Inhalt

LG München II, Endurteil v. 07.02.2020 – 10 O 557/19
Titel:

Hilfeempfänger, Sekundäre Darlegungslast, Nachgelassener Schriftsatz, Bereicherungsschuldners, Überweisung, Ungerechtfertigte Bereicherung, Anlagenkonvolut, Klagezustellung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Bereicherungsrechtlicher Anspruch, Klageschrift, Elektronischer Rechtsverkehr, Sitzungsprotokoll, Elektronisches Dokument, Sozialhilfeleistungen, Beweislastgrundsätze, Rechtsgrund, Beweislastverteilung, Schriftsätze, Rückforderungsansprüche

Schlagworte:
Bereicherungsrechtlicher Anspruch, Rechtsgrund, Darlegungs- und Beweislast, Sekundäre Darlegungslast, Entreicherungseinwand, Verjährung, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 19.11.2021 – 8 U 1340/20
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 21.02.2024 – XII ZR 103/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 64104

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.    Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 24.800,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt von der Beklagten aus nach § 93 SGB XII übergeleitetem Recht die Rückzahlung von Beträgen aus behaupteter ungerechtfertigter Bereicherung.
2
Die Beklagte ist die Tochter der am ... 1934 geborenen und am ... 2019 verstorbenen Frau ... (im Folgenden: „die Hilfeempfängerin“), die sich seit dem 17.08.2010 im ... in M. befand. In der Zeit vom 17.08.2010 bis 31.08.2013 war die Hilfeempfängerin Selbstzahlerin.
3
Mit Beschluss des Amtsgerichts München – Betreuungsgericht – vom 11.11.2010 (Az. 709 XVII 4098/10) wurde die Beklagte zur Betreuerin der Hilfeempfängerin bestellt. Der Aufgabenkreis der Beklagten als Betreuerin umfasste u.a. die Vermögenssorge für die Hilfeempfängerin; es wird insoweit Bezug genommen auf den als Anlage K1 in Kopie vorgelegten Betreuerausweis vom 11.11.2010.
4
Die Hilfeempfängerin unterhielt während der Zeit ihres Aufenthalts im ... ein Girokonto bei der ..., Kontonummer: ... Strittig ist insofern zwischen den Parteien, ob die Beklagte schon vor Ihrer Bestellung als Betreuerin für dieses Konto eine Kontovollmacht besaß.
5
Die Beklagte tätigte im Zeitraum vom 17.08.2010 bis 16.10.2013 von diesem Konto der Hilfeempfängerin Überweisungen und Barabhebungen in Höhe von insgesamt 27.120,00 €. Die Entnahme erfolgte in Teilbeträgen; es wird insoweit Bezug genommen auf die Klageschrift, Seite 4 (Bl. 4 d.A.).
6
Der Kläger erbrachte für die Hilfeempfängerin im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 31.07.2017 Sozialhilfeleistungen, deren Höhe im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist. Mit Bescheid vom 03.02.2017 (Anlage K8) leitete der Kläger den behaupteten bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch der Hilfeempfängerin gegen die Beklagte wegen ungerechtfertigter Bereicherung auf sich über.
