Titel:
Ergänzungsverlangen, Registergericht, Außerordentliche Hauptversammlung, Versammlungsleiter, Beschwerdeverfahren, Beschwerdeführer, Einstweilige Anordnung, Geschäftswert, Rechtsmißbrauch, Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen, Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, Kostenentscheidung, Beschwerdegericht, Bekanntmachung, Außergerichtliche Kosten, Tagesordnungspunkt, Gerichtliche Bestellung, Nichtigkeitsklage, Aktionäre, Minderheitenschutz
Schlagworte:
Ergänzung der Tagesordnung, Bekanntmachung, Besonderer Vertreter, Versammlungsleiter, Unverzügliche Bekanntmachung, Geltendmachung von Ansprüchen, Bestellung eines Versammlungsleiters
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 03.02.2020 – HRB 40823 (Fall 79)
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63742
Tenor
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Registergericht – vom 03.02.2020 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die im Beschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten sowie die dem Beteiligten zu 2) entstanden notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 90.000,00 festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend hat das Registergericht die Ergänzung der Tagesordnung der außerordentlichen Hauptversammlung der Beschwerdeführerin am 14.02.2020, deren Bekanntmachung, die Bestellung eines Besonderen Vertreters sowie die Bestellung eines Versammlungsleiters für die außerordentliche Hauptversammlung angeordnet.
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1. Gemäß § 122 Abs. 2 AktG können Aktionäre, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von € 500.000 erreichen – was hier unstreitig hinsichtlich des Antragstellers, des M… M…, der Fall ist – verlangen, dass Gegenstände auf die Tagesordnung gesetzt und bekanntgemacht werden. Jedem neuen Gegenstand muss eine Begründung oder eine Beschlussvorlage beiliegen. Das Verlangen muss einer nicht börsennotierten Gesellschaft – wie hier – mindestens 24 Tage vor der Versammlung zugehen; der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen. Gemäß § 122 Abs. 3 AktG kann das Registergericht die Aktionäre, die das Verlangen gestellt haben, ermächtigen, den Gegenstand bekanntzumachen, wenn dem Verlangen der antragsberechtigten Aktionäre nicht entsprochen wird. Zugleich kann das Gericht den Vorsitzenden der Versammlung bestimmen.
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2. Ausweislich des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Auszugs aus dem Bundesanzeiger erfolgte die Ladung zur außerordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft am 31.12.2019. Mit Einschreiben vom 16.01.2020 hat der M… M… das Begehren um Ergänzung der Tagesordnung und entsprechende Veröffentlichung der im vorgenannten Schreiben genannten und im angefochtenen Beschluss aufgeführten Tagesordnungspunkte ersucht. Die Deutsche Post hat den Zugang des Ergänzungsverlangens am 17.02.2020, 13.36 Uhr bestätigt. Dass der Beschwerdeführerin das Ergänzungsverlangen tatsächlich zugegangen war, ergibt sich aus dem vom Vorstand der Beschwerdeführerin unterschriebenen Fax vom 20.01.2020, in welchem dieser den M… M… bat, ihm das Ergänzungsverlangen als Word-Datei zu übermitteln, was per E-Mail vom 21.01.2020 auch geschah. Der Senat geht daher davon aus, dass das Ergänzungsverlangen der Beschwerdeführerin spätestens am 20.04.2020 und somit in der nach § 122 Abs. 2 AktG vorgeschriebenen Frist von 24 Tagen vor der Hauptversammlung zugegangen ist.
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3. Gemäß § 124 Abs. 1 S. 1 AktG ist das Ergänzungsverlangen unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) bekannt zu machen. Zwar ist dem Vorstand als zuständigem Organ auch im Falle eines Ergänzungsverlangens ein Prüfungsrecht zuzubilligen. Da der Vorstand jedoch grundsätzlich mit einem Ergänzungsverlangen rechnen muss, wird er dieses auch schneller zu prüfen haben als etwa das Verlangen auf Einberufung einer Hauptversammlung an sich. Wegen des Unverzüglichkeitsgebots des § 124 Abs. 1 S. 1 AktG wird nach Auffassung des Senats diese Prüfung an dem auf den Zugang des Ergänzungsverlangens folgenden Werktag abgeschlossen sein müssen, falls nicht der Ergänzungsumfang der Tagesordnung ausnahmsweise eine längere Überlegung gebietet, was im Hinblick auf das konkrete Ergänzungsbegehren hier nach Auffassung des Senats jedoch nicht der Fall ist (MüKo/Kubis AktG 4. Aufl. <2018> § 122. Rn. 38). Somit hätte die Bekanntmachung des Ergänzungsverlangens spätestens am 21. oder 22.01.2020 erfolgen müssen.
