Inhalt

LG Landshut, Endurteil v. 22.09.2020 – 73 O 4326/19
Titel:

selbständiges Beweisverfahren, Sachverständigenkosten, Sachverständigenfeststellung, Privates Sachverständigengutachten, Kostenvorschussanspruch, Vereinbarte Beschaffenheit, Feststellungsantrag, Auftragsbestätigung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kosten des Rechtsstreits, Streitwert, Kosten des selbständigen Beweisverfahrens, Rechtshängigkeit, Beratungsfehler, Nachbesserungskosten, Streitgegenstand, Werkvertrag, Elektronischer Rechtsverkehr, Rechtsmißbrauch, Berechtigtes Interesse

Schlagworte:
Kostenvorschussanspruch, Mangelhaftigkeit der Leistung, Beschaffenheitsvereinbarung, Abnahme, Unverhältnismäßigkeit der Kosten, Schadensersatzansprüche, Feststellungsanspruch
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 12.02.2021 – 20 U 6129/20 Bau
OLG München, Beschluss vom 14.04.2021 – 20 U 6129/20 Bau
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 21.06.2023 – VII ZR 439/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63736

Tenor

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Vorschuss zur Mängelbeseitigung in Höhe von 38.080,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.01.2020 zu bezahlen.
2.    Die Beklagte wird weiter verurteilt dem Kläger 1.188,82 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.01.2020 zu bezahlen.
3.    Es wird festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz auch der weiteren Nachbesserungskosten verpflichtet ist.
4.    Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von der Verpflichtung zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
5.    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6.    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits und des selbständigen Beweisverfahrens 42 OH 2701/17 zu tragen.
7.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Für den Kläger gegen die Beklagte nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrag. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
8.    Der Streitwert wird auf 45.744,96 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Mängelansprüche in Form von Kostenvorschuss und Schadensersatz aufgrund eines Werkvertrags über die Erbringung von Verputzarbeiten.
2
Der Kläger ist Bauherr eines Einfamilienhauses in M.-P.. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, welches sich u.a. auf die Erbringung von Verputzarbeiten spezialisiert hat. Die Parteien haben im August 2016, Auftragsbestätigung vom 26.08.2016, einen Werkvertrag über die Erbringung von Innen- und Außenputz geschlossen. In der Auftragsbestätigung heißt es auszugsweise (Anlage K1 – Hervorhebungen wie im Original):
Innenputz
Ausführung von Innenputzarbeiten zweilagig, inclusive
- PROTEKTOR-Kantschutzeisen
- PROTEKTOR-Schnellputzleisten,
- erforderliches Autexgewebe
- PROTEKTOR-Laibungsanschlußprofile an Fenster- und Türelementen
- benötigter Betonflächenvoranstrich
- Abdeckungsarbeiten Abdeckungsarbeiten bei Sichtdachstuhl werden gesondert in Rechnung gestellt.
Kalk-Putz (MG P IV d nach DIN 18350) Q2, Feinkörnung 6 mm gefilzt für folgende Räume:
KG alle Wände in, Gast, Keller, Flur, Heizung/HWR, Büro, Sauna, Treppenhaus EG Diele, Dusche, Speis, Garderobe, Wohnküche, Wohnen, Abstelle DG Eltern, Kind 2, Kind 1, Kind 3, Bad
3
Bei der Angabe der Feinkörnung lag ein Schreibfehler vor, es sollte richtig lauten 0,6 mm. Vereinbart wurde für den Innenverputz ein Werklohn 13.780 Euro netto. Darin enthalten sind jedoch noch Kosten für das Verputzen der Garage mit Kalk-Zement-Putz. Die Innenputzarbeiten wurden sodann im Winter 2016 durchgeführt. Die ursprünglich auch vereinbarten Leistungen für das Verputzen der Garage und der Außenputz kamen nicht mehr zur Ausführung. Die Parteien haben den Werkvertrag insoweit einvernehmlich aufgehoben. Mit Schreiben vom 18.05.2017 hat der Kläger den Werkvertrag gekündigt.
4
Mit Rechnung vom 16.12.2016 verlangte die Beklagte 10.658,36 Euro netto (12.683,45 Euro brutto) nur für den Innenputz (ohne Garage). Abgerechnet wurde u.a. ein zweilagiger Innenputz inklusive erforderlichem Autexgewebe, Kalk-Gips-Putz (MG P IV d nach DIN 18350) […] (Anlage K 7). Nach der Rechnung der Beklagten wurde auch in das Bad im OG, in die Sauna und die Dusche im EG ein Kalk-Gips-Putz abgerechnet.
