Inhalt

VGH München, Urteil v. 20.05.2020 – 19 B 20.330
Titel:

Verwaltungsgerichte, Korrektur der Kostenentscheidung, Baugenehmigungsgebühr, Baugenehmigungsverfahren, Baukostenindex, Baugenehmigungsbescheid, Baugenehmigungsbehörde, Bundsverwaltungsgericht, Kostenverzeichnis, Kostenbescheid, Gebührenberechnung, Vermessungsgebühren, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Benutzungsgebühren, Bauvorhaben, Befähigung zum Richteramt, Prozeßbevollmächtigter, Prozeßkostenhilfeverfahren, Eigenleistung, Schlußrechnung

Schlagworte:
Einverständniserklärung, Verwaltungsgerichtshof, mündliche Verhandlung, Kostenbescheid, Rechtsgrundlage, Baukosten, Baugenehmigungsgebühr
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 28.09.2016 – M 23 K 15.1412
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63814

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. September 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht de Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe der Gebühren für die Vermessung des als „Anbau eines Wintergartens an ein Zweifamilienhaus“ in der D.-Straße 3 in M. (Fl.Nr. ... der Gemarkung P.) geplanten und mit Baugenehmigung vom 27. August 2012 genehmigten Bauvorhabens, das nach Realisierung des Bauvorhabens am 12. Februar 2015 abgemarkt und vermessen wurde.
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In der Baubeschreibung zum Bauantrag vom 16. März 2012 gab der Kläger die Baukosten für das Bauvorhaben i.H.v. 11.500,00 EUR brutto an. Am 27. August 2012 wurde das Bauvorhaben unter Zugrundelegung von Baukosten i.H.v. 56.350,00 EUR genehmigt. Nach Angaben der für die Baugenehmigung zuständigen Lokalbaukommission wurde wegen fehlenden realistischen Bezugs der niedrigen Baukostenangaben im Verhältnis zum umbauten Raum auf die Sätze des Baukostenindex einer Wohnflächenerweiterung eines Ein- bzw. Zweifamilienhauses abgestellt (Durchschnittswert von 490,00 EUR/m3 gem. der Angaben aus „BKI Baukosten 2012, Teil 1, Statistische Kostenkennwerte für Gebäude“ des Baukostenzentrums Deutscher A2. GmbH). Wintergärten würden regelmäßig als eine Wohnflächenerweiterung betrachtet.
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Am 12. Februar 2015 erfolgte die Gebäudevermessung auf dem Grundstück. Das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung M. setzte durch den streitgegenständlichen Kostenbescheid vom 19. März 2015 Kosten i.H.v. 380,16 EUR fest (eine Gebühr von 330,00 EUR zzgl. 19% USt aus 80% dieses Betrags, mithin 50,16 EUR) und legte dabei hinsichtlich der Kosten der Baumaßnahme gem. § 6 Abs. 1 Nr. 8 der Verordnung über die Benutzungsgebühren der staatlichen Vermessungsämter (GebOVerm) entsprechend der im Baugenehmigungsbescheid angenommenen Baukosten i.H.v. 56.350,00 EUR einen Baukostenrahmen von 25.000,00 EUR bis 125.000,00 EUR zugrunde.
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Hiergegen erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht mit der Begründung, die Kostenrechnung sei zu hoch, da die Baukosten weit unter 25.000,00 EUR lägen. Die Materialkosten beliefen sich unter Ausnutzung von Angeboten und Rabatten auf 9.700,00 EUR, der Arbeitsaufwand, der durch Eigenleistung erbracht worden sei, sei fiktiv mit einem kalkulatorischen Stundenlohn von 12,00 EUR auf 1.788,00 EUR festzusetzen.
