Inhalt

OLG München, Endurteil v. 24.03.2020 – 24 U 643/17
Titel:

Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, Beginn der Verjährung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Einholung eines Sachverständigengutachtens, Prozeßbevollmächtigter, Feststellungsklage, Ergebnis der Beweisaufnahme, Schutzwirkung zugunsten Dritter, Schmerzensgeldansprüche, Ärztliche Behandlungsfehler, Schluss der mündlichen Verhandlung, Rechtshängigkeit, Arzthaftungssache, Beweisantritt, Eingegangene Schriftsätze, Erbengemeinschaft, Sach- und Rechtslage, Örtliche Zuständigkeit, Vertrag mit Schutzwirkung

Normenketten:
BGB § 199 Abs. 1
BGB § 630a Abs. 2
Leitsätze:
1. Verträge zwischen einer Geburtsklinik einerseits und Belegarzt bzw. Beleghebamme andererseits entfalten keine Schutzwirkung zugunsten des ungeborenen Kindes, das in dieser Klinik zur Welt kommen soll.
2. Der Umstand, dass dem geschätzten Geburtsgewicht eine Ungenauigkeit von +/- 10% immanent ist, führt nicht dazu, dass es ─ mit Blick auf die Frage, ob über eine relativ indizierte Schnittbindung aufzuklären ist ─ um 10% heraufzusetzen wäre.
3. Dass ein ─ sachverständig beratenes ─ Berufungsgericht im Jahr 2004 es für einen Behandlungsfehler gehalten hat, wenn die Hebamme ─ bei erwartet unkompliziertem Geburtsverlauf ─ die Aufnahmeuntersuchung der Schwangeren ohne Hinzuziehung eines Arztes durchführt, steht der Möglichkeit nicht entgegen, dass ein ─ ebenfalls sachverständig beratenes ─ anderes Berufungsgericht auf der Grundlage einer hiervon abweichenden Auffassung in Empfehlungen der DGGG und der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht aus dem Jahr 2010 für eine im Jahr 2011 erfolgte Geburt zu einer anderen Auffassung gelangt.
4. Zum Beginn der Verjährung in Arzthaftungssachen.
Schlagworte:
Schmerzensgeld, Schadensersatz, Verjährung, Behandlungsfehler, Aufklärungsfehler, Beweisaufnahme, Kaiserschnitt, Fruchtwasserembolie, ärztliches Fehlverhalten, Hebammenhaftung, Schadensersatzansprüche
Vorinstanz:
LG Memmingen vom 17.01.2017 – 25 O 204/16
Rechtsmittelinstanzen:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 12.09.2022 – VI ZR 727/20
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 11.10.2022 – VI ZR 727/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63631

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 17.01.2017, Az. 25 O 204/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil ist ebenso wie das in Nr. 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des von ihm jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen L. Ka. Schmerzensgeld, materiellen Schadensersatz und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren wegen von L. Ka. bei seiner Geburt am 23.04.2011 aufgrund einer Fruchtwasserembolie erlittener schwerster Schädigungen, die schließlich zu seinem Tod am 02.05.2016 führten. Die Mutter des L. Ka., C. Ko., verstarb wenige Stunden nach dessen Geburt im Krankenhaus der Beklagten zu 1).
2
Dieses Geburtsgeschehen ist Gegenstand mehrerer zivilgerichtlicher Verfahren, die ihren Ausgang bei den Landgerichten Memmingen und Ulm genommen haben. Im hiesigen Verfahren erhob zunächst der damals noch lebende L. Ka., vertreten durch seinen Vater P. Ka., mit am 21.10.2015 eingegangenem und sämtlichen Beklagten im Dezember 2015 zugestellten Schriftsatz eine Klage zum Landgericht Ulm, die nach dem Tod des L. Ka. von der Erbengemeinschaft nach diesem fortgeführt wurde (vgl. Schriftsatz vom 28.09.2016, Bl. 256/259 d. A.; Seite 5 des Protokolls der Berufungsverhandlung, Bl. 659 d. A.). Diese auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500.000,00 € nebst Zinsen, materiellen Schadensersatz in Höhe von 17.362,22 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.036,25 € nebst Zinsen gerichtete Klage wurde zunächst außer gegen die hiesigen Beklagten zu 1) (Rechtsträger des Krankenhauses), 2) (bei der Beklagten zu 1) angestellter Anästhesist), 3) (bis gegen 6:30 Uhr am 23.04.2011 diensthabende Hebamme) und 4) (ab gegen 6:30 Uhr am 23.04.2011 diensthabende Hebamme) noch gegen den gynäkologischen Belegarzt Dr. Fe. sowie gegen zwei weitere Ärzte erhoben, welche die Mutter des L. Ka. in der Zeit vor deren Aufnahme im Krankenhaus der Beklagten zu 1) gynäkologisch betreut hatten. Das Verfahren gegen diese weiteren Beklagten verblieb beim Landgericht Ulm (Az. 6 O 366/15), in dessen Bezirk die weiteren Beklagten ihren Wohnsitz haben. Mit Urteil vom 18.10.2019 wies das Landgericht Ulm die Klage gegen die weiteren Beklagten ab, nachdem es das Verfahren gegen die hiesigen Beklagten mangels örtlicher Zuständigkeit abgetrennt und an das Landgericht Memmingen (dortiges Az. 25 O 204/16) verwiesen hatte.
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Daneben gibt es ein weiteres Verfahren, in dem der Vater des L. Ka. und Ehemann der verstorbenen C. Ko., P. Ka., eigene Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche gegen die hiesigen vier Beklagten sowie die im vorigen Absatz genannten weiteren drei Beklagten geltend macht. Diese Klage wurde, anders als die hiesige, zum Landgericht Memmingen erhoben (dortiges Az. 25 O 1860/15), das für sämtliche dortigen Beklagten örtlich zuständig ist. Das Landgericht Memmingen wies die Klage gegen die hiesigen Beklagten sowie gegen den geburtshilflichen Belegarzt Dr. Fe. mit Teilurteil vom 17.01.2017 wegen Verjährung ab; dieses Teilurteil wurde mit der hier unter dem Aktenzeichen 24 U 642/17 anhängigen Berufung angegriffen. Das Verfahren gegen die Ärzte, die C. Ko. vor deren Aufnahme im Krankenhaus betreut hatten, wies das Landgericht Memmingen unter demselben Aktenzeichen mit Schlussurteil vom 10.07.2018 aus sachlichen Gründen ab; die hiergegen gerichtete Berufung wurde vom Senat durch Beschluss vom 15.07.2019 (Az. 24 U 2898/18) zurückgewiesen.
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Zudem wurde beim Landgericht Ulm ein weiteres Verfahren einer gesetzlichen Krankenkasse gegen alle sieben Beklagten anhängig gemacht (Az. 6 O 375/15), welches hinsichtlich der hiesigen Beklagten ebenfalls mangels örtlicher Zuständigkeit an das Landgericht Memmingen verwiesen wurde, wo es derzeit noch unter dem Aktenzeichen 26 O 203/16 anhängig ist. Gleichfalls noch beim Landgericht Memmingen anhängig ist eine vom Bezirk Schwaben wegen des streitgegenständlichen Geburtsgeschehens erhobene Klage (Az. 21 O 1863/15).
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Im hiesigen Verfahren wies das Landgericht Memmingen mit dem angegriffenen Endurteil vom 17.01.2017, Az. 25 O 204/16, dem damaligen Klägervertreter (bei welchem die spätere Klägervertreterin angestellt war) zugestellt am 20.01.2017, die Klage wegen Verjährung ab. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts, der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des Inhalts der Entscheidung im Einzelnen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf dieses Urteil (Bl. 295/309 d. A.) Bezug genommen.
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Mit ihrer am 20.02.2017 eingelegten und nach gewährter Fristverlängerung bis zum 27.04.2017 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz (Bl. 342/353 d. A.) begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihre Anliegen in vollem Umfang weiter.
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Mit Beschluss vom 04.09.2017 (Bl. 384/387 d. A.) wies der Senat die Parteien darauf hin, dass er die Auffassung des Landgerichts hinsichtlich der Frage der Verjährung nicht teile; in der Berufungsverhandlung vom 28.01.2020 (Seite 6 des Protokolls, Bl. 555 d. A.) teilte der Senat mit, dass er an dieser Auffassung hinsichtlich der beklagten Hebammen (Beklagte zu 3) und 4)) möglicherweise nicht festhalten werde. Im Beschluss vom 04.09.2017 (Seite 3 f. zu Buchst. c, Bl. 386 f. d. A.) forderte der Senat die Klageseite zudem dazu auf, ihre Behandlungsfehlervorwürfe und Beweisantritte zusammenzufassen und zu präzisieren; dem kam die Klageseite mit Schriftsatz vom 25.09.2017 (Bl. 389/391 d. A.) nach. Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Klägerin auf die Schriftsätze zunächst ihres Prozessbevollmächtigten und später ihrer Prozessbevollmächtigten verwiesen.
