Titel:
Wiederbeschaffungswert, Abzug neu für alt, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Sachverständigengutachten, Geschäftsgebühr, Versicherungsbedingungen, Auslagenpauschale, Gegenstandswert, Elektronischer Rechtsverkehr, Abschleppkosten, Zahlungsaufforderung, Versicherungsschein, Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorsteuerabzug, Aufgabe zur Post, Leistungsausschluss, Straßenverkehrsrecht, Versicherungsnehmer
Leitsatz:
Es liegt ein versicherter Unfallschaden am Fahrzeug und kein Betriebsschaden vor, wenn ein Lkw bei einer Rückwärtsfahrt nach rechts von der Fahrbahn des Weges abkommt, dort auf Grund Nässe im unbefestigten Gelände neben dem Weg versinkt und umzukippen droht, nachdem der Fahrer durch mehrmaliges Vor- und Rückwärtsfahren versuchte, den Lkw wieder auf den Weg zu bringen. Durch das drohende Umkippen auf Grund des durchnässten Bodens verwirklichte sich für den Lkw nicht ein nach seiner Verwendung im gewöhnlichen Fahrbetrieb typisches Risiko, da es sich um ein außergewöhnliches Ereignis handelte, mit dem der Versicherungsnehmer nicht rechnen musste.
Schlagworte:
Unfall, Bergungskosten, Reifenschaden, Versicherungsbedingungen, Beweisaufnahme, Sachverständigengutachten, Selbstbeteiligung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 64479
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.848,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 745,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.08.2018 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.
5. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Für die Beklagte ist es im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 10.983,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Ersatz von Bergungs- und Abschleppkosten sowie Ersatz eines Reifenschadens aus Kfz-Versicherungsvertrag.
2
Die Klägerin betreibt eine Spedition in N., welche vorwiegend Silotransporte (Trockensilos, in welchen sich Putzmaterial befindet) vom Herstellerwerk zu den jeweiligen Baustellen ausführt.
3
Bei der Beklagten handelt es sich um die Kraftfahrtversicherung der Klägerin.
4
Zwischen den Parteien besteht unter der Policennummer … ein Kraftfahrtversicherungsvertrag. Dieser beinhaltet neben der Haftpflichtversicherung eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 €. Gemäß dem Fahrzeugwechselnachtrag vom 17.10.2016 ist der Lkw der Marke … mit dem amtl. Kennzeichen …, dessen Halterin die Klägerin ist, versichert.
5
Laut Versicherungsschein vom 11.07.2016 sowie dem Fahrzeugwechselnachtrag vom 17.10.2016 liegen der Kraftfahrtversicherung folgende Bedingungen zugrunde (auf die Anlage B 3 wird Bezug genommen):
- Allgemeine Bedingungen und Tarifbestimmungen für die Kfz-Versicherung von Nutz- und Flottenfahrzeugen (AFB-NF) KRB 260/03
- Sonderbedingungen für Premiumkasko KRB 262/01.
6
Nach Teil A Baustein Kaskoversicherung 1.3. besteht Versicherungsschutz in der Vollkaskoversicherung bei Beschädigung, Zerstörung, Totalschaden oder Verlust des Fahrzeuges einschließlich seiner mitversicherten Teile durch folgende Ereignisse:
- Ereignisse der Teilkaskoversicherung nach Nr. 1.2
- Mut- oder böswillige Handlungen.
7
Teil A Baustein Kaskoversicherung 1.3 (2) der AKB-NF definiert die Schadensursache Unfall wie folgt:
Versichert sind Unfallschäden am Fahrzeug. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis.
Keine Unfallschäden sind deshalb insbesondere:
- Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einem Bremsvorgang haben, z.B. Schäden an der Bremsanlage oder an den Reifen.
- Schäden am Fahrzeug, die ausschließlich aufgrund eines Betriebsvorgangs eintreten, z.B. durch falsches Bedienen, falsches Betanken oder verrutschende Ladung.
- Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einer Materialermüdung, Überbeanspruchung oder Abnutzung haben.
- Verwindungsschäden. Dies sind Schäden durch Verbiegen oder Verdrehen des Fahrzeugs in der Längsachse, z.B. aufgrund Krafteinwirkung zwischen Zugfahrzeug und Anhänger.
Vorhersehbare Beschädigungen des Fahrzeugs, die üblicherweise im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung des Fahrzeugs entstehen, gelten nicht als Unfallschaden. Beispiel: Schäden an der Ladeoberfläche eines Lkw durch Beladen mit Schotter.“
8
In Teil A Baustein Kaskoversicherung 2. (4) findet sich folgender Leistungsausschluss:
Kein Versicherungsschutz besteht für beschädigte oder zerstörte Reifen. Versicherungsschutz für Reifenschäden besteht jedoch, wenn durch dasselbe Ereignis gleichzeitig andere unter den Schutz des Bausteins Kaskoversicherung fallende Schäden am Fahrzeug verursacht werden.“
9
Auf die Anlage B 3 wird Bezug genommen.
10
In der Sonderbedingung Premiumkasko, Anl. K 2, auf die Bezug genommen wird, heißt es:
„Die Sonderbedingung Premiumkasko ergänzt die Regelungen in Bausteinkaskoversicherung ihre Versicherungsbedingungen für ihre ... Kfz-Versicherung von Nutz- und Flottenfahrzeugen (AKB-NF). Diese finden Anwendung, soweit nachfolgend nicht eine Sonderregelung getroffen wird.
Der Versicherungsschutz in der Vollkaskoversicherung, soweit nicht anderweitig Versicherungsschutz besteht, wird erweitert auf
1.1. Bergungs- und Abschleppkosten
Wir ersetzen die notwendigen und erforderlichen Bergungs- und Abschleppkosten für das versicherte Fahrzeug. Übersteigen diese Kosten zusammen mit den geschätzten Wiederherstellungskosten den ggf. um den Veräußerungswert verminderten Wiederbeschaffungswert/Neupreis, ersetzen wir Bergungs- und Abschleppkosten jedoch nur bis zu einer Höhe von jeweils 10.000,00 €. Abschleppkosten erstatten wir in jedem Fall nur für einen Transport bis zur nächstgelegenen zuverlässigen Fachwerkstatt. …“
11
Am 03.11.2017 transportierte der Fahrer des klägerischen Lkw, J. Z., ein mit Trockenputz befülltes Silo zu einer Baustelle nach T./W. Bei der Fahrt nach T. fuhr Herr Z. mit dem o.g. Lkw, der ein Gesamtgewicht von 32 Tonnen aufweist, über einen Waldweg. Nachdem ein Wenden in dem Waldstück für den Lkw nicht möglich war, entschied sich der Fahrer der Klägerin, mit dem Lkw rückwärts zu fahren.
12
Bei der Rückwärtsfahrt kam er mit dem Lkw nach rechts von der Fahrbahn des Weges ab und versank dort aufgrund Nässe im unbefestigten Gelände neben dem Weg. Der Fahrer der Klägerin versuchte zunächst, durch mehrmaliges Vor- bzw. geringfügiges Rückwärtsfahren sein Fahrzeug wieder auf den Weg zu ziehen. Hierdurch grub sich die rechte Seite des Lkws noch mehr in den durchnässten Boden ein, bis schließlich der Lkw nach rechts umzukippen drohte.
13
Herr Z. informierte daraufhin den Betriebsleiter der Klägerin, Herrn E. B., telefonisch von dem Vorgang, der daraufhin die Unfallstelle aufsuchte. Nachdem der Lkw keinesfalls durch eigenen Antrieb wieder auf die Straße zu bringen war und bei einem geringfügigen weiteren Absinken der rechten Seite ein Umkippen des Lkws zu erwarten war, wurde der Lkw durch ein Abschleppunternehmen geborgen. Herrn E. B. als Betriebsleiter der Klägerin beauftragte die Firma A. S. mit der Bergung des Lkws.