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Mit Urteil vom 28. September 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, über eine Reduzierung der Kostenrechnung vom 19. März 2015 i.H.v. 230,40 EUR unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 6 GebOVerm i.V.m. Nr. 2.I.1/2.1 der Anlage zum Kostenverzeichnis seien vorrangig die individuellen Baukosten zu berücksichtigen, lediglich hilfsweise die gewöhnlichen Herstellungskosten. Eine Umkehrung dieser Rangordnung bedürfe einer Präzisierung durch den Gesetzgeber. Die Kostenentscheidung erweise sich im Nachhinein als teilweise fehlerhaft, da der Kläger durch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Auflistung der Material- und (fiktiven) Personalkosten die grobe Richtigkeit der im Baugenehmigungsverfahren angegebenen, prognostizierten Baukosten nachträglich belegt habe (wobei das Gericht den angesetzten Stundenlohn von 12,00 EUR als zu gering erachtete). Zwar komme es auf eine nachträgliche Endrechnung grundsätzlich nicht an, sie sei jedoch geeignet, die Richtigkeit der zum Zeitpunkt der Baugenehmigung vom Bauherrn prognostizierten Baukosten zu belegen. Auf die gewöhnlichen Baukosten dürfe nur dann zurückgegriffen werden, wenn die angegebenen Baukosten so niedrig beziffert seien, dass sie unter Zugrundelegung der konkreten Umstände keinen realistischen Bezug mehr zu den objektiv erforderlichen Baukosten aufwiesen. Bei der Frage, ob kein realistischer Bezug mehr bestehe, müsse die gesamte Preisspanne der im Index verwerteten Baukosten in den Blick genommen werden. Der Beklagte habe nicht substantiiert darzulegen vermocht, aus welchen Gründen eine Berechnung der Baukosten nach Baukostenindex erfolgt sei. Das Gericht habe erhebliche Zweifel, dass die herangezogenen Werte für eine Wohnflächenerweiterung die typischerweise für einen Wintergartenanbau anfallenden Baukosten tatsächlich sachgerecht und realistisch widerspiegelten. Dass der Kläger gegen die in der Baugenehmigung festgesetzte Gebühr unter Zugrundelegung höherer Baukosten nicht vorgegangen sei, wirke sich auf die Rechtmäßigkeit des vermessungsrechtlichen Kostenbescheids nicht aus. Aus der nachträglich erkannten Fehlerhaftigkeit der ursprünglich vorgenommenen Berechnung folge die Pflicht zur Korrektur, die im Wege einer Teilaufhebung, einer vollständigen Aufhebung mit Neuerlass oder im Wege einer Korrektur nach Art. 12 Abs. 2 KG erfolgen könne (Auswahlermessen). Der Beklagte werde dabei darüber zu entscheiden haben, ob er die angegebene Brutto-Baukostensumme zugrunde lege oder einen höheren Stundensatz in Ansatz bringe.
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Mit der mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Februar 2020 zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend, nach § 6 Abs. 1 GebOVerm i.V.m. Nr. 2.I.1/2.1 der Anlage zum Kostenverzeichnis sei von den Kosten auszugehen, die unter bestimmten Umständen wie Ort der Bauausführung und Zeitpunkt der Baugenehmigung für das Bauvorhaben erforderlich seien. Damit werde ein eindeutiger Gegensatz der erforderlichen Baukosten zu den tatsächlichen Baukosten normativ hergestellt. Bei den Baukosten nach § 6 GebOVerm i.V.m. Nr. 2.I.1/2.1 der Anlage zum Kostenverzeichnis handle es sich um eine objektive bzw. objektiv bestimmbare Größe. Einsparungen durch Eigenleistungen seien nicht zu berücksichtigen. Maßgeblich seien die normalerweise anfallenden Baukosten, sodass eine subjektive Bestimmung des Bauherrn zurückzutreten habe.
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Um eine solche subjektive Bestimmung von Bauherrenseite handle es sich bei der vom Kläger vorgelegten Auflistung von Material- und Personalkosten vom 21. Juni 2015. Zum Beleg einer 10-prozentigen Rabattaktion in Baumärkten, von denen er Material bezogen habe, habe der Kläger Kopien von Kassenbons aus 2016 beigelegt, die einen Rabatt in dieser Höhe bzw. einen Sonderrabatt von 15% auswiesen, daneben zum Beleg eines Rabatts i.H.v. 45% der Firma H. (Fenster- und Türenbau) deren Schlussrechnung vom 28. September 2012. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Kläger vergleichbare Rabatte genutzt habe und in Eigenleistung gebaut habe, handle es sich dabei um Einsparungen durch Eigenleistungen (Material und Arbeitsleistungen), die nicht zu berücksichtigen seien. Eine nachträgliche Endberechnung der Baukosten sei nicht geeignet, die im Zeitpunkt der Baugenehmigung erforderlichen Baukosten als richtige Basis für die Berechnung der Vermessungsgebühr zu belegen.
