Titel:
Kostenerstattungsanspruch, Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeit, Vermögensverwaltende Tätigkeit, Spruchverfahrensgesetz, Angemessene Barabfindung, Geschäftswert, Außergerichtliche Kosten, Maklerprovision, Kostentragungspflicht, Abfindung der Minderheitsaktionäre, Unternehmensbezogenheit, Konzernrecht, Ertragswertverfahren, Ertragswertermittlung, Marktrisikoprämie, Verfahrensbeteiligte, Gerichtlich bestellter Sachverständiger, Veräußerung, Kapitalisierungszinssatz
Schlagworte:
Squeeze out, Barabfindung, Unternehmensbewertung, Ertragswertmethode, Net Asset Value, Börsenkurs, Spruchverfahren
Fundstelle:
BeckRS 2020, 65183
Tenor
I. Die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren erster Instanz sowie der Wert für die Berechnung der von der Antragsgegnerin geschuldeten Vergütung des gemeinsamen Vertreters der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten ehemaligen Aktionäre werden auf € 200.000,-- festgesetzt.
Gründe
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1. a. Im Jahr 2002 hatte die B… AG (im Folgenden auch: die Gesellschaft) mit der B… B… V… GmbH als Obergesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, in dem eine Barabfindung von € 22,16 und eine Ausgleichszahlung von € 0,83 festgesetzt wurde. Der Ausgleich wurde nach Einleitung eines Spruchverfahrens mit rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts München I vom 30.11.2016, Az. 5HK O 22066/02 auf € 1,51 brutto je Akte abzüglich der Körperschaftssteuerbelastung nebst Solidaritätszuschlag in Höhe des jeweils geltenden Tarifs erhöht.
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Die herrschende Gesellschaft wurde in der Folgezeit auf die B… B… V… GmbH & Co. KG verschmolzen, die unmittelbar 90.707.255 Aktien der Gesellschaft hielt und von Herrn … S… ebenso wie die 4.894.060 Aktien haltende B. L. GmbH beherrscht wurde. Herr … S… selbst hielt unmittelbar 1.800 Aktien der B… AG. Eine außerordentliche Hauptversammlung der B… AG fasste am 15.12.2014 den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von € 22,16 je Stückaktie der Gesellschaft auf Herrn … S… als Hauptaktionär zu übertragen. Das in 95.952.348 Stückaktien eingeteilte Grundkapital betrug zum Stichtag der Hauptversammlung € 95.952.348. Der Gegenstand der Gesellschaft liegt ausweislich der Regelung in § 2 Abs. 1 ihrer Satzung in der Entwicklung und Bebauung, dem Erwerb, der Verwaltung und Veräußerung von unbebauten und bebauten Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und sonstigen damit in Zusammenhang stehenden Vermögensgegenständen sowie im Erwerb, in der Verwaltung und Veräußerung von Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen jeder Art; die Gesellschaft kann sich auf die Verwaltung solcher Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen beschränken oder sie unter einheitlicher Leitung zusammenfassen. Dabei ist die B… AG aufgrund von § 2 ihrer Satzung zu allen Geschäften befugt, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen; sie kann Zweigniederlassungen und Gesellschaften errichten und ihren Geschäftsbetrieb ganz oder teilweise in Beteiligungsgesellschaften ausgliedern.
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Ein Squeeze out, der bereits der Hauptversammlung vom 21.5.2003 aufgrund einer Einberufung vom 9.4.2003 zur Abstimmung vorgelegt worden war, wurde nicht vollzogen. Die Absicht zur Durchführung eines weiteren Squeeze out wurde während der Hauptversammlung vom 5.8.2004 bekannt gegeben. In einem Zeitraum vom 5.5.2004 bis zum 4.8.2004 belief sich der durchschnittliche Kurs der Aktie der B… AG auf € 24,59.
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b. Im Vorfeld der Hauptversammlung vom 15.12.2014 erstellte die E… AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: E…) unter dem 4.10.2004 eine gutachtliche Stellungnahme zum Wert der B… AG München und zur Barabfindung gemäß § 327 b AktG (AnlageAG 3). Dabei ermittelten die Wirtschaftsprüfer von E… in Anwendung der Ertragswertmethode unter Annahme einer Vollausschüttung der Ergebnisse einen Ertragswert zum 1.1.2004 als bewertungstechnischem Stichtag in Höhe von € 1,109107 Mrd., zu dem sie Sonderwerte in einem Umfang von € 50,578 Mio. hinzu addierten. Unter Berücksichtigung der erforderlichen Aufzinsung zum Stichtag der Hauptversammlung errechneten sie einen Unternehmenswert von € 1,204913 Mrd. und einen Wert je Aktie von € 12,56. Dabei gingen die Bewertungsgutachter von einer die Jahre 2004 bis 2007 umfassenden Detailplanungsphase aus, an die sich dann ab den Jahren 2008 ff. die Ewige Rente anschloss. In diesem Zeitraum wurden die Erträge und Aufwendungen – mit Ausnahme von Bereinigungen vor allem bei den Umsatzerlösen, den Instandhaltungsaufwendungen, Abschreibungen und dem Beteiligungsergebnis – auf der Grundlage des letzten Planjahres mit einem Wachstum von 1,5% fortgeschrieben. Bei der Kapitalisierung der Überschüsse gingen die Bewertungsgutachter von einem einer Empfehlung des IDW entsprechenden Basiszinssatz von 5,5% vor Steuern und einem mit Hilfe des (Tax-)CAPM ermittelten Risikozuschlags von 0,8% nach Steuern aus, wobei sie eine Marktrisikoprämie von 5% nach Steuern und einen Beta-Faktor von 0,16 ansetzten. Für den Terminal Value legte das Bewertungsgutachten einen Wachstumsabschlag von 1,5% zugrunde. Aus Gründen der Vergleichbarkeit zu den früheren Unternehmensbewertungen der Jahre 2002 und 2003 ermittelten die Bewertungsgutachter zudem einen auf der Grundlage des Net Asset ValueVerfahrens ermittelten Unternehmenswert von € 1,144713 Mio. oder einen Betrag von € 11,93 je Aktie.
5
Die vom Landgericht München I mit Beschluss vom 11.8.2004, Az. 5HK O 15149/04 zur Abfindungsprüferin bestellte P… GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: P…) gelangte in ihrem Prüfungsbericht vom 21.10.2004 (Anlage AG 4) zu dem Ergebnis, die vom damaligen Hauptaktionär festgelegte Barabfindung stelle sich als angemessen dar.
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c. Der Beschluss über den Squeeze out wurde am 12.4.2005 in das Handelsregister eingetragen und anschließend vom Registergericht im Bundesanzeiger Nr. 73 vom 19.4.2005 sowie in der SZ Nr. 88 vom 18.4.2005 bekannt gemacht; aufgrund der Satzung der Gesellschaft erfolgen Bekanntmachungen ausschließlich im Bundesanzeiger. Zum Zeitpunkt der Eintragung des Squeeze out-Beschlusses waren alle Antragsteller Aktionäre der danach in eine Kommanditgesellschaft umgewandelten B… AG.
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d. Der damalige Hauptaktionär … S… verstarb während der Anhängigkeit dieses Verfahrens. Die Antragsgegnerin wurde zur Testamentsvollstreckerin bestellt.
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2. Zur Begründung ihrer – mit Ausnahme des Antrags der Antragstellerin zu 22) – spätestens am 19.7.2015 zumindest per Telefax beim Landgericht München I eingegangenen Anträge machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, die festgesetzte Barabfindung stelle sich als unangemessen dar und müsse daher erhöht werden.
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a. Korrekturbedarf zugunsten der Minderheitsaktionäre bestehe bereits bei den Planannahmen.
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(1) Dies zeige sich bereits an der zu pessimistischen Umsatzplanung, bei der der Rückgang der Mieterlöse im Vergleich zum Zeitraum der Vergangenheitsanalyse und von 2004 auf 2005 nicht nachvollzogen werden könne. Auch sei fraglich, inwieweit die Gesellschaft auslaufende oder neue Mietverträge nur zu schlechteren Konditionen abschließen könne, und warum es zu steigenden Mindereinnahmen komme. Der Planansatz für 2006 mit einem Rückgang in den Bereichen Hotels, Gaststätten und Einzelhandel vernachlässige die Möglichkeiten durch die Fußball-Weltmeisterschaft mit Spielorten in München, Frankfurt am Main und Berlin. Der Annahme sinkender Belegungsraten der Hotels sowie eines weiteren Preisdrucks fehle die Plausibilität. Unklar bleibe die Ermittlung der Zahlen für die R… B…GmbH & Co. KG.
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(2) Im Rahmen der Aufwandsplanung müsse angezweifelt werden, inwieweit die Konditionen des mit der B… M… GmbH abgeschlossenen Betreuungsvertrages einem Drittvergleich standhalten würden. Dem deutlichen Anstieg der Vertriebskosten fehle die Plausibilität, weil sie in Phase I deutlich über dem Branchendurchschnitt lägen und auch in der Vergangenheit niedriger gewesen seien. Die auf handelsrechtlicher Basis angesetzten Abschreibungsraten seien korrekturbedürftig, weil diese bei Grundstücksgesellschaften regelmäßig höher seien als die realen Reinvestitionen und den Abschreibungen stille Wertzuwächse gegenüberstünden. Auch vernachlässige dies den zum Stichtag bereits erkennbaren turn around. Eine klare Begründung fehle für das Verharren der Instandhaltungskosten auf einem Niveau von zunächst € 38 Mio.
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Fraglich sei auch die Angemessenheit der Revitalisierungsrate mit einem Wert von € 5,- je m².
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(3) Hinterfragt werden müsse beim Zinsergebnis, inwieweit die Zinsbelastung aus einem Darlehen über € 771 Mio. marktüblichen Konditionen entspreche und daher einem Drittvergleich standhalte. Das neutrale Ergebnis müsse um Einmaleffekte bereinigt werden. Zudem fehle eine hinreichende Begründung für die außerplanmäßigen Abschreibungen.
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(4) Unklar bleibe, welche Anpassungen in der Ewigen Rente vorgenommen worden seien. Angesichts des exzellenten Zustands der Immobilien verbiete sich der Ansatz der Reinvestitionsrate ab 2008 auf der Grundlage der wirtschaftlichen Nutzungsdauer.
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b. Korrekturen bedürfe es auch beim Kapitalisierungszinssatz in all seinen Komponenten, wobei der Ansatz persönlicher Ertragssteuern von 35% nicht gerechtfertigt sei.
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(1) Der auf 5,5% vor Zinsen festgesetzte Basiszinssatz stelle sich angesichts der Zinsentwicklung hin zum Stichtag als deutlich überhöht dar. Es fehle ein Rückgriff auf Kapitalmarktdaten; für die nächsten 30 Jahre bedürfe es keiner selbst gestrickten Zinsprognose. Der Zinssatz für 10- jährige Bundesanleihen habe zum Stichtag bei 4,2% gelegen.
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(2) Ebenso bedürfe der Risikozuschlag einer deutlichen Reduktion. Es fehle eine detaillierte Einschätzung des tatsächlichen Marktrisikos. Der über eine Peer Group abgeleitete Beta-Faktor von 0,16 stelle sich als überhöht dar. Das Heranziehen eines Branchenindex sei unzulässig, weil der originäre Beta-Faktor der B… AG hätte herangezogen werden müssen. Der Branchenindex DIMAX enthalte auch einen im Vergleich zur Gesellschaft auch deutlich riskantere Projektentwickler.
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(3) Der ohne klare Begründung nur für die Ewige Rente herangezogene Wachstumsabschlag von 1,5% müsse erhöht werden. Da er unterhalb der erwarteten Inflationsrate liege, komme es dauerhaft zu einem Schrumpfen der Gesellschaft mit der Folge eines Ausscheidens aus dem Markt in der Zukunft. Auch stehe er im Widerspruch zu der unveränderten Attraktivität des Immobilienmarktes namentlich in Ballungsräumen wie M..
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c. Die Notwendigkeit der Erhöhung der Barabfindung resultiere zudem zwingend aus dem über der Barabfindung liegenden Börsenkurs von € 24,59 je Aktie, der nicht verzerrt sei, sondern über eine reale Grundlage verfüge. Seit dem Jahr 2003 habe er stets über € 22,16 gelegen; nach dem gescheiterten Squeeze Out habe der Kapitalmarkt mit einer Neuauflage dieser Maßnahme gerechnet.
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d. Der Barwert der Ausgleichszahlung führe ebenfalls zu einer höheren Barabfindung als € 22,16, nachdem die im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag festgesetzte Ausgleichszahlung von € 0,83 brutto deutlich zu niedrig gewesen sei.
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e. Die Ermittlung der Barabfindung sei auch deshalb fehlerhaft erfolgt, weil weder ein Liquidations- noch ein Substanzwert als Untergrenze herangezogen worden sei.
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3. Die Antragsgegnerin beantragt demgegenüber die Zurückweisung der Anträge. Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, abgesehen von erheblichen Zweifeln an der hinreichenden Konkretisierung von Bewertungsrügen durch die Antragsteller zu 1) bis 3) und zu 8) ergebe sich aus der Angemessenheit der festgesetzten Barabfindung.
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a. Die gegen die Planung erhobenen Vorwürfe seien nicht gerechtfertigt.
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(1) Von einem ständigen Sinken der Gesamtumsatzerlöse könne nicht gesprochen werden, weil die Gesellschaft ungeachtet der Konjunkturschwäche im Immobilienbereich mit € 176,353 Mio. in die Ewige Rente gegangen seien, und diese deutlich über dem von der Antragstellerin zu 14) genannten Betrag von € 172,143 Mio. aus dem von der Veräußerung der beiden Beteiligungen aus der Getränkebranche geprägten Geschäftsjahr 2002 liege. Der geplante Anstieg der Mieterlöse von € 129,7 Mio. in 2006 auf € 154,7 Mio. im Terminal Value belege die Entwicklung sinkender Umsatzerlöse gerade nicht. Die FußballWeltmeisterschaft 2006 lasse keine höheren als die angesetzten Umsatzerlöse erwarten, weil die Gesellschaft die Hotels nicht selbst betreibe und über die vor allem gehaltenen Büroimmobilien keine Effekte aus der Weltmeisterschaft zu erwarten gewesen seien. Auch liege das Jahresergebnis im Terminal Value deutlich über dem Jahresergebnis von rund € 36,3 Mio. im Geschäftsjahr 2003.
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(2) Ebenso wenig sehe die Planung einen ständigen Anstieg der Instandhaltungsaufwendungen vor angesichts eines Ansatzes von € 22,75 Mio. noch im Jahr 2001 und von € 12,7 Mio. im Terminal Value vor. Der zutreffende Ansatz einer Revitalisierungsrate von € 5,- je m² in der Ewigen Rente trage dem Umstand Rechnung, dass außer der bloßen Substanzerhaltung auch das Refurbishment von Immobilien erfolgen müsse, um deren weitere Vermietbarkeit zu gewährleisten. Der Mehrjahresvergleich der ohnehin handelsrechtlich vorgegebenen Abschreibungen belege das im Wesentlichen Gleichbleiben der Beträge und das Fehlen der im neutralen Ergebnis erfassten und nur im Jahr 2004 mit € 10 Mio. angesetzten außerordentlichen Abschreibungen. Die Vergütung für die Geschäftsbesorgung seitens der B… M… GmbH sei zutreffend angesetzt; eine Herausnahme der Kosten könne angesichts der Notwendigkeit, derartige Leistungen zu erbringen, nicht erfolgen. Ohne die konkret angesetzten Vertriebskosten mit Abschreibungen auf Forderungen, Absatzfördermaßnahmen wie Inserate oder Prospekte sowie Maklerprovisionen komme es zu einer höheren Leerstandsquote mit einer Reduktion der Mieterlöse als Folge. Aus dem Bewertungsgutachten von E… ergebe sich, dass die mittelbare Beteiligung an der R… B…GmbH & Co. KG mit den aus den Jahresergebnissen abgeleiteten nachhaltigen Beteiligungsergebnis in die Bewertung eingeflossen sei.
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b. Gleichfalls ungerechtfertigt seien die Rügen in Bezug auf den Kapitalisierungszinssatz.
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(1) Für den Basiszinssatz komme es auf die aus Sicht des Stichtages dauerhaft zu erzielende Verzinsung an, die aus dem arithmetischen Durchschnitt der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen in der Vergangenheit berechnet werde; dabei werde unterstellt, dieser langfristige Durchschnitt gelte auch in künftigen Perioden. Eine 30-jährige Laufzeit könne angesichts ihrer seltenen Ausgabe nicht als alleinige Grundlage herangezogen werden. Zudem müsse bei einem Absinken des Basiszinssatzes auch der Wachstumsabschlag reduziert werden.