14
Die Firma A. S. stellte für die Bergung des Fahrzeugs 10.586,00 € netto in Rechnung.
15
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 19.03.2018 die Liquidation der Bergungskosten ab (Anlage K 9).
16
Mit Schreiben vom 27.03.2018 lehnte die Beklagte die Regulierung des ebenfalls geltend gemachten Reifenschadens ebenso ab (Anlage K 10).
17
Mit anwaltlichen Schreiben vom 17.08.2018 wurde die Beklagte nochmals zur Regulierung aufgefordert (Anlage K 11). Sie lehnte dies mit Schreiben vom 20.08.2018 wiederum ab (Anlage K 12).
18
Die Klägerin behauptet, dass sie mit ihren Fahrzeugen nahezu ausschließlich auf befestigten, insbesondere asphaltierten, Straßen fahre. Der geschilderte Vorgang habe gegen 11:00 Uhr stattgefunden. Herr Z. habe sich nach eigenen Angaben wegen einer Fehlleitung seines Navigationssystems verfahren.
19
Es habe bei einem Herausziehen des Lkws mit einem Kleinfahrzeug aufgrund der bestehenden Schieflage des Lkws dessen Umstürzen nicht ausgeschlossen werden können, weshalb zunächst mit einem Bagger der Weg im Bereich der Doppelachse links des Aufliegers etwas abgegraben worden sei, um beim Anfahren die Schieflage zu reduzieren. Weitergehend sei der Lkw durch einen Unimog mit Seilwinde und dem Bagger nach rechts zum Herausziehen gesichert worden, um das Umkippen zu verhindern. Nach Durchführung der Baggerarbeiten zur Abgrabung des Fahrweges und bei Sicherung durch den Unimog mit Seilwinde sei der Lkw wieder mit dem Berge-/Kranfahrzeug auf den Weg gezogen worden.
20
Für die Bergung des Lkw seien folgende Fahrzeuge zu benannten Stunden mit folgenden Einheitspreisen pro Stunde benötigt worden:
Fahrzeug
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Std.
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Preis/Std.
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Summe
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Berge-/Kranfahrzeug
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6 Std.
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340,00 €
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2.040,00 €
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Unimog
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6,5 Std.
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290,00 €
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1.885,00 €
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Schleppfahrzeug (23 to)
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7,5 Std.
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390,00 €
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2.925,00 €
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Tieflader An-/Abfahrt Bagger
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6,5 Std.
|
120,00 €
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780,00 €
|
Bagger
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6 Std.
|
100,00 €
|
600,00 €
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Werkstattwagen
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7 Std.
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120,00 €
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840,00 €
|
21
Weiterhin habe die Firma S. zur Bergung des Lkws insgesamt drei Mann benötigt, die jeweils 7 Stunden tätig gewesen seien. Für das Bergungspersonal sei ein Stundensatz von 46,00 € netto lt. Rechnung veranlasst gewesen. Nach der Bergung hätten die Gerätschaften mit einem Aufwand von 6 Stunden á 50,00 € netto gereinigt werden müssen. Die Anschlagmittelpauschale sei mit 250,00 € netto angefallen.
22
Nach dem Herausziehen sei festgestellt worden, dass der äußere Reifen der hinteren rechten Achse des Aufliegers durch einen im Erdreich befindlichen scharfen Stein aufgrund des erheblichen Seitendrucks beschädigt worden sei, indem die Seitenkarkasse aufgerissen worden sei.
23
Der Schaden für den beschädigten Reifen belaufe sich auf den Betrag von 397,00 € netto.
24
Die Klägerin meint, die Bergungskosten seien im bestehenden Vollkaskoversicherungsvertrag bei der Beklagten versichert und die erforderliche Bergung des Lkws sei durch ein unbeabsichtigtes Abkommen von der Straße verursacht. Der Lebenssachverhalt stelle einen Unfall im Rechtssinne dar. Die mechanische Gewalt könne vom Kraftfahrzeug selbst ausgehen und sei gegeben, sofern infolge einer heftigen Druckbewegung die natürliche Schwere des Fahrzeuges sich an ihm selbst auswirke. Eine Deckung bestehe insoweit bereits bei Schäden, die durch ein Versinken des Fahrzeuges aufgrund des eigenen Gewichts entstehen würden. Nach Auffassung der Klägerin würde ein Festfahren des Lkws im Rahmen des Betriebsrisikos erfordern, dass der Lkw bestimmungsgemäß Transporte im unbefestigten Gelände ausführe, was nicht der Fall sei. Das Abkommen von der Straße infolge eines Fahrfehlers des Fahrers der Klägerin könne keinesfalls als bestimmungsgemäße Verwendung eines Nutzfahrzeuges, somit nicht als Auswirkung des normalen Betriebsrisikos, bewertet werden.
25
Die angesetzten Preise für die Fahrzeuge, Arbeitslöhne etc. seien angemessen und zu verkehrsüblichen Preisen in Rechnung gestellt worden.
26
Die Klägerin macht außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten aus einem Gegenstandswert von 10.983,00 € aus einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale geltend.
27
Die Klägerin beantragt:
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.983,00 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2018 zu bezahlen.
- 2.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 805,20 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2018 zu bezahlen.
28
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
29
Die Beklagte behauptet, dass die Klägerin Transporte zu Bauvorhaben jedweder Art, also auch auf unbefestigtem Gelände, durchführe.
30
Die Beklagte meint, dass nach der Sachverhaltsschilderung der Klägerin kein Unfall und damit auch kein Versicherungsfall vorliege.
31
Es fehle an einem Unfall, da kein plötzlich von außen wirkendes Ereignis zu einem Schadenseintritt geführt habe. Vielmehr habe der Fahrer des klägerischen Lkw diesen aus eigenem Antrieb zurückgesetzt und dabei den Lkw festgefahren, so dass dieser schließlich habe geborgen werden müssen. Damit liege kein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis, sondern ein Betriebsschaden, vor, dessen Folgen aus dem versicherten Fahrzeug selbst heraus (Festfahren nach Rangiervorgang auf unbefestigten Weg) entstanden seien. Bei der hier gegebenen Fahrt durch ein Waldstück habe der Fahrzeugführer mit dem von ihm geführten Fahrzeug immer damit rechnen müssen, dass es zu einem Einsinken kommen werde, wenn er den geschotterten Weg verlasse. Es habe sich daher nur das normale Betriebsrisiko des Fahrzeugs verwirklicht. Ein fahrerisches Fehlverhalten, das an der Entstehung des Schadens mitwirke, stelle nicht die für einen deckungspflichtigen Unfall erforderliche Einwirkung von außen dar. Bei einem Einsinken fehle es an der Plötzlichkeit und an der erforderlichen von außen wirkenden mechanischen Gewalt. Fahrten im unbefestigten Gelände seien jedenfalls für den Transport von Trockensilos nichts Ungewöhnliches. Es habe sich das typische Risiko des normalen Betriebs verwirklicht. Schäden infolge Absackens auf weichem Boden seien als nicht versicherte Betriebsschäden anzusehen.
32
Bzgl. der Bergungs- und Abschleppkosten bestünden aufgrund eigener Nachkalkulation vorläufig lediglich erforderliche Kosten in Höhe von 1.923,00 € netto.
33
Der Reifenschaden sei vom Leistungsausschluss umfasst. Außerdem fehle es auch diesbezüglich schon am versicherten Ereignis „Unfall“. Zudem müsse es beim Reifen sowieso zu einem Abzug neu für alt kommen. Der Reifen habe in erheblichem Umfang Vorschäden erlitten und sei weitgehend abgenutzt gewesen, was sich aus dem Stollenprofil ergebe.