5
Der Kläger behauptet, dass durch die Beklagte im Rahmen der Bauausführung Schäden an Fensterrahmen und Fensterbänken entstanden seien. Beschädigt worden seien durch die Beklagte zwei Fensterrahmen durch Putzreste, die in das Holz der Fenster eingedrungen sind. Im Büro sowie im Hauswirtschaftsraum wurden die Fensterbretter durch Abplatzungen beschädigt. Zur Beseitigung der Schäden habe der Kläger für die Fenster 1.106,40 Euro und für das Einputzen der Fensterbänke 82,50 Euro aufgewendet. Ferner habe der Kläger Schleifarbeiten durchführen lassen, wodurch ihm Kosten in Höhe von 274,89 Euro entstanden seien.
6
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Verputzarbeiten mangelhaft seien, da nicht die vereinbarte Putzqualität erbracht worden sei. Es sei ein Kalkputz vereinbart worden, welcher nicht eingebracht sei. Eine wirksame Vertragsänderung auf einen Kalkputz habe nicht stattgefunden, da insoweit Beratungsfehler seitens der Beklagten vorgelegen hätten. Ferner sei die Körnung des Putzes nicht dem Vertrag entsprechend. Er habe Anspruch auf den Austausch des Putzes, da er Anspruch auf einen Kalkputz habe. Die Verwendung eines Kalkputzes sei für ihn wesentliches Kriterium gewesen, da dieser sich besonders positiv auf das Raumklima auswirke. Gerade da der Bau auch ansonsten sehr nachhaltig (keine Dämmung mit Styropor) erfolgte habe man aus bauphysikalischen Gründen Wert auf einen Kalkputz gelegt. Der Kläger ist ferner der Auffassung, dass er Anspruch auf Erstattung der Kosten für ein privat in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten in Höhe von 201,25 Euro habe. Abschließend sei die Bezifferung der Mangelbeseitigungskosten noch nicht möglich, weshalb die Feststellungsklage zulässig sei.
7
Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39.744,96 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz auch der weiteren Nachbesserungskosten verpflichtet ist.
3.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von der Verpflichtung zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
4.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
8
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
9
Die Beklagte wendet ein, dass der vertraglich vereinbarte Putz tatsächlich eingebracht worden sei. Entsprechend dem Wunsch des Klägers sei ein Putz mit möglichst hohem Kalkanteil verwendet worden. Die Beklagte rügt die Unverhältnismäßigkeit der avisierten Mangelbeseitigung und stellt die Erstattungsfähigkeit der privaten Sachverständigenkosten in Frage. Hinsichtlich der durchgeführten Schleifarbeiten ist die Beklagte der Auffassung, dass es sich nicht Mangelbeseitigungsarbeiten handele. Die Beklagte erklärt die Aufrechnung über 892,50 Euro für zusätzlich erbrachte „Filz-Arbeiten“ (Anlage B 14).
10
Dem hiesigen Streitverfahren ist unter dem Aktenzeichen 42 OH 2701/17 ein selbständiges Beweisverfahren, welches beigezogen wurde, vorangegangen. Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten durch den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dr. R. eingeholt. Der Sachverständige sollte sich zu den Beweisfragen aus dem Schriftsatz des anwaltlichen Vertreter des Klägers vom 23.10.2017 äußern. Gegenstand waren die Qualität bzw. Art des Putzes und Fragen der Ausführung der Putzarbeiten. Der Sachverständige ein schriftliches Gutachten (09.11.2018) vorgelegt und unter dem 13.02.2019 und 13.11.2019 Ergänzungsgutachten zu den Fragen der Parteien vorgelegt. Eine mündliche Anhörung des Sachverständigen wurde nicht beantragt.
11
Mit Beschluss vom 18.03.2020 wurde die Sache dem Einzelrichter übertragen.
12
Das Gericht hat – neben der Beiziehung der Akten aus dem selbständigen Beweisverfahren – Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin H.. Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. R. und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2020 Bezug genommen. Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.