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(2) Der mit 0,8% angesetzte Risikozuschlag müsse nicht korrigiert werden. Das herangezogene CAPM sei hierzu geeignet, wobei die Marktrisikoprämie mit 5% vor Steuern und 3,25% nach Steuern zutreffend und nicht überhöht angesetzt sei. Unter Zugrundelegung des (Tax-)CAPM hätte sogar eine Marktrisikoprämie von 5,5% nach Steuern angesetzt werden müssen, weshalb die herangezogene Marktrisikoprämie von 3,25% nach Steuern eher als zu niedrig denn als zu hoch bemessen angesehen werden müsse. Der Beta-Faktor bedürfe keiner Korrektur angesichts seiner zutreffenden Ableitung aus einer Gruppe vergleichbarer Unternehmen.
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(3) Der Ansatz des Wachstumsabschlags nur in Phase II stelle sich als methodengerecht dar, wobei der angesetzte Wachstumsabschlag von 1,5% die Besonderheiten einer Immobiliengesellschaft und dabei namentlich die Mietanpassungsklauseln berücksichtige. Zudem dürfe nicht außer Betracht bleiben, dass sich das Gewinnwachstum neben dem organischen Wachstum auch aus einem Anteil für die Verzinsung thesaurierter Gewinnbestandteile zusammensetze und selbst thesaurierende deutsche Industrieunternehmen langfristig nur Gewinnsteigerungen von weniger als der halben Inflationsrate aufzuweisen hätten.
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c. Der Börsenkurs rechtfertige keine höhere Barabfindung, weil es an einem ausreichenden Handelsvolumen angesichts eines Handels von lediglich 0,03% der ausgegebenen Aktien an 30 von 67 Handelstagen in der Zeit ab dem 7. Mai 2004 gefehlt habe. Die Börsenkurse seien zudem spekulativ geprägt durch das Abfindungsangebot der Obergesellschaft aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Zudem orientiere sich der Börsenkurs mit Wirksamwerden des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nur noch an der Höhe der Ausgleichszahlungen, nicht dagegen am anteiligen Unternehmenswert, weshalb er nicht als Untergrenze herangezogen werden könne. Eine Hochrechnung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil sich der DIMAX als relevanter Index deutscher Immobilienaktiengesellschaften ebenso wie der DAX im maßgeblichen Zeitpunkt eher nach unten, keinesfalls nach oben entwickelt habe. Eine bewusste Verzögerung des Zeitraums zwischen der Ankündigung der Maßnahme und der Hauptversammlung liege nicht vor.
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d. Die im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gewährte Abfindungs- und Ausgleichszahlungen seien für das hiesige Verfahren ohne Bedeutung. Auch bei einer einem Unternehmensvertrag nachfolgenden kompensationsauslösenden Umstrukturierungsmaßnahme dürfe ausschließlich der zum aktuellen Stichtag maßgebliche Wert herangezogen werden, weshalb die damals festgelegte Barabfindung keine Rolle spielen könne. Die Ausgleichszahlungen hätten nichts mit der Barabfindung zu tun, weil die Entgegennahme der Ausgleichszahlung „Fruchtziehung“ sei, mithin die Vergütung für das Halten der Beteiligung. Eine kapitalisierte Ausgleichszahlung spiegele nicht den auf den Stichtag des Squeeze out zu ermittelnden Unternehmenswert wider.
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4. a. Das Gericht hat mit Beschluss vom 27.9.2005 (Bl. 51 d.A.) Herrn Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater … zum gemeinsamen Vertreter der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten ehemaligen Aktionäre bestellt und mit Verfügung vom 28.9.2005 (Bl. 53 Rs.) die Veröffentlichung dieses Beschlusses im elektronischen Bundesanzeiger veranlasst. Der gemeinsame Vertreter rügt namentlich die nicht plausible Entwicklung der Instandhaltungskosten, die höher seien als die branchenüblichen. Das Zinsergebnis erscheine angesichts des bereits 2004 sehr niedrigen Zinsniveaus bei einem durchschnittlichen Zinssatz von 6,42% als überhöht. Eine auf Dauer unterhalb des Inflationsniveaus liegende Entwicklung der Mietpreise habe es historisch noch nie gegeben und ziehe die Insolvenz des Unternehmens nach sich. Der Wachstumsabschlag von 1,5% passe nicht zu niedrigen Inflationsraten. Der Beta-Faktor betrage anhand des DIMAX lediglich 0,12%, während der für die B… AG angesetzte Wert von 0,16 nicht ihrer Risikostruktur entspreche. Die Ausgleichszahlungen seien als zu den Verhältnissen der Gesellschaft zum Bewertungsstichtag des Squeeze out gehörend zu berücksichtigen. Das Angebot an die im Spruchverfahren vor dem Landgericht München I, Az. 5HK O 22066/02 beteiligten Aktionäre über einen Betrag von € 27,50 je Aktie zeige deutlich die Notwendigkeit einer höheren Barabfindung.
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b. In der mündlichen Verhandlung vom 23.7.2020 hat das Gericht die gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer von P… – Herrn Wirtschaftsprüfer … Sp… und Herrn Wirtschaftsprüfer R… – mündlich angehört. Ferner hat das Gericht mit Verfügung vom 28.1.2020 (Bl. 155/156 d.A.) die Abfindungsprüfer gebeten, Alternativberechnungen mit geänderten Bewertungsparametern vorzunehmen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung der Abfindungsprüfer wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.7. 2020 (Bl. 195/210 d.A.) sowie auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachte ergänzende Stellungnahme der Abfindungsprüfer vom 1.7.2020 (Bl. 169/183 d.A.).
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c. Die Antragstellerin zu 22) hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 26.8.2020 (Bl. 211 d.A.) ihren Antrag zurückgenommen.
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5. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2005 (Bl. 97/102 d.A.) und vom 23.7.2020 (Bl. 195/210 d.A.).
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Die Anträge der im Verfahren verbliebenen Antragsteller auf Festsetzung einer höheren Barabfindung sind zulässig, jedoch nicht begründet.
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I. Diese Anträge sind zulässig.
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1. Die Antragsteller sind jeweils antragsbefugt im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 SpruchG, weil sie im Zeitpunkt der Eintragung des Beschlusses über den Squeeze out in das Handelsregister der B… AG am 12.4.2005 Aktionäre der Gesellschaft waren. Die Antragsgegnerin hat den entsprechenden Antrag aller Antragsteller entweder von Vornherein nicht bestritten oder in Laufe des Verfahrens unstreitig gestellt bzw. nicht mehr bestritten, weshalb er gemäß §§ 8 Abs. 3 SpruchG, 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
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2. Die Anträge wurden jeweils fristgerecht gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG beim Landgericht München I eingereicht, also innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses entsprechend den Vorgaben aus § 10 HGB. Diese Bekanntmachung erfolgte am 19.4.2005, weshalb die Frist am Dienstag, den 19.7.2005 endete. Spätestens an diesem Tag gingen die Anträge aller im Verfahren verbliebenen Antragsteller zumindest per Telefax und folglich fristwahrend beim Landgericht München I ein. Da Veröffentlichungen der Gesellschaft nur im Bundesanzeiger vorgenommen werden, ist auf diesen Tag abzustellen, nicht auf die einen Tag früher erfolgte Veröffentlichung in der SZ.
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3. Alle Antragsteller, über deren Anträge noch zu entscheiden ist, haben innerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 SpruchG auch konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation erhoben, weshalb die Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Satz 1 SpruchG erfüllt sind.
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a. Aufgrund dieser Vorschrift sind konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit nach § 1 SpruchG oder gegebenenfalls gegen den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert in die Antragsbegründung aufzunehmen. Die Anforderungen an die Konkretisierungslast dürfen nicht überspannt werden. Für die Konkretisierung der Mindestanforderungen ist zunächst auf die vom Gesetzgeber beabsichtigte Funktion der Vorschrift abzustellen, die Überprüfung der Angemessenheit der Kompensation und der hierfür maßgeblichen Unternehmensbewertung im Wesentlichen auf die von den einzelnen Antragstellern vorzubringenden Rügen zu beschränken (vgl. nur Büchel NZG 2003, 793, 795). Allerdings darf hierbei nicht vernachlässigt werden, dass der Gesetzgeber es bewusst unterlassen hat, das Spruchverfahren vollständig aus der amtswegigen Prüfung zu lösen und in das Verfahren der ZPO zu überführen (kritisch hierzu Puszkajler ZIP 2003, 518, 520). Durch die Begründungspflicht sollen bloße pauschale und schemenhafte Bewertungsrügen ausgeschlossen werden (vgl. Wasmann WM 2004, 819, 823; Lamb/Schluck-Amend DB 2003, 1259, 1262). Allerdings darf dies nicht zu überzogenen Anforderungen führen, da zugleich berücksichtigt werden muss, dass der Hauptaktionär bzw. die betroffene Gesellschaft im Unterschied zum einzelnen Aktionär über eine Vielzahl von Detailkenntnissen verfügt und die jeweiligen Unternehmens- und Prüfungsberichte erhebliche Unterschiede bezüglich ihrer Ausführlichkeit und Detailliertheit aufweisen können sowie teilweise ebenfalls recht allgemein gehaltene Ausführungen enthalten (vgl. Puszkajler ZIP 2003, 518, 520 f.; Bungert/Mennicke BB 2003, 2021, 2026; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl., § 4 SpruchG Rdn. 7 f.). Aus dem Gesetzeszweck sowie dem Erfordernis der Konkretheit der Einwendungen ist somit zu schließen, dass bloß pauschale Behauptungen oder formelhafte Wendungen ohne konkreten und nachvollziehbaren Bezug zu der zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Kompensation und der ihr zu Grunde liegenden Unternehmensbewertung nicht als ausreichend angesehen werden können (vgl. BGH NZG 2012, 191, 194 = ZIP 2012, 266, 269 = WM 2012, 280, 283 = DB 2012, 281, 284; Hüffer/Koch, AktG,
- 12.
-
Aufl., Anh. § 305 § 4 SpruchG Rdn. 8). Zu fordern ist, dass die vorgebrachten Einwendungen sich auf solche Umstände oder Bewertungsparameter beziehen, die für die Bestimmung der angemessenen Kompensation für die im Streit stehende Strukturmaßnahme rechtlich von Relevanz sein können (vgl. OLG Frankfurt NZG 2006, 674 f.; 2007, 873 f.; LG München I Der Konzern 2010, 251,
- 252
-
f. = ZIP 2010, 1995, 1996; ZIP 2013, 1664, 1665; LG München I ZIP 2015, 2124, 2126 f.; Beschluss vom 9.8.2013, Az. 5HK O 1275/12; Beschluss vom 28.3.2014, Az. 5 HK O 18925/08, S. 22 f.).
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Die Gegenansicht (vgl. KG NZG 2008, 469, 470 = AG 2008, 451 f.; AG 2012, 795, 796; Wittgens NZG 2007, 853, 855), wonach die Anforderungen an die Substantiiertheit einer Bewertungsrüge generell hoch seien, wird dem Wesen des Spruchverfahrens gerade auch mit Blick auf das Informationsgefälle zwischen dem von dem Squeeze out betroffenen Minderheitsaktionären und der Aktiengesellschaft bzw. deren Hauptaktionärin nicht gerecht. Sie überspannt die Anforderungen an die Antragsteller, nachdem vielfach auch in den – einander ähnlichen – Bewertungsgutachten die näheren Daten zur Ermittlung der Marktrisikoprämie nicht offen gelegt werden und zur Begründung häufig im Wesentlichen auf die Erkenntnisse des Fachausschusses Unternehmensbewertung (FAUB), wie sie im aktuellen IDW S. 1 und anschließenden Verlautbarungen des IDW niedergelegt wurden, verwiesen wird. Dann aber von den Antragstellern fast schon wissenschaftlich fundierte Widerlegungen und Berechnungen zu fordern, übersteigert die Anforderungen an eine zulässige Bewertungsrüge und wäre namentlich auch mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten und damit verfassungsrechtlich abgesicherten Justizgewährleistungsanspruch des Grundgesetzes nicht vereinbar. Es genügt, wenn einzelne Parameter mit einer nachvollziehbaren Begründung in Frage gestellt werden. Dies ist hier von allen Antragstellern zumindest in Bezug auf einen Bewertungsfehler in den jeweiligen Antragsschriften geschehen.
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b. Diesen Anforderungen werden alle Antragsschriften gerecht, wobei dies auch für die Antragsteller gilt, bei denen die Antragsgegnerin die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SpruchG infrage gestellt hat. Die Antragsteller zu 1) bis 3) und 8) machen nämlich geltend, der Basiszinssatz sei überhöht angesetzt und begründen dies mit dem fehlenden Ansatz einer Bundesanleihe mit dem Zinssatz zum Stichtag, weshalb allenfalls 4,1% und nicht 5,5% realistisch seien. Dabei handelt es sich um eine konkrete Rüge, die auch argumentativ untermauert wird. Aus ihr soll sich die Unangemessenheit der Barabfindung ergeben; inwieweit diese Rüge berechtigt ist, muss als Frage der Begründetheit angesehen werden.
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II. Die Anträge sind jedoch nicht begründet, weil die Barabfindung mit einem Betrag von € 22,16 je Aktie der B… AG als angemessen angesehen werden muss.
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Aufgrund von § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG legt der Hauptaktionär die Höhe der Barabfindung fest; sie muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen. Die Barabfindung ist dann angemessen, wenn sie dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also den vollen Wert seiner Beteiligung entspricht. Unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts aus Art.14 Abs. 1 GG muss der Aktionär einen vollständigen wirtschaftlichen Ausgleich für die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung als Aktionär gewährt werden. Hierzu muss der „wirkliche“ oder „wahre“ Wert des Anteilseigentums widergespiegelt werden. Zu ermitteln ist also der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (vgl. nur OLG München WM 2009, 1848 f. = ZIP 2009, 2339, 2340; ZIP 2007, 375, 376; AG 2020, 133, 134 f. = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; Beschluss vom 28.3.2014, Az. 21 W 15/11, zit. nach juris; OLG Stuttgart ZIP 2010, 274, 276 = WM 2010, 654, 646; OLG Frankfurt AG 2017, 790, 791 = Der Konzern 2018, 74, 75; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 94 = ZIP 2019, 370, 373 = DB 2018, 2108, 2111; LG München I AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; AG 2020, 222, 223; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17096/11; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15).
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1. Der Unternehmenswert wurde dabei im Ausgangspunkt zutreffend unter Anwendung der Ertragswertmethode ermittelt, bei der es sich um eine in der Wissenschaft wie auch der Praxis anerkannte Vorgehensweise handelt (vgl. hierzu nur Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., S. 333), die folglich auch der Ermittlung des Unternehmenswertes der B… AG zugrunde gelegt werden kann. Danach bestimmt sich der Unternehmenswert primär nach dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens; er wird ergänzt durch eine gesonderte Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, das regelmäßig mit dem Liquidationswert angesetzt wird.
47
Der Ertragswert eines Unternehmens wird dabei durch Diskontierung der den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse gewonnen, die aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen abgeleitet werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es einen exakten oder „wahren“ Unternehmenswert zum Stichtag nicht geben kann. Vielmehr kommt dem Gericht die Aufgabe zu, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert als Grundlage der Abfindung im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen (vgl. nur BGHZ 208, 265, 272 = NZG 2016, 461, 462 = AG 2016, 359, 360 f. = ZIP 2016, 666, 668 = WM 2016, 711, 713 f. = DB 2016, 883, 885 = MDR 2016, 658 f. = NJW-RR 2016, 610, 611 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; AG 2007, 287, 288; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 130; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2224; AG 2016, 329 = ZIP 2016, 71, 72 = WM 2016, 1685, 1687; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189; AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 16513/11; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 15685/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18). Dabei ist es nicht geboten, zur Bestimmung des wahren „Wertes“ stets jede denkbare Methode der Unternehmensbewertung heranzuziehen oder die Kompensationsleistung nach dem Meistbegünstigungsprinzip zu berechnen. Verfassungsrechtlich geboten sind nur die Auswahl einer im vorliegenden Fall geeigneten, aussagekräftigen Methode und die gerichtliche Überprüfbarkeit ihrer Anwendung (vgl. BVerfG NJW 2011, 2497, 2498 = NZG 2011, 869, 870 = AG 2011, 511 f. = ZIP 2011, 1051, 1053 = WM 2011, 1074,
- 1075
-
f. = BB 2011, 1518, 1520; NZG 2012, 907, 908 f. = AG 2012, 625, 626 = ZIP
- 2012,
-
1408, 1410 = WM 2012, 1374, 1375 = BB 2012, 2780 f.; OLG München AG
- 2020,
-
133, 134 = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 30.7.2018, Az. 31 Wx 136/16;
OLG Düsseldorf AG 2016, 864, 865). Die Ertragswertmethode ist – wie ausgeführt – in Rechtsprechung und Literatur wie auch der bewertungsrechtlichen Praxis weithin anerkannt. Auch bei dem Standard IDW S1 handelt es sich um eine fachliche Bewertungsweise, mit deren Hilfe der Ertragswert bestimmt werden kann. Die Kammer sieht diese Methode, auch wenn sie von einem privaten Verein entwickelt wurde und daher keinen bindenden Rechtsnormcharakter haben kann, als zur Unternehmenswertermittlung geeignet an, weshalb sie hier zugrunde gelegt werden kann.