7
Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe für das streitgegenständliche Konto der Hilfeempfängerin bei der ... bereits vor Ihrer Bestellung als Betreuerin eine Kontovollmacht gehabt. Aufgrund dieser Berechtigung habe die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum die Überweisungen und Barabhebungen in Höhe von insgesamt 27.021,00 € getätigt. Bis auf einen Teilbetrag von 2.320,00 € habe die Beklagte diesen Betrag, also insgesamt 24.800,00 €, für sich selbst vereinnahmt. Die Beklagte habe die Beträge jeweils ohne rechtlichen Grund in sonstiger Weise erlangt und sei daher insoweit ungerechtfertigt bereichert. Die Hilfeempfängerin habe aufgrund ihres Gesundheitszustandes keine bewusste Verfügung zugunsten der Beklagten und damit Vermehrung des Vermögens der Beklagten vornehmen können. Soweit die Überweisungen von dem streitgegenständlichen Konto der Hilfeempfängerin zum Teil auf ein Konto des Ehemannes der Beklagten, des Herrn ..., erfolgt seien, habe auch insoweit die Beklagte diese Beträge „erlangt“ i.S.d. § 812 BGB. Denn insoweit habe die Beklagte selbst gemäß E-Mail vom 24.06.2014 (Anlage K2) gemeinsam mit ihrem Ehemann dem Kläger mitgeteilt, dass das Konto der Hilfeempfängerin bei der ... geführt werde, im Landkreis St. jedoch, wo die Beklagte wohne, nur Filialen der ... existierten, welche nicht mit der ... zusammenarbeiten würden, so dass die Beklagte bei einer Filiale der ... kein Geld vom Konto der Hilfeempfängerin abheben könne; aus diesem Grund habe die Beklagte Beträge auf das Konto ihres Mannes überwiesen, der ... arbeite und der sodann die auf seinem Konto eingegangenen Beträge abgebe und an die Beklagte in bar übergebe. Hinsichtlich der vom Kläger insoweit vorgetragenen Überweisungsmodalitäten im Einzelnen wird ergänzend Bezug genommen auf die Klageschrift, Seite 6 (Bl. 6 d.A).
8
Die Vielzahl von Einzelüberweisungen an unterschiedliche Empfänger, häufig mehrfach im Monat, deuteten nach Auffassung des Klägers darauf hin, dass der „Abzug“ eines größeren Gesamtbetrages verschleiert habe werden sollen.
9
Die Beklagte habe vorprozessual auch keine Verwendung der streitgegenständlichen Beträge für die Hilfeempfängerin nachweisen können. Beispielsweise habe die Beklagte als „Verwendungsnachweis“ für die Hilfeempfängerin ein Beleg über Kleidung der Größe 38 vorgelegt, obwohl diese Größe nicht die Konfektionsgröße der Hilfeempfängerin gewesen sei und sich die Quittung über das gekaufte Kleidungsstück auf ein Damen Ringel T-Shirt beziehe (Anlage K3). Auffällig sei an dieser Quittung, die sich auf eine Kartenzahlung mit Girocard beziehe, zudem, dass sowohl die Terminalnummer als auch die Kartennummer und die VU-Nummer geschwärzt seien. Zudem habe die Beklagte vorprozessual dem Kläger als Beweis für die angebliche Verwendung der Gelder für die Hilfeempfängerin einen Beleg über den Kauf eines USB Sticks „Auto Mercedes“ über 12,95 € vorgelegt, obwohl die Hilfeempfängerin wegen geistiger Behinderung in einem Pflegeheim gewesen sei und nicht Auto gefahren sei. Hinsichtlich der nach Klägerauffassung weiteren Auffälligkeiten wird Bezug genommen auf die Klageschrift, Seiten 7/8 (Bl. 7/8 d.A.).
10
Für persönliche kleinere Bedürfnisse werde bei der ... GmbH ein sogenanntes ... -Konto geführt. Aus dem als Anlage K7 vorgelegten Kontoauszug ergebe sich, dass jedenfalls in der Zeit ab 01.10.2011 wiederholt kleinere Beträge teils bar eingezahlt, teils überwiesen worden sein. Im Hinblick darauf gehe der Kläger davon aus, dass im Zeitraum vom 18. 08.2010 bis 01.10.2011 ein Betrag in Höhe von insgesamt 2.320,00 € auf dieses Konto von der Beklagten eingezahlt worden sei. Der mit der Klage geltend gemachte Betrag, um den die Beklagte zu Unrecht bereichert sei, berechne sich daher wie folgt: 27.021,00 € – 2.320,00 € = 24.800,00 €.
