an den Kläger ausgezahlte HzV-Vergütung, sondern denjenigen Teil des vertragsärztlichen Honorars, den die Klägerin aufgrund der Vereinbarung mit der KVB zur Bereinigung der Gesamtvergütung aufgrund des HzV-Vertrages an die KVB gezahlt hat, weil für Patienten Leistungen über die KVB abgerechnet und vergütet wurden, die innerhalb des HzV-Vertrages zu vergüten gewesen wären. Die Klägerin macht mit ihrer Klage also nicht die Erstattung überzahlter HzV-Vergütung geltend, sondern Ersatz für dasjenige vertragsärztliche Honorar, welches sie selbst an die KVB für Abrechnungen des Beklagten gezahlt hat. Damit betrifft die Forderung der Klägerin nicht einen Teil der HzV-Vergütung, die auf § 15 Abs. 4 S. 1 HzV-Vertrag gestützt werden könnte. Denn nach dieser Vorschrift wäre der Beklagte nur zur Erstattung von zu viel erhaltener HzV-Vergütung verpflichtet. Unerheblich ist, ob die Klägerin und der Beigeladene mit § 15 Abs. 4 S. 1 HzV-Vertrag auch die Erstattungspflicht der teilnehmenden Hausärzte für diejenigen Beträge begründen wollten, welche die Klägerin wegen der Abrechnung von Leistungen, die Gegenstand der HzV waren, gegenüber der KVB an diese zu erstatten hatte. Eine solche Absicht findet im Wortlaut des Vertrages keinerlei Stütze.
33
b) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch hat als Schadensersatzanspruch seine Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 4 S. 5 HzV-Vertrag in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB.
34
Die Argumentation des Beklagten, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert und mache aus abgetretenem Recht ein Nullum geltend, geht ins Leere. Denn die Klägerin macht gerade keine Forderung aus abgetretenem Recht geltend, sondern vielmehr einen Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht.
35
Gemäß § 280 Abs. 1 BGB kann bei Verletzung einer Verpflichtung aus dem HzV-Vertrag durch den Beklagten die Klägerin Ersatz des dadurch verursachten Schadens verlangen. Dieser Schadensersatzanspruch steht gemäß § 15 Abs. 4 S. 5 HzV-Vertrag neben dem Erstattungsanspruch nach § 15 Abs. 4 S. 1 HzV-Vertrag. Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs ist, dass der Beklagte eine ihn treffende Pflicht aus dem HzV-Vertrag verletzt hat, der Klägerin dadurch ein Schaden entstanden ist und ein Verschulden des Beklagten vorliegt. Diese Voraussetzungen liegen aber nur für die Quartale 2/2010 bis 4/2010 vor.
36
2. Bezogen auf das Quartal 1/2010 hat der Beklagte seine Pflicht aus § 12 Abs. 2 S. 4 HzV-Vertrag im Hinblick auf die Abrechnung von Leistungen nach den GOP 01950 - 01952 des EBM gegenüber der KVB nicht verletzt. Denn die zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen am 16.12.2009 mit Wirkung zum 01.01.2010 vereinbarte Änderung der Anlage 10 Anhang 1, die Substitutionsleistungen nach den GOP 01950 - 1952 zum Gegenstand der HzV machte, ist gegenüber dem Beklagten in diesem Quartal nicht wirksam geworden.
37
Es fehlte an der nach § 7 Abs. 2 S. 1 HzV-Vertrag erforderlichen Mitteilung der Änderung des Anhangs 1 zur Anlage 10 zum HzV-Vertrag durch den Beigeladenen.
38
Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 HzV-Vertrag war der Beigeladene verpflichtet, die Hausärzte über Änderungen bzw. Ergänzungen des HzV-Vertrages und/oder seiner Änderungen schriftlich zu informieren. Dem Hausarzt stand nach § 7 Abs. 2 S. 2 HzV-Vertrag ein Sonderkündigungsrecht zu, wenn er durch die Änderung oder Ergänzung betroffen war und die Teilnahme an der HzV aus diesem beenden wollte. Dies sollte nach § 7 Abs. 2 S. 3 HzV-Vertrag insbesondere bei Änderungen der Vergütungsregelungen zum Nachteil des Hausarztes gelten. Die Kündigung hat nach § 7 Abs. 2 S. 4 HzV-Vertrag schriftlich innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Mitteilung der Vertragsänderung zu erfolgen. Sofern der Hausarzt nicht innerhalb dieser Frist kündigt, gelten die Änderungen des HzV-Vertrages und seiner Anlagen nach § 7 Abs. 2 S. 5 HzV-Vertrag als genehmigt.
