Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 17.12.2020 – 10 O 4511/20
Titel:

Darlehensverträge, Widerrufsbelehrung, Widerrufserklärung, Widerrufsdurchgriff, Widerrufsfrist, Widerrufsfolgen, Wirksamwerden des Widerrufs, Widerrufsinformation, Rechtsfolgen des Widerrufs, Widerrufsrecht, negative Feststellungsklage, Darlehensbedingungen, Verbraucherkreditrichtlinie, Pflichtangaben, OLG Nürnberg, Außergerichtliche Streitbeilegung, Richtlinienkonforme Auslegung, Vorfälligkeitsentschädigung, Eintritt des Darlehensgebers, Willenserklärungen

Schlagworte:
Zuständigkeit, Erfüllungsort, Widerrufsrecht, Widerrufsfrist, Widerrufsinformation, Pflichtangaben, Außergerichtliche Streitbeilegung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 15.06.2021 – 14 U 221/21
OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.07.2021 – 14 U 221/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 16.04.2024 – XI ZR 474/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 64059

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 45.928,77 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um den Widerruf einer Kfz-Finanzierung.
2
Am 17.03.2017 schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag über eine Nettodarlehensssumme von 45.928,77 € bei 48 monatlichen Raten à 425,44 € und einer Schlussrate in Höhe von 26.954,64 € (Anlage K1). Die Valuta wurde zweckgebunden für den Kauf eines gebrauchten Audi A4 Avant 3.0 TDI zur privaten Nutzung benutzt. Die Anzahlung in Höhe von 6.431,23 € wurde vom Kläger aus Eigenmitteln aufgebracht.
3
Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger die „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ ausgehändigt (Anlage B8).
4
Auf Seite 1 des Darlehensvertrages findet sich folgender Hinweis:
„Für den Vertrag gelten weiter die aufgeführten Darlehensbedingungen. Auch die ausgehändigten Merkblätter sowie die Versicherungsbedingungen des KSB/KSB Plus sind zu beachten.“
5
Mit Schreiben vom 05.11.2019 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung (Anlage K2).
6
Der Kläger meint, er habe seine auf Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen. Insbesondere sei die Widerrufsfrist im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen gewesen.
7
Das Widerrufsrecht gemäß §§ 355, 495 Abs. 1 BGB bestehe weiterhin, da die Widerrufsfrist nicht begonnen habe. Der Kläger habe nicht alle Pflichtangaben nach § 492 BGB in Verbindung mit Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB vollständig erhalten, so dass die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei.
8
Es fehle die Pflichtangabe der Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB, die Information sei widersprüchlich und irreführend. Die Pflichtangaben gemäß Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB seien nicht unmissverständlich und eindeutig.
9
Die gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderliche Benennung der zuständigen Aufsichtsbehörde sei hier fehlerhaft erfolgt.
10
Ziff. 6 a) der Darlehensbedingungen des streitgegenständlichen Darlehensvertrages stelle eine unrichtige Darstellung der Belehrung über die Widerrufsfolgen dar.
11
Der von der Beklagten angegebene pro Tag zu zahlender Zinsbetrag von 0,41 EUR sei überhöht.
12
Der fehlende Teil der Pflichtangaben werde nicht wie erforderlich auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt.
13
Darüber hinaus seien die Informationen über den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahrens und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang nicht umfassend.
14
Auch fehle die Pflichtangabe über den Darlehensvermittler.
15
Der effektive Jahreszinssatz könne schon denknotwendig nicht ebenso hoch sein wie der Sollzins, was aber laut Vertragsunterlagen ist, da beide Zinssätze mit 0,99 % p.a. angegeben werden.
16
Der Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die primären Leistungspflichten des Klägers aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 17.03.2017 über 45.928,77 EUR zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgunsleistungen aufgrund des erklärten Widerrufs vom 05.11.2019 erloschen sind.
17
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
18
Im Wege der Hilfswiderklage für den Fall, dass das Gericht von einem wirksamen Widerruf der Klagepartei ausgehen würde, beantragt die Beklagte,
festzustellen, dass die Klagepartei im Falle eines wirksamen Widerrufs verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des PKW Audi Avant 3.0 TDI mit der Fahrgestellnummer: … zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig war.