13
Mit Beschluss vom 20.08.2020 wurde mit Zustimmung der Parteien in das schriftliche Verfahren übergegangen. Als Zeitpunkt der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht wurde der 07.09.2020 bestimmt.

Entscheidungsgründe

14
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
I.
15
Die sachliche Zuständigkeit folgt aus dem Streitwert, §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 17 Abs. 1 ZPO. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO). Eine vorrangige Leistungsklage ist insoweit nicht möglich.
II.
16
Die Klage ist überwiegend begründet. Die von der Beklagten erbrachten Leistungen sind mangelhaft, sodass dem Kläger ein Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung zusteht, § 637 Abs. 3 BGB. Die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz sind überwiegend begründet. Lediglich die Kosten für das private Sachverständigengutachten und die Kosten für die „Schleifarbeiten“ sind nicht erstattungsfähig. Der Feststellungsantrag ist begründet.
1. Anspruch auf Kostenvorschuss
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Kostenvorschuss gem. § 637 Abs. 3 BGB. Die von der Beklagten erbrachte Leistung ist mangelhaft, da sie nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprochen hat. Es wurde eine falsche Putzart eingebracht. Der Putz hat ferner nicht die vereinbarte Körnung, § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB.
18
a) Vereinbart war hier zuletzt die Einbringung eines Kalk-Gips-Putzes mit einer Körnung von ca. 0,6 mm. Nach den Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen mit schriftlichen Gutachten vom 09.11.2018 (42 OH 2701/17) wurde festgestellt, dass im „gesamten Wohnhaus […] kein Innenputz eingebracht worden [ist], der nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik als Kalkputz oder Kalk-Gipsputz zu qualifizieren ist“ (Gutachten vom 09.11.2018, S. 91 ff.).
19
aa) Aus der Auftragsbestätigung Anlage K1 geht hervor, dass ursprünglich vereinbart war, dass zweilagig ein Kalkputz in den Innenräumen eingebracht werden soll. Dieser sollte eine Körnung von 0,6 mm haben. Soweit in der Auftragsbestätigung eine Körnung von 6 mm angegeben ist, handelt es sich nach der Einlassung der Parteien um ein Schreibversehen.
20
Soweit die Beklagte vortragen lässt, dass sich aus dem Klammerzusatz die geschuldete Leistung (ein Kalk-Gips-Putz) ergebe, so kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Einem Laien kann nicht abverlangt werden, dass er sich mit Produktbezeichnungen und konkreten Zusammensetzungen auskennt, wenn noch nicht einmal der Hersteller dazu genannt wird. Hier hat der Kläger angegeben, dass er einen Kalkputz wünscht, die Beklagte hat dies bestätigt und muss sich daran festhalten lassen.
21
Sofern wiederholt vorgetragen wird, dass es reinen Kalkputz nicht gebe bzw. es (entgegen der sachverständigen Einlassung) keine eindeutigen Vorgaben für Kalk, Kalk-Gips und Gips-Kalk-Putz gebe, so kann dies nicht zu Lasten des Klägers gehen und steht auch im Widerspruch zu dem Sachverständigengutachten. Hier hätte die Beklagte den Kläger als Fachfrau entsprechend beraten und aufklären können (und müssen). Jedenfalls ergibt sich aber aus den vorgelegten Sachverständigengutachten, welche in sich widerspruchsfrei ist, zur Überzeugung des Gerichts, dass es nach den anerkannten Regeln der Technik sehr wohl Unterschiede gibt (vgl. Gutachten vom 11.02.2019 ab Seite 8).
22
bb) Das Gericht kam nach der Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass es dem Kläger auf einen Kalkputz ankam. Die Zeugin hat glaubhaft dargelegt, dass es ihr und dem Kläger auf einen Kalkputz ankam, dieser besondere baubiologische und bauphysikalische Merkmale habe und das Raumklima fördere. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es sich bei der Zeugin um die Ehefrau des Klägers handelt. Letztlich lässt sich dies aber auch aus dem Schriftverkehr zwischen der Beklagten und dem Kläger herleiten, indem man immer wieder auf hohe Kalkanteile seitens des Klägers hingewiesen hat.
23
cc) Darauf kommt es im Weiteren nicht an, da das Gericht davon ausgeht, dass die ursprüngliche Vereinbarung abgeändert worden ist und letztlich ein Kalk-Gips-Putz (mit hohem Kalkanteil) geschuldet ist.