34
Jedenfalls sei die Selbstbeteiligung von 500,00 € zu berücksichtigen.
35
Zum weiteren Parteivortrag wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der öffentlichen Sitzung vom 21.02.2019, Bl. 51 ff d.A., und vom 30.07.2020, Bl. 132 ff d.A., Bezug genommen.
36
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Einvernahme der Zeugen E. B. und J. S. Auf den klägerseits benannten Zeugen J. Z. wurde seitens des Klägervertreters verzichtet. Zudem hat das Gericht die Geschäftsführerin der Klägerin informatorisch angehört. Zum Inhalt wird auf die Protokolle der öffentlichen Sitzung vom 21.02.2019, Bl. 51 ff d.A., und vom 30.07.2020, Bl. 132 ff d.A., Bezug genommen.
37
Weiter hat das Gericht Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. H. B., öffentlich bestellter und beeidigter Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle. Auf das schriftliche unfallanalytisch-technische Gutachten vom 25.02.2020, Bl. 79 ff d.A., wird Bezug genommen. Der Sachverständige hat sein Gutachten im Termin vom 30.07.2020 zudem mündlich erläutert und ergänzt. Auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 30.07.2020, Bl. 132 ff d.A., wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
38
Die zulässige Klage ist in Höhe eines Betrages von 9.848,75 € begründet, im Übrigen unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Bergungs- und Abschleppkosten ist grundsätzlich in Höhe von 10.348,75 € gegeben, wovon noch die Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 € in Abzug gebracht werden muss. Insbesondere liegt auch ein Unfall als Voraussetzung der Leistungspflicht vor. Die zu ersetzenden Kosten belaufen sich auf den ausgesprochenen Betrag. Der Reifenschaden ist im vorliegenden Fall nicht ersatzfähig.
39
Die Beweisaufnahme hat Folgendes ergeben:
40
I. Der Zeuge B. erklärte im Termin vom 30.07.2020 u.a. Folgendes (auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 30.07.2020, Bl. 133 ff d.A., wird Bezug genommen):
41
Am 03.11.2017 habe ihn Herr Z. angerufen. Er habe gesagt, dass es ein Problem auf dem Weg gegeben habe. Herr Z. sei nach seinem Wissen auf dem Weg zu einer Baustelle in der Nähe von F. gewesen, von R. aus. Sie hätten oft Waldbaustellen. Über diesen Weg wäre man zu der Baustelle gekommen. Der Unfall habe sich also auf dem Weg zur Baustelle ereignet. Er könne nicht sagen, ob Herr Z. den Weg schon vorher einmal gefahren sei. Herr Z. habe gesagt, dass er auf dem Weg gefahren und dann vom Weg abgekommen sei. Er sei den Berg nicht hochgekommen, sei dann rückwärts zurück gefahren und in den Graben hineingefahren. Beim Rückwärtsfahren sei er von der Fahrbahn abgekommen; man habe die Reifenspuren gesehen und gesehen, dass er rückwärts gefahren sei. Er habe zu weit nach rechts eingeschlagen. Der Weg sei nass gewesen. Er sei dann an einen Stein gefahren. Felge und Reifen seien kaputt gewesen. Herr Z. habe gesagt, dass der Reifen aufgearbeitet wäre und er nicht mehr herauskomme. Herr Z. habe erzählt, dass es einen „Buscherer“ getan habe und es den Reifen herausgehauen habe, womit er meine, dass die Luft herausgegangen sei. Es sei der letzte Reifen an der Antriebsachse auf der rechten Seite, der Beifahrerseite, beschädigt gewesen. Die Felge sei beschädigt, leicht eingedellt, gewesen, er denke durch den Stein. Der Reifen sei durch den Stein aufgeschlitzt gewesen.
42
Herr Z. habe ihm dann Bilder vom Lkw geschickt. Als er diese gesehen habe, sei er hingefahren. Der Lkw sei so nicht herauszubekommen gewesen. Er habe dann Herrn S. angerufen. Dieser habe dann den Lkw zunächst gesichert, da er schräg gestanden sei. Am nächsten Tag sei dann Herr S. mit verschiedenen anderen Fahrzeugen gekommen, u.a. mit einem Traktor.
43
Am 1. Tag sei der Lkw gesichert worden. Herr S. sei mit dem Auto da gewesen. Es sei dann der Lkw mit schwerem Gurt am Baum gesichert worden. Am nächsten Tag sei Herr S. mit einem Bagger, einem Traktor, einem Tieflader und einem Unimog mit Seilwinde gekommen. Es sei dann auch der Weg aufgegraben worden.
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Es sei dann in Berge- und Kranfahrzeug mit einem Autokran gekommen. Damit habe Herr S. aber nichts ausrichten können. Dann seien noch ein Unimog mit Seilwinde und ein Schleppfahrzeug, nämlich ein großer Traktor und auch ein großer Bagger, gekommen. Dieser Bagger sei auf einem Tieflader drauf gewesen. Herr S. habe seinen Bus mit dabei gehabt, also den Werkstattwagen, in dem z.B. die Gurte seien. Es seien drei Mann und Herr S. gekommen. Am 1. Tag habe es ungefähr sechs Stunden gedauert, bis Herr S. da gewesen sei. Es sei ein weiter Weg gewesen. Herr S. sei mindestens zwei bis drei Stunden am 1. Tag da gewesen; genau könne er das aber nicht angeben, wie lange. Am 2. Tag sei er vom Vormittag bis späten Nachmittag da gewesen. Wie viele Stunden, wisse er nicht. Er sei jedenfalls den ganzen Tag da gewesen.
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II. Der Zeuge S. bekundete im Termin vom 30.07.2020 u.a. Folgendes (auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 30.07.2020, Bl. 135 ff d.A., wird Bezug genommen):
46
Er sei von der Firma B. verständigt worden. Diese habe ihm mitgeteilt, dass ein Lkw kurz vor dem Umkippen sei, der an einem Feldweg abgerutscht sei. Das genaue Datum könne er nicht mehr sagen. Er wisse noch, dass es an einem Freitag gewesen sei, nachmittags gegen 14/15 Uhr. Er sei dann mit einem Kran zur Unfallstelle gefahren. Es habe sich dann aber gezeigt, dass es unmöglich gewesen sei, mit dem Kran das Fahrzeug zu bergen, da es ein Waldstück gewesen sei und der Kran wäre da nicht vorbeigekommen wäre. Sie hätte es dann probiert, es sei dann aber schon 16 oder 17 Uhr gewesen und sie hätten sich entschieden, den Lkw jetzt zunächst zu sichern. Sie hätten ihn dann an den Bäumen mit Spanngurten gesichert und vereinbart, dass er dann am nächsten Tag, am Samstag, geborgen werden solle. Es habe geheißen, dass der Lkw durch das Navi in das Waldgrundstück hineingeführt worden sei. Am Samstag hätten sie dann den Bagger auf der linken Seite gesichert, das Erdreich weggemacht und ihn mit Unimog und Seilwinde gesichert. Sie seien dann hinten mit dem Bagger hin und hätten ihn angehängt im Schrägzug. Sie seien über das Waldstück von außen mit dem Geländefahrzeug herumgefahren, hätten dieses links platziert mit Schrägzug und hätten so dann den Lkw geborgen und bis auf die befestigte Straße gebracht. Dort habe die Firma B. dann noch den Reifen gewechselt. Am 1. Tag habe das Ganze 4 bis 5 Stunden gedauert. Am 2. Tag seien sie 8 Uhr dort gewesen und seien gegen 14/15 Uhr wieder zurück gewesen. Genau könne er das nicht angeben. So viele Stunden, wie auf der Rechnung stünden, seien sie draußen gewesen. Es sei ein Berge- und Kranfahrzeug dabei gewesen, ein Unimog, ein Schleppfahrzeug 23 Tonnen, ein Tieflader für die An- und Abfahrt des Baggers, ein Bagger und ein Werkstattwagen. Wie viele Leute sie genau gewesen seien, wisse er nicht mehr. Das ergebe sich aus der Rechnung. Drei Mann und er würden hinkommen.
