Inhalt

AG Starnberg, Beschluss v. 14.08.2020 – XVII 459/20
Titel:

Anordnung einer Fünf-Punkt-Fixierung wegen akuter Selbstgefährdung

Normenketten:
BGB § 1846, § 1906 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 1908i Abs. 1 S. 1 (idF bis zum 31.12.2022)
FamFG § 312 Nr. 1, Nr. 2, § 331 S. 1, S. 2, § 333 Abs. 1 S. 1, § 334
Leitsatz:
Die Anwendung einer Fünf-Punkt-Fixierung bei einer Betroffenen ist erforderlich zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Selbstgefährdung, wenn sie diverse Narben aus älteren und aktuelleren Selbstverletzungen (Ritzen) hat und emotional völlig durcheinander erscheint. (Rn. 2 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
geschlossene Unterbringung, emotionale Instabilität, Suizidalität, Fünf-Punkt-Fixierung, Krankheitseinsicht, freiheitsentziehende Maßnahmen, einstweilige Maßregel
Rechtsmittelinstanzen:
LG München II, Beschluss vom 22.05.2023 – 6 T 3487/22 BET
LG München II, Beschluss vom 26.06.2023 – 6 T 3487/22 BET
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 16.01.2024 – 2 BvR 1114/23
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63707

Tenor

Die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses wird bis längstens 24.09.2020 einstweilen angeordnet.
Folgende Freiheitsentziehende Maßnahmen nach Weisung des behandelnden Arztes werden bis längstens 27.08.2020 angeordnet, wobei sich der Arzt bzw. die Ärztin vor und während der Maßnahme von deren Unbedenklichkeit überzeugen muss, durch eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal die Sicherheit des Betroffenen gewährleistet sein muss, sich die Beschränkung immer nur auf das unbedingt erforderliche Maß erstrecken darf und eine schriftliche Aufzeichnung der maßgeblichen Gründe der Maßnahme, ihrer Durchsetzung, Dauer sowie der Art der Überwachung zu erstellen ist:
- Fünf-Punkt-Fixierung
Soweit die Freiheitsentziehung nicht mehr erforderlich ist, ist sie zu beenden. Ansonsten wird die Anordnung spätestens mit Fristablauf wirkungslos.
Zur Verfahrenspflegerin wird bestellt:
Frau Rechtsanwältin … E…
Die Verfahrenspflegerin führt die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig.
Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Gründe

1
Nach dem aktuellen Zeugnis der Ärztin Frau M… vom 14.08.2020 leidet die Betroffene an einer psychischen Krankheit bzw. geistigen/seelischen Behinderung, nämlich einer emotionainstabilen Persönlichkeitsstörung mit ausgeprägter Impulsivität und Suizidalität, Diagnose nach ICD10-Nr. F 60.31.
2
Es besteht deshalb die Gefahr, dass die Betroffene sich tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Die Betroffene muss geschlossen untergebracht werden, weil sie weglaufgefährdet ist.
3
Die Betroffene bedarf ärztlicher Behandlung, die derzeit ohne geschlossene Unterbringung nicht geschehen kann.
4
Weiterhin ist zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Selbstgefährdung d. Betroffenen die Anwendung einer Fünf-Punkt-Fixierung bei d. Betroffenen erforderlich.
5
Die Betroffene hat zur Zeit keine ausreichende Krankheitseinsicht; sie ist zu keiner freien Willensbildung zumindest hinsichtlich der Entscheidungen im Zusammenhang mit der Erkrankung in der Lage. Sie vermag auch die Notwendigkeit der freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht zu erkennen.
6
Dies folgt aus dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen, insbesondere aus dem aktuellen Zeugnis der Ärztin Frau M… vom 14.08.2020, der Stellungnahme der Verfahrenspflegerin Frau … E… und dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts, den sich dieses anlässlich der Anhörung der Betroffenen in der üblichen Umgebung der Betroffenen verschafft hat. Die Betroffene hat diverse Narben aus älteren und aktuelleren Selbstverletzungen (Ritzen), sie erscheint emotional völlig durcheinander.
7
Mit dem Aufschub der oben genannten Maßnahmen wäre eine so erhebliche Gefahr für die Betroffene verbunden, dass ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Zum Wohle der Betroffenen ist daher eine einstweilige Maßregel gemäß §§ 1846, 1908 i Abs. 1, 1906 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB, 334, 331 FamFG erforderlich.
8
Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 324 Abs. 2 Satz 1 FamFG.