19
Der Kläger erkennt den Anspruch der Beklagten gegen die Klagepartei auf Ersatz für den Wertverlust des finanzierten Fahrzeugs an (Schriftsatz vom 07.12.2020).
20
Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth und meint, der Widerruf sei mangels Einhaltung der hierfür maßgeblichen Widerrufsfrist unwirksam. Die Widerrufsinformation habe keine Fehler oder Unklarheiten enthalten.
21
Die Widerrufsbelehrung der Beklagten stelle jedenfalls eine gesetzmäßige Belehrung dar, so dass ein Rückgriff auf die Gesetzlichkeitsfiktion nicht notwendig sei.
22
Die Belehrung über die Widerrufsfolgen sei weder falsch noch einseitig. Vielmehr liege eine gesetzmäßige Belehrung im Sinne von Art. 247 §§ 6 Abs. 2 S. 1, 2 sowie 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EGBGB vor.
23
BaFin sei die zuständige Aufsichtsbehörde, so dass auch diese Angabe ordnungsgemäß sei.
24
Bei der von der Beklagten für maßgeblich erklärten Aktiv-Passiv-Methode handele es sich um eine vom BGH anerkannte Methode zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung.
25
Auch habe der Verbraucher einen Hinweis auf die Möglichkeit außergerichtlicher Streitbeilegung erhalten, was ausreichend sei.
26
Der Darlehensantrag selbst beinhalte auf der letzten Seite des Darlehensantrags ganz links die Daten des Darlehensvermittlers.
27
Die gebotene Rundung auf zwei Stellen hinter Komma führe zum selben Ergebnis von 0,99 % sowohl beim effektiven Jahreszins als auch beim Sollzins.
28
Ziffer 6 a) der Darlehensbedingungen stehe im Einklang mit § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB. Überdies habe diese Frage keinen Einfluss auf die Widerruflichkeit bereits aufgrund ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung.
29
Die Übernahme der Kaskadenverweisung aus der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. II EGBGB entspreche der gesetzgeberischen Konzeption und führe zum Anlaufen der Widerrufsfrist. Eine richtlinienkonforme Umsetzung im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung sei aufgrund der gesetzgeberischen Konzeption in Deutschland nicht möglich.
30
Entgegen der Rechtsauffassung der Klagepartei könnten Pflichtangaben auch in den weiteren Vertragsunterlagen (z.B. in separaten Darlehensbedingungen und/oder in dem Merkblatt „Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite“) enthalten sein, soweit klar und prägnant auf diese Unterlagen verwiesen wird.
31
Sollte indes der Widerruf durchgreifen, bestehe jedenfalls ein Anspruch auf Wertersatz für den Wertverlust am genutzten Fahrzeug.
32
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens und der mündlichen Verhandlung wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

33
Die zulässige Klage ist unbegründet. Über die Hilfswiderklage war mangels Eintritts der innerprozessualen Bedingung nicht zu entscheiden.
A.
34
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angegangene Landgericht Nürnberg-Fürth örtlich (§ 29 Abs. 1 ZPO) und sachlich (§§ 23 Nr. 1, 71 I GVG) zuständig.
35
Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist gemäß § 29 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig.
I.