48
Auf dieser Basis kann keinesfalls eine höhere Barabfindung als € 22,16 je Aktie angesetzt werden. Zwar muss davon ausgegangen werden, dass bei Immobilienunternehmen der Wert auch mithilfe der Net Asset Value-Methode ermittelt werden kann, bei dem der Unternehmenswert aus der Differenz der Marktwerte ihres Vermögens und dem ihrer Verbindlichkeiten bestimmt wird (vgl. OLG München AG 2020, 56, 57 f.; OLG Frankfurt NZG 2017, 622, 623 = AG 2017, 553, 554 f. = ZIP 2017, 772, 774 = Der Konzern 2017, 416, 417; OLG Karlsruhe AG 2020, 755, 756).
49
Allerdings ist diese Methode für vermögensverwaltende oder Immobiliengesellschaften nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. OLG Frankfurt NZG 2017, 622, 623 = AG 2017, 533, 534 = ZIP 2017, 772, 774 = Der Konzern 2017, 416, 417; Schnorbus in: Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 327 b Rdn. 3). Auch das Verfassungsrecht gibt keine bestimmte Methode zur Ermittlung der Höhe der Barabfindung vor (vgl. Schnorbus in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 327 b Rdn. 3).
50
a. Grundlage für die Ermittlung der künftigen Erträge ist die Planung für die Gesellschaft, die auf der Basis einer Vergangenheitsanalyse vorzunehmen ist und vorliegend auch vorgenommen wurde. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens sind die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge allerdings nur eingeschränkt überprüfbar. Sie sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (vgl. BVerfG NJW 2012, 3020, 3022 = NZG 2012, 1035, 1037 = AG 2012, 674, 676 = ZIP 2012, 1656, 1658 = WM 2012, 1683, 1685 f.; OLG München BB 2007, 2395, 2397; ZIP 2009, 2339, 2340 = WM 2009, 1848, 1849; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 114; AG 2006, 420, 425; 2007, 705, 706).
51
Demzufolge kann eine Korrektur der Planung nur dann erfolgen, wenn diese nicht plausibel und unrealistisch ist (vgl. OLG München WM 2009, 1148, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; OLG Frankfurt ZIP 2010, 729, 731; OLG Karlsruhe AG 2013, 353, 354; OLG Stuttgart AG 2014, 291, 296 f.; OLG Düsseldorf AG 2015, 573, 575 = Der Konzern 2016, 94, 96 = DB 2015, 2200, 2202; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189 f.; ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 16513/11; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18).
52
(1) Den Planannahmen der Gesellschaft kann nicht bereits deshalb die Eignung als Grundlage zur Ermittlung des Ertragswerts abgesprochen werden, dass sie gerade nicht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage erfolgt sein könnte. Die Vergangenheitsanalyse zeigt nämlich nach den Ausführungen von Herrn Sp… im Termin vom 23.7.2020, dass bei der Gesellschaft von einer hohen Planungstreue ausgegangen werden konnte und Schwankungen innerhalb einer üblichen Bandbreite bei Immobilienunternehmen lagen. Damit aber lässt sich aus der Vergangenheitsanalyse kein Rückschluss auf eine fehlerhafte Bewertungssystematik ziehen. Diese Analyse verfolgt in erster Linie den Zweck zu ermitteln, inwieweit die für die Ermittlung des Ertragswertes wesentlichen und bestimmenden Zukunftsprognosen tragfähig und plausibel sind.
53
(2) Die Umsatzplanung muss nicht angepasst werden, nachdem die Kammer keine Zweifel an der Plausibilität der diesbezüglichen Planannahmen hat.
54
(a) Der Rückgang der Mieterlöse von 2004 auf 2005 in einem Umfang von € 4,76 Mio. auf € 125,478 Mio. ist nachvollziehbar. Dies ergibt sich namentlich aus dem Umstand, dass bei einzelnen Objekten Sanierungen und Umbaumaßnahmen vorgesehen waren, was die rückläufigen Mieteinnahmen in der Planung erklärt. Gerade wenn die Planung bottom up für die einzelnen Objekte mit Wohnungen, Büros und Ladenstätten erfolgt, erhellt auch diese Systematik, dass die Umsatzerlöse auf einer tragfähigen Grundlage ermittelt wurden. Dabei geht die Planung vom jeweils vertraglich vereinbarten Mietzins pro Quadratmeter aus, der mit der jeweiligen Fläche multipliziert wird. Außerdem ist zu beachten, dass die umgebauten Objekte für die Zwecke der Unternehmenswertermittlung bei den Sonderwerten erfasst wurden, was dazu führt, dass bisherige Mieteinnahmen im Rahmen der Planansätze nicht mehr einfließen durften, weil es anderenfalls zu einer doppelten Berücksichtigung dieser nunmehr als nicht betriebsnotwendiges Vermögen eingestuften Objekte käme. Zudem kam es gerade im Jahr 2005 zu erheblichen Mindereinnahmen als Folge des Verkaufs von Objekten, weshalb die Mieterlöse gleichfalls sinken. Andererseits kann bei der Würdigung der Planannahmen nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Mieterlöse aus den Bestandsimmobilien auch im Jahre 2005 im Vergleich zum Vorjahr mit einer Wachstumsrate von 1,017% leicht steigend geplant waren. In den Folgejahren steigt die Wachstumsrate bei den Bestandsimmobilien bis zum Ende der Detailplanungsphase deutlich an mit Werten von 5,98% und 9,83%. Die Mindereinnahmen infolge von geplanten Desinvestitionen – also von Verkäufen – nehmen zwar im Verlauf der Detailplanungsphase ebenfalls zu; doch wird dieser Umstand im Jahr 2007 und im Zeitraum der Ewigen Rente durch Mehreinnahmen aus der Projektentwicklung zu einem nicht unerheblichen Teil kompensiert. Demgemäß sollen die gesamten Mieterlöse von 2006 auf 2007 von € 129,74 Mio. um etwa 12,75% auf € 146,277 Mio. steigen. Diese Entwicklung in einem Markt, der von einer Seitwärtsbewegung gekennzeichnet ist und in dem mit einer Aufhellung nicht vor 2006 gerechnet werden kann, macht deutlich, dass die Planannahmen zur Entwicklung der Mieterlöse als plausibel bezeichnet werden müssen.
55
(b) Dies kann auch nicht mit der Argumentation in Frage gestellt werden, die rückläufige Planung für Mieterlöse in den Bereichen Hotels, Gaststätten und Einzelhandel im Jahr 2006 übersehe die Möglichkeiten von Mehreinnahmen an den Spielorten der Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006. Herr Sp… wies bei seiner Anhörung in diesem Zusammenhang überzeugend darauf hin, es gehe bei den Planungen der Umsatzerlöse nämlich nicht um die Erlöse der Betreiber des Hotels, sondern vielmehr um die vertragliche Miete für die Eigentümer der Hotels oder Gaststätten. Die Verträge mit den Hotels waren danach langfristig abgeschlossen, wobei im Regelfall Festmieten, allenfalls Kombinationsmieten vereinbart worden waren. Angesichts dessen kann die Austragung der Fußballweltmeisterschaft, die ohnehin nur einen zeitlich begrenzten Zeitraum von etwa einem Monat im Sommer 2006 abdeckte, keine direkten Auswirkungen auf die Planung der B… AG haben.
56
(c) Aus sinkenden Belegungsraten in den Hotels und weiterem Preisdruck kann nicht auf eine mangelnde Plausibilität der Planung geschlossen werden. Dies resultiert zum einen aus der Erwägung heraus, dass – wie bereits soeben ausgeführt – die Gesellschaft überwiegend Festmietverträge abgeschlossen hatte, weshalb der Belegungsdruck von geringerer Bedeutung ist. Zudem muss gesehen werden, dass im Geschäftsjahr 2006 Verträge mit Hotels und Gaststätten nur etwa 20% des Gesamtgeschäfts der B… AG ausmachten und die Gesellschaft in den folgenden Jahren vor allem in den klassischen Büro-Bereich investieren wollte, wie der Abfindungsprüfer im Rahmen seiner Anhörung erläuterte. Hotels und Gaststätten lagen nicht im Entwicklungsfokus der Gesellschaft, weshalb deren Anteil im Zeitverlauf eher abnehmen soll. Dabei handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands der Gesellschaft, die von den Minderheitsaktionären hinzunehmen ist.
57
(3) Angesichts der Plausibilität der Ansätze bei der Aufwandsplanung bedarf es hier keiner Korrektur.
58
(a) Dies gilt zunächst für die Konditionen des Betreuungsvertrages mit der B… M… GmbH. Die Aufgabe dieser Gesellschaft lag in der Übernahme der Projektentwicklung und -steuerung sowie der Verwaltung für die B… AG, die diese andernfalls selbst hätte übernehmen müssen, wofür dann aber auch entsprechende Kosten, insbesondere Personalaufwendungen angefallen wären. Bei der Übertragung derartiger Aufgaben auf einen Geschäftsbesorger, die nach der Auskunft von Herrn Sp… nicht unüblich ist, handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung, die der Ermittlung des Unternehmenswertes zugrundzulegen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der entsprechende Vertrag zwischen diesen beiden Gesellschaften einem Drittvergleich nicht standhalten könnte, haben die Abfindungsprüfer bei der Analyse des Vertragsinhalts nicht finden können; die vereinbarte Vergütung war marktüblich.
59
(b) Kein Korrekturbedarf ergibt sich aus dem geplanten Anstieg der Vertriebskosten. Bei seiner Anhörung wies der Abfindungsprüfer darauf hin, dass die Entwicklung mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung als sachgerecht einzustufen sei, auch wenn sie namentlich von 2004 auf 2005 deutlich von € 3,359 Mio. auf € 4,334 Mio. anstiegen. Die wirtschaftliche Entwicklung rechtfertigt nämlich den Anstieg dieser Position, die vor allem Abschreibungen auf Forderungen, Maklerprovisionen sowie Absatzfördermaßnahmen wie Inserate oder Prospekte umfasst, nachdem es zum Stichtag gerade keine Hochkonjunktur gab, sondern einen sich seitwärts entwickelnden Immobilienmarkt. Im Bereich der Büroimmobilien war zudem erheblicher Leerstand zu verzeichnen. Daher erachtet die Kammer die bei seiner Anhörung gegebene Einschätzung von Herrn Sp…, in der wirtschaftlich schwachen Phase bedürfe es höhere Aufwendungen, um Räumlichkeiten vermieten zu können, als nachvollziehbar und plausibel.
60
(c) Die Abschreibungen müssen angesichts ihrer Plausibilität nicht angepasst werden. Die Ermittlung der Höhe der Abschreibungen erfolgte wiederum aus der bottom up-Planung angesichts der Methodik des Ertragswertverfahrens mussten Wertzuwächse bei der Ermittlung des Unternehmenswerts nicht berücksichtigt werden, weil nur die aus den Objekten erwirtschafteten Mieterlöse für den Ertragswert zentral sind. Abgesehen davon erfolgte vorliegend auch eine Plausibilisierung der Ansätze über die Net Asset Value-Methode, die indes zu keinen höheren Werten führte. Erwartungen ausländischer Investoren insbesondere auch hinsichtlich eines turn around mussten daher nicht berücksichtigt werden. Es genügte vielmehr das Heranziehen damals vorhandener Branchenberichte sowie die Einschätzung der für die Abfindungsprüferin P… tätigen Experten für diesen Bereich, um die Abschreibungsplanung zu plausibilisieren.
61
(d) Nicht herabgesetzt werden müssen die Instandhaltungskosten, die für die Detailplanungsphase angesetzt wurden. Das Niveau von zunächst € 38,8 Mio. und dann € 38 Mio. beruht auf dem Ansatz der vorhandenen Flächen der Objekte – infolge der Veränderung des Portfolios durch vorgenommene Veräußerungen kam es zu der entsprechenden Reduktion. Zudem führten in der Vergangenheit durchgeführte Kernsanierungen zu entsprechenden Aufwendungen, wie Herr Sp… erläuterte. Daher besteht hier kein Anpassungsbedarf.
62
(4) Das Zinsergebnis und das neutrale Ergebnis müssen ebenso wenig wie das Beteiligungsergebnis verändert werden.
63
(a) Die Zinsbelastung aus dem Darlehen über € 771 Mio. entspricht ausweislich der vom Abfindungsprüfer in der mündlichen Verhandlung vermittelten Erkenntnisse marktüblichen Konditionen, nachdem sich die von den Bewertungsgutachtern in diesem Zusammenhang abgeleiteten Ergebnisse innerhalb einer üblichen Bandbreite bewegten.
64
(b) Eine Bereinigung des neutralen Ergebnisses, zu dem nicht nachhaltig einzuordnende Planungsinhalte gehören, um Einmaleffekte war nicht geboten, nachdem in der Detailplanungsphase keine wesentlichen Sondereffekte zutage treten sollen.
65
(c) Die für das Jahr 2004 angesetzten außerplanmäßigen Abschreibungen über € 10 Mio. sind für die Ermittlung des Ertragswertes ohne Bedeutung, weil 2004 ein Jahresfehlbetrag anfiel und demzufolge keine Ausschüttungen vorgenommen wurden. Abgesehen davon wäre die Auswirkung auf den gesamten Ertragswert so gering, dass die festgesetzte Barabfindung nicht übertroffen worden wäre. Angesichts dessen musste auch keine weitere Sachaufklärung zur Ursache der außerplanmäßigen Abschreiben erfolgen. Denkbar wäre als Ursache indes, dass der erwartete Preis unterhalb der Planannahme lag.
66
(d) Die Zahlen für die R… B…GmbH & Co. KG wurden sachgerecht im Beteiligungsergebnis berücksichtigt, in dem dort die erwarteten Vollausschüttungen eingeflossen sind.
67
(5) Im Terminal Value müssen neben den bereits für die Ermittlung des Ertragswerts vorgenommenen Anpassungen, die die Abschreibungen und Instandhaltung betrafen, keine weiteren Anpassungen vorgenommen werden.
68
Dies gilt insbesondere für die hier mit € 5,- je m² angesetzte Revitalisierungsrate. Dieser Ansatz zeigt, welche Aufwendungen getätigt werden müssen, um die Vermietbarkeit der Objekte zu verbessern. Da es für diesen Zeitraum keine konkrete Planung mehr gibt, konnte mit einem pauschaleren Ansatz gearbeitet werden. Der herangezogene Schätzer liegt innerhalb der vom Verband deutscher Hypothekenbanken e.V. aufgeführten Bandbreite. Herr Sp… erläuterte in diesem Zusammenhang überzeugend, dass der Eigentümer dafür entsprechende Investitionen tätigen muss. Bezüglich der Höhe muss beachtet werden, dass es zum Stichtag keinen boomenden Immobilienmarkt gab. Daher war es damals Aufgabe und vor allem im Interesse der Eigentümer, Investitionen in die Attraktivität der Immobilie umzusetzen, um so einen hohen Vermietungsstand zu erreichen.
69
(6) Die Planansätze müssen allerdings insofern korrigiert werden, als bei der damaligen Ertragswertermittlung von einer Vollausschüttung der Überschüsse ausgegangen wurden, was dem damals zum Zeitpunkt des Stichtags gültigen Bewertungsstandard IDW S1 2000 entsprach. Diesem Ansatz kann indes nicht gefolgt werden – vielmehr war den Vorgaben aus dem neueren Standard IDW S1 2005 zu folgen, wo von einer teilweisen Thesaurierung der Gewinne ausgegangen wird. Die im Standard IDW S1 2005 vorgenommenen Änderungen zum vorhergehenden Standard hatten neben der Behebung von Unzulänglichkeiten bei der Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens und der unterschiedlichen Besteuerung der Alternativanlage im IDW S1 2000 zum Ziel, durch die Abkehr von der in der Realität nicht oder nahezu nicht vorkommenden Vollausschüttung zu einer realistischeren Betrachtung und damit zu einer Methodenverbesserung zu gelangen. Die Tatsache, dass dieser neue fachliche Standard zum Bewertungsstichtag noch nicht verabschiedet war, kann dessen Anwendung nicht entgegengehalten werden.