11
Diesen Betrag habe die Beklagte ohne Rechtsgrund erlangt, sondern zu eigenen Zwecken verwendet. Der Kläger bestreitet, dass die streitgegenständlichen Überweisungen und Abhebungen jeweils von der Beklagten an die Hilfeempfängerin weitergegeben wurden und/oder von der Beklagten für diese in deren Auftrag verwendet wurden. Aus den von der Beklagten als Anlagenkonvolut B2 vorgelegten Belegen, die zum Teil gar nicht leserlich sein, ließen sich allenfalls Kosten in Höhe von 14.574,56 € ersehen. Der Kläger nimmt insoweit Bezug auf eine von ihm als Anlage K11 vorgelegte Aufstellung nebst Berechnung. In Höhe von insgesamt 6.285,15 € handele es sich jedoch um Belege bzw. Kosten, welche nach Auffassung des Klägers keinesfalls der Hilfeempfängerin zugerechnet werden könnten. Unter Berücksichtigung dessen könnten sich aus der Belegaufstellung der Beklagten gemäß Anlagenkonvolut B2 allenfalls „nachgewiesene“ Kosten in Höhe von 6. 000,00 € bis 7.000,00 € ergeben, welche – was klägerseits bestritten werde – seitens der Beklagten zugunsten der Hilfeempfängerin aufgewandt werden sein „mögen“. Die Aufstellung der Beklagten gemäß Anlagenkonvolut B2 sei jedenfalls nicht geeignet, nachzuweisen, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Betrag von 24.800,00 € allein für diese aufgewendet habe. Die vorgelegten Belege seien ungeordnet. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass Belege gegebenenfalls doppelt vorgelegt worden seien.
12
Der Kläger habe für die Hilfeempfängerin im Zeitraum vom 01.09.2013-31.07.2017 Sozialhilfeleistungen in Höhe von insgesamt 109.127,69 € erbracht. Aufgrund des Überleitungsbescheides vom 03.02.2017 (Anlage K8) werde mit der Klage der behauptete bereicherungsrechtliche Anspruch der Hilfeempfängerin gegen die Beklagte in Höhe von 24.800,00 € geltend gemacht. Hinsichtlich des Vortrags des Klägers zu den im Einzelnen an die Hilfeempfängerin erbrachten Sozialhilfeleistungen wird Bezug genommen auf die Aufstellung in der Klageschrift, Seiten 10 ff. (Bl. 10 ff. d.A.).
13
Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt. Die Beklagte sei gerichtlich bestellte Betreuerin der Hilfeempfängerin, so dass die Verjährung gehemmt sei.
14
Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagte hat an den Kläger 24.800,00 € (in Worten: vierundzwanzigtausendachthundert Euro) nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
2.
Die Beklagte hat weiterhin 1.224,84 € vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
15
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
16
Die Beklagte bestreitet, dass sie die streitgegenständlichen Überweisungen und Barabhebungen in Höhe von 27.120,00 € getätigt habe, bis auf einen Betrag von 2.021,00 € für sich selbst vereinnahmt haben soll. Die Beklagte sei nicht ungerechtfertigt bereichert. Die Zahlungen seien ausschließlich für persönliche Belange und Wünsche und stets mit Wissen und Wollen der Hilfeempfängerin verwendet worden und von der Hilfeempfängerin auch immer selbst beauftragt worden.
17
Zu den von der Beklagten im Einzelnen vorgetragenen Verwendungen der unstreitig von ihr von dem streitgegenständlichen Konto der Hilfeempfängerin erlangten streitgegenständlichen Beträge wird insbesondere Bezug genommen auf den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 18.03.2019, Seiten 3/6 (Bl. 22/25 d.A.), im Schriftsatz vom 10.09.2019, Seiten 1/2 (Bl. 43/44 d.A.) nebst Anlage B1 (Auskunft der Beklagten vom 29.08.2019) und Anlagenkonvolut B2 (Belege), sowie auf die Angaben, die die Beklagte hierzu im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor Gericht gemacht hat (siehe Sitzungsprotokoll vom 06.11.2019, Seite 2 ff. = Bl. 51 ff. d.A.). Den Inhalt der Anlagen B1 und B2 macht sich die Beklagte zu Eigen. Die Hilfeempfängerin habe einen hohen Anspruch gehabt, was ihre Versorgung bzw. die streitgegenständlichen Zuwendungen zum persönlichen Verbrauch betroffen habe. Insofern verweist die Beklagte zudem auf ein als Anlage B5 vorgelegtes Schreiben der Landeshauptstadt M. vom 29.07.2016. Die Beklagte nimmt zudem Bezug auf den als Anlage B6 vorgelegten ...-Kontoauszug der ... GmbH. Im Übrigen habe die Beklagte bereits vorprozessual umfassend Auskunft über die Verwendung von 45.002,00 € in der stadtgegenständlichen Zeit erteilt und diese Auskunft mit entsprechenden Nachweisen belegt; die Beklagte nimmt insofern Bezug auf die Anlagen A1 (Auskunft) und A3 (Belege). Den Inhalt dieser Anlagen macht sich die Beklagte zu Eigen. Sämtliche Ausgaben seien von der Beklagten belegt worden, soweit noch lesbar, obwohl dies für die Beklagte als Tochter nicht erforderlich sei, dass sie gemäß § 01.09.2001 BGB von der Pflicht zur Erstellung einer Abrechnung befreit sei.