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Die Klägerin beantragte in der Berufungsinstanz, die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an die Erbengemeinschaft […]
1. ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Zinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. 17.362,22 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.036,25 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten beantragten jeweils
die Zurückweisung der Berufung.
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Hinsichtlich ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze ihrer jeweiligen Prozessbevollmächtigten verwiesen.
11
Mit Beschluss vom 13.03.2018 zum Aktenzeichen 24 U 642/17 (hier Bl. 427 f. d. A.) teilte der Senat den dortigen Parteien (die mit Ausnahme des im hiesigen Verfahren nicht verklagten gynäkologischen Belegarztes Dr. Fe. identisch sind und von denselben Bevollmächtigten vertreten werden) mit, dass er beabsichtige, ein vom Sachverständigen Prof. Dr. Pr. im Verfahren 6 O 375/15 des Landgerichts Ulm erstelltes Gutachten vom 08.11.2017 (hier Bl. 430/450 d. A.) im Verfahren 24 U 642/17 gemäß § 411a ZPO zu verwerten, soweit es Dr. Fe. betrifft, und denselben Sachverständigen – auch im hiesigen Verfahren – mit der Klärung der Frage zu beauftragen, ob anderen Beklagten Behandlungsfehler unterlaufen sind.
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Mit Beschluss vom 18.05.2018 zum Aktenzeichen 24 U 642/17 (hier Bl. 458/463 d. A.) beschloss der Senat, das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Pr. vom 08.11.2017 im Verfahren 24 U 642/17 gemäß § 411a ZPO zu verwerten und durch Erholung eines weiteren Gutachtens des (gynäkologischen) Sachverständigen Prof. Dr. Pr. sowie des (neonatologischen) Sachverständigen Prof. Dr. He. gemäß § 358a ZPO Beweis zu erheben über die aus Nr. II. 1 dieses Beschlusses (Seiten 2 bis 5, Bl. 459/462 d. A.) ersichtlichen Fragen. Zugleich kündigte der Senat seine Absicht an, die zu erholenden Gutachten auch im hiesigen Verfahren 24 U 643/17 gemäß § 411a ZPO zu verwerten; einen entsprechenden Beschluss fasste der Senat in der Berufungsverhandlung vom 28.01.2020 (Seite 5 des Protokolls, Bl. 659 d. A.).
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Unter dem 24.10.2018 erstattete der Sachverständige Prof. Dr. Pr. das unter Aktenzeichen 24 U 642/17 in Auftrag gegebene Gutachten (hier Bl. 481/497 d. A.); das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. He. folgte unter dem 04.03.2019 (hier Bl. 513/522 d. A.).
14
Mit Beschluss vom 14.03.2019 zu Aktenzeichen 24 U 642/17 (hier Bl. 523/526 d. A.) kündigte der Senat den Parteien u. a. die Übersendung von Unterlagen und Gutachten an, auf welche der Sachverständige Prof. Dr. Pr. in seinem vom Senat beauftragten Gutachten Bezug genommen hatte. Die Übersendung dieser Schriftstücke erfolgte gemäß Beschluss vom 02.05.2019 zu Aktenzeichen 24 U 642/17 (hier Bl. 535/537 d. A.). In der Berufungsverhandlung vom 28.01.2020 (Seite 6 des Protokolls, Bl. 660 d. A.) bestätigten die Parteivertreter, dass ihnen diese Schriftstücke (s. hiesige Akte Bl. 539 bis 572 sowie orangefarbenes Sonderheft „Auszug aus den Behandlungsunterlagen“) vorliegen.
15
Mit Schriftsatz vom 20.01.2020 (in der hiesigen Akte nebst Anlagen einpaginiert als Bl. 599/643 d. A.) lehnte die Klägerin den Sachverständigen Prof. Dr. Pr. wegen Besorgnis der Befangenheit ab; mit Beschluss vom 22.01.2020 (Bl. 649/654 d. A.) wies der Senat dieses Gesuch wegen Verfristung als unzulässig zurück.
16
In der Berufungsverhandlung vom 28.01.2020 (Protokoll Bl. 655/669 d. A.) hat der Senat die Sachverständigen Prof. Dr. Pr. und Prof. Dr. He. mündlich einvernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme, zu dem sich die Klägervertreterin innerhalb der antragsgemäß bis zum 03.03.2020 verlängerten Frist mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz (Bl. 672/685 d. A.) geäußert hat, wird auf das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen.
II.
17
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat die Klage (nunmehr) der Erbengemeinschaft nach L. Ka. im Ergebnis zu Recht abgewiesen, da die Beweisaufnahme keinen Behandlungsfehler ergeben hat, der L. Ka. zur Geltendmachung materiellen oder immateriellen Schadensersatzes berechtigt hätte; soweit sich die Klage gegen die am Geburtsvorgang beteiligten Hebammen (Beklagte zu 3) und 4)) richtete, waren etwaige Ansprüche im Übrigen bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung (Dezember 2015) verjährt.
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1. Maßstab für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, der einen auf seine Erben gemäß § 1922 Abs. 1 BGB übergegangenen Anspruch des L. Ka. auf materiellen oder immateriellen Schadensersatz aus Vertrag (§ 280 Abs. 1 i. V. m. § 278 Satz 1, § 611 Abs. 1 BGB und den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter; § 249 Abs. 2 und § 253 Abs. 1 BGB) oder aus Delikt (§ 823 Abs. 1 [ggf. i. V. m. § 31], § 249 Abs. 2 und § 253 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 230 StGB, ggf. § 31, § 249 Abs. 2 und § 253 Abs. 1 BGB oder § 831 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 2 und § 253 Abs. 1 BGB) begründen könnte, ist, wie nunmehr in § 630a Abs. 2 BGB kodifiziert, der allgemein anerkannte fachliche Standard. Nur, soweit dieser bei der Begleitung der Geburt des L. Ka. unterschritten worden wäre, läge ein Behandlungsfehler vor, der L. Ka. für den Fall, dass dieser Fehler zu seiner Schädigung geführt hätte, zum Schadensersatz berechtigt hätte.
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Keine Anspruchsgrundlage kann die Klageseite hingegen aus vertraglichen Vereinbarungen herleiten, die zwischen der Beklagten zu 1) einerseits sowie dem anderweitig verklagten Herrn Dr. Fe. und den Beklagten zu 3) und 4) andererseits bestehen mögen. Die Klägervertreterin hat ausgeführt, die von ihr (erst) mit Schriftsatz vom 20.12.2019 (Bl. 595/598 d. A.) als Anlagen BK 11 bis BK 13 vorgelegten Belegarzt- bzw. Beleghebammenverträge stellten Anforderungen an Herrn Dr. Fe. und die Beklagten zu 3) und 4), welche diese im Rahmen der Begleitung der Geburt des L. Ka. nicht eingehalten hätten (vgl. neben dem Schriftsatz vom 20.12.2019 auch Seiten 2 ff. des Schriftsatzes vom 03.03.2020, Bl. 673 ff. d. A.). Diese vertraglichen Vereinbarungen begründen jedoch Rechte und Pflichten allein zwischen der Beklagten zu 1) einerseits und Herrn Dr. Fe. sowie den Beklagten zu 3) und 4) andererseits.
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Etwas anderes gälte nur dann, wenn diese Verträge (im Sinne des Instituts des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) Schutzwirkung auch für den Fötus bzw. das Kind entfalten würden, das in der Klinik der Beklagten zu 1) zur Welt gebracht wurde. Bei der Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sind zur Vermeidung einer unkalkulierbaren Ausdehnung der vertraglichen Haftung allerdings strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 328 Rn. 16 m. w. N.). Voraussetzung für die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist allgemein, dass
- der Dritte bestimmungsgemäß mit der vertraglichen Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein muss wie der Gläubiger selbst,
- der Gläubiger der Vertragspflichten für das Wohl und Wehe des Dritten mitverantwortlich ist und ihm Schutz und Fürsorge schuldet oder an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages ein besonderes Interesse hat,
- dem Schuldner der Vertragspflichten die Drittbezogenheit der Leistung und die Gläubigernähe des Dritten erkennbar sind und
- der Dritte schutzbedürftig ist, weil er ohne Ausdehnung des Vertragsschutzes auf der Grundlage von Treu und Glauben nicht ausreichend geschützt wäre (vgl. Grüneberg, a. a. O., § 328 Rn. 17 bis 18 m. w. N.).
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In diesem Sinne ist anerkannt, dass der zwischen der Mutter und der Behandlungsseite geschlossene Behandlungsvertrag über die geburtshilfliche Begleitung Schutzwirkung zugunsten des ungeborenen Kindes entfaltet (BGH vom 06.12.1988 – VI ZR 132/88 – juris Rn. 26; weitere Nachweise für die Annahme eines drittschützenden Charakters von Behandlungsverträgen bei Grüneberg, a. a. O., Rn. 22).
22
Hier geht es jedoch nicht um die Frage, ob ein von der Mutter des L. Ka. geschlossener Behandlungsvertrag (vgl. Aufnahmeantrag vom 22.04.2011 [Anlage K 3, auch im Beiheft „Auszug aus den Behandlungsunterlagen“]) Schutzwirkung zu dessen Gunsten entfaltet, sondern um die Frage, ob dienstrechtliche Verträge (Anlagen BK 11 bis BK 13), an denen die Mutter des L. Ka. nicht beteiligt war, zu seinen Gunsten drittschützend sind.