24
(1) Auch auf etwaige Beratungsfehler seitens der Beklagten, welche hier seitens des Klägers vorgebracht werden, kommt es im Rahmen der hiesigen Klage auf Kostenvorschuss nicht an, da diese nach Auffassung des Gerichts keine Auswirkung auf die vereinbarte Beschaffenheit haben und damit auch keine Auswirkung auf den Kostenvorschussanspruch (mit Ausnahme bei der Frage der Unerhältnismäßigkeit). Etwaige Beratungsfehler könnten eine (hier wohl auch vorvertragliche) Pflichtverletzung darstellen und einen möglichen Schadensersatzanspruch zur Folge haben, der hier aber gerade nicht geltend gemacht wird, man hat sich für den Weg des Kostenvorschusses entschieden.
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(2) Mithin kommt es hier auf die vereinbarte Leistung an. Letztlich wurde in Abänderung der ursprünglichen Vereinbarung die Ausführung mit Kalk-Gips-Putz vereinbart. Aus der Anlage K 3 ergibt sich nach Auffassung des Gerichts, dass eine Abänderung der ursprünglich vereinbarten Beschaffenheit von (reinem) Kalkputz auf Kalk-Gips-Putz erfolgte. Etwaige Beratungsfehler haben hierauf keine Auswirkung und wären (wie dargestellt) im Rahmen eines etwaigen Schadensersatzes geltend zu machen.
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(3) An dieser Stelle ist auch zu berücksichtigen, dass sich weder aus der Anlage K3 noch aus der Anlage K1 eine Festlegung auf Produkte der Firma K. entnehmen lässt. Sofern – so wird der Vortrag der Beklagten (auch) verstanden – es bestimmte Produkte bei Knauf nicht gegen sollte, so hätte man sich an andere Hersteller wenden müssen. Aus den widerspruchsfreien Gutachten des Sachverständigen Dr. R. schließt das Gericht, dass andere Hersteller solche Produkte anbieten können. Letztlich räumt die Beklagte dies selbst ein, sofern sie über ihren Prozessvertreter ausführen lässt, dass es auch Sondermischungen gibt.
27
Der Sachverständige führt im Ergänzungsgutachten vom 11.02.2019 hierzu aus:
„Es gibt Kalkgipsputze (oder Kalk – Gips – Putze) von vielen Wettbewerbern der Firma K. am Markt. Diese werden z.B. bei Maxit (IP 23 F) als „Kalk – Gips Maschinenputz“ oder bei Weber (weber.mur 644) als „Kalk – Gips – Putz“ ausgelobt.
Dieser Einwand ist aus Sicht des Sachverständigen aber nicht von Bedeutung, da mit dem eingesetzten Produkt sogar ein vom Hersteller ausgelobter „Gips-Kalk-Putz“ und nicht ein vom gleichen Hersteller marketingtechnisch ausgelobter „Kalk – Gips – Putz eingesetzt wurde.“
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dd) Vereinbarte Beschaffenheit für die Putzqualität war mithin ein Kalk-Gips-Putz mit einer Körnung von 0,6 mm.
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b) Die von der Beklagten erbrachte Leistung ist mangelhaft. Da vorliegende eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, kommt es für die Feststellung eines Mangels darauf an, ob die erbrachten Leistungen mit der vereinbarten Beschaffenheit übereinstimmen, § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies ist vorliegend nicht der Fall, schon alleine die Putzqualität entspricht nicht der Beschaffenheitsvereinbarung. Das Gericht gelangt zu dieser Überzeugung aufgrund der vorgelegten Gutachten des Sachverständigen Dr. R., welche in sich schlüssig und widerspruchsfrei sind. Der Sachverständige hat sich mit den Beweisfragen erkennbar intensiv auseinandergesetzt und seine Ergebnisse fundiert begründet und anhand objektiver Feststellungen untermauert.
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aa) Der Sachverständige hat festgestellt, dass Körnungen von etwa 1 mm festzustellen sind. Aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien ergibt sich jedoch, dass geschuldet war eine Körnung von nur 0,6 mm. Mithin liegt schon diesbezüglich eine mangelhafte Leistung vor.
31
bb) Nach den sachverständigen Feststellungen wurde in den Feuchträumen im KG, EG und OG – entgegen der vertraglichen Vereinbarung – ein Zementputz und kein Kalk-Gips-Putz eingebracht.