70
(a) Hierfür sind in Übereinstimmung mit der jüngeren Rechtsprechung des BGH und Teilen der Literatur (vgl. BGHZ 207, 114 Tz. 31 ff. = NZG 2016, 139, 142 ff. = AG 2016, 135, 139 ff. = ZIP 2016, 110, 114 ff. = WM 2016, 157, 161 ff. = DB 2016, 160, 163 ff. = BB 2016, 304 f. = MDR 2016, 337 f. = Der Konzern 2016, 88, 91 ff. = NJW-RR 2016, 231, 234 ff. = DStR 2016, 424, 425 ff.; OLG Düsseldorf AG 2019, 732, 734; Fleischer in: Fleischer/Hüttemann, Rechtsanspruch der Unternehmensbewertung, 2. Aufl., § 15.5 ff.) folgende Gründe maßgeblich.
71
(aa) Auf Vertrauensschutz können sich die hiervon betroffenen Aktionäre nicht berufen. Die Auswahl des jeweils geeigneten, mit dem Ziel der Ermittlung der angemessenen Barabfindung vereinbarten Methode ist Aufgabe des Tatrichters. Dabei können weder der Hauptaktionär noch die Minderheitsaktionäre darauf vertrauen, dass die Abfindung im Spruchverfahren nach der vom Hauptaktionär seinem Abfindungsangebot zugrunde gelegten Berechnungsweise ermittelt wird. Die Minderheitsaktionäre können verfassungsrechtlich auch nicht darauf vertrauen, es werde nur den von ihnen im Spruchverfahren erhobenen Einwendungen nachgegangen. In der Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 SpruchG liegt keine Beschränkung des Gerichts, im Interesse des Verfahrensziels, den „wahren“ Wert zu ermitteln, über die geltend gemachten Einwendungen hinauszugehen. Mit den Einwendungen wird kein Verfahrensgegenstand in dem Sinne bestimmt, dass das Gericht darüber nicht hinausgehen dürfe. Durch das Verbot der reformatio in peius sowie die Kostenregelungen, wonach die Minderheitsaktionäre gesetzlich nicht mit den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin belastet werden dürfen, sind die Antragsteller auch verfahrensrechtlich hinreichend geschützt.
72
Soweit die Kammer hierzu früher unter Hinweis auf Stimmen in der Literatur (vgl. Klöcker/Frowein, SpruchG, § 7 Rdn. 4 Krieger/Mennicke in: Lutter/Winter, UmwG, 4. Aufl., § 4 Rdn. 16; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 7 Rdn. 1 und 11; Ederle/Theusinger in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl., § 4 Rdn. 12; Kubis in: Festschrift für Hüffer, 2010, S. 567, 571) die gegenteilige Auffassung vertreten hat wird hieran nicht mehr festgehalten.
73
(bb) Von einer Störung der Geschäftsgrundlage durch die Wahl einer anderen Bewertungsmethode kann nicht ausgegangen werden. Zum einen ist die Regelung des § 313 BGB auf gesetzliche Schuldverhältnisse wie den Abfindungsanspruch aus § 327 a AktG nicht anwendbar; zum anderen liegt beim Wechsel der Berechnungsmethode keine Änderung von Umständen vor, die zur Grundlage der Abfindung geworden sind.
74
(cc) Auch das Stichtagsprinzip wird dadurch nicht verletzt, weil die neue Berechnungsweise hier nicht als Reaktion auf nach dem Stichtag einhergehende wirtschaftliche oder rechtliche Veränderungen, insbesondere in steuerrechtlicher Hinsicht ergangen ist. Bei der Berechnungsweise und der dabei angewandten Schätzmethode handelt es sich nicht um Informationen, die die Organisationsverhältnisse, die wirtschaftliche oder rechtliche Organisation am Bewertungsstichtag betreffen. Auch ist die Berechnungsweise selbst kein Wert bildender Umstand, für den das Stichtagsprinzip gilt. Aus dem Rechtsgedanken des Art. 170 EGBGB zur Anwendung intertemporalen Rechts kann nichts anderes hergeleitet werden, weil Berechnungsmethoden keine Rechtsnormen sind und ihnen auch nicht ähneln .
75
(b) Darauf aufbauend war von einer Ausschüttungsquote von 38% in Phase I und von 50% in der Ewigen Rente auszugehen.
76
(aa) In der Detailplanungsphase wird regelmäßig von der Planung der Gesellschaft ausgegangen. Ausweislich der ergänzenden Stellungnahme vom 1.7.2020 konnten jedoch keine Rückschlüsse aus dem Ausschüttungsverhalten der Gesellschaft gezogen werden, weshalb die Abfindungsprüfer von P… die angesetzte Ausschüttungsquote von 38% aus einer Gruppe von Vergleichsunternehmen ableitete. Diese Vorgehensweise erachtet die Kammer als sachgerecht, weil sie der unternehmenseigenen Planung am nächsten kommt.
77
(bb) Nicht zu beanstanden ist der Ansatz einer Ausschüttungsquote von 50% im Terminal Value. Anders als in der Detailplanungsphase kann bei der Festlegung der Ausschüttungsquote in der Ewigen Rente nicht auf die Planung des Unternehmens zurückgegriffen werden, weil es eine solche ab den Jahren 2008 ff. nicht mehr gibt. Angesichts dessen ist es sachgerecht, auf den Durchschnitt der Marktteilnehmer abzustellen (vgl. OLG München AG 2015, 508, 511 = ZIP 2015, 1166, 1170; OLG Stuttgart AG 2011, 560, 563; LG München I AG 2020, 222, 224; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5 HK O 22657/12; Beschluss vom 29.8.2014, Az. 5HK O 7455/13; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 13671/13; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/15; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15). Der Kammer sind die marktüblichen Werte auch aus anderen Spruchverfahren bekannt, weshalb gegen den Ansatz einer innerhalb der genannten Bandbreite von Ausschüttungsquoten, die zwischen 40 und 60% bzw. 70% liegt, angesiedelte Ausschüttungsquote von 50% keine Bedenken bestehen.
78
Angesichts dessen stellt sich die Ertragsplanung bei der B… AG wie folgt dar:
|
Vorscha u
|
Plan
|
Plan
|
Plan
|
|
2004
|
2005
|
2006
|
2007 2008 ff.
|
|
T€
|
T€
|
T€
|
T€ T€
|
%
|
|
|
125.47
|
|
146.27
|
|
Mieterlöse
|
130.236
|
6
|
129.740
|
7 154.696
|
87,7
|
Weiterberechnete Nebenkosten
|
18.306
|
17.210
|
17.607
|
18.939 19.223
|
10,9
|
Sonstige Erlöse
|
2.751
|
2.388
|
2.396
|
2.397 2.433
|
1,4
|
|
|
145.07
|
|
167.61
|
|
Umsatzerlöse
|
151.293
|
4
|
149.742
|
3 176.353
|
100,0
|
Instandhaltungsaufwendunge n
|
- 38.802
|
- 38.000
|
- 31.000
|
- 25.000-12.700
|
- 7,2
|
Planmäßige Abschreibungen
|
- 24.903
|
- 24.992
|
- 28.034
|
- 27.026-23.400
|
- 13,3
|
KostenGeschäftsbesorgungBIM-15.400-16.877-17.082
|
- 17.538
|
- 9,9
|
Sonstiges
|
- 3.379
|
- 3.222 -3.037
|
- 2.961 -3.005
|
- 1,7
|
Nebenkosten einschl. Grundsteuer
|
- 24.630
|
- 25.199-25.907
|
- 27.655-28.070
|
- 15,9
|
|
108.29
|
|
Umsatzkosten
|
- 107.114
|
0
|
- 105.060
|
- 99.921
|
- 84.714
|
- 48,0
|
Vertriebskosten
|
- 3.359
|
- 4.334
|
- 4.793
|
- 5.029
|
- 5.104
|
- 2,9
|
Verwaltungskosten
|
- 3.834
|
- 2.574
|
- 2.424
|
- 2.551
|
- 1.770
|
- 1,0
|
EBIT
|
36.986
|
29.876
|
37.465
|
60.112
|
84.765
|
48,1
|
Beteiligungsergebnis
|
- 4.630
|
1.594
|
1.917
|
1.892
|
1.500
|
0,9
|
Zinsergebnis
|
- 37.182
|
- 25.226
|
- 25.702
|
- 24.935
|
- 24.717
|
- 14,0
|
Finanzergebnis
|
- 41.812
|
- 23.632
|
- 23.785
|
- 23.043
|
- 23.217
|
- 13,2
|
EBT
|
- 4.826
|
6.244
|
13.680
|
37.069
|
61.547
|
34,9
|
Neutrales Ergebnis
|
- 9.128
|
746
|
426
|
806
|
0
|
0,0
|
Ertragsteuern
|
- 4.819
|
- 6.272
|
- 8.198
|
- 15.122
|
- 21.441
|
- 12,2
|
Jahresüberschuss/- fehlbetrag
|
(18.772)
|
719
|
5.908
|
22.753
|
40.106
|
|
Thesaurierung
|
- (445)
|
(3.663
)
|
(14.107
)
|
(20.053
)
|
|
Ausschüttung
|
- 273
|
2.245
|
8.646
|
20.053
|
|
Persönliche Ertragssteuern (17,5%)
|
- (48)
|
(393)
|
(1.513)
|
(3.509)
|
|
Ausschüttung nach Est
|
- 225
|
1.852
|
7.133
|
16.544
|
|
Fiktive Zurechnung von Thesaurierung
|
- 445
|
3.663
|
14.107
|
20.053
|
|
Persönliche Ertragssteuer auf fiktive Zurechnung (17,5%)
|
|
|
|
|
|
Zu diskontierende
|
- 671
|
5.516
|
21.240
|
36.597
|
|
79
a. Der Wert der so ermittelten Überschüsse muss nach der Ertragswertmethode auf den Stichtag der Hauptversammlung abgezinst werden. Der hierfür heranzuziehende Kapitalisierungszinssatz soll die Beziehung zwischen dem bewerteten Unternehmen und den anderen Kapitalanlagemöglichkeiten herstellen.
80
Zutreffend ist der Ausgangspunkt bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes unter Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern in der Bewertung durch die Antragsgegnerin. Da die finanziellen Überschüsse aus der alternativ am Kapitalmarkt zu tätigenden Anlage der persönlichen Ertragsbesteuerung der Unternehmenseigner unterliegen, ist der Kapitalisierungszinssatz unter Berücksichtigung der persönlichen Steuerbelastung zu ermitteln (vgl. OLG München NJW-RR 2014, 473, 474; AG 2007, 287, 290; ZIP 2006, 1722, 1725; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 95 = ZIP 2019, 370, 373 f. = DB 2018, 2108, 2111 f.; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 134: OLG Karlsruhe AG 2013, 353, 355). Dabei ist im Rahmen der Unternehmensbewertung nach dem im Zeitpunkt der Hauptversammlung maßgeblichen Steuerregime des Halbeinkünfteverfahrens von einem typisierten Steuersatz von 35% auszugehen. Korrekturbedarf besteht dabei allerdings bei Teilen des Kapitalisierungszinssatzes.
81
(7) Der Basiszinssatz war dabei unter Heranziehung der Zinsstrukturkurve der D Bk in Anwendung der Svensson-Methode auf 4,75% vor und 3,09% nach Steuern festzusetzen.
82
Der Basiszinssatz bildet eine gegenüber der Investition in das zu bewertende Unternehmen risikolose und laufzeitadäquate Anlagemöglichkeit ab. Die Ermittlung des Basiszinssatzes anhand der Zinsstrukturkurve von Zerobonds quasi ohne Kreditausfallrisiko kann methodisch nicht beanstandet werden. Es ist nämlich betriebswirtschaftlich gefordert, dass der Kapitalisierungszinssatz für den zu kapitalisierenden Zahlungsstrom hinsichtlich Fristigkeit, Risiko und Besteuerung äquivalent sein muss. Die Zinsstrukturkurve stellt den Zusammenhang zwischen der Verzinsung und den Laufzeiten von den am Markt gehandelten Anleihen dar und gibt den Zusammenhang zwischen Verzinsung bzw. Rendite einer Anleihe und deren Laufzeit wieder. Die nach der sogenannten SvenssonMethode ermittelte Zinsstrukturkurve bildet den laufzeitspezifischen Basiszinssatz – den sogenannten Zerobond-Zinssatz – ab. Sie ist in der Rechtsprechung zu Recht weithin anerkannt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 12 W 66/06; OLG Frankfurt NZG 2012, 1382, 1383; 2013, 69, 70; OLG München ZIP 2009, 2339, 2341 = WM 2009, 1848, 1850; AG 2012, 749, 752 = Der Konzern 2012, 561, 564; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1170; OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; LG München I AG 2016, 95, 98; 2020, 222, 225; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/15; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; auch Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 434 f.). Nur dadurch kann der Grundsatz der Laufzeitäquivalenz verwirklicht werden. Die Annahme, es müsse auf den zum Bewertungsstichtag aktuellen Zinssatz für langläufige Bundesanleihen abgestellt werden, übersieht, dass die Unternehmensbewertung auf die Ewigkeit ausgelegt ist. Gerade die Anwendung der Svensson-Methode zeigt aber, dass hier gerade nicht auf Daten der Vergangenheit abgestellt wird, sondern künftige Entwicklungen der Ermittlung des Basiszinssatzes zugrunde gelegt werden (vgl. OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; LG München I, Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15).
83
Mit ihrer Hilfe wird nun ein Zinssatz auf der Grundlage laufzeitabhängiger, zukunftsorientierter Kapitalmarktdaten verwendet (vgl. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, 3. Aufl., S. 481; Baetge/Kümmel/Schulz/Wiese in: Peemöller, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 437). Damit aber stellt diese Vorgehensweise wiederum eine deutliche methodische Verbesserung im Vergleich zu der noch im Bewertungsgutachten und dem Prüfungsbericht angewandten Vorgehen dar, das für die Schätzung des Basiszinssatzes einen Marktzinssatz aus dem Zinsniveau für die Anfangsperiode auf Basis einer Stichtagsrendite von zehnjährige Anleihen in Höhe von 4,3% und dem nachhaltig zu erwartenden Zinsniveau für den Anschlusszeitraum in Höhe von 6,5% auf der Grundlage der historischen Realzinsentwicklung in der Vergangenheit und der erwarteten Inflationsrate ansetzte.
84
(7) Der Risikozuschlag wurde im Bewertungsgutachten anhand des CAPM auf der Grundlage einer Marktrisikoprämie von 5% und einem raw Beta von 0,16 festgesetzt. Dabei muss die Kammer nicht abschließend entscheiden, inwieweit dieser Risikozuschlag angemessen ist oder ob nicht auf der Basis der Empfehlung des IDW eine Marktrisikoprämie sogar von 5,5% – also in Höhe des Mittelwerts der damaligen Empfehlung des IDW – gerechtfertigt gewesen wäre, weil auch dadurch eine Erhöhung der Barabfindung nicht erreicht wird.
85
Der Grund für den Ansatz eines Risikozuschlages liegt darin, dass Investitionen in Unternehmen im Vergleich zur Anlage in sichere oder zumindest quasi-sichere öffentlichen Anleihen einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Dieses Risiko wird bei einem risikoaversen Anleger durch höhere Renditechancen und damit einen erhöhten Zinssatz ausgeglichen, weshalb der Ansatz eines Risikozuschlages unumgänglich ist, zumal der Verzicht auf diesen die ohnehin nicht durch die Planung abgegoltenen Risiken wie politische Krisen, Naturkatastrophen oder weitere nicht in die Planungsrechnung einzubeziehenden allgemeinen wirtschaftlichen Risiken vernachlässigen würde. Ebenso kann die Gefahr des Verfehlens der Planungsziele nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Angesichts dessen geht die heute nahezu einhellig vertretene obergerichtliche Rechtsprechung vom Erfordernis des Ansatzes eines Risikozuschlages aus (vgl. nur OLG München ZIP 2009, 2339, 2341 = WM 2009, 1848, 1850; KG NZG 2011, 1302, 1304 = AG 2011, 627, 628 f. = ZIP 2011, 2012, 2013 = WM 2011, 1705, 1706 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.10.2011, Az. 20 W 7/11; AG 2013, 724, 729; AG 2014, 208, 211; OLG Frankfurt NZG 2012, 549, 550 = Der Konzern 2012, 199, 205 f.; AG 2017, 790, 793 = Der Konzern 2018, 74, 78; ebenso Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 373 und 381).