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4. Die am 06.02.2020 nach Erlass des Beschlusses des Registergerichts erfolgte Bekanntmachung durch die Beschwerdeführerin verbunden mit der Terminierung einer weiteren Hauptversammlung auf den 05.05.2020 stellt weder eine unverzügliche Bekanntmachung des Ergänzungsbegehrens im Sinne des § 124 Abs. 1 S. 1 AktG dar, noch genügt sie inhaltlich den Anforderungen an eine nach § 122 Abs. 2, Abs. 3 AktG erforderliche Bekanntmachung. Denn Verfahrensgegenstand ist ausschließlich die Ergänzung der Tagesordnung der Hauptversammlung vom 14.02.2020 und deren diesbezügliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger. Das Ergänzungsverlangen bezieht sich auf die Tagesordnung einer bestimmten, bereits terminierten Hauptversammlung und nicht darauf, dass die von den Antragsstellern begehrten Tagesordnungspunkte irgendwann einmal Thema einer künftigen Hauptversammlung sind. Nur so ist der durch § 122 AktG bezweckte Minderheitenschutz, der die Ausübung nicht nur versammlungsgebunder Rechte, sondern auch die Möglichkeit zur Erhebung von Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen, für die ohne Beschlussfassung kein Raum wäre, gewährleistet (Hüffer/Koch AktG 13. Aufl. <2018>, § 122 Rn. 1). Zwar hat die Beschwerdeführerin einen weiteren Termin für die Abhaltung einer Hauptversammlung am 05.05.2020 bekanntgemacht, jedoch könnte dieser Termin – aus welchen Gründen auch immer – abgesetzt werden, so dass das Begehren des Antragstellers letztlich ins Leere liefe und der Minderheitenschutz dadurch unterlaufen würde.
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5. Zutreffend ist das Registergericht auch davon ausgegangen, dass das von den Antragstellern eingereichte Ergänzungsbegehren den Anforderungen des § 147 AktG entspricht. Danach müssen die geltend zu machenden Ansprüche im Abstimmungsantrag so genau umschrieben werden, dass ohne weitere Sachverhaltsaufklärung klar ist, aus welchem Lebenssachverhalt Ansprüche gegen welche Personen geltend gemacht werden sollen (MüKo/Arnold, AktG, a.a.O., § 147 Rn. 36). Diese Voraussetzung erfüllen die im Ergänzungsbegehren vom 16.01.2020 sowie im anwaltlichen Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 24.01.2020 enthaltenen Abstimmungsanträge. Aus den mitgeteilten tatsächlichen Anhaltspunkten ist ersichtlich, welche Schadensersatzansprüche die Gesellschaft gegen welche im einzelnen genannten und aufgeführten Personen aus welchem Rechtsgrund geltend machen soll. Diese Anträge sind ausführlich und nachvollziehbar begründet. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin handelt es sich gerade nicht um Behauptungen „ins Blaue hinein“, sondern um substantiiertes Vorbringen der Antragsteller, über die die Hauptversammlung am 14.02.2020 entscheiden soll.
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Dass das Begehren möglicherweise keine Mehrheit findet und es danach zu einer ggf. gerichtlichen Klärung der Angelegenheit kommen kann, begründet ebenso keinen Rechtsmissbrauch wie der Umstand, dass die Beschwerdeführerin bereits eine weitere Hauptversammlung terminiert hat, auf welcher die von den Antragstellern begehrten Tagesordnungspunkte vorgeblich behandelt werden sollen.
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6. Da das Ergänzungsbegehren der Antragsteller somit formell und inhaltlich korrekt ist, musste das Registergericht dem Begehren stattgeben. Dabei hatte das Registergericht nicht zu prüfen, ob das Verlangen der Minderheit sinnvoll oder zweckmäßig ist, so dass es auch Fragen von ggf. auf die Gesellschaft in diesem Zusammenhang zukommenden finanziellen Belastungen etwa durch die Erhebung von Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen nicht berücksichtigen musste (MüKo/Kubis AktG. a.a.O., Rn 57).