47
Es sei dort ein aufgeweichter Boden gewesen, weswegen die ganzen Gerätschaften danach noch hätten gereinigt werden müssen. Er wisse nicht mehr genau, wie lange das gedauert habe. Sie hätten nur einen Dampfstrahler. Pro Gerät dauere es dann schon 1 bis 1 1/2 Stunden. So, wie es auf der Rechnung stehe, so lange habe es dann gedauert. Es sei so, dass sie eine Arbeitskarte führten und diese dann im Büro abgegeben und daraus dann die Rechnung anhand des tatsächlichen Aufwandes erstellt werde.
48
Er wisse nicht mehr, ob einer oder mehrere Reifen kaputt gewesen seien. Es sei so gewesen, dass definitiv in einem Reifen keine Luft gewesen sei, hinten rechts. Da sei das Fahrzeug dann auch eingesunken gewesen, rechts. Der Fahrer sei rückwärts gefahren und dann nach rechts abgekommen. Vielleicht sei er irgendwo hinan gefahren, vielleicht an einem Baumstumpf. Die hinteren zwei Achsen rechts seien jedenfalls total drin gehangen. Er denke, dass auch die Felge beschädigt gewesen sei. Dort seien ein Baumstumpf und auch Steine gewesen. Der Baumstumpf sei dann auch bei dem Reifen dran gewesen. Er denke, dass der Fahrer da wohl an einen Baumstumpf oder die Steine hinan gefahren sei.
49
III. Auf den klägerseits benannten Zeugen Z. wurde seitens der Klagepartei verzichtet.
50
IV. Der Sachverständige Prof. Dr. H. B., öffentlich bestellter und beeidigter Sachverständiger für das Fachgebiet Straßenverkehrsunfälle, zertifiziert für das Fachgebiet Kraftfahrzeugschäden und Bewertung, äußerte sich in seinem schriftlichen unfallanalytischen und technischen Sachverständigengutachten vom 25.02.2020, Bl. 79 ff d.A., dahingehend, dass er die Vorfallstelle besichtigt, vermessen und fotografiert habe. Der streitgegenständliche Vorfall habe sich auf einem knapp drei Meter breiten Waldweg ereignet. In Fahrtrichtung des klägerischen Lkw steige das an den Waldweg links angrenzende Gelände stark an, am rechten Rand falle es stark ab.
51
Zum Bergungszeitpunkt sei der klägerische Lkw mit den rechten Rädern ins Gelände eingesunken; die linken Hinterräder hätten sich in der Luft befunden. Es habe sich um eine schwierige und komplexe Bergung gehandelt.
52
Die von der Firma A. S. zur Bergung des klägerischen Lkw eingesetzten Fahrzeuge seien besichtigt worden. Es handle sich um neuwertige und gepflegte Fahrzeuge nach dem aktuellen Stand der Technik.
53
Der von der Firma A. S. in der Rechnung vom 16.11.2017 angesetzte Zeitbedarf sei technisch nachvollziehbar und korrekt. Dies gelte auch weitgehend für die angesetzten Stundensätze, die auf Basis der Preis- und Strukturumfrage 2016 des Verbandes der Bergungs- und Abschleppunternehmer e.V. geprüft worden seien. Der in der Rechnung angegebene Stundensatz für den eingesetzten Unimog sei nach der genannten Umfrage zu hoch und um 36,5 €/Std. nach unten zu korrigieren. Hieraus ergebe sich eine Kürzung der vorgelegten Rechnung um 237,25 €, woraus sich Gesamtkosten in Höhe von 10.348,75 € netto bzw. 12.315,01 € ergeben würden.
54
Zum Unfallzeitpunkt sei der klägerische Lkw 13 Monate alt gewesen. Hieraus folge ohne jede weitere Rechnung, dass der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs dessen Restwert zzgl. Bergungs- und Reparaturkosten um ein Vielfaches übersteigt. Ein wie auch immer gearteter Totalschaden liege nicht vor.
55
V. Der Sachverständige Prof. Dr. H. B. teilte im Termin vom 30.07.2020 in Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens unter Bezugnahme auf selbiges u.a. noch Folgendes mit (auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 30.07.2020, Bl. 136 ff d.A., wird Bezug genommen):
56
Bei dem Fahrzeug der Klägerin handele es sich um einen …. … stehe für die „Baustellenbaureihe“ der Firma …, d.h. das Fahrzeug sei ausgesprochen baustellentauglich. Nach der Datenkarte zu dem Lkw, die er sich habe kommen lassen, handele es sich bei dem Fahrzeug um ein voll geländegängiges Offroad-Fahrzeug, dass entsprechend ausgerüstet sei. So würden von den vier Achsen des Lkws zwei angetrieben, nämlich die hinteren. Die hinteren Achsen seien jeweils mit Zwillingsbereifungen versehen, so dass insgesamt acht Räder an der Hinterachse vorhanden seien, die auch angetrieben würden. Die Maschine des Fahrzeugs sei ein 6-Zylinder-Reihenmotor mit 12,8 Liter Hubraum und einer Leistung von 449 PS, sodass hier auch rein motortechnisch schwereres Gelände befahren werden könne. Das Fahrzeug sei als Fahrzeugklasse N3G, d.h. als Geländefahrzeug, klassifiziert und weise einen vorderen Überhang von 25 Grad auf, der ebenfalls an der Hinterachse gegeben sei. Der Rampenwinkel vorne und hinten betrage demnach auch 25 Grad. Die Vorderachse weise eine Bodenfreiheit von 250 mm (Minimum) auf, ebenso die Hinterachse. Zwischen den Achsen betrage die Bodenfreiheit des Fahrzeugs 300 mm. Das bedeute, dass es sich um ein voll geländegängiges Fahrzeug handle.
57
Die Unfallstelle bzw. die Fahrstrecke des Lkws sei von ihm am 26.07.2020 nochmals abgefahren worden. Hierüber habe er einen Film erstellt, den er gerade in der Verhandlung gezeigt habe. Es seien ferner Lichtbilder gefertigt worden. In Bezug auf die Fahrstrecke sei wesentlich, dass der Lkw-Fahrer die Ortschaft T. durchquert habe und dann nach rechts in die …straße abgebogen sei. Der einzige Hinweis, dass es hier eine gefährliche Situation geben könnte, sei durch das Schild „Sackgasse“ am Anfang der B. gegeben. Nach mehreren 100 Metern Fahrtstrecke in der B. komme rechts ein Parkplatz. Auf diesem Parkplatz hätte der Lkw-Fahrer noch wenden können. Nach dem Passieren des Parkplatzes hätte der Lkw-Fahrer, um wenden zu können, jeweils in die Wiesen links oder rechts der Fahrbahn abfahren müssen. Er hätte sich aber dann allerdings blind darauf verlassen müssen, dass die Festigkeit des Unterbodens so hoch ist, dass er mit seinem 37 Tonnen schweren Fahrzeug nicht versinken wird. Aus technischer Sicht hätte er demnach auf der Fahrbahn verbleiben müssen, um ein Einsinken zu vermeiden.