36
Bei einer Streitigkeit aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen begründet § 29 Abs. 1 ZPO einen Gerichtsstand an dem Ort, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, ohne dass das Gesetz auf die Verteilung der Parteirollen und die gewählte Klageart abstellt oder zwischen Leistungsklagen und (positiven oder negativen) Feststellungsklagen unterscheidet (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19 m.w.N.). Demzufolge wendet sowohl die obergerichtliche Rechtsprechung als auch die überwiegende Literatur die Vorschrift des § 29 Abs. 1 ZPO aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts und ihrer Zweckrichtung zu Recht auch auf negative Feststellungsklagen an (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19 m.w.N.). Dem klagenden Schuldner kann der dem klagenden Gläubiger nach § 29 Abs. 1 ZPO beim orts- und sachnahen Gericht eröffnete Gerichtsstand des Erfüllungsorts nicht verwehrt werden (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19 m.w.N.). Dass bei einer negativen Feststellungsklage der Erfüllungsort mit dem – nicht notwendig aktuellen – Wohnsitz des Klägers zur Zeit der Entstehung des Vertragsverhältnisses zusammenfällt, beruht auf der vertraglichen Vereinbarung der Parteien, aus der sich im Zusammenspiel mit § 29 Abs. 1 ZPO ergibt, dass beide Vertragsparteien Streitigkeiten über die Erfüllung und den Bestand vertraglicher Verpflichtungen am betroffenen Leistungsort austragen können (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19 m.w.N.). Dass die auf den (aktuellen) Sitz bzw. Wohnsitz der beklagten Partei abstellenden allgemeinen Gerichtsstände der §§ 12, 13, 17 I 1 ZPO entweder auch die Zuständigkeit des Gerichts am Leistungsort oder einen hiervon abweichenden Gerichtsstand am (Wohn-)Sitz des Gläubigers der vertraglichen Leistung begründen, beeinflusst die Frage, ob der Schuldner der vertraglichen Leistung im Gerichtsstand des Erfüllungsorts klagen darf, nicht (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19 m.w.N.). Einen Vorrang des allgemeinen Gerichtsstands formuliert das Gesetz, das dem Kläger die Wahl unter mehreren zuständigen Gerichten einräumt (§ 35 ZPO), nicht.
II.
37
Danach ist der Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung der Wohnsitz des Klägers im Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags in …, mithin im Bezirk des dortigen Landgericht.
38
Denn streitig sind die darlehensvertraglichen Verpflichtungen des Klägers nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, die an dem Ort zu erfüllen sind, an dem er zur Zeit der Entstehung des Darlehensverhältnisses seinen Wohnsitz hatte (§§ 269, 270 Abs. 4 BGB).
39
Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts für die erhobene negative Feststellungsklage, kann nicht mit dem Argument verneint werden, dass eine auf die Feststellung der Umwandlung des Darlehensverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis gerichtete (positive) Feststellungsklage „auf dasselbe hinauslaufe“, aber nicht bei dem angerufenen Gericht erhoben werden könne (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19). Denn eine solche Betrachtung nimmt die zwischen den Pflichten aus dem ursprünglichen Vertragsverhältnis und denjenigen aus dem mit wirksamen Widerruf entstandenen Rückgewährschuldverhältnis bestehenden rechtlichen Unterschiede nicht in den Blick (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19). Der Erfolg der auf einen erklärten Widerruf gestützten Leugnung vertraglicher Erfüllungsansprüche des Darlehensgebers und der Bestand und Umfang der (wechselseitigen) Rückabwicklungsansprüche nach erklärtem Widerruf hängen zwar von derselben Vorfrage ab. Jedoch sind unabhängig davon unterschiedliche Streitgegenstände betroffen, die entweder isoliert oder unter den Voraussetzungen des § 260 ZPO gemeinsam verfolgt werden können, ohne dass Letzteres Einfluss auf ihre auch die Prozessvoraussetzungen betreffende prozessuale Eigenständigkeit hätte (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19). Die Unzuständigkeit des Gerichts für Klageanträge, die auf die Feststellung eines Rückgewährschuldverhältnisses bzw. auf die Realisierung entsprechender Ansprüche gerichtet sind, begründet eine Unzuständigkeit für die auf die Leugnung vertraglicher Erfüllungsansprüche gerichtete Feststellungsklage genauso wenig, wie eine Zuständigkeit des Gerichts für Letztere nicht seine Zuständigkeit für Erstere begründet (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19 m.w.N.). Einen gemeinsamen Gerichtsstand für sämtliche aus einem rückabgewickelten Darlehensvertrag resultierenden Ansprüche und Rechtsfolgen, einschließlich der verbindlichen Klärung des Schicksals der darlehensvertraglichen Erfüllungsansprüche, sieht das derzeitige Recht nicht vor, er lässt sich aus den gesetzlichen Regelungen auch nicht aus prozessökonomischen Gründen ableiten (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19 m.w.N.). Der Gefahr, dass aufgrund der Aufspaltung von Zuständigkeiten in getrennten Verfahren voneinander abweichende Entscheidungen zu den gemeinsamen Vorfragen der unterschiedlichen Streitgegenstände ergehen, kann der Darlehensnehmer allein dadurch zuverlässig begegnen, dass er alle Streitgegenstände im allgemeinen Gerichtsstand des Darlehensgebers geltend macht (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2020, Az. 14 U 1124/19).