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Soweit die Beschwerdeführerin meint, die Anwendung des § 147 AktG setze zunächst die Bestellung eines Sonderprüfers gemäß § 142 AktG voraus, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Es mag je nach den konkreten Umständen sinnvoll sein, einen Sonderprüfer zur Durchführung einer Sonderprüfung zu bestellen. Würde man jedoch die Geltendmachung vom Ansprüchen nach § 147 AktG von der Durchführung einer Sonderprüfung nach § 142 AktG abhängig machen, würden dadurch die Rechte der Aktionäre unzulässig beeinträchtigt und die Rechtsverfolgung jedenfalls erheblich erschwert, wenn nicht sogar faktisch unmöglich gemacht. § 142 AktG ist daher allenfalls als nicht zwingende Vorstufe eines Vorgehens nach § 147 AktG anzusehen (Bürgers/Körber AktG, 4. Aufl. <2017> § 147 Rn. 2).
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7. Gemäß § 122 Abs. 3 S. 2 AktG kann das Registergericht von Amts wegen einen Versammlungsleiter bestimmen. Der diesbezügliche „Antrag“ der Antragssteller ist dabei lediglich als Anregung aufzufassen (OLG München AG 2010, 84 <87>; Roger in: Bürgers/Körper AktG a.a.O., § 122 Rn. 29). Die Bestimmung eines Versammlungsleiters steht ebenso wie die Auswahl der Person im Ermessen des Gerichts (OLG München a.a.O.). Ist das Gericht der Überzeugung, dass der nach der Satzung zuständige Versammlungsleiter – hier der Vorsitzende des Aufsichtsrats W… E… R… – dem Anliegen der Minderheit nicht in gebührender Weise gerecht werden wird, hat es die Pflicht selbst den Versammlungsleiter zu bestimmen (OLG Düsseldorf AG 2013, 468 <469>; MüKo/Kubis a.a.O., Rn. 60; Roger in: Bürgers/Körber AktG a.a.O., Rn. 20; Hüffer/Koch AktG a.a.O., Rn. 11). Nachdem es hier u.a. um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den derzeitigen Aufsichtsratsvorsitzenden geht, ist zu besorgen, dass der satzungsmäßig vorgesehene Versammlungsleiter dem Anliegen der Minderheit nicht in der gebührenden Weise gerecht werden kann, so dass die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung eines Versammlungsleiters vorliegen.
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Zutreffend hat das Registergericht auch ausgeführt, dass aufgrund der vorliegenden Protokolle der letzten Hauptversammlungen erhebliche Zweifel bestehen, dass unter dem satzungsmäßig bestimmten Versammlungsleiter, dem Aufsichtsratsvorsitzenden W… E… R…, eine ordnungsgemäße Abstimmung über die beantragten Tagesordnungspunkte erfolgen wird. Im Hinblick auf die Gesamtsituation der Gesellschaft, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Aktionäre gerichtsbekannt seit langem äußerst zerstritten sind und sich gegenseitig regelmäßig „rechtswidrigen“ Verhaltens beschuldigen, erscheint es auch dem Senat im Interesse der Gesellschaft und der Aktionäre notwendig und sachgerecht, einen Versammlungsleiter für die gesamte Hauptversammlung zu bestellen, um überhaupt eine ordnungsgemäße Durchführung der Hauptversammlung sicherzustellen. Dass der Aufsichtsratsvorsitzende – wie jetzt vorgetragen – seit 5 Jahren keine Hauptversammlung mehr geleitet haben soll, führt im Hinblick auf das eben gesagte zu keiner anderen Entscheidung des Senats.
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Auch nach Auffassung des Senats sind die vom Registergericht bestimmten Versammlungsleiter – Rechtsanwalt H…, im Verhinderungsfall Rechtsanwalt Dr. W… – fachlich geeignet, dieses Amt neutral und sachgerecht auszuüben. Dass das Registergericht in einem früheren Verfahren eine andere Person zum Versammlungsleiter bestellt hat, bindet das Gericht nicht und steht einer Bestimmung der vorgenannten Personen zu Versammlungsleitern nicht entgegen.
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8. Die Stellungnahme des Beteiligten zu 2), des M… M…, hat der Senat wegen der Eilbedürftigkeit der Sache nicht berücksichtigt.
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Gegenüber dem Senat hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 10.02.2020 den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beantragt. Dieser Antrag muss indes nicht gesondert verbeschieden werden. Denn bei diesem Antrag handelt es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Beschwerdegericht nach § 64 Abs. 3 FamFG. Diese werden gegenstandslos, wenn das Beschwerdegericht über das Rechtsmittel – wie hier – instanzabschließend entscheidet, weil Anordnungen nach § 64 Abs. 3 FamFG einen bloßen Annex des Beschwerdeverfahrens darstellen (Feskorn in: Zöller ZPO 33. Aufl. < 2020> § 64 FamFG, Rn. 12).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat gemäß § 36 GNotKG auf € 90.000 festgesetzt.
16
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 FamFG.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 13.02.2020.