18
Zu den Überweisungsmodalitäten vom Konto der Hilfeempfängerin zum Teil über das Konto des Ehemannes der Beklagten trägt die Beklagte vor, dass die Hilfeempfängerin seit langer Zeit Kundin der ... sei, die Beklagte aber im Landkreis St. wohne. Die ... im Landkreis St. und die ... arbeiteten aber nicht zusammen. Eine Abhebung an nicht zur ... gehörenden Automaten sei mit unnötigen Gebühren verbunden gewesen. Da der Mann der Beklagten Mitarbeiter der ... gewesen sei und einen Geldautomaten in seinem Bürogebäude gehabt habe, sei es für die Beklagte die einfachste Lösung gewesen, auf das Konto ihres Mannes Geld vom Konto der Hilfeempfängerin, für das die Beklagte „electronic banking“ nach Übernahme der Betreuung eingerichtet gehabt habe, zu überweisen. Dieses Geld habe dann der Ehemann der Beklagten abgehoben und der Beklagten in bar mitgebracht. Die Beklagte bestreitet daher, dass verschiedene Konten zwecks Verschleierung verwendet worden sein.
19
Auf das Heim-Taschengeldkonto der Hilfeempfängerin habe die Beklagte richtigerweise 2.900,00 € (statt lediglich 2.320,00 €) überwiesen, wie sich aus den Anlagen K7 und A5 ergebe.
20
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger für die Hilfeempfängerin im Zeitraum 01.09.2013 bis 31.07.2017 Sozialleistungen in Höhe von insgesamt 109.127,69 € gemäß der von dem Kläger in Bezug genommenen Kostenaufstellung erbracht hat.
21
Die Beklagte erhebt zudem die Einrede der Verjährung. Da der Kläger behauptete Bereicherungsansprüche für den Zeitraum vom 17.08.2010 bis 16.10.2013 geltend mache, müsse er spätestens am 31.12.2014 Kenntnis erlangt haben. Jedenfalls handele er grob fahrlässig, wenn er die Betreuerberichte gegenüber dem Betreuungsgericht nicht zur Kenntnis genommen habe oder über Jahre trotz eigener behaupteter Auslagen keine Auskunft verlangt habe.
22
Das Gericht hat die Beklagte persönlich angehört. Insoweit sowie hinsichtlich des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 06.11.2019 (Bl. 50/54 d.A.). Beweis wurde nicht erhoben.
23
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie sonstige Aktenteile.

Entscheidungsgründe

I.
24
Die zulässige Klage ist unbegründet.
25
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein nach § 93 SGB XII auf ihn übergeleiteter, bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Zahlung von 24.800,00 € zu, da er nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen hat, dass die Beklagte einen Betrag in dieser (oder geringerer Höhe) jeweils ohne Rechtsgrund i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB erlangt hat.
26
1. Die Beklagte hat einen Betrag in Höhe von insgesamt 24.800,00 € und somit „etwas“ i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB unstreitig erlangt. Sie hat nicht bestritten, dass die vom Kläger vorgetragenen Überweisungen und Abhebungen von Geldbeträgen in dieser Gesamthöhe vom streitgegenständlichen Konto der Hilfeempfängerin jeweils von ihr (der Beklagten) erlangt wurden, sei es über den „Umweg“ über das Konto des Ehemannes der Beklagten oder an bzw. durch sie (die Beklagte) direkt. Die Beklagte hat vielmehr lediglich bestritten, dass sie diese Beträge jeweils ohne Rechtsgrund erlangt und zu eigenen Zwecken verwendet haben soll.