23
Diese Frage ist nach den oben genannten Kriterien zu verneinen. Es ist schon (im Sinne des ersten Kriteriums) nicht erkennbar, dass L. Ka. den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen des Herrn Dr. Fe. oder der Beklagten zu 3) und 4) ebenso ausgesetzt hätte sein können, wie deren Vertragspartnerin, die Beklagte zu 1), die als juristische Person denknotwendig nur in Vermögenspositionen verletzt werden kann, wenn Herr Dr. Fe. oder die Beklagten zu 3) und 4) ihr gegenüber bestehende Vertragspflichten verletzen. Vor allem aber besteht (im Sinne des zuletzt genannten Kriteriums) kein Bedarf, die Vertragspflichten des Herrn Dr. Fe. und der Beklagten zu 3) und 4) gegenüber der Beklagten zu 1) als drittschützend zugunsten des L. Ka. anzusehen. Dieser war nämlich durch die von seiner Mutter C. Ko. abgeschlossenen Behandlungsverträge hinreichend vertragsrechtlich geschützt, da diese Behandlungsverträge, wie oben dargelegt, zu seinen Gunsten drittschützend waren. Somit kam L. Ka. bereits hieraus ein vertraglich fundierter Schadensersatzanspruch für den Fall zu, dass der einzuhaltende medizinische Standard in schadenskausaler Weise unterschritten würde; eines weitergehenden Schutzes unter dem Aspekt eines (weiteren) Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bedurfte es daher nicht.
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2. Keiner der zahlreichen von der Klägerin behaupteten schadenskausalen Behandlungsfehler (vgl. Seiten 2 f. des Schriftsatzes vom 25.09.2017, Bl. 390 f. d. A.) hat sich durch die Beweisaufnahme bestätigt. Insoweit wird vorab insbesondere auf die Gutachten des gynäkologischen Sachverständigen Prof. Dr. Pr. vom 24.10.2019 (Bl. 481/497 d. A.) und das Gutachten des neonatologischen Sachverständigen Prof. Dr. He. vom 04.03.2019 (Bl. 513/522 d. A.) sowie auf die Ausführungen beider Sachverständiger in der Berufungsverhandlung vom 28.01.2020 (Seiten 7 bis 14 des Protokolls, Bl. 661/668 d. A.) Bezug genommen.
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a) Vorauszuschicken ist, dass der Gynäkologe Dr. Fe. in diesem Verfahren nicht verklagt ist. Wie der Bevollmächtigte der Beklagten zu 1) und 2) in seiner Klageerwiderung vom 01.02.2016 (Seite 3, Bl. 157 d. A.) vorgetragen hat, handelt es sich bei Herrn Dr. Fe. nicht um einen bei der Beklagten zu 1) angestellten Gynäkologen, sondern um einen Belegarzt. Diesem Vortrag ist die Klägerin in der Replik (Seiten 5 bis 8 des Schriftsatzes vom 03.06.2016, Bl. 207/210 d. A.) nicht entgegengetreten; er wird im Übrigen auch bestätigt durch den von der Klägerin als Anlage K 3 vorgelegten Aufnahmeantrag, in welchem der Passus, dass sich die Verpflichtung des Krankenhauses nicht auf Leistungen des Belegarztes erstrecke, mit Textmarker hervorgehoben ist.
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Für etwaige Behandlungsfehler des Belegarztes hat der Krankenhausträger nicht einzustehen (OLG Karlsruhe vom 13.10.2004 – 7 U 122/03 – juris Rn. 4 m. w. N.). Der Belegarzt Dr. Fe. ist auch nicht Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe des hier zu 2) verklagten Anästhesisten Dr. Le. (Grundsatz der horizontalen Arbeitsteilung, vgl. etwa BGH vom 26.02.1991 – VI ZR 344/89 – juris Rn. 13) oder der hier zu 3) und 4) verklagten Hebammen (diese wären gegebenenfalls umgekehrt seine Erfüllungsgehilfinnen; vgl. BGH vom 14.02.1995 – VI R 272/93 – juris Rn. 17 ff.). Vor diesem Hintergrund sind etwaige Behandlungsfehler des Gynäkologen Dr. Fe. für die Entscheidung des vorliegenden Falles irrelevant, da Dr. Fe. selbst in diesem Verfahren nicht verklagt ist und sein Handeln auch keiner der hier verklagten Parteien zugerechnet werden kann.
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b) Unabhängig davon hat die (auch das Verfahren 24 U 642/17 betreffende) Beweisaufnahme keinerlei schadenskausalen Behandlungsfehler ergeben, auch insoweit nicht, als das Handeln des Gynäkologen Dr. Fe. inmitten steht. Da auch mit Blick auf die beklagten Hebammen ein schadensursächlicher Behandlungsfehler nicht festzustellen war, kann die Frage, ob ihr Handeln der Beklagten zu 1) zugerechnet werden kann oder (weil sie als Beleghebammen tätig waren) nicht (vgl. BGH vom 14.02.1995 – VI ZR 272/93 – juris Rn. 32 ff.), dahinstehen.
28
Die Sachverständigen haben in ihren schriftlichen Gutachten vom 24.10.2018 (Bl. 481/497 d. A.) bzw. vom 04.03.2019 (Bl. 513/522 d. A.) die ihnen mit Beweisbeschluss vom 18.05.2018 (Seiten 2 bis 5, Bl. 459/462 d. A.) gestellten Fragen vollständig und nachvollziehbar beantwortet und ihre Gutachten in der Berufungsverhandlung vom 28.01.2020 in Kenntnis der von der Klageseite daran geübten Kritik (vgl. Seite 3 der Ladungsverfügung zu Az. 24 U 642/17, hier Bl. 593 d. A.) und in Auseinandersetzung damit erläutert und verteidigt. Der Senat schließt sich den Ausführungen der Sachverständigen nach kritischer Auseinandersetzung damit an. In keinem der im Folgenden zu diskutierenden drei Behandlungsabschnitte (von der Aufnahme der Frau C. Ko. bis zum Eintreten der kritischen Situation um 6:28 Uhr / 6:32 Uhr [s. sogleich zu Doppelbuschst. aa]; vom Auftreten der kritischen Situation bis zur Entbindung des L. Ka. [s. dazu zu Doppelbuchst. bb]; postpartale Behandlung des L. Ka. [s. dazu zu Doppelbuchst. cc]) ist ein Behandlungsfehler festzustellen, der zu einer Schädigung des L. Ka. und damit zu einem in seiner Person entstandenen Schadensersatzanspruch geführt hätte. Ebenso wenig ist ein Aufklärungsfehler über eine geplante Schnittentbindung als alternative Behandlungsmethode festzustellen (s. dazu sogleich zu Doppelbuchst. aa Nr. (1)).
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aa) Das Behandlungsregime bis zum Auftreten der kritischen Situation um 6:28 Uhr bzw. um 6:32 Uhr liefert keinen Anknüpfungspunkt für einen Schadensersatzanspruch des L. Ka.
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(1) Anders als die Klägerin meint, bestand für die Beklagte zu 1) bzw. die Beklagte zu 3) kein Anlass, dafür Sorge zu tragen, dass C. Ko. bei ihrer Aufnahme über die Möglichkeit einer geplanten Schnittentbindung als echte Behandlungsalternative (nunmehr kodifiziert in § 630 e Abs. 1 Satz 3 BGB) aufgeklärt wird. Die Klägerin ist der Auffassung, aus der Leitlinie „Absolute und relative Indikationen zur Sectio caesarea“ der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG; Anlage K 2) hätte sich eine relative Indikation für eine geplante Kaiserschnittentbindung ergeben, über die C. Ko. aufzuklären gewesen wäre (vgl. Seite 9 der Klageschrift und Seiten 3 f. des Schriftsatzes vom 03.03.2020, Bl. 674 f. d. A.). Sie bezieht sich dabei auf Abschnitt 2.1 Buchst. a der Leitlinie, wonach bei einer absoluten fetalen Makrosomie (erwartetes Geburtsgewicht von über 4500 g) eine relative Indikation für eine Schnittentbindung vorliegt. Wie die Klägervertreterin jedoch selbst vorträgt (Seite 3 des Schriftsatzes vom 16.07.2019, Bl. 581 d. A.; Seite 4 des Schriftsatzes vom 03.03.2020, Bl. 675 d. A.), betrug das geschätzte Geburtsgewicht des L. Ka. 4.100 g bzw. 4.122 g. Mit Blick auf eben dieses erwartete Geburtsgewicht hat der Sachverständige Professor Dr. Pr. (Seiten 5 f. des Gutachtens vom 24.10.2018, Bl. 485 f. d. A.; Seite 8 des Protokolls der Berufungsverhandlung vom 28.01.2020, Bl. 662 d. A.) ausgeführt, dass nach dem in der Leitlinie der DGGG zum Ausdruck kommenden medizinischen Standard keine relative Indikation für eine geplante Schnittentbindung bestanden habe. Der Auffassung der Klägervertreterin, das geschätzte Geburtsgewicht sei um 10% auf 4.534,2 g zu erhöhen, vermag der Senat nicht zu folgen. Diese Auffassung wird von der Klägervertreterin nicht begründet. Sie dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverständige, den das Landgericht Memmingen im oben genannten Verfahren gegen zwei Ärzte, die C. Ko. vor der Entbindung betreut haben, bestellt hat (Az. 25 O 1860/15; hiesiges Az. 24 U 2898/18), ausgeführt hat, es könnten Messdifferenzen von +/- 10% auftreten. Auf dieser Grundlage hat das geschätzte Geburtsgewicht die Eigenschaft, dass es um 10% nach oben oder unten vom tatsächlichen Geburtsgewicht abweichen kann. Damit erhöht sich aber nicht bereits das Schätzgewicht um 10% auf 4.534,2 g (genauso wenig wie es sich um 10% auf 3.709,8 g vermindert). Vor diesem Hintergrund ist der Sachverständige Prof. Dr. Pr. in seinem Gutachten (Seiten 10 und 16, Bl. 490 und 496 d. A.) vollkommen nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass keine Indikation für eine Schnittentbindung bestand, bevor die Krisensituation um 6:32 Uhr evident wurde.