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Das Verwaltungsgericht habe einer nachträglichen Endberechnung eine ihr nicht zukommende Bedeutung beigemessen. Der Entstehungsgeschichte des § 6 GebOVerm sei zu entnehmen, dass es dem Normgeber darauf ankam, die Gebühren für die Verwaltungsleistung der Baugenehmigung und der Vermessung anhand der gleichen Grundlage zu bemessen. Divergierende Kostenentscheidungen sollten vermieden werden, die Gebühren anhand derselben Grundlage berechnet werden. Dieser Gedanke der Kongruenz würde umgangen, wenn trotz bestandskräftig festgesetzter Baugenehmigungsgebühr, die von Baukosten in einer bestimmten Größenordnung ausgehe, der Vermessungsgebühr eine andere Größenordnung bei den Baukosten zugrunde gelegt werde. Nach Nr. 12.1.4. Satz 1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 14. Oktober 1985 über den Vollzug der Kostengesetze (MABl 1985, S. 630) werde klargestellt, dass die Kostenentscheidung nicht zu ändern sei, wenn sich nach Vollendung des Bauvorhabens herausstelle, dass die zugrunde gelegten Baukosten höher oder niedriger als die tatsächlichen Baukosten waren. Der nachträglichen Endberechnung dürfe daher nicht die Bedeutung beigemessen werden, die zu einer Korrektur der Kostenentscheidung führe.
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Schließlich sei festzustellen, dass bei einem Rückgriff auf eine im Baugenehmigungsverfahren vorgenommene Berechnung nach einem Baukostenindex keine weitere Substantiierung erforderlich sein sollte, um das Ergebnis dieser Berechnung auf der Vermessungsgebühr zugrunde legen zu können. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Verwaltungsgericht die von der Lokalbaukommission im Baugenehmigungsverfahren angenommenen Baukostenindices für Wohnflächenerweiterungen bezweifelt habe. Bei einem Wintergartenanbau handle es sich typischerweise um eine Wohnflächenerweiterung. Vom Bauherrn sei als umbauter Raum ein Wert von 115 m3 und eine Wohnflächenerweiterung angegeben worden. Es sei daher nicht zu beanstanden, den Durchschnittswert von 490,00 EUR/m3 gemäß der Angaben aus „BKI Baukosten 2012, Teil 1, Statistische Kostenkennwerte für Gebäude“ des Baukostenzentrums Deutscher A2. GmbH zugrunde zu legen.
Grund dafür sei, dass die vom Bauherrn angegebenen Baukosten deutlich unter diesem Baukostenindex lagen. Die Vermessungsverwaltung dürfe sich regelmäßig auf die Richtigkeit der von der Baugenehmigungsbehörde mitgeteilten Baukosten verlassen. Mit Schriftsatz vom 28. September 2015 habe die Behörde nach entsprechender Recherche bei der Baubehörde dies substantiiert dargelegt. Es entspreche dem Sinn des § 6 GebOVerm, die Handhabung der Benutzungsgebühren zu erleichtern und keine weitere Nachprüfung bzw. Berechnung vorzusehen. Eine Nachprüfung der Baukosten sei der Vermessungsverwaltung praktisch kaum möglich. Im vorliegenden Fall habe kein Anlass bestanden, die in der bestandskräftigen Baugenehmigung zugrunde gelegten Baukosten zu überprüfen. Die nachträglich berechneten Baukosten seien kein Anlass, die Bemessung der dem Kostenbescheid zugrunde gelegten Baukosten nachträglich zu überprüfen. Aus Gründen der Gleichbehandlung könnten nachträgliche Kostenaufstellungen nicht berücksichtigt werden, da bei erheblichen Kostensteigerungen diese regelmäßig auch nicht gebührenerhöhend Berücksichtigung finden würden.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger trägt vor, das Bauamt habe die Baukosten um ein Vielfaches zu hoch angesetzt, das Vermessungsamt habe diesen falschen Wert übernommen und eine Korrektur des Wertes abgelehnt. Daher sei er zur Erhebung einer Klage gezwungen gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Verwaltungsgerichtshof gem. § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung. Der nicht anwaltlich vertretene Kläger konnte sein Einverständnis rechtswirksam erklären. Eine Einverständniserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO wird in ständiger Rechtsprechung im Anwaltsprozess auch dann als wirksam angesehen, wenn sie durch einen nicht vertretenen Beteiligten abgegeben wird (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1961 – IV C 327.60 – DVBl 1961, 518; U.v. 28.4.1981 – 2 C 51/78 – BVerwGE 62, 169; B.v. 8.11.2005 – 10 B 45/05 – juris 6; HessVGH, U.v. 9.3.2015 – 10 A 1084/14 – juris Rn. 24; ebenso Brüning in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1/2020, § 101 Rn. 7a; Dolderer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 101 Rn. 21).