86
(b) Mehrheitlich wird heute davon ausgegangen, der Risikozuschlag könne mittels des (Tax-)CAPM (Capital Asset Pricing Model) ermittelt werden. Danach wird die durchschnittliche Marktrisikoprämie, die anhand empirischer Daten aus der langfristigen Differenz zwischen der Rendite von Aktien und risikolosen staatlichen Anleihen errechnet wird, mit einem spezifischen Beta-Faktor multipliziert, der sich aus der Volatilität der Aktie des zu bewertenden Unternehmens ergibt. Zur Begründung der Maßgeblichkeit dieses kapitalmarkttheoretischen Modells wird vor allem ausgeführt, dass bei der Feststellung des Unternehmenswertes intersubjektiv nachvollziehbare Grundsätze unter Zugrundelegung von Kapitalmarktdaten Anwendung fänden und dass es kein anderes Modell gebe, das wie das CAPM die Bewertung risikobehafteter Anlagenmöglichkeiten erläutere.
87
(aa) Beim Ansatz einer Marktrisikoprämie von 5,5% nach Steuern oder entsprechend dem Ansatz im Bewertungsgutachten von 5% nach Steuern, die am unteren Rand der Empfehlung des IDW liegt, die noch zum Stichtag der Hauptversammlung mit Werten in einer Bandbreite von 5% bis 6% gültig war, kann es nicht zu einer Erhöhung der Barabfindung kommen. Dabei ist es methodisch nicht zu beanstanden ist, sich im Rahmen der Anwendung von § 287 ZPO an den Empfehlungen des FAUB des IDW als eines maßgeblichen Sachverständigengremiums zu orientieren (vgl. OLG München AG 2020, 440, 443; 629, 632; OLG Düsseldorf AG 2018, 679, 681)
88
(bb) Der herangezogene Beta-Faktor von 0,12 unverschuldet bedarf keiner Korrektur. Dabei konnte er auch aus einer Peer Group vergleichbarer Unternehmen abgeleitet werden.
89
Der originäre Beta-Faktor der B… AG konnte nämlich nicht herangezogen werden. Dies zeigt sich namentlich an der mangelnden Liquidität der Aktien, insbesondere den Bid-AskSpreads der Aktien der Gesellschaft, die ausweislich der vom Abfindungsprüfer übermittelten Unterlagen in dem Referenzzeitraum vor der Bekanntgabe des Squeeze OutVerlangens an die Kapitalmärkte nahezu durchgehend deutlich über den Bid-Ask-Spreads sehr liquider Aktien lagen. Bei Aktien mit einem geringen Handelsvolumen liegt der Bid-Ask-Spread deutlich über dem sehr liquider Aktien. Daher müssen Käufer bzw. Verkäufer einer Aktie mit geringem Handelsvolumen einen erheblich höheren Abschlag auf ihre Bruttorendite hinnehmen als Käufer bzw. Verkäufer einer Aktie mit hohem Handelsvolumen. Infolge dessen wird ein rationaler Investor nicht unmittelbar auf jede neue Kapitalmarktinformation reagieren, weil er bei jeder Transaktion erhebliche Renditeabschläge hinnehmen müsste durch die höheren BidAsk-Spreads. Folglich zeigt sich das tatsächliche Risiko eines Unternehmens nicht am empirisch ermittelten Beta-Faktor, da der Kurs aufgrund der hohen Transaktionskosten nur träge auf neue Kapitalmarktinformationen reagiert. Die Grenze, bis zu der Bid-Ask-Spreads auf eine hinreichende Liquidität hinweisen, wird üblicherweise in einer Größenordnung von 1,25% gezogen. Dieser Wert wurde nur an sieben Handelstagen unterschritten, während er an 58 Tagen zum Teil erheblich über 2% lag. Ebenso ergab sich aufgrund eine Signifikanztests der Bewertungsgutachter die fehlende Eignung des unternehmenseigenen Beta-Faktors zur Ermittlung des unternehmensspezifischen Risikos.
90
Demgemäß musste der Beta-Faktor aus einer Peer Group abgeleitet werden, wobei das Heranziehen des DIMAX als breiter branchenspezifischer Index aus der Immobilienwirtschaft in Übereinstimmung mit der Einschätzung von Herrn Sp… als sachgerecht angesehen werden kann. Allein die Tatsache, dass dieser Index auch Unternehmen erfasst, die als Projektentwickler tätig sind, lässt sich dem nicht entgegenhalten, weil auch die B… AG an der Entwicklung und Erschließung neuer Objekte beteiligt ist und somit ebenfalls Projektentwicklungsrisiken trägt. Da es – wie der Kammer aus einer Vielzahl von Spruchverfahren geläufig ist – kein Unternehmen gibt, das 1:1 mit dem Bewertungsobjekt vergleichbar ist, kann der von den Abfindungsprüfern gewählte Ansatz über den DIMAX nicht beanstandet werden.
91
Da neben dem operativen Risiko auch das Finanzstrukturrisiko von Bedeutung für den Risikozuschlag ist, muss der unverschuldete Beta-Faktor mit Hilfe des Relevern der Verschuldungsstruktur der Gesellschaft angepasst werden. Der Verschuldungsgrad der B… AG soll nach der Planung von 48,7% im Jahr 2004 auf 30,29% im Planjahr 2007 und auf 24,42% im Terminal Value sinken, weshalb das verschuldete Beta im Jahr 2004 mit 0,16, im Jahr 2005 mit 0,15 und ab 2006 sowie im Terminal Value jeweils mit 0,14 anzusetzen ist.
92
(b) Dieser dergestalt ermittelte Risikozuschlag steht auch in Einklang mit den sich aus der speziellen Situation der Gesellschaft am Markt ergebenden Risiken, die operativ als weit unterdurchschnittlich bezeichnet werden müssen. Die B… AG ist in der Immobilienbranche tätig und damit von der konjunkturellen Gesamtentwicklung sehr viel weniger abhängig als der Gesamtmarkt. Selbst wenn in Zeiten einer schlechteren Konjunkturlage von einer entsprechenden Erhöhung des Leerstandes und in guten Zeiten von einer entsprechenden Verringerung auszugehen ist, schwanken sowohl die Nachfrage als auch das Angebot im Immobilienbereich deutlich geringer als in anderen konjunkturabhängigeren und damit auch -anfälligeren Branchen. Eine kurzfristige Erhöhung des Immobilienbestandes ist bereits aufgrund der langen Fertigstellungszeiten in der Regel nicht möglich.
93
Nachfrageänderungen sind unter anderem durch typischerweise langfristige Verträge, den mit einem Immobilienwechsel verbundenen Aufwand sowie die regelmäßig eingebrachte Möglichkeit eines Verzichts begrenzt. Langfristig besteht eine Abhängigkeit von der Marktentwicklung namentlich im Hinblick auf die Mietpreisentwicklung, die von der Bonität der Mieter sowie den Finanzierungskonditionen abhängt. Angesichts dieser Ausgangslage muss das operative Risiko der B… AG als deutlich unterdurchschnittlich angesehen werden. Allerdings muss das Finanzstrukturrisiko durch die Verschuldung zu einer Erhöhung führen, die indes infolge des sinkenden Verschuldungsgrades wiederum auch einen im Laufe der Zeit sinkenden Risikozuschlag nach sich ziehen muss.
94
(7) Der in der Ewigen Rente angesetzte Wachstumsabschlag von 1,5% muss nicht erhöht werden.
95
(c) Mit dem Wachstumsabschlag wird zugunsten der Aktionäre berücksichtigt, dass sich die Geldentwertung bei festverzinslichen Anleihen stärker auswirkt als bei einer Unternehmensbeteiligung. Das Unternehmen hat in der Regel die Möglichkeit, die Geldentwertung zumindest zu einem Teil durch Preiserhöhungen aufzufangen, während die Anleihe ohne Inflationsausgleich zum Nominalwert zurückgezahlt wird. Die Höhe des festzusetzenden Abschlages ist dabei abhängig von den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich ist vor allem, ob und in welcher Weise Unternehmen die erwarteten Preissteigerungen an die Kunden weitergeben können; daneben sind aber auch sonstige prognostizierte Margen und Strukturänderungen zu berücksichtigen (vgl. OLG Stuttgart AG 2007, 596, 599; NZG 2007, 302, 307; AG 2008, 783, 788 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1851 = ZIP 2009, 2339, 2342; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1171; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2227; OLG Karlsruhe Der Konzern 2015, 442, 450 f.; 2016, 35, 41; LG München I, Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; Beschluss vom 27.11.2019, Az. 5HK O 6321/14). Ausschlaggebend ist dabei primär die individuelle Situation des Unternehmens, nicht die allgemeine Entwicklung zum Bewertungsstichtag. Dabei kann nicht auf Umsätze und deren Entwicklung in Relation zur allgemeinen Inflationsrate abgestellt werden; entscheidend ist vielmehr das Wachstum der Ergebnisse. Die erwartete durchschnittliche Inflationsrate kann dabei nur einen ersten Ansatzpunkt für die Höhe des Wachstumsabschlages bilden (so auch ausdrücklich OLG München AG 2018, 753, 756 f. = Der Konzern 2019, 277, 282 f.; OLG Düsseldorf AG 2016, 329, 331 = WM 2016, 1686, 1691; Der Konzern 2019, 410, 419; Paulsen in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 134). Es ist nämlich zu beachten, dass – wie auch aus anderen Verfahren gerichtsbekannt ist – Unternehmensergebnisse anderen Preiseinflüssen als der Verbraucherpreisindex unterliegen, weil Chancen und Risiken nominaler Ergebnisveränderungen sowohl von der Marktlage und Wettbewerbssituation als auch der Struktur jedes einzelnen Unternehmens abhängen.
96
Angesichts dieser Bedeutung des Wachstumsabschlages ist dieser auch ausschließlich in der Ewigen Rente festzusetzen; Preissteigerungen in der Detailplanungsphase sind bereits über die Planzahlen abgebildet, die dann auch zu einem entsprechenden Umsatzwachstum führen.
97
(c) Unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage lässt sich ein höherer Wachstumsabschlag nicht rechtfertigen. Hinsichtlich der Angemessenheit der Höhe ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Wachstumsabschlag aus der damaligen niedrigen Inflationsrate abgebildet wurde und sich aus der Plausibilisierung mit den künftigen Ertrags- und Kostenschätzern kein Widerspruch zur Erwartung in der Detailplanungsphase ergeben hat. Die künftige Ertragslage hängt von vertraglichen Mietanpassungsklauseln bzw. von Erwartungen künftiger Neuabschlüsse ab. Da das Portfolio der B… AG ausschließlich inländische Immobilien aufweist, konnte auch die Anlehnung an die erwartete Inflationsrate vorgenommen werden. Gerade weil die Detailplanungsphase bei der Mietentwicklung die attraktiven Standorte der Gesellschaft in München einfließen ließ, sind die hohen Mietzinsen bereits im Businessplan berücksichtigt, weshalb angesichts dieser Ausgangsbasis eine höhere Wachstumsrate als 1,5% nicht gerechtfertigt werden kann.
98
Dem Ansatz eines Wachstumsabschlages von 1,5% und damit unterhalb einer von der Europäischen Zentralbank erstrebten Inflationsrate von 2% kann nicht entgegengehalten werden, dies führe auf Dauer zu einem Schrumpfen und vollständigen Verschwinden der Gesellschaft aus dem Markt. Dieser Ansatz lässt die Auswirkungen zwischen Wachstum, Thesaurierung, Inflation, persönlicher Besteuerung und Verschuldung außer Betracht. Gerade die Folgen der Thesaurierung müssen in die Betrachtung zum künftigen Wachstum einfließen. Der Ansatz thesaurierungsbedingten Wachstums ist angesichts der Aufgabe der Vollausschüttungshypothese notwendig. Durch die Berücksichtigung der Thesaurierung in der Ewigen Rente kann reales Wachstum begründet werden. Dabei muss insbesondere gesehen werden, dass die früher der Unternehmensbewertung zugrunde gelegte Vollausschüttungshypothese den Realitäten nicht entsprochen hat, so dass der Ansatz von Thesaurierung und demgemäß auch von thesaurierungsbedingten Wachstum in der Ewigen Rente als sachgerecht und zutreffend bezeichnet werden muss (vgl. auch LG München I, Beschluss vom 28.3.2014, Az. 5 HK O 18925/08; Beschluss vom 7.5.2014, Az. 5HK O 21386/12; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16). Der Unternehmenswert der Gesellschaft bildet dabei auch das thesaurierungsbedingte Wachstum durch die fiktive Hinzurechnung der Wertbeiträge aus Thesaurierung.
99
Neuere Studien aus der betriebswirtschaftlichen Literatur rechtfertigen keine andere Beurteilung, wie der Kammer aus mehreren anderen Verfahren überzeugend dargestellt wurde, in denen insbesondere auch Creutzmann als gerichtlich bestellter Sachverständiger Stellung zu der von ihm erstellten Studie nahm. Diese Studie von Creutzmann (BewP 2011, 24) führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung, auch wenn sie die Kerngrößen zur Ermittlung des Wachstumsabschlages – Bruttoinlandsprodukt, Inflationsrate und Gewinnwachstum der Unternehmen – zusammenfasst. Dabei lag das Gewinnwachstum der Unternehmen in Deutschland von 1992 bis 2009 bei 2,4% und damit über der Inflationsrate von 1,9%. Der Wachstumsabschlag von 1% spiegelt dabei aber nicht das Gesamtwachstum der erzielbaren Überschüsse wider. Dieses ist vielmehr unter Einbeziehung des (impliziten) thesaurierungsbedingten Wachstums zu ermitteln, das nach dessen Hinzurechnung deutlich höher liegt. Ebenso wenig führt eine Dissertation von Bork zu abweichenden Erkenntnissen. Dieser Arbeit ist nämlich nicht zu entnehmen, inwieweit der Umstand von Gewinnsteigerungen auch zu Wertsteigerungen des Unternehmens führt. Der auf Zahlen der D Bk mit der Entwicklung des bilanziellen Eigenkapitals beruhenden Aufstellung ist zu entnehmen, dass das bilanzielle Eigenkapital stärker wuchs als die Gewinne; Ursachen für diese Entwicklung können der Zahlenreihe indes nicht entnommen werden. Das Gewinnwachstum der Vergangenheit konnte nicht kostenlos erfolgen, sondern erforderte Thesaurierungen. Dann aber bestätigen die Zahlen aus der Arbeit von Bork diese Überlegungen – je höher das Wachstum, desto geringer ist der ausschüttungsfähige Teil der Ergebnisse. Etwas anderes lässt sich nicht aus einer Untersuchung von Schüler/Lampenius ableiten, die in Auswertung von 134 Bewertungsgutachten aus dem Zeitraum zwischen 1985 und 2003 zu dem Ergebnis gelangte, für zwei von drei denkbaren Inflationsschätzern sei ein negatives Realwachstum festgestellt worden. Diese Untersuchung rechtfertigt vor allem deshalb kein anderes Ergebnis, weil die Datengrundlage mit dem Ansatz des Verbraucherpreisindex in Deutschland bzw. den Schätzungen der D Bk nicht zu überzeugen vermag. Wesentlich müssen nämlich – wie bereits ausgeführt – die Preissteigerungen auf den Beschaffungsmärkten für das bewertete Unternehmen sein. Aus demselben Grund überzeugt auch nicht die Annahme von Knoll, eine unvollständige Überwälzung der Inflation stehe in Widerspruch zum Postulat des eingeschwungenen Zustandes, in dem alle Variablen die gleichen Zuwachsraten aufwiesen. Der Ansatz von Knoll geht von der erwarteten langfristigen Inflation seitens der Europäischen Zentralbank in Höhe von 2% aus, was allerdings nicht hinreichend die relevanten Veränderungen des Preisniveaus auf der Grundlage von Preisänderungen auf den Beschaffungsmärkten für das bewertete Unternehmen berücksichtigt.