B.
40
In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.
I.
41
Der Kläger hat den streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen.
42
Im Zeitpunkt der Abgabe der Widerrufserklärung durch den Kläger im November 2019 war das dem Kläger ursprünglich gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zustehende Widerrufsrecht infolge des Ablaufs der Widerrufsfrist bereits erloschen.
43
Entgegen der Auffassung des Klägers begann die 14-tägige Widerrufsfrist bereits mit Vertragsschluss im März 2018 zu laufen, so dass der Widerruf im November 2019 verfristet war.
44
Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist grundsätzlich mit Vertragsschluss.
45
Gemäß § 356 b Abs. 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt hat. Dies ist unstreitig erfolgt.
46
Enthält bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag die dem Darlehensnehmer nach § 356 b Abs. 1 BGB zur Verfügung gestellte Urkunde die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB nicht, beginnt die Frist gemäß § 356 b Abs. 2 BGB erst mit Nachholung dieser Angaben gemäß § 492 Abs. 6 BGB.
47
Hier sind dem Kläger die gemäß § 492 Abs. 2 BGB notwendigen Pflichtangaben erteilt worden, so dass § 356 b Abs. 2 BGB nicht einschlägig ist.
48
Gemäß § 492 Abs. 2 BGB muss der Vertrag die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Art. 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten. Das ist hier der Fall.
49
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch die Widerrufsinformation zum Fristbeginn mit ihrem Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB und der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB, die insoweit dem deutschen gesetzlichen Muster aus der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB entspricht, ungeachtet der Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie nicht zu beanstanden. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020, C-66/19, steht dem nicht entgegen. In diesem Urteil hat der EuGH entschieden, Art. 10 Abs. 2 lit. p der RL 2008/48/EG sei dahin auszulegen, dass er dem entgegenstehe, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser RL genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweise, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweise. Auch wenn danach die Musterwiderrufsinformation und die daran geknüpfte Gesetzlichkeitsfiktion den Bestimmungen der Verbraucherkreditrichtlinie nicht entsprechen, kommt eine abweichende richtlinienkonforme Auslegung nicht in Betracht, soweit die Bestimmungen des nationalen Rechts keine Auslegungsspielräume eröffnen (vgl. BGH, Beschluss v. 31.3.2020, XI ZR 198/19, Rn. 10-14). Das ist hier der Fall. Eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. überschritte entgegen seinem eindeutigen Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und der Gesetzgebungsgeschichte die Befugnis der Gerichte (BGH, Beschluss v. 31.3.2020, XI ZR 198/19, Rn. 14). Durch die gesetzliche Regelung im EGBGB und die Schaffung eines (fakultativen) Musters sollte Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei den Anwendern erzeugt und der Rechtsverkehr vereinfacht werden (vgl. BT-Drs. 16/13669, S. 3 und BT-Drs. 17/1394, S. 1, 21 f.). Dieses gesetzgeberische Ziel würde verfehlt, würde man der Verwendung des Musters die Gesetzlichkeitsfiktion absprechen, weil etwa der Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 EGBGB nach dem Urteil des EuGH vom 26.3.2020 nicht richtlinienkonform ist (BGH, Beschluss v. 31.3.2020, XI ZR 198/19, Rn. 14).