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht den Kostenbescheid im angefochtenen Umfang aufgehoben. Der Kostenbescheid erweist sich als rechtmäßig; er verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage ist daher unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.
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Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Kostenrechnung bildet Art. 14 des Gesetzes über die Landvermessung und das Liegenschaftskataster (in der Gültigkeit v. 30.8.2014 – 31.7.2015 – VermKatG) i.V.m. § 6 Abs. 1 der Verordnung über die Benutzungsgebühren der unteren Vermessungsbehörden v. 15.3.2006 (GVBl. 2006, S. 160, BayRS 2013-2-9-F, in der Gültigkeit v. 1.1.2014 – 31.7.2015 – GebOVerm). Gemäß Art. 14 Abs. 2 VermKatG werden für die Vermessung und katastertechnische Behandlung der Gebäudeveränderungen sowie für die in Verbindung damit notwendig werdenden Grenzfeststellungen Gebühren und Auslagen erhoben. Zu den Veränderungen im Bestand der Gebäude gehören nach Art. 8 Abs. 3 VermKatG Neubauten, Veränderungen am Umfang des Grundrisses bestehender Gebäude, Abbrüche und Zerstörung von Gebäuden, ferner Änderungen in der Zweckbestimmung von Gebäuden, soweit diese eine Änderung des Katastervortrags zur Folge haben. Nach § 6 Abs. 1 GebOVerm werden den Vermessungsgebühren die Baukosten gem. TarifNr. 2.I.1/2.1 der Anlage zur Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz (Kostenverzeichnis – KVz – v. 12.10.2001, GVBl. S. 766, zuletzt geändert durch V.v. 16.8.2016, GVBl. S. 274), hilfsweise die gewöhnlichen Herstellungskosten, zugrunde gelegt. Nach Tarifstelle 2.I.1/2.1 der Anlage KVz ist, soweit die Gebühren nach den Baukosten berechnet werden, von den Kosten (einschließlich USt) auszugehen, die am Ort der Bauausführung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung zur Vollendung des zu genehmigenden Vorhabens erforderlich sind, wobei Einsparungen durch Eigenleistungen (Material und Arbeitsleistungen) nicht zu berücksichtigen sind.