100
a. Über den im Bewertungsgutachten und dem Prüfungsbericht angesetzten Sonderwert von € 50,578 Mio. zum bewertungstechnischen Stichtag am 1.1.2014 hinaus musste kein weiteres nicht betriebsnotwendiges Vermögen angesetzt werden. Dies gilt insbesondere für den Erlös aus der Veräußerung der Coca Cola-Beteiligung. Hier musste insbesondere keine nicht betriebsnotwendige Liquidität angesetzt werden, nachdem dieser Erlös zur Weiterentwicklung des Portfolios genutzt wurde. Dann aber ist er in die Ermittlung des Ertragswerts aus der Nutzung des weiterentwickelten Portfolios eingeflossen. Die Entscheidung, wie mit dem Veräußerungserlös umgegangen wird, stellt sich wiederum als von den Minderheitsaktionären hinzunehmende unternehmerische oder geschäftspolitische Entscheidung dar.
101
Angesichts dessen ermittelt sich der Unternehmenswert der B… AG wie folgt:
|
2004
|
2005
|
2006
|
2007
|
ab 2008
|
in TEUR
|
Vorscha u
|
Plan
|
Plan
|
Plan
|
ewige Rente
|
Zu diskontierende Nettoausschüttung
|
|
671
|
5.516
|
21.240
|
36.597
|
Basiszinssatz vor persönlichen Ertragsteuern
|
4,75%
|
4,75%
|
4,75%
|
4,75%
|
4,75%
|
Persönliche Ertragsteuern (35%)
|
(1,66%)
|
(1,66%)
|
(1,66%)
|
(1,66%)
|
(1,66%)
|
Basiszinssatz nach pers. Ertragsteuern
|
3,09%
|
3,09%
|
3,09%
|
3,09%
|
3,09%
|
Marktrisikoprämie nach persönlichen Ertragsteuern
|
5,50%
|
5,50%
|
5,50%
|
5,50%
|
5,50%
|
Beta unverschuldet
|
0,12
|
0,12
|
0,12
|
0,12
|
0,12
|
Verschuldungsgrad
|
48,77%
|
43,29%
|
31,67%
|
30,29%
|
24,42%
|
Beta verschuldet
|
0,16
|
0,15
|
0,14
|
0,14
|
0,14
|
Risikozuschlag
|
0,86%
|
0,84%
|
0,79%
|
0,78%
|
0,76%
|
Wachstumsrate
|
|
|
|
|
(1,50%)
|
Kapitalisierungszinssatz
|
3,95%
|
3,93%
|
3,88%
|
3,87%
|
2,35%
|
Barwertfaktor
|
0,9620
|
0,9256
|
0,8911
|
0,8579
|
36,5499
|
|
|
|
|
|
1.337.60
|
Barwert
|
|
621
|
4.915
|
18.221
|
9
|
Ertragswert zum 1. Januar 2004
|
1.361.365
|
|
|
|
|
Sonderwert zum 1. Januar 2004
|
50.578
|
|
|
|
|
Unternehmenswert zum 1. Januar 2004
|
1.411.943
|
|
|
|
|
Aufzinsungsfaktor
|
1,038
|
|
|
|
|
Unternehmenswert zum 15. Dezember 2004
|
1.465.392
|
|
|
|
|
102
Aus einem Unternehmenswert von demgemäß € 1,465392 Mrd. zum Stichtag der Hauptversammlung errechnet sich demgemäß bei 95.952.348 außenstehenden Aktien ein Wert je Aktie von € 15,27 bei einer Marktrisikoprämie von 5,5% nach Steuern.
103
Der Ansatz einer Marktrisikoprämie von 5,0% nach Steuern zöge angesichts des damit verbundenen niedrigeren Diskontierungszinssatzes bei einer Abzinsung allerdings einen nur geringfügig höheren Ertragswert nach sich, weshalb die Kammer diese Frage hier nicht abschließend entscheiden muss. Eine Steigerung von € 15,27 auf mehr als € 22,16 – also um mehr als 45% – ist durch die Erhöhung der Marktrisikoprämie nicht möglich.
104
d. Weitere Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts sind auch unter Berücksichtigung des in §§ 17 Abs. 1 SpruchG a. F., 12 FGG verankerten Amtsermittlungsgrundsatzes zur Bestimmung des Unternehmenswerts und damit der Abfindung nicht veranlasst.
105
(1) Dabei ist namentlich die Durchführung einer gesonderten Beweisaufnahme durch die Einholung des Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht erforderlich, weil die Anhörung der gerichtlich bestellten Prüfer bereits zu einem für die Kammer überzeugenden Ergebnis geführt hat.
106
(a) Ein gerichtliches Sachverständigengutachten muss nur dann eingeholt werden, wenn nach der Anhörung des Prüfers, die sachlich auf § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG gestützt wurde, weiterer Aufklärungsbedarf besteht (vgl. OLG München Der Konzern 2014, 172, 173; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1172; Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; OLG Düsseldorf AG 2015, 573, 575 = ZIP 2015, 1336, 1338 = Der Konzern 2016, 94, 96; Klöcker in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O, § 8 Rdn. 4 Fn.7; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 8 Rdn. 21; im Grundsatz auch Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 8 SpruchG Rdn. 8). Aufgrund des Berichts der Abfindungsprüfer, der ausführlichen Erläuterungen in einem mehrstündigen Anhörungstermin und der aufgrund von § 7 Abs. 6 SpruchG eingeholten ergänzenden Stellungnahmen der Abfindungsprüfer hat die Kammer keinen Zweifel an der Plausibilität der Planannahmen sowie den Feststellungen zur Ewigen Rente einschließlich der Grundfragen des Kapitalisierungszinssatzes sowie zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen.
107
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Anhörung der gemäß §§ 327 c Abs. 2 Sätze 2 bis 4, 293 c Abs. 1 AktG bestellten Abfindungsprüfer diene nur der Aufklärung über ihre anlässlich der Prüfung getroffenen Feststellungen, nicht jedoch der Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit der Planung und sonstiger Bewertungsparameter (in diese Richtung aber auch Puszkajler in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., Vorb. §§ 7 bis 11 SpruchG Rdn. 29 und § 8 Rdn. 32 f.). Diese Auffassung ist nämlich mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck des § 8 Abs. 2 SpruchG nicht vereinbar. Mit der Anhörung des sachverständigen Prüfers soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Erkenntnisbasis schon zu Beginn des Verfahrens verbreitert und eine eventuell zusätzlich notwendig werdende Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen zur Begutachtung bestimmter Fragen erleichtert werden. Damit allerdings erschöpft sich nicht die Zielsetzung dieser Vorschrift. Bereits aus der Formulierung in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 8 SpruchG, die sich der Deutsche Bundestag erkennbar zu eigen gemacht hat, ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, es könne auch aufgrund der Anhörung des Prüfers eine abschließende Entscheidung des Gerichts getroffen werden. Hierfür spricht insbesondere auch der Gedanken in den Gesetzesmaterialien, die Prüfungsberichte sollten künftig verstärkt als Grundlage zur Entscheidungsfindung der Gerichte beitragen; der Beschleunigungseffekt soll sich dann gerade auch daraus ergeben, dass ein gerichtliches Sachverständigengutachten als Folge der Bestellung und letztlich auch der Anhörung ganz vermieden werden kann (vgl. BT-Drucksache 15/371 S. 14 f. und 18; auch Riegger/Gayk in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., Einl SpruchG Rdn. 50).
108
Dann aber muss es dem Gericht möglich sein, auch Aussagen des gerichtlich bestellten Prüfers zu Bewertungsfragen im Rahmen seiner Entscheidung zu verwerten. Dem steht letztlich auch nicht die Formulierung in § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG entgegen, wenn dort die Anhörung des Prüfers als „sachverständiger Zeuge“ beschrieben wird. Auch wenn dies suggeriert, er solle dem Gericht nur Tatsachen bekunden, die er aufgrund seiner besonderen Sachkunde wahrgenommen hat (vgl. § 414 ZPO), kann seine Rolle nicht auf die eines sachverständigen Zeugen beschränkt werden, weil anderenfalls der vom Gesetzgeber bezweckte Effekt der Beschleunigung des Verfahrens konterkariert würde. Dies gilt umso mehr, als das Problem der rechtlichen Einordnung des gerichtlich bestellten Prüfers in den Gesetzesmaterialien nicht weiter problematisiert wurde.
109
Die weitere Einschaltung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen wird namentlich auch nicht vom Schutz der Minderheitsaktionäre gefordert. Die Einschaltung eines vom Gericht bestellten sachverständigen Prüfers im Vorfeld der Strukturmaßnahmen soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner im Spruchverfahren dienen; deshalb kann sein Prüfungsbericht zusammen mit dem Ergebnis einer auf § 8 Abs. 2 SpruchG gestützten Anhörung zusammen mit der aufgrund von § 8 Abs. 2 Satz 3 SpruchG eingeholten ergänzenden Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden. Im Übrigen haftet der sachverständige Prüfer nach §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 d Abs. 2 AktG, 323 HGB auch gegenüber den Anteilsinhabern. Gerade durch die Verweisung auf die für Abschlussprüfer geltenden Bestimmungen der §§ 319 Abs. 1 bis Abs. 3, 323 HGB ist die Unabhängigkeit des Prüfers sichergestellt. Der Umstand der Parallelprüfung, also der Prüfung zeitgleich mit dem Erstellen des Berichts des Hauptaktionärs, vermag an der Unabhängigkeit der Prüfung nichts zu ändern und begründet für sich genommen keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des vom Gericht bestellten Prüfers (vgl. OLG München ZIP 2007, 375, 377 f.; AG 2014, 453, 454; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 129 f.; LG München I, Beschluss vom 29.6.2012, Az. 5HK O 6138/11; Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 29.8.2017, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 27.11.2019, 5HK O 6321/14; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 8 Rdn. 21; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 8 SpruchG Rdn. 6). § 407 a ZPO ist angesichts der Sonderregelung in § 8 SpruchG unanwendbar.
110
(b) Die Kammer hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der von den Wirtschaftsprüfern von P… als Abfindungsprüfer getroffenen Feststellungen. Herr Sp… und Herr Dr. R… verfügen ebenso wie die an der Erstellung des Prüfungsberichts beteiligte Wirtschaftsprüferin Dr. M2. zweifelsohne über die zur Beurteilung auch komplexer Fragen der Unternehmensbewertung erforderliche Sachkunde. Herr Sp… hat sowohl im Prüfungsbericht als auch in der mündlichen Anhörung samt seiner ergänzenden Stellungnahme die vorgenommenen Prüfungshandlungen hinreichend erläutert und dabei insbesondere auch begründet, warum die Abfindungsprüfer gerade auch die Planansätze aus dem Bewertungsgutachten von E… für angemessen und sachgerecht begründet erachteten. Daraus wird deutlich, dass sie sich ihrer Aufgabe und Funktion als gerichtlich bestellte Abfindungsprüfer in vollem Umfang bewusst waren. Im Verlaufe ihrer Anhörung haben sich Herr Sp… und Herr Dr. R… eingehend, umfassend und kenntnisreich mit den erhobenen Rügen und Einwendungen gegen die Grundlagen der Ermittlung des Unternehmenswerts der B… AG auseinandergesetzt.
111
Diesen Überlegungen steht nicht entgegen, dass es im Verlaufe des Verfahrens zu deutlichen Änderungen des Ertragswerts kam. Diese haben ihre Ursache in der Anpassung des vom IDW erarbeiteten Standards, der aufgrund der Rechtsprechung des BGH auch rückwirkend angewandt werden kann. Zum Zeitpunkt des Stichtags ging der damals in Kraft befindliche Standard IDW S1 2000 beispielsweise von einer Vollausschüttung der Gewinne aus, was auch der Ermittlung des Ertragswerts zum Stichtag der Hauptversammlung zugrunde gelegt wurde. Der jeweilige Standard war in der Fachwissenschaft weitgehend anerkannt und auch überwiegend in der Praxis beachtet. Er stellt also eine anerkannte Expertenauffassung und gebräuchliche Erkenntnisquelle für das methodisch zutreffende Vorgehen bei der fundamental analytischen Ermittlung des Unternehmenswerts dar, auch wenn es sich dabei um Verlautbarungen eines privaten Vereins handelt (vgl. OLG Stuttgart AG 2015, 580, 581; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 94 f. = ZIP 2019, 370, 373 = DB 2018, 2108, 2111; Steinle/Lidert/Katzenstein in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7, 6. Aufl., § 34 Rdn. 101). Dann aber kann daraus kein Grund hergeleitet werden, warum die Angaben der Abfindungsprüfer von P… nicht verwertbar sein sollten.
112
(2) Die Vorlage von Planungsunterlagen der Gesellschaft oder der Arbeitspapiere der beteiligten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften war nicht anzuordnen, weil die Voraussetzungen von § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG als einzig denkbarer Anspruchsgrundlage nicht erfüllt sind.
113
(a) Nach dieser sehr weit gefassten Vorschrift sind sonstige Unterlagen, die für die Entscheidung des Gerichts erheblich sind, auf Verlangen der Antragsteller oder des Vorsitzenden des Gerichts und gegebenenfalls eines vom Gericht bestellten gemeinsamen Vertreters unverzüglich vorzulegen. Zwar gehören auch Planungsunterlagen einer Gesellschaft zu den sonstigen Unterlagen im Sinne dieser Vorschrift (vgl. nur Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 7 Rdn. 55). Allerdings haben die Antragsteller die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage der vollständigen Planungsunterlagen nicht plausibel dargelegt, was indes zwingende Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung wäre (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2010, Az. 20 W 17/06; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; LG München I, Beschluss vom 7.5.2014, Az. 5HK O 21386/12; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Puszkajler in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 57). Eine derartige Entscheidungserheblichkeit vermag die Kammer nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend zu berücksichtigen, dass wesentliche Grundlagen der Planung im Prüfungsbericht der gerichtlich bestellten Vertragsprüfer dargestellt wurden, weshalb dieser eine ausreichende Basis für die Erhebung hinreichend substantiierter Einwendungen bildet.
114
(b) Die Antragsgegnerin ist weiterhin nicht verpflichtet, die Arbeitspapiere der Bewertungsgutachter von E… sowie der Vertragsprüfer von P… vorzulegen. Einem derartigen Verlangen steht nach h.M. bereits die Regelung in § 51 b Abs. 4 WPO entgegen, weil es keinen durchsetzbaren Anspruch des Auftraggebers – hier also der Antragsgegnerin – gegen den Wirtschaftsprüfer auf Herausgabe der Arbeitspapiere gibt (vgl. nur Bungert/Mennicke BB 2003, 2021, 2029; Wasmann/Roßkopf ZIP 2003, 1776, 1780; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 7 Rdn. 58; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 8). Ob dem mit Blick auf §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 26 FamFG in jedem Fall zu folgen sein wird (kritisch zur h.M. Drescher in: Spindler/Stilz, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 9), kann vorliegend aber dahinstehen. Es fehlt nämlich jedenfalls an der Entscheidungserheblichkeit. Zwar sind die Arbeitspapiere in der Begründung zum Regierungsentwurf des Spruchverfahrensgesetzes (vgl. BT-Drucks. 15/371 S. 15) beispielhaft aufgeführt. Dies bedeutet indes nicht, dass die Antragsteller verlangen können, ihnen müssten sämtliche Unterlagen, die die Wirtschaftsprüfer verwendet und in ihren Arbeitspapieren festgehalten haben, in jedem Fall zugänglich gemacht werden. Der Bericht der Hauptaktionärin wie auch der Bericht des gerichtlich bestellten Prüfers soll neben den allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen nur eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen. Diese ist durch die Vorlage des Berichts der Hauptaktionärin sowie des Prüfungsberichts des gerichtlich bestellten Vertragsprüfers gewährleistet. Zudem fehlt es vorliegend an einem begründeten Vorlageverlangen der Antragsteller, die sich auf einen Anspruch nach § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG hinsichtlich der Arbeitspapiere berufen. Sie haben nicht hinreichend begründet, warum ihnen nur mit Hilfe der Vorlage der Arbeitspapiere eine hinreichend substantiierte Rüge namentlich in Bezug auf die Planung möglich sein sollen; dies wäre indes erforderlich gewesen (vgl. OLG Karlsruhe AG 2006, 463, 464 = NZG 2006, 670, 671 f.; OLG München WM 2019, 2014, 2119 f.; Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; LG München I, Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.11.2019, Az. 5HK O 6321/14; Puszkajler in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 57; Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 9; Klöcker in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 13). Gerade auch unter diesem Gesichtspunkt können keine überspannten Anforderungen an die Substantiierungslast bezüglich einzelner Rügen gestellt werden.
