Titel:
Aufklärungspflichtverletzung, Treuhandkommanditist, Emissionsprospekt, Berufungsbegründungsschrift, Veräußerung, Schadensersatzpflicht, Prüfung der Erfolgsaussicht, Sachverständigengutachten, Maßgeblicher Zeitpunkt, Berufungsverfahren, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Sekundäre Darlegungslast, Zeugenbeweis, Haftungsmaßstab, Urteilsgründe, Gelegenheit zur Stellungnahme, personelle Verflechtung, Prozeßförderungspflicht, Tatsachenvortrag, Anlageberater
Schlagworte:
Treuhandkommanditistin, Aufklärungspflicht, Emissionsprospekt, Schadensersatzpflicht, Prospektfehler, Interessenkonflikte, Kostendarstellung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 07.05.2019 – 34 O 1818/18
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 11.05.2020 – 13 U 3064/19
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63751
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 07.05.2019 (Az.: 34 O 1818/18) durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Entscheidungsgründe
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Das Landgericht München I hat mit einem ausführlich und sorgfältig begründeten Urteil die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung des Klägers konnte nicht aufzeigen, dass die Entscheidung des Landgerichts München I auf einer Rechtsverletzung gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO beruht oder dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Ergänzend zu den Ausführungen des Erstgerichts ist Folgendes zu bemerken:
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1. Ausgangspunkt für die Prüfung der Erfolgsaussichten der Berufung ist folgender, vorliegend relevanter rechtlicher Haftungsmaßstab:
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a) Eine Treuhandkommanditistin – als solche wird die Beklagte hier in Anspruch genommen – ist verpflichtet, Anleger über alle wesentlichen Punkte, insbesondere regelwidrige Auffälligkeiten der Anlage, aufzuklären, die ihr – ex ante betrachtet – bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein müssen und die für den Anleger von Bedeutung sind. Dabei kann von einer Treuhandkommanditistin jedenfalls erwartet werden, dass sie den bei den Beitrittsverhandlungen verwendeten Prospekt im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle dahin überprüft, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und die darin enthaltenen Informationen, soweit sie diesen mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich richtig und vollständig sind (BGH, Urteil vom 16.03.2017 – III ZR 489/16 – juris, Rn. 26 = NJW-RR 2017, 750). Die D. B. als Anlageberaterin unterlag einem strengeren Haftungsmaßstab; ihre Hinweise und Erläuterungen für Beratungsgespräche (K 3) sind vor diesem Hintergrund zu sehen.
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b) Ein Emissionsprospekt, der hier unstreitig alleinige Entscheidungsgrundlage für den Beitritt des Klägers bildete, ist fehlerhaft bzw. unvollständig, wenn er nach Form und Inhalt nicht geeignet ist, dem Anleger die ihm für die Beteiligung wesentlichen Informationen verständlich und wahrheitsgemäß zu vermitteln (BGH, Urteil vom 05.03.2009 – III ZR 17/08 –, NZI 2009, 471 – beck-online). Für die Beurteilung der Anlage bedeutsame Umstände dürfen weder verschwiegen noch verschleiert werden. Ob ein Emissionsprospekt, der im Eigeninteresse des Anlegers sorgfältig und eingehend zu lesen ist (BGH, Urteil vom 26.02.2013 – XI ZR 345/10 –, BeckRS 2013, 6434, Rn. 33), unrichtig oder unvollständig ist, entscheidet sich nicht allein anhand der darin wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern, es kommt wesentlich auch darauf an, welches Gesamtbild er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt (BGH, Urteil vom 09.05.2017 – II ZR 344/15 – DStR 2017, 1613, Rn. 19 – beck-online).
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2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich, wie vom Erstgericht völlig zutreffend festgestellt, auf der Grundlage des klägerischen Tatsachenvortrags und den in der Berufungsbegründungsschrift auf den Seiten 4 ff. noch gerügten Prospektfehlern eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen einer Aufklärungspflichtverletzung nicht feststellen.
a) Keine hinreichende Aufklärung über Rentabilität und Absatzmarkt des Holzfonds
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Eine für die Beklagte im Rahmen der ihr obliegenden Plausibilitätsprüfung erkennbar unzutreffende Aufklärung über die Rentabilität und den Absatzmarkt des Holzfonds hat das Erstgericht auf den Seiten 5 unten – 7 oben der Urteilsgründe verneint. Die hiergegen erhobenen Berufungsrügen greifen nicht durch.
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Erstmals in der Berufungsbegründungsschrift auf den Seiten 5 bis 7 (= Bl. 124/126 d. A.) beruft sich der Kläger darauf, der Hinweis im Prospekt auf den Absatzmarkt Asien sei irreführend. Zwar habe es einen wachsenden Holzbedarf in Asien und insbesondere in China gegeben. Die bewirtschafteten Waldflächen des streitgegenständlichen Waldfonds seien aber im Osten und Süd-Osten der USA gelegen. Aufgrund der hohen Transportkosten sei ein Absatz auf dem asiatischen Markt unter Berücksichtigung hoher Transportkosten völlig unrentabel. Nur ein Verkauf des Holzes in den USA sei wirtschaftlich vertretbar. Als Beweis hierfür bietet der Kläger Zeugenbeweis und die Erholung eines Sachverständigengutachtens an und beruft sich zudem auf die im Berufungsverfahren erstmals vorgelegte Anlage K 18.