58
Unmittelbar nach der Unfallstelle steige das Gelände stark an. Hier sei eine Steigung von 22 % vorhanden. Gehe man von den Angaben des Zeugen B. in der heutigen Verhandlung aus, so sei zum Zeitpunkt des hier in Rede stehenden Vorfalls die Fahrbahn nass gewesen. Um die 22 % Steigung befahren zu können, sei bei dem hier vorliegenden Fahrzeug ein Reibwert an der Hinterachse von 0,5 erforderlich. Es sei davon auszugehen, dass bei nasser Fahrbahn der Reibwert zwischen Reifen und Fahrbahn in der Steigung zwischen 0,3 und 0,4 (Nü = 0,3 bis 0,4) betrage. Das bedeute, dass die Steigung durch den Lkw nicht mehr habe befahren werden können. Insofern sei es nachvollziehbar, dass der Lkw-Fahrer versucht habe, die Steigung rückwärts wieder zu verlassen, um zu verhindern, dass sein Fahrzeug in der Steigung abrutsche. Auf den Lichtbildern von der Unfallspuren seien auch entsprechende Spuren eines Rückwärtsfahrens zu erkennen. Im weiteren Verlauf gehe die hier verhältnismäßig schlechte, jedoch befestigte Fahrbahn, sei das Erstgutachten dahingehend zu korrigieren, dass es sich um eine befestigte Fahrbahn handele, die allerdings nur sehr schwer als befestigt zu erkennen sei – in eine deutlich bessere, ebenfalls geschotterte Fahrbahn über. Der Übergang von einer geschotterten Fahrbahn in eine asphaltierte Fahrbahn erfolge etwa 2 km nach der Unfallstelle. Hier könne nach links abgebogen werden. Nach rechts sei für ein Schwerfahrzeug das Abbiegen verboten.
59
Zu ergänzen sei noch, dass das Schild „Durchfahrt verboten, frei für Forstverkehr“, sich nach der Vorfallstelle befinde, gesehen in Fahrtrichtung des Lkws. Im Übrigen sei zu sagen, dass der Lkw-Fahrer dieses Schild hätte ignorieren müssen, da ein Rückwärtsfahren über mehrere Kilometer aus seiner Sicht nicht möglich sei.
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Nach Angaben der Geschäftsführerin der Klägerin habe der Lkw in F. abladen sollen. Die Ortschaft sei von der Ortschaft T. etwa 10 km entfernt. Um diese zu erreichen, müsse der hier genutzte Weg nicht benutzt werden.
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Der hier benutzte Weg sei etwa 3 Meter breit, so dass aufgrund der Fahrzeugbreite von 2,55 Meter nach links und rechts etwa 20 cm verbleiben würden. Rein auf die Breite bezogen, hätte der Weg durch den Lkw genutzt werden können. Der Lkw hätte auch bei trockener Fahrbahn die Steigung von 22 % problemlos bewältigen können. Insgesamt hätte das Fahrzeug bei trockener Fahrbahn den hier vorliegenden Weg problemlos befahren können.
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Aus den Spuren, die auf den Lichtbildern zur Unfallstelle erkennen seien, sei abzuleiten, dass der Lkw-Fahrer rückwärts gefahren sei und dann nach rechts von der Fahrbahn in das sich daneben befindliche Erdreich abgekommen sei. Hier sei das Fahrzeug dann mit sämtlichen Achsen im Erdreich versunken, und zwar so weit, dass ein Kippen des Fahrzeugs im Raum gestanden habe.
63
VI. Das Gericht erachtet die Zeugen B. und S. als glaubhaft und deren Angaben als glaubwürdig, den Zeugen B. auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er in familiärer Verbundenheit zur Geschäftsführerin der Klägerin steht. Widersprüche haben sich für das Gericht nicht aufgetan. Die Zeugen haben keinen besonderen Eifer in ihre Aussage gelegt, sondern den Hergang neutral, sachlich und ruhig geschildert. Die Zeugen machten auch deutlich, wenn sie etwas nicht mehr genau angeben konnten oder wenn sie gewisse Unsicherheiten hatten. Deren Angaben konnten der Beurteilung daher ohne Weiteres, auch als Anknüpfungspunkte für die Bewertung durch den Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. B., zugrunde gelegt werden.
64
Weiterhin folgt das Gericht den schlüssigen, nachvollziehbaren und in sich widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. B. vollumfänglich und schließt sich diesen nach Prüfung aus eigener Überzeugung an. Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen und Darlegungen haben sich für das Gericht nicht ergeben. Für das Gericht waren die Ausführungen des Sachverständigen zu den Örtlichkeiten, Wegemerkmalen und notwendigen Maßnahmen nach dem Unfall einleuchtend und plausibel. Der Sachverständige erläuterte verständlich, wie er zu seiner Einschätzung kam. Das Gericht war damit in der Lage, sich auf Grund eigener Würdigung hiervon ein Bild zu machen.
65
VII. Hiernach steht zur Überzeugung des Gerichts insbesondere folgender Kern-Ablauf der Schadensentstehung fest (der teilweise ohnehin unstreitig ist):
66
Der klägerische Lkw war auf einem befestigten Waldweg zu einer Baustelle hin unterwegs. Die Fahrbahn war nass. Im Bereich einer Steigung des Weges von 22 % konnte der Lkw, durch die Nässe der Fahrbahn bedingt, die Steigung nicht befahren. Bei trockener Fahrbahn hätte er den benutzten Weg problemlos befahren können, also insbesondere auch die Steigung von 22 % problemlos bewältigen können. Der Fahrer des Lkws versuchte dann, die Steigung rückwärts zu verlassen, wobei er dann beim Rückwärtsfahren nach rechts von der Fahrbahn in das daneben befindliche aufgeweichte Erdreich abkam und das Fahrzeug dann dort im aufgeweichten Erdreich versank soweit, dass ein Kippen im Raum stand. Beim Rückwärtsfahren geriet der Lkw dort zudem im abseits des Weges befindlichen Bereich an einen Stein oder Baumstumpf, so dass der Reifen hierdurch beschädigt wurde.
67
Vom Ergebnis der Beweisaufnahme ausgehend kommt das Gericht vorliegend zur Ersatzpflicht der Bergungskosten in der ausgesprochenen Höhe von 10.348,75 €. Davon ist die Selbstbeteiligung in Höhe von 500.000 € abzuziehen. Es ergibt sich ein Betrag von 9.848,75 €. Der klägerische Lkw wurde am 03.11.2017 durch einen Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen beschädigt. Der Reifenschaden ist demgegenüber vom Versicherungsschutz ausgenommen.
68
I. Ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen ist gegeben.
69
Nach Teil A, Baustein Kaskoversicherung, 1.3. der Versicherungsbedingungen für Ihre … Kfz-Versicherung von Nutz- und Flottenfahrzeugen (AKB-NF) (FKRB 260/03), Anlage B 3, im Folgenden: AKB, besteht Versicherungsschutz in der Vollkasko bei Beschädigung, Zerstörung, Totalschaden oder Verlust des Fahrzeugs einschließlich seiner mitversicherten Teile durch folgende Ereignisse: Ereignisse der Teilkaskoversicherung, Unfall und mut- oder böswillige Handlungen.
70
Ein Unfall liegt nach Teil A, Baustein Kaskoversicherung, 1.3. (2) der AKB vor bei einem unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkenden Ereignis.
71
Keine Unfallschäden sind nach Teil A, Baustein Kaskoversicherung, 1.3. (2) der AKB Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einem Bremsvorgang, in einer Materialermüdung, Überbeanspruchung oder Abnutzung haben, sowie Verwindungsschäden, was allesamt vorliegend nicht der Fall ist. Weiter sind keine Unfallschäden Schäden am Fahrzeug, die ausschließlich auf Grund eines Betriebsvorgangs eintreten, z.B. durch falsches Bedienen, falsches Betanken oder verrutschende Ladung. Eine vorhersehbare Beschädigung des Fahrzeugs, die ebenfalls nicht als Unfallschaden gilt, ist nicht gegeben.