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(2) Keinen Behandlungs- oder Organisationsfehler stellt es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dar, dass die Aufnahmeuntersuchung der Claudia Kopp am 22.04.2011 in Abwesenheit eines Arztes durch die zu 3) beklagte Hebamme durchgeführt wurde. Der Senat folgt auch insoweit den verständlichen und plausiblen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Pr. (Seiten 5 f. des Gutachtens vom 24.10.2018, Bl. 485 f. d. A.; Seiten 7 f. des Protokolls der Berufungsverhandlung, Bl. 661 f. d. A.), die dieser unter Bezugnahme auf die Empfehlungen der DGGG und der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht zur Zusammenarbeit von Arzt und Hebamme (Stand August 2010; abrufbar im Internet unter https://www.dggg.de/fileadmin/documents/leitlinien/ archiviert/federfuehrend/015030_Empf_Zur_Zusammenarbeit_von_ Arzt_und_Hebamme_i-d_GH/015030_2010.pdf) getätigt hat. Nach Abschnitt 3.4 dieser Empfehlungen kann die Kreißsaalaufnahme einer risikofrei Gebärenden mit voraussichtlich normalem Geburtsverlauf durch eine Hebamme erfolgen.
32
(a) Dem steht nicht entgegen, dass, wie sich den Empfehlungen selbst entnehmen lässt, das Oberlandesgericht Stuttgart (wohl Urteil vom 19.10.2004 – 1 U 87/03 – juris Rn. 36 f.) eine anderslautende Entscheidung getroffen hat. Wie aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart ersichtlich, hat das Gericht insoweit keinen Rechtssatz angenommen, sondern sich auf der Grundlage der Ausführungen des im dortigen Verfahren bestellten Sachverständigen die Überzeugung gebildet, es entspreche dem medizinischen Standard, dass die Aufnahmeuntersuchung auf jeden Fall vom Arzt vorgenommen werden müsse. Dies führt jedoch nicht dazu, dass das Oberlandesgericht Stuttgart damit den medizinischen Standard in dieser Frage verbindlich bestimmt und fixiert hätte. Der medizinische Standard repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (BGH vom 24.02.2015 – VI ZR 106/13 – juris Rn. 7 m. w. N.). Er ist damit dem Begriff nach einem Wandel und der Diskussion innerhalb der medizinischen Wissenschaft und Praxis unterworfen. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft DGGG in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht in Auseinandersetzung mit dem genannten Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart zu einer von dessen Meinung abweichenden Auffassung vom Inhalt des medizinischen Standards gelangt.
33
(b) Der Senat darf den medizinischen Standard nicht ohne eine entsprechende Grundlage in einem Sachverständigengutachten oder gar entgegen den Ausführungen des Sachverständigen aus eigener Beurteilung heraus festlegen (BGH, a. a. O., juris Rn. 10 m. w. N.). Der Sachverständige Professor Dr. Pr. hat sich in seinem Gutachten wie in seinen mündlichen Ausführungen in der Berufungsverhandlung auf die genannten Empfehlungen gestützt und zur Begründung darauf verwiesen, dass Hebammen nach ihrer Ausbildung Geburten allein und selbständig durchführen dürfen. Dem schließt sich der Senat an.
34
(c) Wie der Sachverständige ausführlich dargelegt hat (Seiten 5 f. des Gutachtens vom 24.10.2018, Bl. 485 f. d. A.; Seite 8 des Protokolls der Berufungsverhandlung, Bl. 662 d. A.), wies Frau C. Ko. keine Risiken auf, aufgrund derer im Vorhinein damit zu rechnen gewesen wäre, dass es nicht zu einem normalen Geburtsverlauf kommen würde. Da auch eine Ultraschalluntersuchung nicht erforderlich war (Seite 6 des Gutachtens vom 24.10.2018, Bl. 486 d. A.), war damit die Durchführung der Aufnahmeuntersuchung durch einen Arzt nicht geboten.
35
(3) Was das Anhängen des Wehentropfes von 0:00 Uhr bis 0:45 Uhr durch die Beklagte zu 3) angeht, hat der Sachverständige Prof. Dr. Pr. ausgeführt, diese Maßnahme sei medizinisch vertretbar gewesen (Seite 7 des Gutachtens vom 24.10.2018, Bl. 487 d. A.). Hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte zu 3) diese Maßnahme allein durchführen durfte oder ob sie einem Arzt vorzubehalten gewesen wäre, führte der Sachverständige in seinem Gutachten (Seiten 7 f., Bl. 487 f. d. A.) zunächst aus, diese Frage müsse Gegenstand (nicht notwendigerweise schriftlicher) Absprachen vor Ort sein; hieran hat er auch in seiner Einvernahme in der Berufungsverhandlung (Seite 9 des Protokolls, Bl. 663 d. A.) festgehalten, allerdings ergänzt, dass die Anlegung eines Wehentropfes grundsätzlich schon Angelegenheit des Arztes sei. Die Frage, ob in der nicht mit Herrn Dr. Fe. abgesprochenen Anlegung des Wehentropfes durch die Beklagte zu 3) ein Behandlungsfehler zu sehen ist, kann jedoch dahinstehen, da der Sachverständige Prof. Dr. Pr. eindeutig und nachvollziehbar ausgeführt hat, dass wegen der extrem kurzen Halbwertszeit des gegebenen Wehenmittels (Oxytocin) ausgeschlossen sei, dass die Oxytocingabe im Zeitpunkt der Geburt noch eine Wirkung gezeigt hätte und festzustellen sei, dass die Vorgänge im Vorfeld der später eingetretenen Fruchtwasserembolie diese nicht verursacht haben (Seite 9 des Protokolls, Bl. 663 d. A.; vgl. ferner Seiten 14 und 16 des Gutachtens, Bl. 494 und 496 d. A.).
36
(4) Der Blasensprung, den die Beklagte zu 3) bei einer vaginalen Untersuchung der C. Ko. um 4:45 Uhr provoziert hat, stellt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ebenfalls keinen Anknüpfungspunkt für einen in der Person des L. Ka. entstandenen Schadensersatzanspruch dar.
37
(a) Dass die Fruchtblase bei der Untersuchung gesprungen ist, kann nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Pr. (Seite 8 des Gutachtens, Bl. 488 d. A.; Seite 8 des Protokolls der Berufungsverhandlung, Bl. 662 d. A.) passieren und stellt demnach keinen Behandlungsfehler dar; in 99% der Fälle springe die Fruchtblase der Gebärenden im Geburtsverlauf.
38
(b) Der Sachverständige hat auch nachvollziehbar erklärt, dass der regelmäßig im Geburtsverlauf auftretende Blasensprung nichts per se Besorgniserregendes sei und die mit ihm typischerweise einhergehende Erhöhung der Wehentätigkeit mittels CTG überwacht werden kann; der Blasensprung begründe daher keine Gefahrensituation und mache die Herbeiziehung eines Arztes nicht erforderlich (Seite 8 des Protokolls der Berufungsverhandlung, Bl. 662 d. A.).
39
(c) Ohne dass es (mit Blick auf die obigen Ausführungen zu Buchst. (a) und (b)) darauf noch ankäme, hat der Sachverständige zudem in seinem Gutachten (Seiten 8, 14 und 16, Bl. 488, 494 und 496 d. A.) ausgeführt, der Blasensprung sei sicher nicht die Ursache der um 6:32 Uhr evident gewordenen Fruchtwasserembolie gewesen. In Anbetracht der Seltenheit von Fruchtwasserembolien gebe es keine gesicherten Risikofaktoren für ihr Auftreten, auch wenn in der Literatur auch ein Blasensprung als Risikofaktor diskutiert werde (Seite 12 des Gutachtens, Bl. 492 d. A.). Die vorhandenen Daten resultierten jedoch aus retrospektiven Untersuchungen und beinhalteten auch Fälle, in denen eine Fruchtwasserembolie gar nicht gesichert vorgelegen habe. Signifikante Assoziationen – nicht aber gesicherte kausale Zusammenhänge – ergäben sich bei Geburtseinleitungen, bei operativer vaginaler Entbindung, bei Geburtsverletzungen der Zervix und des Uterus sowie bei einem Kaiserschnitt; der Blasensprung wird hingegen auch nur im Zusammenhang einer signifikanten Assoziation zu einer Fruchtwasserembolie vom Sachverständigen nicht genannt.