27
2. Diese Beträge hat die Beklagte jeweils „in sonstiger Weise“ gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB erlangt. Dabei konnte letztlich dahinstehen, ob die Beklagte bereits vor ihrer Bestellung zur Betreuerin der Hilfeempfängerin (11.11.2010) über eine Kontovollmacht für das streitgegenständliche Konto der Hilfeempfängerin verfügte, was die Beklagte bestritten hat. Denn nach dem Vortrag des Klägers in der Klageschrift (Bl. 5 d.A.) insoweit habe die Hilfeempfängerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes keine bewusste Verfügung und damit Vermehrung des Vermögens zugunsten der Beklagten vornehmen können, so dass nach dem eigenen Vorbringen des Klägers insoweit die Annahme einer Vermehrung des Vermögens der Beklagten „durch Leistung“ gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB ausscheidet.
28
3. Der Kläger hat seine Behauptung, die Beklagte habe sämtliche von der Klageforderung erfassten Beträge nicht an die Hilfeempfängerin weitergeleitet oder jedenfalls nicht in deren Auftrag und für deren Zwecke verwendet, nicht nachgewiesen. Es steht mithin nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte die von der Klageforderung erfassten Beträge von insgesamt 24.800,00 € jeweils ohne Rechtsgrund i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB erlangt hat.
29
3.1 Hinsichtlich der Darlegung- und Beweislastverteilung gilt insoweit Folgendes: Grundsätzlich hat der Bereicherungsgläubiger die Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Voraussetzungen des Anspruches ergeben. Der Bereicherungsschuldner hat demgegenüber die Voraussetzungen für die Einwendungen (wie etwa einer Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB) zu beweisen. Besonderheiten zu den allgemeinen Darlegungs -und Beweislastgrundsätzen gelten jedoch insbesondere für das Tatbestandsmerkmal des Fehlens eines rechtlichen Grundes. Auch diese Voraussetzung ist zwar grundsätzlich vom Bereicherungsgläubiger zu beweisen (vgl. BGH NJW 95, 662). Der Bereicherungsschuldner muss aber im Sinne einer, gegebenenfalls nach den Umständen gesteigerten, sekundären Darlegungslast die Umstände vortragen, aus denen er ableiten möchte, dass Erlangte behalten zu dürfen; dies gilt, wenn bereits die unstreitigen Umstände den Schluss nahelegen, dass ohne Rechtsgrund geleistet wurde oder wenn der Gläubiger außerhalb des von ihm zu beweisenden Geschehensablaufes steht, während der Schuldner diese Kenntnis hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 812 Rn. 76 m.w.N.). Kommt der Bereicherungsschuldner einer solchen ihm obliegenden sekundären Darlegungslast hinreichend nach, ist es sodann wiederum Sache des Bereicherungsgläubigers, nachzuweisen, dass die vom Schuldner vorgebrachten Rechtsgründe nicht bestehen (vgl. Sprau, in: Palandt a.a.O.).
30
3.2 Ausgehend von diesen soeben dargelegten Grundsätzen oblag der Beklagten vorliegend eine sekundäre Darlegungslast des Inhalts, die jeweilige Verwendung der streitgegenständlichen Beträge, deren Abhebung bzw. Überweisung vom streitgegenständlichen Konto der Hilfeempfängerin als solche nicht bestritten wurden, substantiiert und nachvollziehbar darzulegen. Selbst wenn man insoweit im vorliegenden Fall eine gesteigerte sekundäre Darlegungslast der Beklagten annehmen wollte, ist die Beklagte ihre sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Verwendung der streitgegenständlichen Beträge im Einzelnen jedoch hinreichend nachgekommen. Sie hat jeweils konkret und plausibel dargelegt, zu welchem jeweiligen Verwendungszweck das jeweils Erlangte verwendet worden sein soll. Insoweit wird insbesondere Bezug genommen auf die Auskunft der Beklagten gemäß der Anlage B1, deren Inhalt die Beklagte ausdrücklich für ihren Sachvortrag zu Eigen gemacht hat, auf die hierzu von der Beklagten als Anlagenkonvolut B2 vorgelegten Belege sowie auf die Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor Gericht (vgl. Sitzungsprotokoll vom 06.11.2019, Seite 3/4 = Bl. 52/53 d.A.) und das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz vom 07.01.2020, Seite 2/11 (Bl. 65/74 d.A.).