39
a) Das Schreiben des BHÄV vom 26.10.2009 enthielt keine Informationen über die am 16.12.2009 vereinbarten Vertragsänderungen.
40
Mit diesem Schreiben informierte der Beigeladene den Beklagten, dass der HzV-Vertrag vom 12.02.2009 geändert wurde. Das Schreiben vom 26.10.2009 bezog sich zwar zunächst nur auf den HzV-Vertrag selbst ohne Bezugnahme auf Anlagen und Anhänge. Dem Schreiben war aber eine Zustimmungserklärung beigefügt, die auch vom Beklagten abgegeben wurde. Dem Senat liegt die vom Beklagten am 26.10.2009 unterschriebene und mit dem Vertragsarztstempel des Beklagten versehene Zustimmungserklärung vor. Die Behauptung des Beklagten, er habe das Schreiben vom 26.10.2009 nicht erhalten, ist damit widerlegt. Die Zustimmungserklärung umfasst unter anderem die Erteilung einer umfassenden Vollmacht des Beigeladenen zum Abschluss des HzV-Vertrages bzw. dessen Änderungen. Zum anderen verpflichtet sich der Hausarzt gegenüber dem Beigeladenen, an der HzV nach Maßgabe des geänderten HzV-Vertrages und seiner Anlagen sowie der bereits abgegebenen Teilnahmeerklärung teilzunehmen.
41
Aufgrund der zeitlichen Abfolge konnte dieses Schreiben aber keine Informationen über eine erst zwei Monate später vereinbarte Vertragsänderung enthalten. Dies bedarf keiner weiteren Begründung, weshalb auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen wird.
42
b) Der Infobrief Nr. 10 zur Hausarztzentrierten Versorgung BHÄV/HÄVG und AOK Bayern des beigeladenen BHÄV vom 22.12.2009 war zur Information der Hausärzte gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 HzV-Vertrag jedenfalls im Hinblick auf die Substitutionsleistungen nicht ausreichend.
43
Die dem BHÄV mit § 7 Abs. 2 S. 1 HzV-Vertrag zugewiesene Verpflichtung, die teilnehmenden Hausärzte über Vertragsänderung oder -ergänzungen zu informieren, erfordert zwar keine detaillierte Information über jede einzelne Änderung der Honoraranlage. Der Beigeladene war jedoch gerade auch im Hinblick auf das nach § 7 Abs. 2 S. 2, 3 HzV-Vertrag bestehende Sonderkündigungsrecht verpflichtet, die vereinbarten Änderungen wahrheitsgemäß und zumindest in groben Zügen vollständig darzustellen.
44
Daran fehlt es im Infobrief Nr. 10 vom 22.12.2009.
45
Der Beigeladene informiert dort unter Punkt 2 a. über neue Vergütungspositionen, d.h. darüber, dass in Anlage 10 HzV-Vertrag (Honoraranlage) weitere Leistungen in die HzV aufgenommen und für diese neuen Vergütungspositionen (Abrechnungsmöglichkeiten) in der HzV geschaffen wurden (so z.B. Zuschlag Z15 für Akupunkturleistungen, Diabetespauschale oder Besuch Palliativpatient). Dies betrifft Leistungen der teilnehmenden Hausärzte, für die bisher keine Vergütung über die HzV vorgesehen war.
46
Hinsichtlich der Substitutionsleistungen wurden aber keine neuen Vergütungspositionen in Anlage 10 HzV-Vertrag geschaffen, sondern lediglich über eine Änderung des EBM-Ziffernkranzes (Anlage 10 Anhang 1) diese Leistungen für eigene Versicherte der Grundpauschale zugeordnet und die bisher vorgesehene Abrechnung dieser Leistungen gegenüber der KVB gestrichen.
47
Der einleitende Satz zu Abschnitt 2 a. des Infobriefes suggeriert darüber hinaus, dass Änderungen der Anlage 10 und des EBM-Ziffernkranzes nur im Hinblick auf diese neuen Vergütungspositionen vorgenommen worden seien, wenn die Formulierung
"und die Anlage 10 (HzV-Vertrag) sowie den EBM-Ziffernkranz entsprechend angepasst"
verwendet wird. Das Wort „entsprechend“ nimmt Bezug auf die Mitteilung der Vereinbarung neuer Vergütungspositionen. Dem Hausarzt wird damit nur mitgeteilt, dass im Hinblick auf die neuen Vergütungspositionen Änderungen der Anlage 10 vorgenommen worden sind.