40
(5) Die erhöhte Wehentätigkeit ab 5:50 Uhr hätte nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Pr. eine Information des Belegarztes Dr. Fe. durch die Beklagte zu 3) erfordert, damit die erforderlichen Maßnahmen, z. B. eine intravenöse Tokolyse, hätten besprochen werden können (Seiten 14 f. des Gutachtens, Bl. 494 f. d. A.; Seiten 8 f. des Protokolls der Berufungsverhandlung, Bl. 662 f. d. A.); die Notwendigkeit einer Anwesenheit des Arztes im Kreißsaal hätte sich daraus jedoch nicht ergeben. Der Sachverständige begründet zudem (a. a. O.) schlüssig, dass die erhöhte Wehenfrequenz nicht zu einer Überforderung des Fötus geführt habe, wie der Umstand belege, dass die fetale Herzfrequenz vor 6:28 Uhr, also vor Eintritt der Fruchtwasserembolie, nicht abgefallen sei. Der Fehler der Beklagten zu 3), die Frage der Einleitung einer Wehenhemmung nicht mit dem Belegarzt Dr. Fe. besprochen zu haben, hat also zu keiner Schädigung des Fötus geführt. Ausdrücklich hat der Sachverständige zudem erklärt, dass die Fruchtwasserembolie in keinem kausalen Zusammenhang mit der erhöhten Wehenfrequenz gestanden habe (Seiten 15 f. des Gutachtens, Bl. 495 f. d. A.).
41
bb) Auch der Behandlungsabschnitt vom erkennbaren Auftreten der kritischen Situation bis zur Entbindung des L. Ka. (nach dem unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils in Übereinstimmung mit dem Geburtsverlaufsprotokoll Anlage K 4 um 6:55 Uhr) lässt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen für eine Schädigung des L. Ka. kausal gewordenen Behandlungsfehler erkennen.
42
(1) Für die Beurteilung des weiteren Behandlungsregimes ist 6:32 Uhr als Beginn der kritischen Situation anzusehen, als C. Ko. von der Beklagten zu 4), die inzwischen (gegen 6:30 Uhr) die Behandlung übernommen hatte, nicht mehr ansprechbar, in Schnappatmung und mit bläulicher Gesichtsfarbe angetroffen wurde, nachdem die Beklagte zu 4) Herrn Dr. Fe. auf der Grundlage einer zuvor durchgeführten vaginalen Untersuchung von der unmittelbar bevorstehenden Geburt benachrichtigt hatte. Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. Pr. in seinem Gutachten (Seiten 14 f., Bl. 494 f. d. A.) ausgeführt, dass bereits um 6:28 Uhr ein Abfallen der fetalen Herzfrequenz auf unter 120 Schläge pro Minute zu verzeichnen sei, was auf die eingetretene Fruchtwasserembolie zurückzuführen sei. Er erklärte jedoch bereits im Gutachten (Seiten 10, 15 und 16, Bl. 490, 495 und 496 d. A.), dass die Fruchtwasserembolie klinisch – also in der Behandlungssituation – erst um 6:32 Uhr durch den Zustand der C. Ko. und nicht bereits durch das Abfallen der fetalen Herzfrequenz vier Minuten vorher evident geworden sei. Dies bekräftigte der Sachverständige in der Berufungsverhandlung (Seiten 9 und 11 des Protokolls, Bl. 663 und 665 d. A.), indem er ausführte, er ziehe aus dem Abfall der fetalen Herzfrequenz „den Schluss“, dass zu diesem Zeitpunkt die Fruchtwasserembolie aufgetreten sei; dies sei jedoch „eine Betrachtung aus der Sicht ex post, nachdem nunmehr bekannt ist, dass bei der Mutter eine Fruchtwasserembolie eingetreten war“.
43
(2) Von 6:32 Uhr bis zur Entbindung des L. Ka. ergibt sich nach dem unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Urteils, der Dokumentation des Geburtsverlaufs (Anlage K 4), dem Operationsbericht Dr. Fe. (Anlage K 9) und dem Anästhesieprotokoll (Anlage K 10) folgender Ablauf: Um 6:32 Uhr setzt die Beklagte einen hausinternen Notruf ab, informiert Herrn Dr. Fe., von dem sie die Auskunft erhält, er sei schon unterwegs, über die eingetretene Notlage, verabreicht C. Ko. Sauerstoff und nach Abfall der kindlichen Herzfrequenz den Wehenhemmer Partusisten. Um 6:35 Uhr trifft der Beklagte zu 2) am Kreißsaalbett der C. Ko. ein und beginnt mit ihrer notfallmäßigen Versorgung. Um 6:37 Uhr wird der Babynotarzt verständigt. Herr Dr. Fe. trifft um 6:40 Uhr am Kreißsaalbett ein und fasst nach vaginaler Untersuchung den Entschluss zur Notsectio. Dem insoweit auf fünf Minuten genau gerasterten Anästhesieprotokoll (Anlage K 10) ist zu entnehmen, dass die Intubation der C. Ko.(durch einen Pfeil nach unten) kurz hinter dem Markierungsstrich für 6:45 Uhr eingetragen ist, während der (mit „X“ gekennzeichnete) Anästhesiebeginn bei der Markierung für 6:40 Uhr eingetragen ist. Demgegenüber legt das Geburtsverlaufsprotokoll (Anlage K 4) nahe, dass C. Ko. bei Eintreffen des Herrn Dr. Fe. um 6:40 Uhr bereits intubiert war. Gleiches gilt für den Operationsbericht des Herrn Dr. Fe. (Anlage K 9). Die Geburt des L. Ka. erfolgte um 6:55 Uhr, während in einem Faxschreiben vom 23.04.2011 (Anlage K 11) von einer Geburt um 7:00 Uhr die Rede ist.
44
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Pr. ist nicht ersichtlich, dass es in dieser Behandlungsphase zu einem Behandlungsfehler gekommen wäre, der zu einem Schaden des L. Ka. geführt hätte.
45
(a) Vorab ist auszuführen, dass der Sachverständige nachvollziehbar und verständlich erklärt hat, dass die Dokumentation eines Behandlungsablaufs in einer Krisensituation nicht immer auf die Minute genau ist, da die gebotene Konzentration auf das Behandlungsgeschehen dies nicht zuverlässig erlaubt (Seite 9 des Protokolls der Berufungsverhandlung, Bl. 663 d. A.).
46
(b) Die Zeitabläufe bis zum Eintreffen des Beklagten zu 2) um 6:35 Uhr (drei Minuten nach Absetzen des hausinternen Notrufs) und des Herrn Dr. Fe., der sich aufgrund des ersten Anrufs bereits auf dem Weg ins Krankenhaus befand, um 6:40 Uhr sind nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin geltend macht, die bis zur Entbindung benötigte Zeit sei vom Eintritt der Erkennbarkeit der Komplikation um 6:32 Uhr oder sogar vom Zeitpunkt des Abfalls der kindlichen Herztöne um 6:28 Uhr zu bemessen, verkennt sie, dass – wie oben ausgeführt – bis zur Benachrichtigung des Herrn Dr. Fe. von der unmittelbar bevorstehenden Geburt um 6:30 Uhr nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Beklagte zu 3) kein Anlass bestand, Herrn Dr. Fe. in den Kreißsaal zu rufen. Dass sich Herr Dr. Fe. nach seiner telefonischen Benachrichtigung von der bevorstehenden Geburt um 6:30 Uhr bzw. nach seiner Information von dem eingetretenen Notfall kurz nach 6:32 Uhr unnötig lange Zeit damit gelassen hätte, am Kreißsaalbett der C. Ko. zu erscheinen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Beklagte zu 4) hat vielmehr in der Dokumentation des Geburtsverlaufs (Anlage K 4) vermerkt, von Herrn Dr. Fe. nach der Mitteilung des Notfalls die Information erhalten zu haben, dieser sei (aufgrund des vorherigen Anrufs der Beklagten zu 3)) schon unterwegs.