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1. Unmittelbarkeit bedeutet, dass zwischen dem Schadensereignis und der Einwirkung auf das Fahrzeug ein enger ursächlicher Zusammenhang bestehen muss; das Unfallereignis selbst muss den Schaden herbeigeführt haben und es darf zwischen dessen Kausalität und dem Erfolgseintritt keine (andere) Zwischenursache liegen. Eine solche Zwischenursache ist nicht darin zu sehen, dass menschliches Verhalten den Unfall verursacht hat, z.B. wenn das versicherte Fahrzeug deswegen mit einem Baum kollidiert, weil der Fahrer nach einem Reifenschaden die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hat (zum Ganzen: Langheid/Wandt-Krischer, Münch-Komm-VVG, 2. Aufl., 2017, 420. Kaskoversicherung Rn. 83).
73
Hiervon ausgehend ist eine Unmittelbarkeit gegeben. Unmittelbare Ursache des Unfalls ist die das Abkommen von der befestigten Fahrbahn beim Rückwärtsfahren unter Kontakt mit dem aufgeweichten Boden im unbefestigten Bereich unter Kollision mit dem Stein.
74
2. Mit mechanischer Gewalt bedeutet, dass es sich um eine nach der technischen Lehre von der Bewegung und dem Gleichgewicht der Körper, also um eine mittels Zug, Druck oder Stoß, verursachte Krafteinwirkung handelt, die sich gegen das Fahrzeug richtet oder von ihm ausgeht (Langheid/Wandt-Krischer, MünchKomm-VVG, 2. Aufl., 2017, 420. Kaskoversicherung Rn. 85).
75
Auch diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Es kam durch Kontakt mit dem aufgeweichten Boden im unbefestigten Bereich des Weges zu einem Einsinken und durch den Kontakt mit dem Stein oder Baumstumpf zu einem Druck oder Stoß, der zur Beschädigung führte.
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3. Das Merkmal der Plötzlichkeit schließt begrifflich einen Unfall aus, wenn der eingetretene Schaden auf einer allmählichen, sich prozesshaft über einen längeren Zeitraum erstreckenden Entwicklung beruht. Es muss sich um ein innerhalb einer kurzen Zeitspanne ablaufendes Schadensereignis handeln. Die zugrunde liegende Unfallursache kann schon seit längerer Zeit bestehen; entscheidend ist, dass sie sich in einem plötzlich eingetretenen Schaden auswirkt (Langheid/Wandt-Krischer, MünchKomm-VVG, 2. Aufl., 2017, 420. Kaskoversicherung Rn. 87).
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Hiervon ausgehend ist die Plötzlichkeit nicht fraglich. Der Schaden entwickelte sich innerhalb eines kurzen überschaubaren Zeitraums. Auch wenn der Lkw-Fahrer zunächst durch Hin- und Herbewegungen versuchte, sich aus dem Erdreich zu befreien, war dies jedoch zeitlich schon nachgelagert; die Schadensursache war bereits der Kontakt mit dem aufgeweichten Boden und dem Stein oder Baumstumpf.
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4. Letztlich liegt auch eine Einwirkung von außen vor. Es handelt sich nicht um eine Schadensursache aus dem Fahrzeug selbst oder um eine Folge eines Betriebsvorgangs; ein Betriebsschaden ist nicht gegeben.
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a) Von außen kommt die Einwirkung, wenn die Einwirkung nicht auf einen inneren Betriebsvorgang zurückgeht, wenn es sich also nicht um eine Einwirkung handelt, die sich gleichsam autark aus dem Fahrzeug selbst und als ausschließliche Folge des Betriebsvorgangs entwickelt hat (zum Ganzen: Langheid/Wandt-Krischer, MünchKomm-VVG, 2. Aufl., 2017, 420. Kaskoversicherung Rn. 84). Eine Einwirkung kommt von außen, wenn äußere Umstände eine – nicht bloß den Gebrauch ermöglichende – Rolle gespielt haben. An einer Einwirkung von außen fehlt es bei Brems-, Betriebs-, Abnutzungs- und Verwindungsschäden (Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., 2018, AKB 2015 A.2.2.2., Rn. 3). Das Auffahren auf ein Hindernis ist ein von außen einwirkendes Ereignis (Prölss/Martin-Klimke, VVG, 30. Aufl., 2018, AKB 2015 A.2.2.2 Rn. 3 unter Rekurs auf BGH, VersR 1981, 450).
80
Bedingungsgemäß sind Betriebsschäden vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Betriebsschäden sind alle Schäden, die durch falsche Bedienung des Fahrzeugs unmittelbar entstehen (Prölss/Martin-Klimke, VVG, 30. Aufl., 2018, AKB 2015 A.2.2.2 Rn. 101 m.w.N.)., jedoch nur, wenn diese nicht ihrerseits zu einem Unfall führen. Ebenso sind Betriebsschäden solche Schäden, in denen sich die Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug bei seiner konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, die sich also als Verwirklichung des normalen Betriebsrisikos darstellen (zum Ganzen: Berz/Burmann-Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 38. EL Dezember 2017, C. Rn. 101 m.w.N.).
81
Ein Betriebsschaden stellt sich dar als ein am Fahrzeug eingetretener Schaden, der auf einem Betriebsvorgang beruht. Es soll über den Unfallbegriff ein außergewöhnliches Ereignis versichert sein. Daher sind in den Versicherungsschutz Risiken nicht einzubeziehen, die sich aus einem spezifischen, über die normale Unfallgefahr hinausgehenden Verwendungszweck des Fahrzeugs ergeben (Langheid/Wandt-Krischer, MünchKomm-VVG, 2. Aufl., 2017, 420. Kaskoversicherung Rn. 89, 94). Hierbei ist als Beispiel eine Holzerntemaschine aufgeführt, welche auf einem Waldweg gegen einen Baumstumpf fährt, so dass eine Achse beschädigt wird. Ist der Schaden während der Fahrt auf einem Waldweg zum Einsatzort eingetreten, ist von einem versicherten Unfall auszugehen, wohingegen bei einem Schadenseintritt während der Holzernte ein nicht versicherter Betriebsschaden vorliegt (Langheid/Wandt-Krischer, MünchKomm-VVG, 2. Aufl., 2017, 420. Kaskoversicherung Rn. 94 unter Rekurs auf OLG Stuttgart, VersR 2007, 1121). Es sollen Schädigungen, mit denen der Versicherungsnehmer nicht rechnet und die er deshalb auch bei seiner Kalkulation nicht berücksichtigen kann, als versicherter Unfall gelten (Langheid/Wandt-Krischer, MünchKomm-VVG, 2. Aufl., 2017, 420. Kaskoversicherung Rn. 95 unter Rekurs auf BGH, VersR 1969, 32, m.w.N., auch zur a.A.). Bei Baustellenfahrzeugen u.ä. soll maßgebend für die Unterscheidung zwischen versichertem Unfall und nicht versichertem Betriebsschaden der Verwendungszweck des Fahrzeugs sein. Ein nur durch die normale Geländebeschaffenheit verursachter Schaden ist nicht versichert, sofern er die ausschließliche Folge einer für den Bestimmungszweck des Fahrzeugs typischen Verwendung ist. Anders sind die Fälle zu beurteilen, in denen die Einwirkung auf das Fahrzeug auf einem besonderen Ereignis im Gelände beruht (zum Ganzen Langheid/Wandt-Krischer, MünchKomm-VVG, 2. Aufl., 2017, 420. Kaskoversicherung Rn. 96 f m.w.N.).