48
Auch im vorletzten Absatz, Satz 1 des Abschnitts 2 a. des Infobriefs Nr. 10 wird mit der Formulierung „Diese Leistungen“ nochmals ein Bezug zu den vorher dargestellten neuen Vergütungspositionen hergestellt. Damit kann auch der Hinweis im Satz 2, dass Informationen über Vergütungshöhe, Leistungsumfang und Abrechnungsausschlüsse in der aktualisierten und auf der Homepage des Beigeladenen einsehbaren Fassung der Anlage 10 zu finden sind, nur auf die zuvor mitgeteilten neuen Vergütungspositionen bezogen werden. Für den teilnehmenden Hausarzt ergab sich aus dieser Mitteilung an keiner Stelle, dass es über die neuen Vergütungspositionen hinaus noch weitere Änderungen der Anlage 10 inklusive ihres Anhangs 1 - EBM-Ziffernkranz gegeben haben könnte, die Einfluss auf den Vergütungsanspruch des Hausarztes haben könnten.
49
Auch der Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht unter 2 c. des Infobriefs Nr. 10 enthält keinerlei Andeutung, dass über die dargestellten neuen Vergütungspositionen hinaus weitere Änderungen der Anlage 10 vereinbart worden sind.
50
Vor dem Hintergrund, dass Vertragsänderungen gegenüber dem Hausarzt nach § 7 Abs. 2 S. 5 HzV-Vertrag nur dann vom Hausarzt als genehmigt gelten, wenn er nach Information gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 HzV-Vertrag von seinem Sonderkündigungsrecht keinen Gebrauch macht, hat der Beigeladene seine Informationsverpflichtung nach § 7 Abs. 2 S. 1 HzV-Vertrag nicht vollständig erfüllt.
51
b) Der teilnehmende Hausarzt ist auch nicht verpflichtet, sich ohne Anlass jederzeit über die aktuellen Vergütungsregelungen zu informieren.
52
Die Klägerin trägt zwar zutreffend vor, dass sich der Hausarzt mit Abgabe seiner Teilnahmeerklärung nach § 6 Abs. 1 S. 2 HzV-Vertrag gegenüber dem Beigeladenen verpflichtet hat, an der HzV nach Maßgabe des HzV-Vertrages teilzunehmen und die in diesem Vertrag und seinen Anlagen getroffenen Regelungen als verbindlich anzuerkennen und umzusetzen.
53
Abrechnungsrelevant waren die Änderungen der Vergütungsregelungen nach den Ausführungen des Beigeladenen im Infobrief Nr. 10 aber erst ab 01.04.2010, da erst ab diesem Zeitpunkt eine Abrechnung der Leistungen über die Vertragssoftware möglich war. Damit bestand für den Hausarzt auch erst im Zusammenhang mit der Abrechnung der Leistungen ein Anlass, in Erfüllung seiner Verpflichtung nach § 6 Abs. 1 S. 2 HzV-Vertrag die aktuelle Fassung der Anlage 10 zu studieren.
54
c) Mangels einer gegenüber dem Beklagten wirksam gewordenen Vertragsänderung war der Beklagte auf der Grundlage der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung der Anlage 10 einschließlich ihres Anhangs 1 berechtigt, im Quartal 1/2010 Substitutionsleistungen gegenüber der KVB abzurechnen.
55
3. Ab dem Quartal 2/2010 ist der Beklagte jedoch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) so zu behandeln, als sei er über die zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen vereinbarte Vertragsänderung gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 HzV-Vertrag hinreichend informiert worden.
56
a) Zwar hat, wie unter 2. ausgeführt, der Beigeladene seine Informationspflicht aus § 7 Abs. 2 S. 1 HzV-Vertrag verletzt, so dass die Vertragsänderung gegenüber dem Beklagten nicht zum 01.01.2010 wirksam werden konnte.