115
2. Aus dem Börsenkurs lässt sich keine höhere Barabfindung ableiten.
116
a. Nach der Rechtsprechung insbesondere auch des Bundesverfassungsgerichts ist bei der Bemessung der Barabfindung nicht nur der nach betriebswirtschaftlichen Methoden zu ermittelnde Wert der quotalen Unternehmensbeteiligung, sondern als Untergrenze der Abfindung wegen der Wertung des Eigentumsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG der Börsenwert zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 100, 289, 305 ff. = NJW 1999, 3769, 3771 ff. = NZG 1999, 931, 932 f. = AG 1999, 566, 568 f. =ZIP 1999, 1436, 1441 ff. = WM 1999, 1666, 1669 ff. = DB 1999, 1693, 1695 ff. = BB 1999, 1778, 1781 f. – DAT/Altana; BVerfG WM 2007, 73 = ZIP 2007, 175, 176 = AG 2007, 119 f.; BGH NJW 2010, 2657, 2658 = WM 2010, 1471, 1473 = ZIP 2010, 1487, 1488 f. = AG 2010, 629, 630 = NZG 2010, 939, 940 f. = DB 2010, 1693, 1694 f. = BB 2010, 1941, 1942 = Der Konzern 2010, 499, 501 – Stollwerck; OLG München AG 2007, 246, 247; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 327 b Rdn. 6 und § 305 Rdn. 29; Schnorbus in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 327 b Rdn. 3; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 327 b Rdn. 9; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh § 11 Rdn. 197 f.; Meilicke/Kleinertz in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 305 AktG Rdn. 36).
117
Der BGH geht nunmehr in Übereinstimmung mit der überwiegend vertretenen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur und unter teilweiser Aufgabe seiner früher vertretenen Auffassung mit Beschluss vom 19.7.2010, Az. II ZB 18/09 (vgl. BGH NJW 2010, 2657, 2658 ff. = WM 2010, 1471, 1472 ff. = ZIP 2010, 1487, 1488 f. = AG 2010, 629, 630 ff. = NZG 2010, 939, 941 ff. = DB 2010, 1693, 1694 f. = BB 2010, 1941, 1942 ff. = Der Konzern 2010, 499, 501 ff. – Stollwerck; bestätigt durch BGH AG 2011, 590 f. = ZIP 2011, 1708 f.; ebenso OLG Stuttgart ZIP 2007, 530, 532 ff. = AG 2007, 209, 210 ff. = NZG 2007, 302, 304 ff. – DaimlerChrysler; ZIP 2010, 274, 277 ff.; OLG Düsseldorf ZIP 2009, 2055, 2056 ff. = WM 2009, 2271, 2272 ff.; Der Konzern 2010, 519, 522; OLG Frankfurt NZG 2010, 664; AG 2012, 513, 514; Paulsen in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 305 Rdn. 88 f.; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 45; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 305 Rdn. 45, 46 und 46 a; Tonner in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, S. 1581, 1597 ff.) davon aus, der einer angemessenen Abfindung zugrunde zu legende Börsenwert der Aktie müsse grundsätzlich aufgrund eines nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung einer Strukturmaßnahme ermittelt werden.
118
b. Der Börsenkurs lag zwar in dem hier relevanten Referenzzeitraum mit einem gewichteten Durchschnittskurs von € 24,59 über der angebotenen Barabfindung, doch kann dieser Kurs angesichts der Besonderheiten der hier gegebenen Situation nicht als aussagekräftig eingestuft werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Bestehen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zum Stichtag der über den Squeeze out beschließenden Hauptversammlung zu den Verhältnissen der Gesellschaft im Sinne des § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG gehört (vgl. BGHZ 208, 265, 274 = NZG 2016, 461, 463 = AG 2016, 359, 360 = ZIP 2016, 666, 668 = WM 2016, 711, 713 = DB 2016, 883, 885 = DZWER 2016, 383, 384 f. = Der Konzern 2016, 233, 234 = NJW-RR 2016, 610, 611 = DStR 2016, 974, 976).
119
Vorliegend fehlt dem Börsenkurs nämlich wegen des Bestehens des Unternehmensvertrages die Aussagekraft. Eine marktorientierte Bewertung ist nämlich nur dann zur Ermittlung des Unternehmenswerts geeignet, wenn die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Möglichkeit haben, die Ertragskraft des Unternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend zu bewerten, und wenn sich die Marktbewertung im Börsenkurs tatsächlich niederschlägt. Davon kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden. Zum einen muss auch hier darauf verwiesen werden, dass die Bid-Ask-Spreads gerade im unmittelbaren Zeitraum vor der Bekanntgabe der Squeeze out-Absicht eine fehlende Liquidität der Aktie der Gesellschaft aufzeigen. Gegen die Aussagekraft des Börsenkurs spricht weiterhin ganz wesentlich die Tatsache, dass der Aktienkurs durch die zweimalige Ankündigung eines Squeeze out und seit der Bekanntgabe der Absicht zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages bereits am 13.12.2001 nicht mehr parallel zum DAX verlief, was zuvor mit zwei nachvollziehbaren Ausnahmen im Jahr 2001 – Bekanntgabe der Absicht eines dann nicht umgesetzten erweiterten Börsengangs mit dem Ziel der Aufnahme in den MDAX und eine Kapitalerhöhung mit Auswirkungen auf den Kurs im August/September 2001 – der Fall war. Diese Entwicklung spricht gleichfalls ganz entscheidend dafür, dass sich der Aktienkurs losgelöst von der Ertragskraft der Gesellschaft entwickelte. Mit dem BGH muss davon ausgegangen werden, dass für die Höhe der Abfindung der Minderheitsaktionäre bei Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages der auf den Anteil des Minderheitsaktionärs entfallende Anteil des Unternehmenswerts maßgeblich ist (vgl. BGHZ 208, 265, 271 = NZG 2016, 461, 463 = AG 2016, 359, 360 = ZIP 2016, 666, 667 f. = WM 2016, 711, 713 = DB 2016, 883, 884 = DZWIR 2016, 383, 384 f. = Der Konzern 2016, 233, 234 = NJW-RR 2016, 610, 611 = DStR 2016, 974, 976 = MDR 2016, 658), wenn er höher ist als der Barwert der Ausgleichszahlungen im Sinne des § 304 AktG. Dies bedeutet aber nun, dass sich die Höhe der Barabfindung nach den erwirtschafteten Gewinnen der Gesellschaft zu richten hat, obwohl sie den Minderheitsaktionären nicht zufließt. Demgegenüber orientiert sich die Höhe des Börsenkurses an den den Minderheitsaktionären tatsächlich zufließenden Zahlungen und mithin an der Höhe der Ausgleichszahlungen orientiert. Im Falle einer beherrschten Gesellschaft, die ihre Gewinne aufgrund eines bestehenden Vertrags abzuführen hat, ist dann der Börsenkurs regelmäßig nicht für die Ermittlung der zuzusprechenden Abfindung geeignet (vgl. OLG Frankfurt AG 2017, 626, 628; auch OLG Düsseldorf NZG 2007, 36, 39 f. = ZIP 2006, 2379, 2384 f. = WM 2006, 2219, 2225 f. = DB 2006, 2391, 2395 = AG 2007, 325, 329 f.).
120
Insoweit unterscheidet sich der hier vorliegende Sachverhalt auch entscheidend von der Konstellation, die dem Beschluss der Kammer vom 6.11.2013, Az. 5HK O 2665/12 zugrunde lag. Dort waren im maßgeblichen Referenzzeitraum von drei Monaten vor der Bekanntgabe der Squeeze out-Absicht über einen beträchtlichen Zeitraum Kurse ausgewiesen worden, die mit der Existenz von Geldkursen vergleichbar waren. Hierfür sind vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte erkennbar.
121
3. Über den Barwert des Ausgleichs von € 1,11 netto lässt sich eine höhere Barabfindung nicht rechtfertigen.
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a. Zwar ist in der Rechtsprechung mittlerweile anerkannt, dass für die Angemessenheit der Barabfindung im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären bei Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages der auf den Anteil des Minderheitsaktionärs entfallende Anteil jedenfalls dann maßgeblich ist, wenn dieser höher ist als der Barwert der aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages den Minderheitsaktionären zustehenden Ausgleichszahlungen. Auch wenn der Unternehmensvertrag zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossen wurde, gehört er und damit auch die Ausgleichszahlungen aufgrund dieses Vertrages doch zu den Verhältnissen der Gesellschaft im nach § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung über den Squeeze out, wenn er wie hier zu diesem Zeitpunkt noch Bestand hat. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestimmt bei anzunehmendem Fortbestand auch darüber hinaus die Erträge der Aktionäre. Die Höhe der Ausgleichszahlung orientiert sich am Wert des Unternehmens unter Berücksichtigung seiner zukünftigen Entwicklung. Der Gleichlauf zwischen dem Wert des einzelnen Anteils und dem anteiligen Unternehmenswert ist auch bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages noch gegeben; der Wert des Anteils des außenstehenden Minderheitsaktionärs hat sich durch den Unternehmensvertrag nicht vollständig vom Unternehmenswert abgekoppelt. Demgemäß vermittelt das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum neben der mitgliedschaftlichen Stellung des Aktionärs in der Gesellschaft auch vermögensrechtliche Ansprüche. Insoweit umfasst die Beteiligung am Unternehmen nicht nur die Aussicht auf die Dividende, die vorliegend durch den festen Ausgleich ersetzt wurde, sondern auch den Anteil an der Vermögenssubstanz. Daher wird der Wert des Anteils dann nicht hinreichend abgebildet, wenn sich der Unternehmenswert nach dem Stichtag, auf den der angemessene Ausgleich ermittelt wurde, erhöht hat. Der Wert bestimmt sich für den im Unternehmen verbliebenen Aktionär nicht ausschließlich nach den Ausgleichszahlungen. Die nach §§ 327 a ff. AktG geschuldete Barabfindung repräsentiert den Stamm des Vermögens, der durch die Ausgleichszahlung nicht angerührt wird. Nach dem Ausschluss verfügt der Hauptaktionär über das Stammwie auch das Fruchtziehungsrecht, das durch den Ausgleich repräsentiert wird. In der Person des Hauptaktionärs entstünde gegebenenfalls eine Bereicherung ohne sachlichen Grund, wenn der Barwert der Ausgleichszahlung unter dem mittels der Ertragswertmethode abgeleiteten Abfindungsleistung liegt und der Barwert der Ausgleichszahlung herangezogen wird für die Ermittlung des Ausgleichs (vgl. BGHZ 208, 265, 271 ff. = NZG 2016, 461, 463 ff. = AG 2016, 359, 360 ff. = ZIP 2016, 666, 667 ff. = WM 2016, 711, 713 ff. = DB 2016, 883, 884 ff. = DZWIR 2016, 383, 384 ff. = Der Konzern 2016, 233, 234 ff. = NJW-RR 2016, 610, 611 ff. = DStR 2016, 974, 976 ff. = MDR 2016, 658 f.).
123
b. Über den Barwert der Ausgleichszahlung, der nunmehr auch vom II. Zivilsenat des BGH als weitere Untergrenze eingestuft werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15.9.2020, Az. II ZB 6/20; ebenso OLG Frankfurt NZG 2020, 339 ff. = AG 2020, 298 ff. = ZIP 2020, 810 ff.; Grunewald in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 327 b Rdn. 12; Schüppen ZIP 2016, 1413, 1418; Müller-Michaels BB 2017, 498; Tebben AG 2003, 600, 606; a.A. OLG Düsseldorf, AG 2017, 672, 673 ff. = ZIP 2017, 521, 523 ff. = Der Konzern 2017, 533, 535 ff.; Slavik EWiR 2017, 363, 364; Leyendecker NZG 2010, 927 ff.), ergibt sich keine höhere Barabfindung. Vorliegend bleibt der Barwert der Ausgleichszahlungen allerdings entsprechend den Berechnungen des Abfindungsprüfers selbst dann mit einem Wert von € 21,93 unter der angebotenen Barabfindung, auch wenn eine für die Minderheitsaktionäre hier günstigere, höhere Marktrisikoprämie von 5,5% nach Steuern angesetzt würde. Daher muss auch hier nicht entschieden, inwieweit diese Marktrisikoprämie sachgerecht ist.
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Der Barwert der Ausgleichszahlung von € 1,11 netto stellt sich dann bei einer Marktrisikoprämie von 5,5% nach Steuern demgemäß wie folgt dar:
Ausgleichszahlung (netto) in EUR pro Aktie 1,11
Basiszinssatz vor persönlichen Ertragsteuern
0,31% Kapitalisierungszinssatz vor persönlichen Ertragsteuern
5,06% Barwert der Ausgleichszahlung in EUR pro Aktie 21,93
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4. Über den Net Asset Value lässt sich eine höhere Barabfindung keinesfalls herleiten.
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a. Dieser Ansatz leitet den Wert von Immobiliengesellschaften wie beispielsweise der B… AG direkt aus den Werten der gehaltenen Vermögensgegenstände ab. Er berechnet sich als Summe der Marktwerte des Vermögens, vermindert um die Schulden der Gesellschaft. Demgemäß stellt sich der Net Asset Value als spezifische Variante der Discounted Cash Flow-Methode dar und entspricht dem Reinvermögen einschließlich stiller Reserven. Der Wert einer vermögensverwaltenden Gesellschaft resultiert vor allem aus der Ertragskraft ihrer Kapitalanlagen, die wiederum maßgeblich in ihren Marktwerten im Sinne von Verkehrswerten zum Ausdruck kommen. Wenn der Marktwert einer Kapitalanlage als Barwert der damit verbundenen zukünftigen Einnahmen und Ausgaben gesehen wird, so ergibt sich der Wert einer vermögensverwaltenden Gesellschaft als Summe der einzelnen Verkehrswerte zuzüglich des Wertes anderer Vermögensgegenstände abzüglich des Gegenwartswertes der Verbindlichkeiten. Demzufolge repräsentiert der Net Asset Value die Summe der Barwerte der erwarteten künftigen Nettoerträge aus den Kapitalanlagen zuzüglich des Wertes anderer Vermögensgegenstände und spiegelt folglich den Barwert der künftigen Zahlungsüberschüsse wider. Damit aber kann es sich bei der so verstandenen Bewertungsmethode nicht um eine Substanzbewertung handeln; vielmehr handelt es sich um eine modifizierte Ertragsbewertung, bei der die spezifischen Gegebenheiten einer vermögensverwaltenden Gesellschaft angemessen berücksichtigt werden. Im Net Asset Value spielen immaterielle Vermögenswerte wie Goodwill, neue Produkte, Kundenbindung oder Human Resources, die beispielsweise bei Industrieunternehmen die künftige Ertragskraft und damit den Unternehmenswert bestimmen, allenfalls eine untergeordnete oder praktisch kaum eine Rolle, wobei dies auch für Synergieeffekte gilt. Ein Vorteil dieser Methode besteht auch darin, dass Einnahmen und Ausgaben dem einzelnen Objekt gut zugeordnet werden können; folglich muss eine additive Verknüpfung der einzelnen Immobilien zum Gesamtwert des Unternehmens als durchaus sachgerecht angesehen werden. Demgemäß repräsentiert der Net Asset Value den Barwert der erwarteten künftigen Nettoüberschüsse aus der Nutzungsüberlassung der Immobilienobjekte zuzüglich der Werte zusätzlicher Vermögensgegenstände dar. Somit spiegelt der Net Asset Value zumeist in hohem Maße den theoretisch richtigen Ansatz als Barwert der künftigen Zahlungsüberschüsse des Gesamtunternehmens wider.
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Vermögensverwaltende Gesellschaften sind vor allem durch regelmäßig wiederkehrende Erträge wie Dividenden- oder Mieterträge geprägt, andererseits aber auch durch einmalige Erträge aus Veräußerungsgeschäften, wobei derartige Geschäfte nicht ohne Weiteres zur Schätzung künftiger Erträge herangezogen werden können. Die Prognose müsste durch derartige Einmaleffekte bereinigt werden. Da solche Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte einen wesentlichen Anteil der vermögensverwaltenden Tätigkeit der Gesellschaft ausmachen, wäre eine ersatzlose Streichung auch nicht sachgerecht. Diese Problematik wird durch den Ansatz über den Net Asset Value angemessen begegnet, weil jede einzelne Immobilie und jede einzelne Beteiligung gesondert betrachtet wird. Auch ist nicht erkennbar, inwieweit es Verbundvorteile zwischen den einzelnen Assets geben könnte; deshalb kann die Unmöglichkeit der Berücksichtigung derartiger Synergieeffekte dem Net Asset Value-Verfahren nicht entgegengehalten werden.