32
cc) Ferner hat der Sachverständige festgestellt, dass im gesamten Innenraum kein Kalk oder Kalk-Gips-Putz eingebracht worden ist.
33
dd) Auf die weiteren Mängel in der Ausführung des Verputzes kommt es nur noch nachgeordnet an.
34
(1) Entgegen der Auffassung des Klägervertreters ist nach Auffassung des Gerichts eine vollflächige Anbringung von Unterputzgewebe nicht geschuldet. Das Gericht versteht die Auftragsbestätigung Anlage K1 dergestalt, dass sofern notwendig ein solches Gewebe aufzubringen ist.
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(2) Hinsichtlich der weiter gerügten Mängel (Winkeltoleranzen) konnte der Sachverständige keine abschließenden Ergebnisse treffen. Die weiteren Mangelbehauptungen – Putzstärke und Lagen – konnten nicht bestätigt werden. Hierauf kommt es nur nachgeordnet an, da aus dem Vortrag des Klägers ersichtlich wird, dass das Hauptaugenmerk auf der falschen Putzart liegt.
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c) Die weiteren Voraussetzungen des Kostenvorschussanspruches liegen vor. Die Frage der Abnahme kann dahingestellt bleiben, da man sich jedenfalls in einem Abrechnungsverhältnis befindet, worauf beide Parteien zu Recht hinweisen. Ein Ausschluss der Mängelrechte, wie vom Beklagtenvertreter vorgetragen, wegen einer vorbehaltlosen Abnahmen, ist nicht gegeben. Eine Abnahme in Kenntnis der Mängel ist nicht ersichtlich. Insoweit ist anzumerken, dass die Beklagte noch mit der Abrechnung behauptet hat, es sei ein Kalk-Gips-Putz eingebaut worden. Auch konnte sie lange Zeit nicht darlegen, welcher Putz verbaut wurde, was schon deswegen etwas komisch anmutet, da sie ja die Bestellungen zu der Baustelle noch haben müsste.
37
Auch die weiteren Voraussetzungen der Mängelansprüche liegen vor. Es wurde insbesondere die Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben. Hinsichtlich der Putzart hätte dies schon nicht erfolgen müssen, da hier darüber getäuscht wurde, welche Putzart verbaut wurde. Dies musste erst im Rahmen des OH-Verfahrens geklärt werden.
38
d) Der geltende gemachte Vorschuss ist der Höhe nach auch angemessen. Der Anspruch auf Vorschuss umfasst die Nachbesserungskosten, soweit diese auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Vorschussberechnung allein möglichen ex-ante-Betrachtung erforderlich sind, um den Mangel zu beseitigen. Der Sachverständige bewertet in seinem Gutachten die Kosten für die Ausbesserung des Putzes mit 32.000 Euro netto. Nachdem der Kläger nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, kann er auch die zu erwartende Umsatzsteuer hinzurechnen. Ferner hat der Sachverständige bei seiner Kostenberechnung die Nassräume, für die auch ein Kalk-Gips-Putz geschuldet war, nicht mit einberechnet. Mithin kann der Kläger die Höhe schätzen, wie vorliegend erfolgt. Ein weiteres Gutachten ist insoweit nicht notwendig. Die Schätzung ist auch nachvollziehbar und angemessen, da sie sich an der Berechnung des Sachverständigen orientiert und diese fortführt. Der geltend gemachte Betrag in Höhe von 38.080 Euro ist daher angemessen.
39
e) Es liegt keine Unverhältnismäßigkeit der Kosten im Sinne des § 635 Abs. 3 BGB vor, der Anspruch ist nicht ausgeschlossen. Es liegt auch kein Rechtsmissbrauch vor.
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Der Unternehmer kann die Mangelbeseitigung nach Abs. 3 verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. So liegt der Fall hier nicht.
41
Maßgebend ist, ob die Kosten der Mangelbeseitigung bei Abwägung aller Umstände in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem mit der Beseitigung des Mangels erzielbaren Erfolg stehen. Dabei steht bei der Bestimmung der Unverhältnismäßigkeit weniger die absolute Höhe der Kosten im Vordergrund, sondern vorrangig das Interesse des Auftraggebers an der durch die Beseitigung des Mangels erreichbaren Verbesserung. Die Norm ist insoweit sehr restriktiv auszulegen. Beispielsweise bei Schönheitsfehlern ohne Einfluss auf den Wert und die Gebrauchsfähigkeit. Sobald das Bestellerinteresse über das Maß des Geringfügigen hinausgeht, besteht kein Weigerungsrecht.