82
Maßgeblich ist, ob es sich bezogen auf die beabsichtigte konkrete Verwendung des Fahrzeugs um ein vorhersehbares oder um ein außergewöhnliches Ereignis handelt, mit dem der Versicherungsnehmer nicht rechnen musste (Buschbell/Baumann, MAH Straßenverkehrsrecht, 4. Aufl., 2015, § 46 Rn. 8 m.w.N.).
83
Die Abgrenzung des nicht versicherten Betriebsschadens gegenüber dem versicherten sonstigen Schaden bereitet seit jeher Schwierigkeiten, weil der Begriff Betriebsschaden unscharf ist. Letztlich sind die versicherten Unfallschäden solche, die hauptsächlich beim Betrieb des Kfz entstehen. Beim Versuch einer Abgrenzung wird der Begriff „Betrieb“ eng gefasst, so dass es auf den speziellen Verwendungszweck des Fahrzeugs im Augenblick des Schadenseintritts ankommen soll (zum Ganzen: OLG Nürnberg, Urteil vom 28.11.1996, 8 U 2337/96, r+s 1997, 53, m.w.N.).
84
Es handelt sich im Zweifel um nicht dem Versicherungsschutz unterliegenden Betriebsschäden, wenn sich für ein Fahrzeug ein nach seiner Verwendung gewöhnliches und zu erwartendes Risiko verwirklicht. Nur wenn sich ein auch für den üblichen Betrieb im Rahmen der vorgesehenen Nutzung des Fahrzeugs nicht zu erwartendes, unvorhersehbares Risiko verwirklicht, liegt kein Betriebsschaden, sondern eine der Deckungspflicht unterfallende Schädigung durch einen Unfall vor (OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 18.02.1993, 12 U 207/92, LSK 1995, 050293).
85
b) Im vorliegenden Fall hat sich die Schadensursache nicht aus dem Fahrzeug selbst heraus entwickelt. Ursache des Schadens war das Abkommen vom befestigten Weg beim Rückwärtsfahren und hieraus folgend das Einsinken im aufgeweichten Boden und die Kollision mit dem Stein oder Baumstumpf. Der Fahrer des klägerischen Lkws fuhr auf ein Hindernis auf bzw. kam von der Befestigung ab. Der Schaden hat sich nicht durch eine Falschbedienung des Fahrzeugs unmittelbar entwickelt, sondern hatte seine Ursache in der Beschaffenheit des Untergrundes und im Vorhandensein des Steins. Es hat sich auch keine Gefahr verwirklicht, der das Fahrzeug bei seiner konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist. Es hat sich nicht ein übliches, normales Risiko des Verwendungszwecks des Fahrzeugs verwirklicht. Der Schaden ist eingetreten, weil der Weg nass war, so dass die Steigung vom Fahrzeug nicht mehr bewältigt werden konnte, so dass der Fahrer gezwungen war, rückwärts zu fahren, was nicht der üblichen Verwendung des Lkws entspricht, zumindest nicht über längere Strecken. Hierdurch verließ er unbeabsichtigt die Befestigung des Weges und kollidierte dort mit einem Stein und versank im Untergrund. Der Lkw ist nicht normalerweise bestimmungsgemäß auf unbefestigten Wegen in einer Rückwärtsfahrbewegung unterwegs, wenngleich das Gericht nicht verkennt, dass er mit Allradantrieb und geländegängig ausgestattet ist. Auch das oben zitierte Beispiel mit der Holzerntemaschine zeigt, dass auch ein geländegängiges Fahrzeug bei einer Kollision mit einem zu einem Schaden führenden Gegenstand, der sich im Gelände befindet, einen versicherten Unfall erleidet und kein Betriebsschaden vorliegt. Es liegt auch kein Schaden während des Abladens o.ä. vor, sondern auf dem Weg zur Baustelle, auch wenn dies möglicherweise eine Waldbaustelle war. Es handelte sich nicht um einen durch die normale Geländebeschaffenheit verursachten Unfall. Unter normalen Umständen hätte der Lkw die Steigung bewältigen können. Zumindest ist der Schaden nicht ausschließliche Folge einer für den Bestimmungszweck des Fahrzeugs typischen Verwendung. Die Einwirkung auf den Lkw beruhte auf einem besonderen Ereignis im Gelände, nämlich der Feuchte und damit einhergehenden Nichtbewältigung der Steigung, dem Nichtvorhandensein einer Wendemöglichkeit, der dadurch veranlassten Rückwärtsfahrt mit Einsinken im Untergrund und der Kollision mit einem Stein oder Baumstumpf. Es handelt sich dabei um eine Verkettung unglücklicher Umstände, damit um einen Vorfall, der sich in seinen Gesamtumständen als außergewöhnlich darstellte, der unabsehbar war und mit dem die Klägerin nicht rechnen musste.
86
So liegt auch kein Betriebsschaden, sondern ein Unfallschaden vor, wenn das Fahrzeug auf Grund eines Bedienungsfehlers instabil wird, in den Graben stürzt und hierbei beschädigt wird (Buschbell/Baumann, MAH Straßenverkehrsrecht, 4. Aufl., 2015, § 46 Rn. 8 m.w.N.). Diese Konstellation ist mit der hier gegebenen zumindest vergleichbar.
87
Des Weiteren ist anzuführen, dass nicht ausschließlich auf den Betriebsvorgang zurückzuführen und damit nicht ausgeschlossen Schäden sind, die dadurch entstehen, dass der Vorgang (also etwa ein Bedienungsfehler) zu einer Einwirkung von außen und damit zu einem Unfall führt, z.B. bei einem Umkippen des Fahrzeug (Prölss/Martin-Klimke, VVG, 30. Aufl., 2018, AKB 2015 A.2.2.2 Rn. 18 m.w.N.). Hier führte das Rückwärtsfahren mit Abkommen vom befestigten Weg dazu, dass der Lkw in den Boden versank und ein Reifen mit einem Stein oder Baumstumpf kollidierte.
88
So handelt es sich beim Umstürzen eines zum Transport von Bauschutt eingesetzten Lkws beim Abkippen der Ladung mit hochgezogener „Laderampe“, weil der Untergrund plötzlich nachgibt, auch nicht um einen Betriebsschaden (OLG Nürnberg, Urteil vom 28.11.1996, 8 U 2337/96, r+s 1997, 53).
89
Weiter wurde auch im Falle eines ins Rollen geratenen und in einen Fluss kippenden Kraftfahrzeugs der Aufprall auf der Wasseroberfläche als mechanische Einwirkung auf das Fahrzeug gesehen und ein Betriebsschaden nicht festgestellt (OLG Oldenburg, Urteil vom 15.05.1991, 2 U 37/91, NJW-RR 1991, 1246).
90
Es handelte sich bei dem eingesetzten Lkw auch nicht um ein gerade im Betrieb in seinem originären Einsatzfeld befindliches Baufahrzeug, nämlich auf einer Baustelle bzw. am Abladeort des Trockensilos, sondern um eine Einwirkung auf dem Weg dahin. Der Lkw war nicht bestimmungsgemäß in einem nicht ausreichend verdichteten Erdreich eingesetzt, was einen Betriebsschaden darstellen würde (zum Ganzen: Berz/Burmann-Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 38. EL Dezember 2017, C. Rn. 101 m.w.N.). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
91
Auch das OLG Hamm, Urteil vom 13.06.1990, 20 U 43/90, NZV 1990, 436, hat Vollkaskoschutz angenommen in einem Fall, in welchem ein Fahrzeug im feuchten Erdreich steckenblieb und der Fahrer versuchte, das Fahrzeug freizuschaukeln, wodurch dieses wegrutschte und umkippte.