47
(c) Soweit die Klägerin geltend macht, bei Eintreffen des Herrn Dr. Fe. um 6:40 Uhr sei hätte statt eines (kontraindizierten) Kaiserschnitts eine vaginal-operative Geburt erfolgen müssen, ist der Sachverständige Prof. Dr. Pr. dem überzeugend entgegengetreten. Er hat in seinem Gutachten (Seiten 11 und 16, Bl. 491 und 496 d. A.) unter Verweis auf eine Belegstelle aus der wissenschaftlichen Fachliteratur ausgeführt, dass es im Falle einer Fruchtwasserembolie mehrheitlich empfohlen werde, nach erfolgter notfallmäßiger Versorgung der Mutter unverzüglich die Entbindung vaginal (sofern möglich) oder durch sectio vorzunehmen, bei Herzstillstand durch notfallmäßige Schnittentbindung unter Reanimationsbedingungen. Vor diesem Hintergrund stellte er sodann fest, die instabile Patientin sei nach Narkoseeinleitung bei laufender Reanimation durch Notkaiserschnitt entbunden worden, die indiziert gewesen sei. Zur von der Klägerin als geboten behaupteten vaginal-operativen Geburt anstelle des Notkaiserschnitts führte der Sachverständige Prof. Dr. Pr. in der Berufungsverhandlung (Seite 10, Bl. 664 d. A.) aus, eine operativ (mit Saugglocke oder Zange) begleitete vaginale Geburt sei in der Situation nicht möglich gewesen, da das Kind noch im Beckeneingang stand und eine vaginale Entwicklung zu erheblichen Verletzungen der (bewusstlosen und daher zur Mitwirkung nicht fähigen) Mutter und des Kindes geführt hätte; ein solches Vorgehen hätte „allem ärztlichen Standard widersprochen“. Wörtlich erklärte der Sachverständige – insoweit nicht protokolliert, dem Senat aber noch erinnerlich – ein solches Vorgehen wäre „frauenverachtend“.
48
(d) Wie der Sachverständige Prof. Dr. Pr. ebenfalls in der Berufungsverhandlung (Seiten 9 f., Bl. 663 f. d. A.) verständlich ausführte, hätte der Kaiserschnitt durch den (hier ohnehin nicht mitverklagten) Dr. Fe. auch nicht rascher durchgeführt werden können, da – was aus Sicht des Senats unmittelbar einsichtig ist – vor Relaxation der Mutter durch Narkose ein Kaiserschnitt nicht durchgeführt werden kann. Auch hat die vor der Notsectio von Dr. Fe. durchgeführte vaginale Untersuchung der C. Ko. nach Auskunft des Sachverständigen nicht mehr als zehn Sekunden in Anspruch genommen (Seite 11 des Protokolls der Berufungsverhandlung, Bl. 665 d. A.), so dass diese – von der Klägerin in der Berufungsverhandlung als überflüssig behauptete – Maßnahme keinen relevanten Zeitverzug bewirkt hat.
49
(e) Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte zu 2) hätte „die Situation notfallmäßig […] beherrschen und den diensthabenden Chirurgen hinzuziehen müssen, um im Wettlauf mit der sekündlich voranschreitenden Hämolyse Zeit zu gewinnen“ (Seite 3 des Schriftsatzes vom 25.09.2017, Bl. 391 d. A.), und es hätten hier „sofort therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden müssen, um die einsetzenden massiven Blutungen zu therapieren“ (Seite 8 der Klageschrift), hat der Sachverständige Prof. Dr. Pr. in seinem Gutachten (Seite 10, Bl. 490 d. A.) darauf hingewiesen, dass diese Frage den Kompetenzbereich der Anästhesiologie tangiere. Allerdings betrifft dieser Aspekt eine mögliche Schädigung der C. Ko. durch eine womöglich fehlerhafte anästhesistische Behandlung, nicht eine mögliche Schädigung des L. Ka., der nach den Ausführungen des insoweit fachlich kompetenten gynäkologischen Sachverständigen Prof. Dr. Pr. in der gebotenen Weise rasch entwickelt wurde, ohne dass die von der Klägerin als nötig erachtete Hinzuziehung eines Chirurgen einen Vorteil gehabt hätte (Seite 11 des Gutachtens, Bl. 491 d. A.). Da es vorliegend aber um ererbte, in der Person des L. Ka. entstandene Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche geht, war dem Aspekt der Hämolysetherapie im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht nachzugehen. Die Erholung eines diesbezüglichen anästhesiologischen Gutachtens bleibt vielmehr dem Verfahren 24 U 642/17 vorbehalten, das eigene Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Ehemannes der verstorbenen C. Ko. und Vaters des verstorbenen L. Ka. zum Gegenstand hat.
50
cc) Schließlich sind auch in der postpartalen Behandlung des L. Ka. durch den Beklagten zu 2) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Behandlungsfehler festzustellen, die zu einer Schädigung geführt hätten.
51
(1) Der Senat stützt sich insoweit auf die Ausführungen des neonatologischen Sachverständigen Prof. Dr. He. in seinem Gutachten vom 04.03.2019 (Bl. 513/522 d. A.) und in der Berufungsverhandlung (Seiten 12 f. des Protokolls, Bl. 666 f. d. A.). Dabei ist dem Senat bewusst, dass der Beklagte zu 2) kein Neonatologe, sondern Anästhesist ist. Dass der Senat mit der Beauftragung des neonatologischen Sachverständigen Prof. Dr. He. vom Grundsatz der fachgleichen Begutachtung (vgl. BGH vom 16.05.2017 – VI ZR 89/16 – juris Rn. 11) abweicht, hat seinen Grund darin, dass der Beklagte zu 2) nach der Geburt des L. Ka. notfallmäßig die Versorgung des Neugeborenen übernommen hat, deren Sachgerechtigkeit kompetent von einem Neonatologen zu beurteilen ist. Lediglich, wenn die Begutachtung durch den neonatologischen Sachverständigen zur Bejahung eines schadenskausalen Behandlungsfehlers geführt hätte, wäre es geboten gewesen der Frage nachzugehen, ob die Einhaltung des Standards auch von einem notgedrungen fachfremd tätig gewordenen allgemeinen Anästhesisten zu verlangen gewesen wäre.
52
(2) Der Vorwurf der Klägerin, es sei schadensvertiefend gewesen, dass der Beklagte zu 2) den Säugling unter eine Wärmelampe gelegt hat, statt ihn zu kühlen, um den Sauerstoffwechsel anzuregen, hat sich nicht bestätigt. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, im Falle einer asphyktischen Geburt (also einer Geburt, nachdem es zu einer Sauerstoffunterversorgung des Fötus gekommen ist) sei eine auf die Absenkung der Körperkerntemperatur auf 33,0 bis 34,0 ºC gerichtete Hypothermiebehandlung indiziert, die spätestens sechs Stunden nach dem schädigenden Ereignis beginnen sollte (Seiten 6 f. des Gutachtens, Bl. 518 f. d. A.). Er hat aber auch ausgeführt, die Kühlungsbehandlung könne mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen, da eine stärkere Abkühlung des Neugeborenen die ungestörte Adaption der Organfunktionen Herz-Kreislauf-System und Lunge behindern könne; deshalb sei es auch nach einer asphyktischen Geburt eine Standardprozedur, ein Neugeborenes zunächst bei eingeschaltetem Über-Kopf-Heizstrahler auf eine vorgewärmte Versorgungseinheit zu bringen (Seiten 7 f. des Gutachtens, Bl. 519 f. d. A.). Untersuchungen zur Frage, nach welcher Dauer eine Heizstrahler-Anwendung zu einem – potentiell schädlichen – Anstieg der Gehirntemperatur führe, gebe es nicht; nach der vom Sachverständigen gesichteten Literatur sei jedoch davon auszugehen, dass eine Heizstrahleranwendung von etwa 15 Minuten (sofern die Leistung des Heizstrahlers einen solchen Effekt überhaupt haben könne) für eine Erhöhung der Gehirntemperatur nicht ausreiche (Seiten 8 f. des Gutachtens, Bl. 520 f. d. A.). In der Berufungsverhandlung ergänzte der Sachverständige Prof. Dr. He., es sei aus seiner Sicht angemessen gewesen, in der ersten Zeit nach der Geburt zu versuchen, mit den üblichen Maßnahmen (Wiederbelebung, Wärmelampe) zu versuchen, die Körperreaktionen des Kindes in Gang zu bringen und erst danach (nach etwa 15 Minuten) eine Hypothermiebehandlung in Lauf zu setzen (Seite 12 des Protokolls, Bl. 666 d. A.). Auch wies der Sachverständige darauf hin, dass die Auswirkungen, die nach asphyktischer Geburt durch die Hypothermiebehandlung auf den Endzustand des Kindes erreicht werden können, relativ gering sind (vgl. Seite 12 des Protokolls, Bl. 666 d. A.). Nach diesen nachvollziehbaren und verständlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. He. war die Anwendung der Wärmelampe für etwa 15 Minuten schon kein Behandlungsfehler, da sie dazu geeignet ist, das gewünschte Ingangsetzen der kindlichen Körperreaktionen zu bewirken. Im Übrigen gibt es nach den Ausführungen des Sachverständigen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anwendung einer Wärmelampe – sofern ihre Leistung dazu überhaupt ausreicht – geeignet ist, einen – unerwünschten – Anstieg der Gehirntemperatur in einer Zeitspanne von nur etwa 15 Minuten zu bewirken. Ein schadenskausaler Behandlungsfehler hat sich damit nicht ergeben.