42
Das Bestellerinteresse ist auch nicht deshalb als gering anzusehen, weil das Werk den anerkannten Regeln der Technik entspricht, aber hinter dem vereinbarten höheren Standard zurückbleibt (BGH NJW-RR 2008, 971 972.). Bei der Regel, ein Weigerungsrecht bestehe bei einer mehr als geringfügigen Beeinträchtigung nicht, soll es nach der Rspr. des BGH regelmäßig weder auf die Kosten der Nacherfüllung noch auf die Relation zwischen diesen Kosten und der vereinbarten Vergütung ankommen.
43
Zwar führt der Sachverständige hier aus, dass er nicht für eine radikale Mängelbeseitigung aussprechen kann, da der Putz (bis auf Zusammensetzung und Toleranzen) den anekannten Regeln der Technik entspreche und geeignet sei. Hierauf kommt es aber nicht primär an, da dies eine Frage des § 633 Abs. 2 Satz 2 BGB wäre. Es stellt sich die Frage, hat der Kläger ein berechtigtes Interesse.
44
Der Sachverständige führt hierzu aus:
„Entsprechend diesem Werk wären die beiden technisch mangelhaften Funktionen jeweils als sensorisch wahrzunehmende Unregelmäßigkeiten einzustufen. Die falsche stoffliche Zusammensetzung und ihre Wirkung auf die „gefühlte Bauklimatik“ des Objektes ist nach Ansicht des SV z.B. mit dem Fehlen von etwas Leistung bei einem Fahrzeugmotor vergleichbar. Nach Ansicht des SV sind sie als „mäßige Beeinträchtigung“ nach der Mängelmatrix von R. O. und R. A. (S. 133) zu werten.“
45
Aus den Ausführungen des Sachverständigen folgt, dass der Mangel hinsichtlich der Putzart zu Beeinträchtigungen führt. Auch haben der Kläger – die Zeugin H. – bestätigt dies viel Wert auf die Schaffung eines Raumklimas gelegt und sich bewusst für eine Kalk-(Gips)-Verputz entschieden. Auch liegt nicht nur ein Mangel an der stofflichen Zusammensetzung, sondern auch an der Körnung und zum Teil in der Ausführung vor. Auch wird man mit einfließen lassen müssen, dass die Beklagte entgegen der Vereinbarung eine andere Putzart (eigenmächtig) bestimmt hat und sogar noch einen Kalk-Gips-Putz abrechnete, sodass dies dem Kläger zunächst auch nicht auffallen konnte.
46
Der Sachverständige führt aus, das ein Kalkputz in der Abbindephase anders auf Schimmelbildung reagiert. Aus der Zeugenaussage wird auch ersichtlich, dass man durch einen Kalkputz ein besseres Raumklima schaffen wollte. Schon das subjektive Empfinden hierzu ist ein berechtigtes Interesse und hat auch Auswirkungen auf den Wert des Hauses.
2. Schadensersatzansprüche
47
Hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche ist die Klage nur zum Teil begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Beseitigung der Schäden betreffend die Fenster und Fensterbänke und der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
48
a) Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Rechnung Anlage K15 und K16 (anteilig). Das Bestreiten des Beklagtenvertreters ist an dieser Stelle unsubstantiiert bzw. hinsichtlich der Höhe – mit Nichtwissen – unzulässig. Die Beklagte hat sich zu diesen Positionen nicht eingelassen und gegen diese letztlich aufgerechnet. Überdies wurden diese Positionen außergerichtlich anerkannt, wies sich aus der Mail-Korrespondenz zwischen Kläger und der Geschäftsführerin der Beklagten ergibt (Anlage K 25/26).
49
b) Sofern die Beklagte die Aufrechnung mit der Anlage B14 erklärt, bleibt der Sachvortrag hier auch zu ungenau. Auf die Einlassung des Klägervertreters hierzu wurde nicht eingegangen. Das Gericht ist der Auffassung, dass es sich hier um Kosten der Mangelbeseitigung handelt, welche nicht separat abgerechnet werden können, sodass die Aufrechnung ins Leere geht.