50
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGBGB mit der Angabe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unter Zifter 13 der Darlehensbedingungen die für den Darlehensgeber zuständige Aufsichtsbehörde zutreffend benannt. Entgegen der Auffassung der Klägerin war hier nicht auch die Europäische Zentralbank (EZB) als weitere zuständige Aufsichtsbehörde zu benennen. Der Begriff der Aufsichtsbehörde ist im KWG gesetzlich definiert. Aufsichtsbehörde ist danach gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 2 KWG die BaFin, soweit nicht die EZB gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 1 KWG als Aufsichtsbehörde gilt. Dies ist der Fall, soweit die EZB in Ausübung ihrer gem. Art. 4 Abs. 1 lit a bis i und Art. 4 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 102412013 des Rates vom 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB übertragenen Aufgaben handelt und diese Aufgaben nicht gem. Art. 6 Abs. 6 dieser Verordnung durch die BaFin wahrgenommen werden. Gemäß Art. 1 der Verordnung (EU) Nr. 102412013 berührt die Verordnung jedoch nicht Verantwortlichkeiten und dazu gehörende Befugnisse der zuständigen Behörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Wahrnehmung von Aufsichtsaufgaben, die der EZB nicht durch diese Verordnung übertragen worden sind. Wie aus dem Erwägungsgrund 28 der Verordnung (EU) Nr. 102412013 hervorgeht, sollten der EZB nicht übertragene Aufsichtsaufgaben bei den nationalen Behörden verbleiben. Hierzu zählt u.a. der Verbraucherschutz. Aufsichtsbehörde i.S.v. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGBGB ist daher die BaFin, weil Art. 247. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGBGB der Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 lit. v der Verbraucherkreditrichtlinie dient (vgl. BT-Drucksache Nr. 16111643, S. 128). Hierbei ist auch zu beachten, dass anders als in Art. 246b Abs. 1 Nr. 2 EGBGB gem. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB nicht die für die Zulassung des Unternehmers zuständige Aufsichtsbehörde, sondern lediglich die für den Darlehensgeber zuständige Aufsichtsbehörde benannt werden soll (vgl. OLG Braunschweig, Hinweisbeschluss vom 13.01.2020, 11 U 91/19, OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019, 6 U 267118). Für den Bereich „Verbraucherschutz“ ist dies jedoch die BaFin und nicht die EZB.
51
3. Die Angaben in Ziffer 6 a) der Darlehensbedingungen machen die Belehrung über die Widerrufsfolgen entgegen der Ansicht der Klagepartei nicht fehlerhaft. Sie haben keine Auswirkungen auf die Frage der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. Sie erfolgen insbesondere nicht innerhalb der Widerrufsbelehrung. Die Darlehensbedingungen lenken nicht von der Widerrufsbelehrung ab.
52
4. Auch Angabe des Tageszinses in der Widerrufsinformation ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht fehlerhaft. Auch im Fall eines Verbundgeschäfts schuldet der Darlehensnehmer grundsätzlich den Sollzins. Gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 357 a Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Darlehensnehmer auch bei verbundenen Geschäften grundsätzlich für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Dieser Anspruch ist lediglich dann nach dem eindeutigen Wortlaut des § 358 Abs. 4 Satz 4 BGB ausgeschlossen, wenn der Verbraucher das verbundene Geschäft gemäß § 358 Abs. 1 BGB widerrufen hat. Auch nach der Gesetzesbegründung betrifft diese Regelung lediglich den Anwendungsbereich von § 358 Abs. 1 BGB und ist auf eine zwingende Vorgabe der Fernabsatzrichtlinie zurückzuführen (vgl. BT-Drucksache 14/6040, S. 201). Eine verdeckte Regelungslücke, die eine entsprechende Anwendung des § 358 Abs. 4 Satz 4 BGB auf Fälle, in denen der Darlehensvertrag und nicht das verbundene Geschäft widerrufen worden ist, gebieten würde, ist nicht ersichtlich (OLG Braunschweig, Hinweisbeschluss vom 13.01.2020, 11 U 91/19). Insoweit ist auch zu beachten, dass der Anwendung des § 358 Abs. 4 Satz 4 BGB auf den vorliegenden Fall die vollharmonisierende Wirkung der hier einschlägigen Verbraucherkreditrichtlinie entgegensteht (OLG Braunschweig, Hinweisbeschluss vom 13.01.2020, 11 U 91/19; OLG Stuttgart, Urteil vom 28.05.2019, 6 U 78118, Rn. 55), die im Fall des Widerrufs die Zahlung der ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits aufgelaufenen Zinsen bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens vorsieht, wobei die Zinsen auf der Grundlage der vereinbarten Sollzinsen zu berechnen sind (vgl. Art. 14 Abs. 3 lit b der Richtlinie). Dementsprechend sieht die Muster-Widerrufsinformation vor, dass in der allgemeinen Belehrung der Tageszins anzugeben ist und dann unter „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ der Verbraucher darauf hinzuweisen ist, dass, wenn dem Darlehensnehmer in Bezug auf den verbundenen Vertrag ein Widerrufsrecht zusteht, Ansprüche des Darlehensgebers auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrages gegen den Darlehensnehmer ausgeschlossen sind (Gestaltungshinweis 5a der Anlage 7). Ein solcher Hinweis ist in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung unter „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ auch enthalten. Da die Klägerin im vorliegenden Fall aber nicht den Kauf-, sondern den Darlehensvertrag widerrufen hat, schuldet sie auch den vereinbarten Sollzins.