57
Der Beklagte war jedoch im Zuge der Abrechnung für das 1. Quartal 2010, die gemäß § 13 Abs. 2 HzV-Vertrag bis zum 05.04.2010 einzureichen war, aus § 6 Abs. 1 S. 2 HzV-Vertrag verpflichtet, sich über die aktuellen Vergütungsregelungen, auch in Hinblick auf die vom Beigeladenen ausdrücklich mitgeteilten Neuerungen, zu informieren. Dies schließt den in § 12 Abs. 2 S. 4 HzV-Vertrag geregelten Abrechnungsausschluss für Leistungen, die bereits gemäß Anlage 10 vergütet werden, mit ein. Die Informationspflicht beinhaltet, die aktuellen Vergütungsregelungen gegebenenfalls auch über das Internet auf der Homepage des Beigeladenen abzurufen, zumal die Ausstattung der Praxis mit einer onlinefähigen IT und Internetanbindung nach § 5 Abs. 1 e) HzV-Vertrag Teilnahmevoraussetzung für den Hausarzt ist. Eine Kenntnisverschaffung über das Internet ist daher entgegen der Auffassung des Beklagten nicht unzumutbar.
58
In Erfüllung dieser Verpflichtung hätte dem Beklagten auffallen müssen, dass es Änderungen im EBM-Ziffernkranz gibt, die einer weiteren Abrechnung der GOP 01950 - 01952 gegenüber der KVB entgegenstehen.
59
Entweder hat der Beklagte entsprechend seiner Verpflichtung aus § 6 Abs. 1 S. 2 HzV-Vertrag im Zusammenhang mit der Ende März/Anfang April vorzunehmenden Abrechnung der im 1. Quartal 2010 erbrachten Leistungen die aktuelle Fassung der Anlage 10 inkl. Anhang 1 herangezogen. In diesem Fall hatte er positive Kenntnis vom Ausschluss der Abrechnung der GOP 01950 - 01952 gegenüber der KVB. Sofern er nicht die aktuelle Fassung der Anlage 10 herangezogen hat, hat er seine Pflicht aus § 6 Abs. 1 S. 2 HzV-Vertrag verletzt und ist so zu stellen, als habe er Kenntnis gehabt („Kennen-Müssen“).
60
b) Die Klägerin und der Beigeladene durften darauf vertrauen, dass die teilnehmenden Hausärzte jedenfalls bei Abrechnung für das Quartal 1/2010 entsprechend der Verpflichtung in § 6 Abs. 1 S. 2 HzV-Vertrag die aktuelle Version der Anlage 10 zur Kenntnis nehmen und der Abrechnung zugrunde legen.
61
Übt der Beklagte dann - nach der zu unterstellenden vollständigen Kenntnis von den Änderungen der Anlage 10 - sein Sonderkündigungsrecht gegenüber dem Beigeladenen nicht aus und macht auch nicht in anderer Weise gegenüber dem Beigeladenen deutlich, mit den Änderungen nicht einverstanden zu sein, ist er nach § 242 BGB an dem von ihm gesetzten Rechtsschein der Genehmigung der Vertragsänderung festzuhalten. Die Haftung nach Rechtsscheingrundsätzen ist ein spezieller Anwendungsfall des venire contra factum proprium, wonach jemand, der das Vertrauen anderer in das Bestehen einer bestimmten Rechtslage erweckt, sich daran festhalten lassen muss (Schubert, in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 242 RdNr. 347; Kähler, in: beck.online Grosskommentar, Stand 01.03.2020, § 242 BGB, RdNr. 590). Das setzt die Schaffung eines Rechtsscheins voraus, der dem in Anspruch genommenen zurechenbar ist, auf den die andere Seite vertraut hat und deren Vertrauen auch schutzwürdig ist.
62
Mit der Einreichung der Abrechnung für das Quartal 1/2010 durften der Beigeladene und die Klägerin grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Beklagte sich entsprechend § 6 Abs. 1 S. 2, § 12 Abs. 2 HzV-Vertrag über die für das Quartal bestehenden Abrechnungsregelungen informiert hat und von diesen Kenntnis hat. Mit dem fehlenden Widerspruch gegen die vorgenommenen Vertragsänderungen bzw. der fehlenden Ausübung des Sonderkündigungsrecht besteht bei dem Beigeladenen und der Klägerin berechtigterweise der Anschein, dass der Beklagte weiterhin an der HzV nun nach Maßgabe des geänderten Vertrages teilnehmen will. Diese Folge ist in § 7 Abs. 2 S. 5 HzV-Vertrag für den Fall der ausreichenden Information und der Nichtausübung des Sonderkündigungsrechts ausdrücklich vorgesehen und es besteht kein schützenswerter Grund, den Beklagten bei tatsächlicher oder zu unterstellender Kenntniserlangung von der Änderung ab dem Zeitpunkt des Kennens oder des Kennen-Müssens anders zu behandeln als bei einer rechtzeitigen ordnungsgemäßen Information nach § 7 Abs. 2 S. 1 HzV-Vertrag.