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Dieser Vortrag nebst Beweisangeboten ist verspätet und kann gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. Indem der Kläger diesen Vortrag nebst Beweisangeboten nicht bereits in erster Instanz erhob, hat er nachlässig gehandelt. Nachlässigkeit liegt immer dann vor, wenn eine Partei fahrlässig in der ersten Instanz nicht vorgetragen hat. Hierzu zählt jedes Versäumnis des Vortrags, das gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht des § 282 ZPO verstößt (Zöller/Heßler, ZPO, 33. Auflage, § 531 Rn. 30). Der Kläger hat unter Verletzung seiner Sorgfaltspflichten auf den nunmehr erhobenen Vortrag nebst Beweisangeboten in der ersten Instanz verzichtet. Hinzu kommt, dass es sich bei der Anlage K 18 um eine solche aus dem Jahr 2015 handelt, der für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Zeichnung der Anlage im Januar 2009 keine entscheidende Bedeutung zukommt.
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Entgegen der Ansicht des Klägers bestand für die Beklagte auch keine sekundäre Darlegungslast, nach der die Beklagte gehalten gewesen wäre, Planungen vorzulegen, mit denen die wirtschaftlichen Ziele des Fonds über den Absatzmarkt der USA hinaus hätten erreicht werden sollen. Die Beklagte ist nicht Prospektverantwortliche, nicht an der Konzeption des Fonds beteiligt gewesen und nicht in die laufende Unternehmensführung eingebunden und verfügt somit über die gewünschten Planungen nicht (Zöller/Greger, a. a. O., vor § 284, Rn. 34).
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Auch sind die Ausführungen auf den Seiten 30 bis 32 des Prospekts hinsichtlich der Verwendung von und Nachfrage nach Holz nicht irreführend. Dort ist von der steigenden weltweiten Nachfrage nach Holz, insbesondere aus China, die Rede. Zu den Absatzmärkten des streitgegenständlichen Fonds äußert sich der Prospekt an dieser Stelle nicht.
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Eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten ist auch nicht darin zu sehen, dass sie nicht auf den Einbruch der Holzpreise in den USA im Zeitpunkt des Erwerbs der streitgegenständlichen Beteiligung, bedingt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise aus 2007/2008 und den Rückgang der Bautätigkeit in den USA 2005 bis 2009, hingewiesen hat.
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Es erscheint bereits fraglich, ob der Einbruch der Holzpreise in den USA im Prospekt einer speziellen Erwähnung bedurfte, da auf den Seiten 6 und 38 des Emissionsprospekts auf die schwankenden Holzpreise hingewiesen wird.
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Jedenfalls war die Beklagte nicht gehalten, im Januar 2009 eigene Ermittlungen zu den aktuellen Holzpreisen in den USA und zu den Gründen des Einbruchs der Holzpreise durchzuführen. Zwar kann eine Plausibilitätsprüfung im gewissen Umfang auch Ermittlungspflichten einschließen, wenn berechtigte Zweifel an der Schlüssigkeit des Anlagekonzepts auftreten (BGH, Beschluss vom 21.05.2008 – III ZR 230/07 –, juris Rn. 5). Vorliegend waren solche Zweifel aber nicht gegeben. Dass der Einbruch der Holzpreise sich nicht im Rahmen der im Prospekt an den vorgenannten Stellen genannten Holzpreisschwankungen hält und die Holzpreise nicht in den folgenden Jahren in den USA wieder ansteigen werden, drängte sich nicht auf. Auch dass für den Fonds eine niedrigere Nachfrage in den USA, wie vom Kläger behauptet, im Hinblick auf hohe Transportkosten nicht durch eine erhöhte Nachfrage in Asien kompensiert werden konnte, musste die Beklagte nicht im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätskontrolle erkennen. Hierfür wären detaillierte Kenntnisse zu Transportwegen und -kosten sowie deren Anteil am Holzpreis erforderlich gewesen.
b) Keine Flexibilität beim Holzeinschlag – Interessenkonflikte
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Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, der Prospekt informiere nicht darüber, dass sich die Waldgesellschaft beim Kauf der Waldflächen zu umfangreichen Holzlieferungen an den Verkäufer verpflichtete. Dem Prospekt ist auf Seite 38 zu entnehmen, dass die erfahrenen Waldmanager aufgrund ihrer etablierten Absatzkanäle regelmäßig flexibel auf Preisschwankungen reagieren könnten. Langfristige Abnahmevereinbarungen würden die Basis für laufende Erträge bieten.