128
Ganz wesentlich aber muss bei der Berechtigung dieser Methode auch gesehen werden, dass der Gesetzgeber diese Art der Bewertung als gesetzliche Bewertungsregel für offene Immobilienfonds nunmehr ausdrücklich gesetzlich in § 168 KAGB, der § 36 InvG abgelöst hat, kodifiziert hat. Demgemäß kann auch unter Berücksichtigung der oben geschilderten Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung das Net Asset Value-Verfahren zur Bestimmung des Unternehmenswertes der Custodia Holding Aktiengesellschaft herangezogen werden. Auch wenn es sich bei dieser Gesellschaft nicht um einen offenen Immobilienfonds handelt, zeigt doch die Wertung des Gesetzgebers, dass im Zusammenhang mit der Bewertung von Immobilien der Ansatz über den Net Asset Value eine geeignete Methode ist (vgl. OLG München AG 2020, 56, 57 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 8.9.2016, Az. 21 W 36/15; OLG Karlsruhe AG 2020, 755, 756; LG München I, Beschluss vom 30.11.2016, Az. 5HK O 22066/02; LG Frankfurt NZG 2015, 635, 639 = AG 2015, 409, 411; LG Hamburg, Beschluss vom 29.6.2015, Az. 412 HK O 178/12; Creutzmann BewP 4/2007, S. 7 ff.; ders. BewP 2/2013, S. 64 ff.; Rehkugler in: Francke/Rehkugler, Immobilienmärkte und Immobilienbewertung, 2. Aufl., Anm. 13.2.4, S.434 ff.; Rehkugler in: Die Immobilien AG – Chancen für Unternehmen und Investoren in: Die ImmobilienAG, Bewertung und Marktattraktivität, S. 1, 16 ff.; Thomaschowski/Rehkugler/ Nack in: Die Immobilien AG, Bewertung und Marktattraktivität, S. 55, 57 ff.; Zajonz, Die Bewertung Europäischer Immobilienaktien, 1. Aufl.; Schulte/Matzen in: Festschrift für Drukarczyk zum 65. Geburtstag, S. 383, 387 ff.).
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b. Der über den Net Asset Value ermittelte Unternehmenswert würde zu einer deutlich unterhalb der beschlossenen Barabfindung liegenden Abfindung führen. Die Bewertungsgutachter von E… gelangten zu einem Unternehmenswert von € 1,1447 Mrd. dann einer Abfindung von € 11,93 je Aktie, was von den Abfindungsprüfern von P… vom Grundsatz her nicht beanstandet wurde.
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(1) Den Marktwert der Immobilien bezifferten sie mit € 2.403.680.000,-, wobei die den Bewertungsobjekten zuzurechnenden Ein- und Auszahlungen über einen Betrachtungshorizont von zehn Jahren entsprechend ihrer Fälligkeit fortgeschrieben, saldiert und auf den 30.6.2004 mittels objektspezifisch ermittelter Risiko adäquater Diskontierungszinssätze abgezinst wurden, die am 30.6.2004 nach dem Wert des Objekts gewichtet bei durchschnittlich 6,31% lagen. Ebenfalls auf den 30.6.2014 wurde der Rentenbarwert aus der nach dem Betrachtungszeitraum erwarteten Ewigen Rente ermittelt. Die Summe dieser Barwerte entsprach dem Gesamtwert der Immobilien entsprechend dem EDVgestützten Bewertungssystem der B… AG. Diese Berechnung wurde evaluiert durch eine stichprobenartige Überprüfung durch einen Immobiliengutachter, dessen Werte um 4,78% niedriger lagen. Auch die Abfindungsprüfer von P… nahmen geschichtete Stichproben zur Überprüfung der Erkenntnisse zum Net Asset Value vor, die als strukturierte, systematische Stichproben aufgebaut waren. Dabei betrachteten die Abfindungsprüfer sowohl Standorte als auch die größeren Objekte, wodurch sie 46% des Verkehrswertes verifizieren konnten. Eine Bewertung aller zum Bewertungsstichtag bei der Gesellschaft vorhandenen Grundstücke bzw. Immobilien musste nicht erfolgen. Jede Unternehmensbewertung ist in die Zukunft gerichtet und kann folglich stets nur eine Schätzung im Sinne der §§ 738 Abs. 2 BGB, 287 ZPO darstellen.
131
(2) Vom Verkehrswert der Immobilien abgezogen wurden dann systemgerecht die unternehmensbezogenen Verwaltungs-, Vertriebs- und Vermarktungskosten ebenso wie die zurechenbaren Schulden der Gesellschaft zu Marktpreisen und der Barwert der latenten unternehmensbezogenen Steuern, die sich bei einer sukzessiven Veräußerung des Immobilienbestandes ergeben würden.
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(3) Im Vergleich zu dem ausschließlich nach dem Net Asset Value ermittelten Unternehmenswert im Zusammenhang mit dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag liegt der Wert zwar deutlich niedriger, nachdem damals ein Wert von € 18,87 je Aktie ermittelt wurde. Auch dieser Vergleich erhellt, dass über den Net Asset Value eine höhere Barabfindung nicht hergeleitet werden kann. Abgesehen davon muss auch hier berücksichtigt werden, dass die Minderheitsaktionäre entsprechen den obigen Ausführungen keinen Anspruch darauf haben, dass die Abfindung nach der für sie günstigsten Methode ermittelt wird.
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5. Über den Liquidationswert lässt sich ebenso wenig wie über den Substanzwert eine Erhöhung der Barabfindung begründen.
134
a. Der Ansatz eines Liquidationswerts musste vorliegend nicht erfolgen, weil er vorliegend für die Ermittlung der Barabfindung aus Rechtsgründen nicht wesentlich ist.
135
(1) Der Liquidationswert stellt sich als Barwert der Nettoerlöse aus dem Verkauf aller Gegenstände des Unternehmens dar, wenn also Vorräte, Maschinen, Patente, Marken, Gebäude oder Grundstücke veräußert werden; sodann sind die Schulden, Liquidationskosten und eventuell anfallende Ertragsteuern abzuziehen (vgl. LG München I, Beschluss vom 29.6.2012, Az. 5HK O 6138/11; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5HK O 22657/12; 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 16.4.2019, 5HK O 14963/17; Sieben/Maltry in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O. S. 836). Soweit teilweise die Ansicht vertreten wird, der Liquidationswert bedeute stets die Untergrenze des Unternehmenswertes (vgl. KG WM 1971, 764; Fleischer in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, a.a.O., § 8 Rdn. 36 ff.), vermag die Kammer dieser Ansicht nicht zu folgen. Der Liquidationswert ist dann nicht als Wertuntergrenze anzusehen, wenn keine Absicht besteht, das Unternehmen zu liquidieren, nicht die finanzielle Notwendigkeit besteht, den Betrieb ganz oder teilweise aufzulösen, die Betriebsfortführung wirtschaftlich nicht unvertretbar erscheint oder der Unternehmer den Anspruchsgegnern nicht zur Liquidation verpflichtet war (vgl. BGH NJW 1982, 2497, 2498; OLG Düsseldorf AG 2004, 324, 327; LG München I, Beschluss vom 31.10.2007, 5HK O 16022/07; Beschluss vom 19.12.2014, Az. 5HK O 20316/09; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5 HK O 24402/13; Riegger/Gayk in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., Anh. § 11 SpruchG Rdn. 82; Steinle/Liebert/Katzenstein in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7 – Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (Corporate Litigation), 5. Aufl., § 34 Rdn. 174). Dies resultiert aus der Überlegung heraus, dass bei nicht geplanter Liquidation der Liquidationswert rein hypothetisch wäre und der Aktionär keine Aussicht auf die Realisierung des Liquidationswerts hätte, wenn es nicht zu der Strukturmaßnahme gekommen wäre.
136
(2) Die Planung ging für die Detailplanungsphase mit Ausnahme des ersten, im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung am 15.12.2004 fast abgeschlossenen Planjahres 2004 ebenso wie im Terminal Value stets von nicht unerheblichen Jahresüberschüssen aus. Dann aber bestand keinerlei Notwendigkeit, das Unternehmen zu liquidieren; vielmehr war ersichtlich die Fortführung des Unternehmens geplant. Dies aber bedeutet, dass bei Zugrundelegung eines höheren Liquidationserlöses die Antragsteller einen Wert erhielten, auf dessen Realisierung sie ohne die aktienrechtliche Strukturmaßnahme wie hier den Squeeze out keinerlei Aussicht gehabt hätten.
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Angesichts dessen musste der Liquidationswert auch nicht überschlägig ermittelt werden.
138
b. Der Substanzwert stellt keine geeignete Grundlage für die Festlegung einer angemessenen Barabfindung im Sinne des § 327 b Abs. 1 Satz AktG dar und musste folglich nicht ermittelt werden. Dieser wird definiert als Summe von isoliert bewerteten Vermögensgegenständen abzüglich der Summe von isoliert bewerteten Schulden des zu bewertenden Unternehmens (vgl. Sieben/Maltry in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 655; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rdn. 1286). Da der Substanzwert als Rekonstruktionswert gilt, weil er die Aufwendungen erfassen soll, die nötig sind, um ein gleiches Unternehmen zu errichten, fehlt ihm der Bezug zu den künftigen finanziellen Überschüssen, weshalb ihm für die Unternehmensbewertung keine Bedeutung zukommen kann (vgl. OLG Celle DB 1979, 1031; LG München I Der Konzern 2010, 188, 194; ZIP 2013, 1664, 1667; Beschluss vom 21.11.2011, 5HK O 14093/09; Beschluss vom 30.3.2012, Az. 5HK O 11296/06; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 26513/11; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, a.a.O., Rdn. 1286; auch Sieben/Maltry in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 822 und 837 f.).
139
6. Aus dem Vergleichsangebot aus dem Verfahren vor der Kammer Az. 5HK O 22066/02 lässt sich die Unangemessenheit der Barabfindung nicht herleiten. Dies ergibt sich bereits aus dem fehlenden Bezug zum Stichtag der Hauptversammlung, die über den Squeeze out zu entscheiden hatte. Das Angebot über € 27,50 bezog sich auf den Stichtag der Hauptversammlung vom 29.8.2002. Auch spricht das Wesen eines Vergleichs, dass aufgrund von § 779 BGB in einem wechselseitigen Nachgeben liegt, gegen die Berücksichtigung, nachdem es im vorliegenden Verfahren zur Angemessenheit der Barabfindung um die Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts geht, also einen intersubjektiv nachprüfbaren Zukunftserfolgswert aus der Sicht der Anteilseigner, der sich bei Fortführung des Unternehmens in unverändertem Konzept mit allen realistischen Zukunftserwartungen im Rahmen seiner Marktchancen- und Risiken, finanziellen Möglichkeiten sowie sonstigen Einflussfaktoren bestimmen lässt (vgl. Mandl/Rabel in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 56; Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, 3. Aufl., S. 41 ff.).
140
Angesichts dessen konnte eine höhere Barabfindung nicht festgesetzt werden.
141
1. a. Die Entscheidung über die Gerichtskosten hat ihre Grundlage in § 15 Abs. Satz 1 SpruchG a.F., der aufgrund der Überleitungsvorschrift in § 136 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 1 GNotKG noch Anwendung findet, weil das Verfahren mit Eingang des Antrags beim Landgericht München am 28.6.2005 und somit noch vor dem Inkrafttreten der Änderung von § 15 Abs. 1 SpruchG durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz) vom 29.7.2013, BGBl I S. 2586 eingeleitet wurde. Nach dieser Vorschrift ist die Antragsgegnerin Schuldnerin der Gerichtskosten. Für einen hiervon abweichende Beurteilung auf der Basis von § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F. besteht kein Anlass, nachdem nicht davon ausgegangen werden kann, den Anträgen fehle jegliche rechtliche Grundlage. Angesichts der Zusicherung der Antragsgegnerin, keinen Kostenantrag zu stellen, vermag auch die Antragsrücknahme der Antragstellerin zu 22) an dieser Kostenentscheidung nichts zu ändern.
142
b. Bezüglich der außergerichtlichen Kosten findet die Entscheidung ihre Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 4 SpruchG a.F., der ebenfalls aufgrund der genannten Überleitungsvorschrift noch Anwendung findet.
143
(1) Demnach ordnet das Gericht an, dass die Kosten der Antragsteller, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, ganz oder zum Teil vom Antragsgegner zu erstatten sind, wenn dies unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens der Billigkeit entspricht. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, weil die Anträge in der Sache keinen Erfolg hatten. Die Kammer hält mit Blick auf die nunmehr entgegenstehende Auffassung des Oberlandesgerichts München im Beschluss vom 11.3.2020, Az. 31 Wx 341/17 (AG 2020, 440, 444 f. = ZIP 2020, 761, 762 ff. = WM 2020, 1028, 1034 ff.) an ihrer bisher vertretenen Auffassung zur Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin nicht mehr fest. Das Oberlandesgericht München begründet seine Auffassung im Wesentlichen damit, aus der Gesetzgebungsgeschichte (vgl. BT-Drucks. 15/371 S. 18) ergebe sich der Wille des Gesetzgebers, dass im Falle des Unterliegens die Antragsteller ihre Kosten zu tragen hätten. Eine regelmäßige Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin widerspreche danach dem Willen des Gesetzgebers, wonach die Kostentragungspflicht der Antragsteller im Falle des Unterliegens die Regel darstellen soll. Auch weist das Oberlandesgericht München neben diesem Argument darauf hin, das mit der Verteilung verbundene Kostenrisiko sei keinesfalls existenzbedrohend – ein Rechtsschutzverlust ist mit dieser Regelung nicht verbunden, weil sich die Antragsteller im Spruchverfahren nicht zwingend anwaltlich vertreten lassen müssen und an die Antragsbegründungspflicht vergleichsweise niedrige Anforderungen zu stellen sind. Infolge der Berechnung der Anwaltsgebühren auf der Grundlage von § 31 RVG und nicht aus dem vollen Geschäftswert ist das Kostenrisiko zudem überschaubar, weshalb eine unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes nicht angenommen werden kann. Die allgemeiner formulierte Vorschrift des § 81 Abs. 1 FamFG findet angesichts der Spezialregelung in § 15 Abs. 4 SpruchG a.F., die im Wesentlichen der Neuregelung in § 15 Abs. 2 SpruchG entspricht, keine Anwendung. Besondere Gründe, die eine hiervon abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind vorliegend nicht erkennbar.
144
(2) Der Antragsgegnerin steht indes kein Kostenerstattungsanspruch gegen die Antragsteller zu. Hierfür besteht keine Rechtsgrundlage, weil § 15 Abs. 4 SpruchG a.F. eine abschließende Regelung enthält und dort eine Erstattungspflicht hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners durch die Antragsteller nicht vorgesehen ist (so ausdrücklich BGH NZG 2012, 191, 193 f. = AG 2012, 173, 174 f. = ZIP 2012, 266, 268 f.= WM 2012, 280, 282 f. = DB 2012, 281, 282 f. = MDR 2012, 293 f.; OLG Frankfurt AG 2012, 417, 422 = Der Konzern 2012, 199, 211; LG München I, Beschluss vom 27.6.2014, Az. 5HK O 7819/09; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 15 SpruchG Rdn. 25; Klöcker/Wittgens in: Schmidt/Lutter, a.a.O., § 15 SpruchG Rdn. 21; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 15 SpruchG Rdn. 6; Steinle/Liebert/Katzenstein in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7 – Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (Corporate Litigation), a.a.O., § 34 Rdn. 74).
145
2. Die Entscheidung über den Geschäftswert hat ihre Grundlage in § § 15 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. SpruchG a. F., der ausweislich der Übergangsvorschrift des § 136 Abs. 5 Nr. 2 GNotKG gleichfalls zur Anwendung gelangt. Da die Anträge keinen Erfolg hatten, war der Mindestgeschäftswert von € 200.000,- festzusetzen.
146
Dieser Wert bildet aufgrund von § 6 Abs. 2 Satz 3 SpruchG auch die Grundlage für die von der Antragsgegnerin aufgrund von § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG geschuldete Vergütung des Gemeinsamen Vertreters.
147
3. Da aufgrund der Übergangsvorschrift in Art. 111 Abs. 1 FGG-RG auf Verfahren, die wie hier bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit am 1.9.2009 eingeleitet worden sind, weiterhin die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften anzuwenden sind, findet aufgrund der Regelung in § 17 Abs. 1 SpruchG die Vorschrift des § 39 FamFG vorliegend keine Anwendung. Eine vergleichbare Vorschrift enthielt das FGG nicht.