63
Daraus folgt, dass der Beklagte ab dem Quartal 2/2010 mangels Widerspruchs gegen den geänderten Vertragsinhalt und mangels Ausübung des Sonderkündigungsrechts so zu behandeln ist, als sei die Vertragsänderung auch ihm gegenüber wirksam geworden. Für ihn gelten ab dem Quartal 2/2010 die mit Wirkung zum 01.01.2010 geänderten Vergütungsregelungen der Anlage 10 HzV-Vertrag.
64
c) Der Beklagte hat mit der KVB-Abrechnung der GOP 01950 - 01952 für Patienten, die im HzV-Vertrag eingeschrieben waren, § 12 Abs. 2 S. 4 HzV-Vertrag verletzt.
65
Der Leistungsumfang der in Anlage 10 Abschnitt A. zum HzV-Vertrag geregelten Grundpauschale wird nach Anlage 10 Abschnitt B. Ziffer I. zum HzV-Vertrag bestimmt durch den Anhang 1 zur Anlage 10, sog. „EBM-Ziffernkranz“. Die angegebenen Leistungen sind nach den Bestimmungen des EBM-Ziffernkranzes als obligatorisch gekennzeichnet und damit gemäß Anlage 10 Abschnitt B. Ziffer II. (1) S. 3 zwingend als Bestandteil der Pauschalen, hier der Grundpauschale, abzurechnen. Anlage 10 Abschnitt B. Ziffer II. (1) S. 4 schließt - in Wiederholung von § 12 Abs. 2 S. 4 HzV-Vertrag - eine Abrechnung über die KVB ausdrücklich aus. Der Beklagte unterlag damit mit seiner Teilnahme am HzV-Vertrag der Verpflichtung, Leistungen an seinen Patienten, die bereits über die Grundpauschale der Anlage 10 zum HzV-Vertrag vergütet wurden, nicht nochmals gegenüber der KVB nach den Bestimmungen des EBM abzurechnen.
66
Der Klägerin ist durch diese Pflichtverletzung insoweit ein Schaden entstanden, als sie durch die KVB auf Ersatz dieser unzulässigen Abrechnungen in Anspruch genommen wurde. Rechtsgrundlage der Haftung der Klägerin gegenüber der KVB für unzulässige Abrechnungen von Leistungen, die innerhalb der hausarztzentrierten Versorgung abzurechnen gewesen wären, sind die Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 4 SGB zur Ermittlung des zu bereinigenden Behandlungsbedarfs gemäß § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V bei Beitritt eines Versicherten zu einem Vertrag gemäß §§ 73b, 73c und 140d SGB V in der 16. und 17. Sitzung am 09.12.2009 mit Wirkung zum 01.10.2009 bis zum 31.12.2010 bzw. mit Wirkung zum 01.01.2010 bis zum 31.12.2010, jeweils Abschnitte II.1.5 Nr. 4 und 8 in Verbindung mit den Vereinbarungen zur Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V für Verträge nach §§ 73b, 73c und 140d zwischen der KVB und der Klägerin.
67
Das Verschulden des Beklagten wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte schuldlos Leistungen unzulässig gegenüber der KVB abgerechnet hätte, sind nicht ersichtlich.
68
Der Ersatzanspruch der Klägerin für die Quartale 2/2010 bis 4/2010 beträgt nach der vom Beklagten unwidersprochenen Aufstellung in der Berufungsbegründung vom 20.11.2017 6.349,55 €.
69
d) Das Zahlungsbegehren ist auch nicht verjährt. Zugrunde zulegen ist, wie allgemein im Vertragsarztrecht, eine vierjährige Verjährungsfrist.
70
e) Den Zinsanspruch hat die Klägerin in der Berufung nicht mehr weiterverfolgt.
II.
71
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 25% und der Beklagte zu 75%. Diese Quote entspricht dem Obsiegen und Unterliegen der Parteien.
III.
72
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.