53
Soweit die bei einer getrennten Abwicklung der beiden Vertragsverhältnisse bestehenden Ansprüche durch den Widerruf und Eintritt des Darlehensgebers in das Abwicklungsverhältnis kraft Gesetzes erlöschen, wenn der Darlehensbetrag an den Unternehmer ausgezahlt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2016, IX ZR 132115, Rn. 34), ist in der streitgegenständlichen Widerrufsinformation unter „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ ausgeführt, dass, wenn das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs dem Vertragspartner des Darlehensnehmers aus dem Fahrzeug-Kaufvertrag bereits zugeflossen ist, der Darlehensgeber im Verhältnis zum Darlehensnehmer hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners aus dem weiteren Vertrag eintritt. Dies entspricht der Regelung in § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB.
54
5. Entgegen der Auffassung des Klägers können die erforderlichen Pflichtangaben auch durch das Aushändigen der Europäischen Standardinformationen erteilt werden. Die zur Wahrung der Schriftform des § 492 Abs. 1 erforderliche Urkundeneinheit ist hier durch die Inbezugnahme in dem vom Kläger unterzeichneten Darlehensantrag („Auch die ausgehändigten Merkblätter sowie die Versicherungsbedingungen des KSB/KSB Plus sind zu beachten“) gewahrt worden (OLG Braunschweig, Hinweisbeschluss vom 13.01.2020, 11 U 91/19, OLG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2019, 6 U 50/19, Rn. 46). Insoweit ist auch zu beachten, dass die Standardinformation (Anlage B8) dasselbe Druckdatum wie der Antrag aufweisen und auf den Namen der Klägerin ausgestellt sind. Die Beklagte hat hierdurch zum Ausdruck gebracht, nicht nur vorvertragliche, sondern auch vertragliche Informationspflichten erfüllen zu wollen (OLG Braunschweig, Hinweisbeschluss vom 13.01.2020, 11 U 91/19).
55
6. Entgegen der Ansicht der Klagepartei erhält der Kläger in Ziffer 14 der Darlehensbedingungen einen Hinweis auf die Möglichkeit außergerichtlicher Streitbeilegung im Sinne des Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB. Da der Zugang zur Schlichtung für jede(n) Verbraucher(in) besteht, waren weitere gemäß Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB „gegebenenfalls“ anzugebende Voraussetzungen nicht erforderlich.
56
7. Entgegen des Vortrags der Klagepartei enthält der Darlehensantrag auf der letzten Seite ganz links als auch auf jeder Seite seitlich die Daten des Darlehensvermittlers, ….
57
8. Entgegen des Vortrags der Klagepartei werden der effektive Jahreszinssatz und der Sollzins zutreffend angegeben. Die gebotene Rundung auf zwei Stellen hinter Komma führte vorliegend zum selben Ergebnis von 0,99 % sowohl beim effektiven Jahreszins als auch beim Sollzins.
II.
58
Die Nebenforderungen sowie die Klageanträge Ziffer 2-5 teilen das Schicksal des Hauptanspruchs.
III.
59
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
IV.
60
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 2 ZPO.
61
§ 708 Nr. 11, 2. Alt. ZPO ist hier nicht anwendbar, da die isolierte Kostenvollstreckung € 1.500 überschreitet.