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Auch die Tatsache, dass die Waldgesellschaft verpflichtet war, pro Jahr 50% der geplanten Holzernte an Sägeholz an den Verkäufer zu liefern (K 3, Seite 2), schränkt die Flexibilität nur unwesentlich ein, denn das Sägeholz stellt lediglich ca. 2,1% des produktiven Grundstocks des gesamten Waldportfolios in Höhe von insgesamt rund 52 Millionen Tonnen dar (K 3, Seite 2). Diese Lieferverpflichtung ist somit vernachlässigbar. Sie ist zudem im Zusammenhang mit den Ausführungen auf den Seiten 37 und 58 des Prospekts zu sehen, wonach die Erträge aus den Waldinvestments überwiegend aus der aktiven Bewirtschaftung der Waldflächen (laufender Holzeinschlag und Veräußerung auf den Holzabsatzmärkten) sowie aus der Veräußerung der Waldflächen vornehmlich zum Ende der Laufzeit stammen würden. Auf den Seiten 69 und 41 des Emissionsprospekts ergibt sich zudem, dass auch in den Zeiten niedriger Holzpreise Holz geerntet wird.
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Auf den Seiten 8, 14, 16, 51 und 56 enthält der Prospekt zudem Informationen über eine mögliche Zinsbelastung im Zusammenhang mit einer grundsätzlich möglichen Aufnahme von Fremdkapital.
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Auf etwaige Interessenkonflikte wird auf den Seiten 14/15 und 95 hingewiesen. Es ergebe sich die Gefahr, dass die Waldgesellschaft aufgrund anderer Interessen benachteiligt werde. Auch bestehe das Risiko, dass für die Geschäftsführung der Fondsgesellschaft Interessenkonflikte aus den kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen entstehen.
c) Kein Hinweis auf lediglich eingeschränkte Aussagekraft des Vergleichsindex
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Auch diese Rüge geht fehl. Im Prospekt wird darauf hingewiesen, dass die Entwicklung des NCREIF Timberland Index keine Garantie dafür sei, dass ähnliche Erfolgserlebnisse auch in Zukunft erreicht werden können und auch keine Aussage zum wirtschaftlichen Erfolg der Beteiligung des Investors zulasse (K 2, Seite 15).
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Entgegen der Ansicht des Klägers bedurfte es auch keines Hinweises darauf, dass der Grafik auf Seite 37 des Prospekts lediglich eine eingeschränkte Aussagekraft zukommt. Aus dem der Grafik vorgeschalteten Wortbeitrag wird deutlich, dass die Grafik nur allgemein die nachhaltige Rentabilität von Waldinvestments belegen soll. Dem verständigen Leser wird die tatsächliche Entwicklung des NCREIF Timberland Index im Zeitraum von 1988 bis 2006 und darüber hinaus vor Augen geführt. Eine direkte Übertragbarkeit auf den hier streitgegenständlichen Waldfonds wird nicht behauptet.
d) Keine ausreichende Kostendarstellung
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Die Kostendarstellung im Prospekt ist nicht zu beanstanden. So werden die laufenden Kosten auf den Seiten 7, 15 und 51 des Prospekts dargestellt. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass sich aus der Mehrstöckigkeit der Beteiligungsstruktur auf jeder Ebene Kosten entstehen können, die höher liegen können als bei einer direkten Investition in Waldflächen. Eine Aufklärung über sämtliche Kosten auf Ebene der Waldgesellschaft, der Beteiligungsgesellschaft, der Holdinggesellschaft, der Zwischengesellschaft und der Objektgesellschaften war nicht möglich, da diese Kosten zum Zeitpunkt der Prospekterstellung und zum Zeitpunkt der Zeichnung der Beteiligung noch gar nicht abschließend feststanden.
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Im Übrigen wird auf den Seiten 8 und 54 des Prospekts das gesamte Investitionsvolumen des Fonds dargestellt, hierzu die fondsabhängigen Vergütungen und Nebenkosten ins Verhältnis gesetzt und mit rund 13,5% der Summe aus Kapitaleinlage und Agio ausgewiesen. Somit werden auf den Seiten 54 ff. des Prospekts sämtliche anfallende Kosten dargestellt. Deutlich wird durch den Hinweis auf Seite 54 darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um eine Prognose mit dem Stand: 05.08.2008 handelt.
e) Kein Hinweis auf Gefahr durch Hurrikangebiete
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Entgegen der Behauptung des Klägers wird auf die Risiken aus der Bewirtschaftung der Waldflächen auf den Seiten 12 und 13 des Prospekts ausführlich hingewiesen. Es wird auf die Risiken, die aus Extremwetter, aus Klimaänderungen und sonstigen Umweltrisiken wie Erdbeben, Bodenerosion und Überschwemmungen ausreichend hingewiesen. Zutreffend hat das Erstgericht zudem darauf abgestellt, dass das Waldgebiet der Vorgesellschaft ein Gebiet mit geringem bis mittlerem Gefährdungspotenzial für Hurrikane (K 11) lag. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers muss deutschen Anlegern zudem bekannt sein, dass in den USA generell die Gefahr von Hurrikanen gegeben ist.
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3. Ob etwaige Ansprüche des Klägers verjährt sind, kann somit offen bleiben.
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4. Der Senat rät dem Kläger daher, insbesondere aus Kostengründen, die Berufung zurückzunehmen.
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5. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 64.361,20 € festzusetzen.
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6. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Hinweis des Senats bis zum 29.03.2020.