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Zur weiteren Bestimmung des Begriffs der Baukosten in der KVz-Anlage kann auf die Rechtsprechung zur Baugenehmigungsgebühr zurückgegriffen werden, nachdem nicht nur die Vermessungsgebühren, sondern – wie die Tarifstellen unter 2.I.1/1.24 der Anlage KVz ergeben – auch die Baugenehmigungsgebühren auf der Grundlage der Baukosten festgesetzt werden. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Juni 1983 (14 B 80 A.1243 – BayVBl. 1984 S. 50) ergibt sich aus der Formulierung in Tarifstelle 2.I.1/2.1 der KVz-Anlage „die (…) im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung zur Vollendung des zu genehmigenden Vorhabens erforderlich sind“, dass nicht auf die tatsächlichen Baukosten abzustellen ist, denn im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung ist das genehmigte Bauwerk noch nicht errichtet. Die tatsächlichen Baukosten entstehen nicht im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung, sondern erst bei der anschließenden Bauausführung. Eine Gebührenberechnung erweist sich nicht als unrichtig und ist nicht mehr (etwa im Hinblick auf Art. 16 Abs. 2, 12 Abs. 2 KG) zu ändern, wenn nach der Vollendung des Bauvorhabens, beispielsweise aufgrund der Schlussrechnung, feststeht, dass die tatsächlich entstandenen Baukosten höher oder niedriger waren als die der Kostenentscheidung zugrunde gelegten Baukosten (vgl. hinsichtlich Baugenehmigungsgebühren BayVGH, B.v. 16.6.1998 – 15 ZB 198.887 – juris Rn. 2 m.w.N.; ähnlich die Rechtslage in anderen Bundesländern: tatsächliche Baukosten nicht maßgeblich, vgl. VGH BW, U.v. 14.10.1999 – 3 S 77/99 – juris Rn. 24; HessVGH, B.v. 16.9.2003 – 5 TG 1608/03 – juris Rn. 2, wonach individuelle Besonderheiten wie kaufmännisches Geschick oder Eigenleistungen des Bauherrn unberücksichtigt bleiben müssen; OVG Bremen, B.v. 23.10.2013 – 1 B 110/13 – juris, wonach ein Vergleich der prognostizierten mit den tatsächlichen Baukosten nicht zu einer Berichtigung führt, auch wenn sich die Prognose nachträglich als fehlerhaft darstellt). Dementsprechend stellt sich auch die Erlasslage dar: Gemäß Nr. 12.1.4 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 14. Oktober 1985, Nr. I Z 6 – 1052-20/12 (MABl. 1985, S. 630 ff.) ist die Kostenentscheidung nicht zu ändern, wenn sich nach Vollendung des Bauvorhabens herausstellt, dass die der Gebührenberechnung zugrunde gelegten Baukosten höher oder niedriger als die tatsächlichen Baukosten waren. Die Rechtsgrundlage stellt explizit auf die Baukosten ab, die im Zeitpunkt der Baugenehmigung als objektiv erforderlich zu prognostizieren sind.
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Nach den Urteilen des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Februar 2003 (Az. 2 B 99.2523 – juris Rn. 28 ff. sowie Az. 2 B 00.1313 – juris Rn. 22 ff.) sowie dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 10. April 2006 (Az.: 15 BV 05.664 – juris Rn. 18 ff.) sind für die Höhe der Baukosten grundsätzlich die Angaben maßgebend, die der Bauherr hierzu im Baugenehmigungsverfahren entsprechend den Vorschriften der Bauvorlagenverordnung zu machen hat. Diese Angaben wären überflüssig, wenn für die Gebührenberechnung stets und schematisch auf die statistisch errechneten Baukostenindizes zurückzugreifen wäre. Einer solchen Vorgehensweise widerspräche auch, dass bei der Baukostenermittlung die im Bauvorhaben selbst liegenden besonderen Umstände zu berücksichtigen sind (etwa Untergrundverhältnisse, Grundwasserstand, Grundwasserschutzmaßnahmen, Baumschutzmaßnahmen, Fassadengestaltung, Dachgestaltung, verwendete Baumaterialien, Innenausstattung, kostengünstige Vertragsgestaltung bei Realisierung gleichartiger Bauvorhaben usw.). Nur dann, wenn Angaben des Bauwerbers über die Baukosten fehlen oder wenn im Rahmen dieser Angaben die Baukosten so niedrig beziffert werden, dass sie unter Zugrundelegung der konkreten Umstände keinen realistischen Bezug mehr zu den objektiv erforderlichen Baukosten aufweisen (im U.v. 10.4.2006, Rn. 18, wird ausgeführt, mehr als eine Plausibilitätsprüfung sei in diesem Zusammenhang nicht veranlasst), kann auf einen Baukostenindex zurückgegriffen werden.