53
(3) Soweit die Klägerin in der Klageschrift (Seite 12) und in der Replik auf die Klageerwiderung des Bevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 2) (Seite 11 des Schriftsatzes vom 01.02.2016, Bl. 165 d. A.; Seite 8 des Schriftsatzes vom 03.06.2016, Bl. 210 d. A.) ausgeführt hat, der Säugling hätte nach seiner Geburt nicht durch eine CPAP-Maske beatmet werden dürfen, sondern wäre direkt zu intubieren gewesen, hat sich dies durch die Einvernahme des Sachverständigen Prof. Dr. He. nicht bestätigt. Aus dem von der Klägerin als Anlage K 11 vorgelegten Faxschreiben vom 23.04.2011 aus der Behandlungsdokumentation geht hervor, dass sofort versucht wurde, mit einem Rachen-CPAP über einen nasalen Tubus die Lungen des Kindes zu blähen; nachdem dies erfolglos blieb, wurde eine Herzdruckmassage (HDM) bei gleichzeitiger Intubation durchgeführt, wodurch die Herzfrequenz binnen dreier bis fünf Minuten bis über 100 pro Minute gesteigert wurde. Wie der Sachverständige Prof. Dr. He. in der Berufungsverhandlung auf Frage des medizinischen Beraters der Klägervertreterin erklärte (Seite 13 des Protokolls, Bl. 667 d. A.), war nach der Entwicklung des Kindes die erste zu ergreifende Maßnahme das Blähen der Lunge, um die Sauerstoffversorgung zu gewährleisten und den Kreislauf des Kindes in Gang zu bringen. Bleibe eine eigene Atmung des Kindes aus, hätten Herzdruckmassage und Beatmung erfolgen müssen, wobei die Beatmung per Druckbeutel oder die Intubation gleichwertig in Frage kämen. Der Sachverständige Prof. Dr. He. hat damit nachvollziehbar erklärt, dass das ausweislich Anlage K 11 zur Anwendung gekommene Regime die gebotene Vorgehensweise gewesen sei, die zunächst auf die Ingangsetzung der Eigenatmung und erst nach deren Fehlschlag auf Herzdruckmassage und Beatmung gerichtet war. Die Beurteilung dieser Versorgung eines Säuglings nach asphyktischer Geburt fällt in den Kompetenzbereich eines neonatologischen Sachverständigen. Der Sachverständige Prof. Dr. He. äußerte in der Berufungsverhandlung auch nicht, er sei für die Beantwortung dieser ihm vom medizinischen Berater der Klägerin gestellten Frage nicht kompetent; ebenso wenig behauptete die Klägervertreterin oder ihr medizinischer Berater, dem neonatologischen Sachverständigen fehle insoweit die Kompetenz.
54
3. Das Vorbringen der Klägervertreterin im Schriftsatz vom 3.3.2020 (Bl. 672/685 d. A.) bietet, soweit es nicht ohnehin schon im Rahmen der obigen Ausführungen abgehandelt wurde, keinen Anlass zu einer abweichenden Bewertung.
55
a) Vorauszuschicken ist, dass der Klägervertreterin in der Berufungsverhandlung vom 28.01.2020 Gelegenheit gegeben wurde, sich bis zum 18.02.2020 (verlängert bis zum 03.03.2020) zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern und dabei ihren Beweisantritt hinsichtlich ihrer Behauptung, der Beklagte zu 2) habe die Situation notfallmäßig beherrschen müssen (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes vom 25.09.2017, Bl. 391 d. A.; Nr. II. 1. Buchst. a Doppelbuchst. ee des Beweisbeschlusses vom 18.05.2018 [Seite 3, Bl. 460 d. A.]), zu konkretisieren. Hintergrund dafür war, dass der gynäkologische Sachverständige Prof. Dr. Pr. bezüglich dieser – nur die Behandlung der Mutter betreffenden und daher in diesem Verfahren im Unterschied zum Verfahren 24 U 642/17 nicht relevanten – Beweisfrage erklärt hat, sie falle in den Kompetenzbereich der Anästhesiologie, weshalb der Senat ausgeführt hat, insoweit gegebenenfalls noch ein anästhesiologisches Sachverständigengutachten einholen zu wollen (vgl. Seiten 14 f. des Protokolls der Berufungsverhandlung, Bl. 668 f. d. A., bezüglich Verfahren 24 U 642/17). Darüber hinaus waren der Klägervertreterin aber weder neuer Sachvortrag noch neue Beweisantritte nachgelassen. Soweit der Schriftsatz vom 03.03.2020 über Konkretisierungen der bezeichneten Beweisfrage (für das Verfahren 24 U 642/17) hinaus neuen Sachvortrag oder neue Beweisantritte enthält, waren sie – da nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt – nicht zu berücksichtigen (§ 296a i. V. m. § 525 ZPO). Ein Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) bestand nicht.
56
b) Der Vortrag, es widerspreche dem fachärztlichen Standard, dass die Anästhesie ausweislich des Anästhesieprotokolls erst ca. 6:47 Uhr beendet gewesen sein soll (Seite 7 des Schriftsatzes vom 03.03.2020, Bl. 678 d. A.), ist in diesem Sinne nicht berücksichtigungsfähig. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin, obwohl ihr das von ihr bereits mit der Klageschrift (Seite 7) ins Verfahren eingeführte Anästhesieprotokoll (Anlage K 10) von Anfang an vorlag und obwohl ihre Bevollmächtigte bereits erstinstanzlich medizinisch beraten war (vgl. Seite 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2016, Bl. 283 d. A.), nicht behauptet, die Zeit vom Eintreffen des Beklagten zu 2) bis zur Intubation der C. Ko. sei zu lang gewesen.
57
Im Übrigen wäre der – nicht berücksichtigungsfähige – Vortrag auch unzureichend. Die Behauptung: „Nach fachärztlichem Standard ergibt sich, dass eine Intubation ca. drei Minuten dauert“ (Seite 7 des Schriftsatzes vom 03.03.2020, Bl. 678 d. A.), berücksichtigt nicht, dass der Beklagte zu 2) in einer akuten Notsituation herbeigerufen wurde und C. Ko. reanimiert werden musste. Inwieweit die Intubation – unterstellt, die zeitlichen Angaben bezüglich des Eintreffens des Beklagten zu 2) in der Dokumentation des Geburtsverlaufs (Anlage K 4) und der Intubation im Anästhesieprotokoll (Anlage K 10) sind trotz des oben zu Nr. 2. b) bb) (2) (a) ausgeführten Vorbehalts exakt – auch unter diesen Umständen eine unangemessen lange Zeit in Anspruch genommen haben soll, legt die Klägerin nicht ansatzweise dar.
58
c) Erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt und damit nicht berücksichtigungsfähig ist auch der unter Beweisantritt (“Sachverständigengutachten Anästhesie“) erfolgte Vortrag, wenn um 6:35 Uhr 160 mg Succinylcholin verabreicht worden seien, hätte eine Minute später die Intubation stattfinden müssen.
59
Auch dieser Vortrag erwiese sich im Übrigen als unzureichend. Wie dem insoweit auf eine Viertelstunde genau gerasterten Anästhesieprotokoll (Anlage K 10) zu entnehmen ist, findet sich der Eintrag „160“ in der Zeile „Succinyl“ am rechten Rand des Zwischenraums der beiden Striche, welche die Zeiten 6:30 Uhr und 6:45 Uhr markieren, wobei die null sogar leicht über den Markierungsstrich für 6:45 Uhr hinausreicht. Weiter unten im (dort auf fünf Minuten genau gerasterten) Protokoll findet sich der bereits angesprochene, die Intubation markierende Pfeil nach unten unmittelbar hinter dem Markierungsstrich für 6:45 Uhr. Damit erweist sich die Prämisse der Klägerin, es sei bereits um 6:35 Uhr Succinylcholin verabreicht worden, nach dem Anästhesieprotokoll als unzutreffend. Dessen Eintragungen zufolge ist die Gabe von Succinylcholin vielmehr unmittelbar vor der Intubation erfolgt, was nach dem Vortrag der Klägerin dem medizinischen Standard entsprach.
60
d) Soweit die Klägerin (Seite 8 oben des Schriftsatzes vom 03.03.2020, Bl. 679 d. A.) geltend macht, die Sectio hätte früher beginnen können, wenn Herr Dr. Fe. bereits um 6:32 Uhr am Kreißbett anwesend gewesen wäre, ist darauf zu verweisen, dass es nach dem medizinischen Standard nicht zu beanstanden ist, dass Herr Dr. Fe. erst um 6:30 Uhr von der unmittelbar bevorstehenden Geburt unterrichtet wurde und er erst um 6:40 Uhr bei C. Ko. erschien (s. oben zu Nr. 1 und zu Nr. 2. b) bb) (2) (b)).
