Titel:
Versammlungsleiter, Beschwerdeverfahren, Registergericht, Geschäftswert, Hauptversammlung, Gerichtliche Bestellung, Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, Kostenentscheidung, Ergänzungsverlangen, Gerichtskosten, Außergerichtliche Kosten, Beschwerdeführer, Gerichtliche Bestimmung, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Minderheitsaktionäre, Rechtswidriges Verhalten, Gerichtsbekanntheit, Rechtsanwalt, Ermessen des Gerichts, Alleinentscheidung
Schlagworte:
Beschwerde, Versammlungsleiter, gerichtliche Bestellung, Schadensersatzansprüche, ordnungsgemäße Abstimmung, Gerichtskosten, Geschäftswert
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 08.12.2020 – HRB 40823 (Fall 86)
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63741
Tenor
1. Auf die Beschwerde des M… M… (Beschwerdeführer im Verfahren 31Wx489/20) wird der Beschluss des Amtsgerichts München, Registergericht vom 08.12.2020 in Ziffer I. dahingehend abgeändert, dass Rechtsanwalt M… führet bzw. Rechtsanwalt Dr. C… W… zu neutralen Versammlungsleiter für die gesamte Hauptversammlung bestellt wird.
2. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin K… waren im Verfahren 31 Wx 489/20 wird zurückgewiesen.
3. Die Beschwerdeführerin K… hat die im Beschwerdeverfahren 31 Wx 488/20 angefallenen Gerichtskosten sowie die dem Beteiligten zu 2) entstanden notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 90.000,00 festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde des M… M… (31 WX 489/ 20) hat in der Sache Erfolg. Der Beschluss des Registergerichts war daher insoweit zu ergänzen, dass der Versammlungsleiter für die gesamte Hauthauptversammlung zu bestellen ist. Die Beschwerde der K… (31 Wx 488/20) war zurückzuweisen.
2
Entgegen der Auffassung der K… war die Bestellung eines neutralen Versammlungsleiters zulässig.
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Sinn und Zweck des § 122 Abs. 3 Satz 2 AktG erfordern es, auch in den Fällen einen Vorsitzenden der Hauptversammlung gerichtlich zu bestimmen, in denen die Voraussetzungen zur gerichtlichen Bestimmung eines Versammlungsleiters zunächst vorgelegen haben, eine Entscheidung über das Ergänzungsverlangen nach § 122 Abs. 3 Satz 1 AktG aber unterbleibt, weil die Gesellschaft unter dem Druck des gerichtlichen Verfahrens dem Verlangen des Minderheitsaktionärs auf Aufnahme bestimmter Gegenstände in die Tagesordnung nachgekommen ist (OLG H AG 2012, 294-295, OLG Köln, Beschluss vom 16. Juni 2015 – I-18 Wx 1/15 –, juris Rn. 10). Maßgeblich dafür, ob das Registergericht von der ihm eingeräumten Befugnis zur Bestimmung eines Versammlungsleiters Gebrauch machen muss, ist dann nicht, ob dem Ergänzungsverlangen zu entsprechen gewesen wäre. Vielmehr ist allein entscheidend, ob konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, die darauf schließen lassen, dass eine unparteiische Leitung durch den satzungsmäßig berufenen Versammlungsleiter nicht gewährleistet ist (OLG Hamburg a.a.O., OLG Düsseldorf, MDR 2013, 731-732; OLG Köln a.a.O.). Nur bei entsprechenden Bedenken, der Versammlungsleiter werde dem Anliegen der Minderheit nicht in gebührender Weise Rechnung tragen, kommt eine gerichtliche Bestellung in Betracht (Hüffer/Koch, AktG, 11. Auflage 2014, § 122 Rn. 11).
4
Zwar ist der diesbezügliche „Antrag“ der Antragssteller auf Bestellung eines Versammlungsleiters dabei lediglich als Anregung aufzufassen (OLG M. AG 2010, 84 <87>; Roger in: Bürgers/Körper AktG a.a.O., § 122 Rn. 29). Die Bestimmung eines Versammlungsleiters steht ebenso wie die Auswahl der Person im Ermessen des Gerichts (OLG München a.a.O.). Ist das Gericht der Überzeugung, dass der nach der Satzung zuständige Versammlungsleiter – hier der Vorsitzende des Aufsichtsrats W… E… R… – dem Anliegen der Minderheit nicht in gebührender Weise gerecht werden wird, hat es die Pflicht selbst den Versammlungsleiter zu bestimmen (OLG D. AG 2013, 468 <469>; (MüKo/Kubis AktG 4. Aufl. <2018> § 122, Rn. 60; Roger in: Bürgers/Körber AktG a.a.O., Rn. 20; Hüffer/Koch AktG 13. Aufl. <2018>, § 122., Rn. 11). Nachdem es hier u.a. um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstandsvorsitzenden, den Sohn des derzeitigen Aufsichtsratsvorsitzenden geht, ist im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten seit langem anhaltenden Streitigkeiten und gegenseitigen Vorwürfen „rechtswidrigen“ Verhaltens zu 31 Wx 488/20 – Seite 3 – besorgen, dass der satzungsmäßig vorgesehene Versammlungsleiter dem Anliegen der Minderheit nicht in der gebührenden Weise gerecht werden kann, so dass die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung eines Versammlungsleiters vorliegen.
5
Auch aufgrund der dem Senat aus vorangegangene Verfahren bekannten Protokolle der letzten Hauptversammlungen bestehen seitens des Senats ganz erhebliche Zweifel, dass unter dem satzungsmäßig bestimmten Versammlungsleiter eine ordnungsgemäße Abstimmung über die beantragten Tagesordnungspunkte erfolgen wird. Im Hinblick auf die bereits erwähnte Gesamtsituation der Gesellschaft, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Aktionäre gerichtsbekannt seit langem äußerst zerstritten sind und sich gegenseitig regelmäßig „rechtswidrigen“ Verhaltens beschuldigen, erscheint es dem Senat im Interesse der Gesellschaft und der Aktionäre notwendig und sachgerecht, einen Versammlungsleiter für die gesamte Hauptversammlung zu bestellen, um überhaupt eine ordnungsgemäße Durchführung der Hauptversammlung sicherzustellen.
6
Auch nach Auffassung des Senats sind die vom Registergericht bestimmten Versammlungsleiter – Rechtsanwalt H…, im Verhinderungsfall Rechtsanwalt Dr. W… – fachlich geeignet, dieses Amt neutral und sachgerecht auszuüben. Dass das Registergericht in einem früheren Verfahren eine andere Person zum Versammlungsleiter bestellt hat, bindet das Gericht nicht und steht einer Bestimmung der vorgenannten Personen zu Versammlungsleitern nicht entgegen.
7
Im Verfahren 31 Wx 488/20 hat die Beschwerdeführerin gemäß § 22 G N. KG die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Im Verfahren 31 Wx 488/20 hat der Senat den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren gemäß § 36 GNotKG auf 90.000 € festgesetzt. Die Kostenentscheidung im Verfahren 31 Wx 488/20 beruht auf § 84 FamFG.
8
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.