31
3.3 Es oblag daher sodann wiederum dem Kläger, welcher sich eines auf ihn übergeleiteten bereicherungsrechtlichen Anspruchs berühmt hat, konkret darzulegen, weshalb die von der Beklagten im Einzelnen vorgetragenen und mit den als Anlage B2 – soweit lesbar – vorgelegten Belegen untermauerten Verwendungen gleichwohl nicht für die Hilfeempfängerin, wie beklagtenseits behauptet, erfolgt sein sollen, dass also die von der Beklagten vorgebrachten Rechtsgründe tatsächlich nicht bestehen. Die lediglich pauschale Behauptung des Klägers, die Beklagte habe die Beträge jeweils für eigene Zwecke verwendet und mit den von der Beklagten vorgenommenen Überweisungsmodalitäten über das Konto ihres Ehemannes hätte der „Abzug“ eines größeren Betrages vom Konto der Hilfeempfängerin verschleiert werden, war zu unsubstantiiert, als dass sie einer Beweisaufnahme zugänglich gewesen wäre. Ein entsprechendes Beweisangebot für diese Behauptung wurde zudem auch nicht seitens des Klägers angeboten.
32
3.4 Das Gericht hat die Parteien auf diese Darlegungs- und Beweislastgrundsätze im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemäß § 139 ZPO hingewiesen (vgl. Sitzungsprotokoll vom 06.11.2019, Seite 4, letzter Absatz = Bl. 53 d.A.). Der Kläger hat hierauf sodann zwar mit nachgelassenem Schriftsatz vom 28.11.2019 als Anlage K 13 eine Aufstellung vorgelegt, in welcher er die Positionen aus den als Anlagenkonvolut B2 von der Beklagten vorgelegten Belege gelb markiert (unterlegt) hat, welche nach seinem Vortrag keinesfalls der Hilfeempfängerin zugerechnet werden könnten und in Summe einen Betrag in Höhe von 6.285,15 € ergäben (vgl. Schriftsatz vom 28.11.2019, Seite 2 = Bl. 58 d.A.). Weshalb diese gelb markierten Positionen aus der Aufstellung Anlage K 13 „keinesfalls“ der Hilfeempfängerin „zugerechnet“ werden könnten, ergab sich jedoch auch aus dem weiteren Vortrag des Klägers nicht näher. Die Beklagte hat hierzu mit nachgelassenem Schriftsatz vom 07.01.2020 (Bl. 64 ff. d.A.) ihrerseits jeweils, d.h. zu jeder einzelnen dieser in der Anlage K 13 gelb markierten Position, detailliert Stellung genommen und einen entsprechenden Verwendungszweck angegeben; es wird insoweit Bezug genommen auf Bl. 65/74 d.A. Dies gilt insbesondere auch für die Entnahme von Geldbeträge in Höhe von insgesamt 2.033,95 €, die nach Vortrag der Beklagten von ihr an die Nichte der Hilfeempfängerin, Frau ..., gezahlt worden sein sollen. Die Beklagte hat hierzu substantiiert und schlüssig vorgetragen, dass diese an die Nichte gezahlten Beträge zuvor von der Nichte für Anschaffungen zugunsten der Hilfeempfängerin ausgelegt worden seien; die Hilfeempfängerin habe Zeit ihres Lebens ein sehr enges Verhältnis zu der Nichte gepflegt (vgl. Schriftsatz vom 07.01.2020, Seite 9 = Bl. 72 d.A.).