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Nach dem abstrakt-typisierenden Ansatz des Abgabenrechts ist es im Interesse der Gebührengerechtigkeit nicht zu beanstanden, wenn die Vermessungsverwaltung die von der Baugenehmigungsbehörde mitgeteilten Baukosten, die der Baugenehmigung zugrunde gelegt wurden, als Maßstab für die Bemessung der Vermessungsgebühren zugrunde legt. Der Verordnungsgeber hat mit seiner Entscheidung, sowohl der Baugenehmigungsgebühr sowie der Vermessungsgebühr die Baukosten i.S.d. Tarifstelle 2.I.1/2.1 der KVz-Anlage zugrunde zu legen, sowohl der Baugenehmigungsbehörde als auch der Vermessungsbehörde die Prüfung auferlegt, welche Kosten (einschließlich USt) am Ort der Bauausführung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung zur Vollendung des zu genehmigenden Vorhabens erforderlich sind. Er hat hiermit eine Kongruenz des gebührenrechtlichen Maßstabs im Baugenehmigungs- und Vermessungsverfahren beabsichtigt. Eine Bindung der Vermessungsbehörde an das Ermittlungsergebnis der Baugenehmigungsbehörde ist jedoch nicht vorgesehen. Deswegen muss offenkundig unrichtigen Feststellungen im vorangegangenen Verfahren und substantiierten Einwendungen gegen die Bemessungsgrundlage durch eine eigenständige Prüfung und ggf. durch Ansatz von Baukosten, die von den der Baugenehmigungsgebühr zugrundeliegenden abweichen, Rechnung getragen werden (zusammenfassend ebenso Senatsentscheidung vom heutigen Tag, Az: 19 BV 16.2449).
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Nach diesen Maßgaben hat der Beklagte zu Recht die Baukosten zugrunde gelegt, die von der Baugenehmigungsbehörde angenommen worden sind. Deren Rückgriff auf den Baukostenindex ist vorliegend gerechtfertigt.
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Der Kläger hat im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens Baukosten i.H.v. 11.500,00 EUR prognostiziert. Das Bauvorhaben hat jedoch einen umbauten Raum von 115,00 m3 und der Kläger hat nicht bezweifelt, dass es eine Wohnflächenerweiterung darstellt; solche Zweifel sind auch sonst nicht ersichtlich. Nach dem erwähnten Baukostenindex fallen in einem solchen Fall Baukosten i.H.v. durchschnittlich 490,00 EUR pro Kubikmeter umbauten Raumes an. Auch diesen Marktpreis hat der Kläger nicht angezweifelt. Die erforderlichen Baukosten betragen somit durchschnittlich mehr als 56.000,00 EUR. Die vom Bauherrn angegebenen Baukosten sind im Verhältnis hierzu so niedrig beziffert, dass sie keinen realistischen Bezug zu den objektiv erforderlichen Baukosten aufweisen.
22
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die vorgelegte Auflistung über die tatsächlich angefallenen Baukosten nicht geeignet, die grobe Richtigkeit der ursprünglichen Angaben des Klägers im Baugenehmigungsverfahren zu belegen, da nicht die tatsächlichen Baukosten maßgeblich sind, sondern die im Zeitpunkt der Genehmigung als objektiv erforderlich zu prognostizierenden Baukosten. Die Baukostenangabe des Bauherrn im Baugenehmigungsverfahren von 11.500,00 EUR spiegelt eine sparsame individuelle Bauweise wider. Individuelle Besonderheiten wie Einsparungen durch eine besonders kostengünstige Bauweise, durch Eigenleistungen, Rabatte und Sonderkonditionen sind aber nicht zu berücksichtigen.
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Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr auf die fehlende Darlegung an, was die vorgelegten Kassenbelege aus dem Jahr 2016, also aus der Zeit nach Vollendung des Vorhabens, belegen sollen; es fehlt an jeglichem Bezug zum Bauvorhaben. Auch der für eine Ingenieursleistung in Ansatz gebrachte fiktive Stundensatz von 12,00 EUR für Eigenleistungen ist fraglich, kann aber ebenfalls unaufgeklärt bleiben.
24
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, 11 und § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.