61
e) Der Vortrag der Klägerin, die Zeit vom Eintreffen des Herrn Dr. Fe. (6:40 Uhr) bis zur Geburt des Kindes (6:55 Uhr bzw. 7:00 Uhr) sei zu lang gewesen (Seiten 8 bis 10 des Schriftsatzes vom 03.03.2020, Bl. 679/681 d. A.), geht – abgesehen davon, dass ein etwaiger Fehler des Herrn Dr. Fe. (wie oben zu Nr. 2. a) dargelegt) in diesem Verfahren ohnehin nicht relevant wäre – aus mehreren Gründen fehl:
62
aa) Ausweislich des unstreitigen Tatbestands des angegriffenen Urteils und damit gemäß § 314 Satz 1 ZPO bindend feststehend, erfolgte die Geburt – wie auch im Protokoll über den Geburtsverlauf (Anlage K 4) dokumentiert – um 6:55 Uhr. Dass in dem als Anlage K 11 vorgelegten (späteren) Faxschreiben von einer Geburt um 7:00 Uhr die Rede ist, ist demgegenüber unbeachtlich.
63
bb) Wie ausgeführt, ist nach dem Anästhesieprotokoll (Anlage K 10) davon auszugehen, dass C. Ko. um 6:47 Uhr intubiert war, so dass die Kaiserschnittgeburt nicht vor diesem Zeitpunkt beginnen konnte (s. oben zu Nr. 2. b) bb) (2) (d)). Die Geburt dauerte demnach acht Minuten. Ginge man mit der Klägerin davon aus, dass C. Ko. bei Eintreffen des Herrn Dr. Fe. um 6:40 Uhr bereits intubiert war, wofür die Geburtsverlaufsdokumentation (Anlage K 4) und der Operationsbericht des Herrn Dr. Fe. (Anlage K 9) sprechen mögen, lägen zwischen Eintreffen des Herrn Dr. Fe. und der Geburt des L. Ka. 15 Minuten.
64
cc) Selbst wenn man – entgegen dem exakt gerasterten und geführten Anästhesieprotokoll – die zuletzt genannte Zeitspanne zugrunde legen wollte, ist nicht ersichtlich, weshalb die für die Geburt benötigte Zeit als zu lang anzusehen sein sollte. Die Klägerin bezieht sich insoweit darauf, dass nach einer Leitlinie der DGGG die erlaubte Zeit zwischen Indikationsstellung und Sectio (E-E-Zeit) bei einer Notlage maximal zehn Minuten betrage (Seite 9 des Schriftsatzes vom 03.03.2020, Bl. 680 d. A.). Diese in Bezug genommene Verlautbarung der DGGG war dem Schriftsatz vom 03.03.2020 als nicht nummerierte Anlage beigefügt und befindet sich im Anlagenheft der Klagepartei für das Berufungsverfahren. Aus ihr ergibt sich jedoch nicht, dass die für die Geburt benötigte Zeit als zu lang anzusehen wäre.
65
(1) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verlautbarung der DGGG „Zu [!] Frage der erlaubten Zeit zwischen Indikationsstellung und Sectio (E-E-Zeit) bei einer Notlage“ (Stand August 2010) in ihrem Kopf zur Einordnung des Textes erklärt: „3.6 Sonstige Texte (Keine Leitlinien) 3.6.1 Stellungnahme zur Frage der erlaubten Zeit […]“. Die DGGG hebt also hervor, dass es sich nicht um eine „Leitlinie“, sondern um eine „Stellungnahme“ handelt, was dafür spricht, dass die wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft dem Text eine geringere Verbindlichkeit zumisst (vgl. dazu ausführlich Igloffstein, Regelwerke für die humanmedizinische Individualbehandlung, Diss. Gießen 2003, Seiten 10 ff.).
66
(2) Vor allem aber offenbart der Verweis der Klägervertreterin auf Seite 3 dieser Stellungnahme, dass sie den Text nicht richtig erfasst hat.
67
(a) Die E-E-Zeit umfasst gemäß Nr. 4 i. V. m. Nr. 3 der Stellungnahme die Zeit vom Entschluss zur Notsectio bis zur Entwicklung des Kindes (die Abschnitte 5 bis 14 der Nr. 3 der Stellungnahme), während die vorangehenden vier Schritte (beginnend mit dem Beginn der fetalen Notlage) außen vor bleiben. Die E-E-Zeit betrug damit vorliegend maximal 15 Minuten, sofern man entgegen den Eintragungen im zeitlich kleinteilig gerasterten Anästhesieprotokoll annehmen wollte, dass C. Ko. bei Eintreffen des Herrn Dr. Fe. um 6:40 Uhr bereits intubiert war.
68
(b) Anders als die Klägervertreterin zu meinen scheint, erklärt die Stellungnahme nicht, es sei eine E-E-Zeit von maximal zehn Minuten akzeptabel. Auf der von der Klägervertreterin in Bezug genommenen Seite 3 der Stellungnahme heißt es (unter Nr. 4) vielmehr:
„Die genannte E-E-Zeit umfasst die Zeiträume 5.-14. In einer unerwarteten und unvorhersehbar aufgetretenen Notsituation beträgt dieser Zeitraum minimal [!] 10 Minuten, wobei vorausgesetzt werden muss, dass die räumlichen und organisatorischen Gegebenheiten optimal sind […] Da davon nicht immer ausgegangen werden kann, wird daher in aller Regel ein Zeitraum von 20 Minuten noch zu tolerieren sein müssen.“
69
Aus der von der Klägervertreterin zitierten Stellungnahme der DGGG ergibt sich daher nicht, dass die Geburtszeit von maximal 15 Minuten zu beanstanden sei; aus ihr ergibt sich im Gegenteil, dass sie nicht zu beanstanden sei.
70
f) Dass die postpartale Behandlung des Säuglings mit Blick auf die Beatmung nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. He., anders als die Klägervertreterin (Seiten 10 f. des Schriftsatzes vom 03.03.2020, Bl. 681 f. d. A.) meint, nicht zu beanstanden ist, wurde bereits ausgeführt (s. oben zu Nr. 2. b) cc) (3)).
71
g) Die Ausführungen zur Behandlung der Mutter (Seiten 11 f. des Schriftsatzes vom 03.03.2020, Bl. 682 f. d. A.) betreffen (vor dem Hintergrund des Hinweises des Senats am Ende der Berufungsverhandlung (Seite 14 des Protokolls, Bl. 668 d. A.) keine Schmerzensgeldansprüche, die in der Person des L. Ka. entstanden sein könnten. Sie betreffen daher nicht das hiesige Verfahren, sondern das Verfahren 24 U 642/17.
72
4. Ohne dass es vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen darauf ankäme, ist der Senat im Übrigen der Auffassung, dass etwaige Schadensersatzansprüche gegen die verklagten Hebammen (Beklagte zu 3) und 4)) auch verjährt sind.
73
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 31.10.2000 – VI ZR 198/99 – juris Rn. 11 m. w. N.) beginnt die Verjährung in Arzthaftungssachen nicht bereits dann, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Er muss vielmehr auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache dieses Misserfolges schließen können. Dazu muss der Patient nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn als medizinischen Laien ergibt, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren.
74
b) Der Senat hält aus den im Beschluss vom 04.09.2017 (Seiten 2 f., Bl. 385 f. d. A.) genannten Gründen daran fest, dass diese Voraussetzung im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Anspruchsschreiben vom 11.11.2011 (Anlagen B1/5-1 und B Kls 1) nicht gegeben waren, soweit die Schadensersatzansprüche auf ein ärztliches Fehlverhalten oder organisatorische Mängel der Klinik gestützt werden sollten.
75
c) Hinsichtlich der zu 3) und 4) verklagten Hebammen ist der Senat jedoch nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage der Auffassung, dass die genannten Anspruchsschreiben zeigen, dass die erforderliche Kenntnis von „Tat und Täter“ im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB vorlag, sodass die dreijährige Verjährung des § 195 BGB gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres 2011 begonnen und daher mit Ablauf des Jahres 2014 geendet hat. Bei Klageerhebung (im Jahr 2015) waren etwaige Ansprüche gegen die Beklagten zu 3) und 4) daher bereits verjährt.
76
aa) Die Vorwürfe gegen die Beklagte zu 3) konzentrierten sich von Anfang an darauf, eigenmächtig gehandelt und nicht rechtzeitig ärztliche Hilfe herbeigeholt zu haben. Eine weitere Aufklärung konnte sich die Klägerin insoweit auch nicht durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoffen. Insofern wäre bereits im Jahr 2011 die Erhebung zumindest einer gegen die Beklagte zu 3) gerichteten Feststellungsklage möglich und zumutbar gewesen.
77
bb) Was die Beklagte zu 4) angeht, die erst um 6:30 Uhr die Betreuung der C. Ko. übernommen und sogleich Herrn Dr. Fe. von der unmittelbar bevorstehenden Geburt informiert hat, wurde bis zuletzt nicht recht deutlich, was die Klägerin ihr genau vorwerfen will. Auch insoweit käme aber allenfalls (auf welcher Grundlage auch immer) in Betracht, sie hätte nicht rechtzeitig ärztliche Hilfe herbeigeholt. Es gilt daher auch insoweit das soeben zu Doppelbuchst. aa) Ausgeführte.
III.
78
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
79
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
80
3. Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ist nicht gegeben.