33
3.5 Soweit der Kläger ferner vorgetragen hat, dass klägerseits bislang nicht geprüft worden sei, ob Belege gegebenenfalls doppelt vorgelegt worden seien, was nicht ausgeschlossen werden könne, und insofern die Auffassung vertreten hat, dass dies letztendlich vom Gericht zu überprüfen sei, verkennt die Klagepartei, dass es nach dem im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz insoweit dem Kläger oblag, konkret vorzutragen, ob und gegebenenfalls welche von der Beklagten vorgelegten Belege doppelt eingereicht worden sein sollen. Die Behauptung, dass „nicht ausgeschlossen werden“ könne, dass „gegebenenfalls“ Belege doppelt vorgelegt worden seien, stellt aber gerade keinen solchen konkreten Vortrag dar, sondern letztlich nur eine – nach eigenem Vorbringen des Klägers nicht überprüfte – Mutmaßung in den Raum. Im Hinblick auf die oben dargelegten Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislastverteilung im Rahmen eines bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruchs war daher auch das bloße Bestreiten der von der Beklagten im Einzelnen und substantiiert behaupteten Verwendungen und Verwendungszwecke der streitgegenständliche Geldbeträge unbehelflich.
34
3.6 Soweit der Kläger sein Klagebegehren mit nachgelassenem Schriftsatz vom 28.11.2019 (Bl. 57 ff. d.A.) auch auf die allgemeinen (Rechts-)Ausführungen gestützt hat, dass ein Familienmitglied, das regelmäßig Beträge von Spar- und Girokonten abhebe, regelmäßig im Rahmen eines Auftragsverhältnisses handele und daher nach §§ 666, 667 BGB zur Rechenschaft und Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten verpflichtet sei (vgl. Schriftsatz vom 28.11.2019, Seite 4 = Bl. 60 d.A.), ist dies zwar grundsätzlich zutreffend. Unklar blieb insoweit aber, ob der Kläger damit ein solches Auftragsverhältnis zwischen der Hilfeempfängerin und der Beklagten hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Überweisungen und Abhebungen behaupten wollte. Bis dahin hatte der Kläger nämlich gerade und wiederholt bestritten, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Überweisungen und Abhebungen jeweils mit Auftrag und im Interesse der Hilfeempfängerin getätigt hat. Das Vorbringen des Klägers war daher insoweit unschlüssig, da in sich widersprüchlich.
35
3.7 Soweit der Kläger ferner die Auffassung vertreten hat, dass der in Anspruch genommene Bereicherungsschuldner für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB (primär) darlegungs- und beweispflichtig sei, trifft dies zwar ebenfalls zu. Dogmatisch ist insofern jedoch zu unterscheiden zwischen den Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung eines bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruches nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB einerseits und den Voraussetzungen des Entreicherungseinwandes nach § 818 Abs. 3 BGB andererseits. Vorliegend hat sich die Beklagte nicht darauf berufen, hinsichtlich der streitgegenständlichen Beträge jeweils entreichert i.S.d. § 818 Abs. 3 BGB zu sein. Sie hat vielmehr jeweils dargelegt, die streitgegenständlichen Beträge vom Konto der Hilfeempfängerin jeweils mit Rechtsgrund erhalten zu haben und damit also lediglich die – vom Kläger zu beweisende – Behauptung substantiiert bestritten, dass sie diese Beträge jeweils „ohne Rechtsgrund“ i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB erlangt habe.
36
4. Da somit ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte bereits dem Grunde nach zu verneinen war, kam es auf die Frage, ob etwaige Ansprüche des Klägers bei Klageeinreichung bereits verjährt waren, nicht entscheidungserheblich an. Nur am Rande ist daher insoweit festzustellen, dass einer solchen Annahme hier § 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BGB entgegengestanden hätte, etwaige Ansprüche des Klägers also nicht verjährt gewesen wären.
37
5. Feststellung zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs waren mangels Anspruchs dem Grunde nach folglich ebenfalls nicht zu treffen.
38
6. Mangels Anspruchs des Klägers auf die geltend gemachte Hauptforderung war die Klage auch in Bezug auf die Nebenforderungen (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten Zinsbegehren) abzuweisen.
II.
39
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
40
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.