50
c) Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind in der geltend gemachten Höhe erstattungsfähig. Unerheblich ist rechtlich, dass der Klägervertreter der Bruder des Klägers ist. Auf eine Zahlung kommt es auch nicht an, da auf Freistellung geklagt wird. Aus der dem Gericht vorliegenden Korrespondenz ist der Klägervertreter auch erst nach Eintritt des Verzugs tätig geworden.
51
d) Die weiteren Positionen sind nicht erstattungsfähig.
52
aa) Die Kosten für die Stellungnahme des Herrn M. (Anlage K12), sind auch nicht unter dem Aspekt eines „Mangelfolgeschadens“ zu ersetzen. Diese waren vorliegend auch nicht nötig, um die Klage zu erheben oder schlüssig zu machen bzw. das OH-Verfahren. Im Hinblick auf die Symptomrechtsprechung bedurfte es dieses Gutachten nicht.
53
bb) Bei den weiter geltend gemachten Kosten für das Nach-Filzen handelt es sich um Maßnahmen der Mangelbeseitigung. Diese sind hier nicht erstattungsfähig, da vorgetragen wird, dass der Putz ausgetauscht werden soll.
3. Feststellungsanspruch
54
Der Antrag auf Feststellung ist ebenso begründet. Die tatsächlichen Kosten für die Mangelbeseitigung können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffert werden. Der Mangel hat insoweit noch weitere schädigende Wirkung. Die endgültige Bezifferung ist – wie vom Kläger dargelegt – noch nicht möglich. Das Gericht verkennt insoweit nicht die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 25. 9. 2008 – VII ZR 204/07). Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der weiteren Kostentragungspflicht.
III.
55
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 92 ZPO. Der Kläger verliert hier in Höhe von 476,14 Euro, was nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 grundsätzlich ein geringwertiges Unterliegen (hier etwas mehr als 1 Prozent) darstellt.
56
Zu berücksichtigen war aber auch, dass die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens einen Teil der Kosten des sich anschließenden Hauptsacheverfahrens bilden, über die nun mitentschieden werden muss.
57
Wird nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens eine Klage in der Hauptsache erhoben, ist zusammen mit den Kosten des Rechtsstreits gem. §§ 91 ff. ZPO auch über die Kosten des selbständigen Verfahrens zu entscheiden. Sind der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens und des späteren Hauptprozesses nur teilweise identisch, ist trotzdem zusammen mit dem Rechtsstreit über die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu entscheiden, und zwar in aller Regel einheitlich. Sind der Streitgegenstand des Folgeprozesses und der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens nicht vollständig identisch, kann es in mindestens zwei gängigen Konstellationen unbillig sein, über die Kosten des Rechtsstreits und des selbständigen Verfahrens einheitlich zu entscheiden. Zum einen kann der Gegenstand der Klage hinter dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens zurückbleiben, weil das selbständige Beweisverfahren nur teilweise erfolgreich war. Ist die Klage erfolgreich, wäre es insoweit unbillig, die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vollständig der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
58
Dies ist hier nicht der Fall. Zwar haben sich nicht alle Mängelbehauptungen bestätigt bzw. konnten nicht abschließend beantwortet werden. Es liegt jedoch Identität der Streitgegenstände vor. Die Mangelbehauptungen aus dem OH-Verfahren werden im Klageverfahren weiter vorgetragen und (hilfsweise) angeführt. Aufgrund des Mangels am Putz, mit der Folge des Putzaustausches kam es auf diese nicht mehr an, da diese so auch erledigt werden.
59
Vorliegend scheidet daher aus, dem Kläger anteilig Kosten nach § 96 ZPO (analog) aufzuerlegen. Die Anwendung dieser Norm kommt dann in Betracht, wenn die Klägerseite im Hauptverfahren zwar obsiegt, aber zuvor ein (teilweise) erfolgloses, über den eingeklagten Streitgegenstand hinausgehendes, selbständiges Beweisverfahren betrieben hat (vgl. BGH NJW 2005, 294). Dies ist hier wie dargestellt nicht der Fall.
IV.
60
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708, 709 ZPO.
V.
61
Bezüglich des Streitwerts wurde der Feststellungsantrag mit 6.000 Euro beziffert. Dies ergibt sich aus dem Sachvortrag des Klägers unter Berücksichtigung eines angemessenen Abschlags.