92
Das OLG Zweibrücken, Urteil vom 19.09.2018, 1 U 93/17, BeckRS 2018, 36177, hat einen versicherten Unfall angenommen in einem Fall, in welchem ein aus Traktor und Streuwagen bestehendes Gespann von einem asphaltierten Landwirtschaftsweg eine ebenerdige Grasnarbe überquerte und anschließend einen 30 cm hohen Geländeabsatz überfuhr, um auf die tiefer gelegene Ackerfläche zu gelangen, wobei dabei ein Rad des Streuwagens abbrach.
93
5. Damit sind im hier vorliegenden Fall alle Definitionsmerkmale des versicherten Unfallbegriffs erfüllt. Ein Betriebsvorgang oder Betriebsschaden ist nicht gegeben.
94
II. Ausschlusstatbestände greifen vorliegend nicht ein.
95
Ein Leistungsausschluss gilt für vorsätzlich herbeigeführte Schäden. Hierfür ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.
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Auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit wird nach Teil A, Baustein Kaskoversicherung, 2. (2), der AKB verzichtet.
97
III. Grundsätzlich ersatzfähig sind lediglich die Kosten für die Bergung in Höhe von 10.348,75 €.
98
Hinsichtlich des Reifenschadens greift der Ausschluss für reine Reifenschäden.
99
Unter Teil A, Baustein Kaskoversicherung, 1.5.2, der AKB ist geregelt, was bei Beschädigung bezahlt wird. Hiernach werden bei vollständiger und fachgerechter Reparatur die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes bezahlt. Die Beklagte kann dabei in bestimmten Fällen einen Abzug neu für alt vornehmen.
100
Nach Teil A, Baustein Kaskoversicherung, 2. (4), der AKB besteht allerdings kein Versicherungsschutz für beschädigte oder zerstörte Reifen. Versicherungsschutz für Reifenschäden besteht jedoch, wenn durch dasselbe Ereignis gleichzeitig andere unter den Schutz des Bausteins Kaskoversicherung fallende Schäden am Fahrzeug verursacht werden.
101
Reine Reifenschäden sind daher vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Ein Ersatz kann nicht verlangt werden.
102
Die genannte Ausnahme greift nicht ein. Zu deren Einschlägigkeit ist klägerseits nichts vorgetragen. Die Beklagte hatte sich schon im außergerichtlichen Schriftverkehr, Anlage K 10, auf den Ausschluss reiner Reifenschäden berufen. Auch in der Klageerwiderung vom 10.12.2018, Bl. 19 d.A., wurde auf den Wortlaut der entsprechenden Klausel beklagtenseits hingewiesen und darauf, dass nach dem Sachvortrag der Klägerin lediglich ein Reifenschaden entstanden ist. Auch die klägerseits hierzu vorgelegten Lichtbilder Anlage K 4 und Anlage K 5 zeigen lediglich den beschädigten Reifen. Auch behauptete Kosten bzw. Preise sind lediglich auf den beschädigten Reifen bezogen. Die daneben geltend gemachten Bergungskosten stellen zweifellos keine Schäden am Fahrzeug dar.
103
Der geltend gemachte Betrag in Höhe von 397,00 € netto ist damit nicht ersatzfähig.
104
Unter Teil A, Baustein Kaskoversicherung, 1.5.3 (1), der AKB ist der Ersatz von Bergungs- und Abschleppkosten behandelt. Hiernach ersetzt die Beklagte bei Beschädigung oder Totalschaden die Kosten für das Bergen des beschädigten Fahrzeugs und die Kosten für das Abschleppen vom Schadensort bis zur nächstgelegenen für die Reparatur geeigneten Werkstatt.
105
Bzgl. der Bergungs- und Abschleppkosten gilt vorliegend ergänzend Ziffer 1.1 der Sonderbedingungen Premiumkasko (FKRB 262/01), Anlage K 2, wonach die notwendigen und erforderlichen Bergungs- und Abschleppkosten für das versicherte Fahrzeug ersetzt werden. Wenn diese zusammen mit den geschätzten Wiederherstellungskosten den ggf. um den Veräußerungswert verminderten Wiederbeschaffungswert/Neupreis übersteigen, ersetzt die Beklagte Bergungs- und Abschleppkosten jedoch nur bis zu einer Höhe von jeweils 10.000 €. Abschleppkosten werden hiernach in jedem Fall nur für einen Transport bis zur nächstgelegenen zuverlässigen Fachwerkstatt erstattet.
106
Hiervon ausgehend ist vorliegend von einem ersatzfähigen Betrag in Höhe von 10.348,75 € netto auszugehen. Die Beschränkung auf 10.000,00 € greift nicht ein. Auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. B., vgl. A., wird vollumfänglich Bezug genommen.
107
IV. Die Mehrwertsteuer wird nach Teil A, Baustein Kaskoversicherung, 1.5.3 (3), der AKB erstattet, wenn und soweit diese tatsächlich angefallen ist. Nach dem klägerischen Vortrag wurde der Nettobetrag in Rechnung gestellt. Auch wurde klägerseits ausweislich der Klageschrift lediglich der Nettobetrag klageweise geltend gemacht.
108
V. Gemäß Teil A, Baustein Kaskoversicherung, 1.5.7 (1), der AKB wird eine Selbstbeteiligung abgezogen, wenn eine solche vereinbart ist, was dem Versicherungsschein zu entnehmen sein soll.
109
Laut Versicherungsschein vom 11.07.2016, Anlage B 1, bzw. Fahrzeugwechsel-Nachtrag vom 17.10.2016, Anlage K 1/Anlage B 2, besteht Schutz in der Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 500,00 €.
110
Damit ist vorliegend noch ein Selbstbehalt in Höhe von 500,00 Euro in Abzug zu bringen.
111
Es ergibt sich ein Ersatzbetrag in Höhe von 9.848,75 €.
112
Zinsen kann die Klägerin aus 9.848,75 € seit 20.03.2018, wie beantragt, beanspruchen, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB. Mit Schreiben vom 19.03.2018, Anlage K 9, lehnte die Beklagte einen Ersatz der Abschlepp- und Bergekosten ab, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB, § 187 Abs. 1 BGB.
113
Damit kann die Klägerin auch den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 249 BGB aus einem Gegenstandswert von 9.848,75 € aus einer 1,3-Geschäftsgebühr zzgl. 20 € Auslagenpauschale, demnach 745,40 €, beanspruchen (entsprechend der klägerischen Berechnung auf S. 6 der Klageschrift – ohne MWSt., da die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt ist). Insbesondere datiert das erste anwaltliche Schreiben des Klägervertreters, Anlage K 11, vom 17.08.2018 und damit nach Eintritt des Verzugs. Zinsen hieraus sind zu ersetzen gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB ab 21.08.2018, da auf die erfolgte diesbezügliche Zahlungsaufforderung mit Schreiben vom 20.08.2018 eine Ablehnung erfolgte, § 187 Abs. 1 BGB. Der Verzug begründet sich nicht, wie beklagtenseits moniert, auf eine Benennung eines Zahlungsziels.
114
An der Ersatzpflicht vermag insbesondere nicht das beklagtenseits zitierte Urteil des BGH vom 11.07.2017, VI ZR 90/17, NJW 2017, 3527, etwas zu ändern. Im dortigen Fall erfolgte, anders als hier, bereits die erste Schadensmeldung durch den anwaltlichen Vertreter. Insoweit war im dortigen Fall, genau anders als hier, noch kein anwaltliche Hilfe erforderlich. Gerade auf Grund der Ablehnung war die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe notwendig, nicht entbehrlich.
115
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert für die Klägerin auf §§ 709 S. 1, S. 2 ZPO, für die Beklagte auf § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.