Titel:
unangemessene Benachteiligung, Honoraransprüche, Abtretungsklausel, Auslegung der Abtretungserklärung, Berufungszulassung, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Aktivlegitimation, Haftpflichtversicherung, Elektronischer Rechtsverkehr, Honorarforderungen, Elektronisches Dokument, Haftpflichtversicherer, Streitwert, Gutachtenkosten, Nebenforderungen, Verfahren nach billigem Ermessen, Wert des Beschwerdegegenstandes, Tatrichterliche Würdigung, Kostenentscheidung
Schlagworte:
Aktivlegitimation, Schadensersatzanspruch, Abtretungserklärung, Transparenzgebot, Unangemessene Benachteiligung, Anerkenntnis, Berufungszulassung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63461
Tenor
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 355,50 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
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Gegenstand des Rechtsstreits sind Schadenersatzansprüche auf Ersatz von Sachverständigenkosten aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 01.12.2016. Der Unfallhergang und die alleinige Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherern des unfallgegnerischen Fahrzeugs standen nicht in Streit.
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Die ursprünglich Geschädigte hatte zur Bemessung des unfallbedingt an ihrem Fahrzeug entstandenen Schadens das als Anlage K1 zur Akte gereichte Sachverständigengutachten durch die Klägerin erstellen lassen. Hierfür wurden der ursprünglich Geschädigten durch die Klägerin Kosten gemäß der als Anlage K2 zur Akte gereichten Rechnung vom 21.12.2016 in Rechnung gestellt. Die Schadensersatzansprüche werden aus abgetretenem Recht geltend gemacht, wobei sich die entsprechende Abtretungserklärung als Anlage K3 bei der Akte befindet.
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Die Klage war abzuweisen, weil der Klägerin mangels Aktivlegitimation hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches auf Schadensersatz für Sachverständigenkosten kein entsprechender Hauptsacheanspruch zustand und anschließend daran auch keine entsprechende Zinsforderung bzw. Schadensersatz für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten als Nebenforderung. Diese teilen insoweit das Schicksal der Hauptforderung.
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Die Parteien haben sich ausführlich schriftsätzlich sowie unter Bezugnahme auf zahlreiche unterschiedliche Rechtsprechungszitate zur Frage der Wirksamkeit der hier verwendeten Abtretungsklausel gestritten. Die Argumente sind hinreichend ausgetauscht.
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Nach Auffassung des erkennenden Gerichts verstößt die hier verwendete Klausel gegen das Transparenzgebot, § 307 BGB.
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Die entsprechende Klausel lautet wie folgt: „Weiter trete ich meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachtenkosten gegen den Unfallgegner und dessen Versicherungsgesellschaft an die ... Service GmbH ab. Meine persönliche Haftung für die Gutachtenkosten bleibt trotz dieser Abtretung bestehen. Die Abtretung erfolgt nicht an Erfüllungs statt. Die Kosten für das Gutachten werden nach der derzeit geltenden Honorartabelle der ... Service GmbH berechnet.“
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Zudem enthält die als Anlage K3 zur Akte gereichte Abtretungserklärung eine Anweisung an die unfallgegnerische Haftpflichtversicherung, die Gutachtenkosten direkt an die Klägerin zu bezahlen.
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Maßstab der Prüfung der hinreichenden Transparenz, also der Frage, ob eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vorliegt, ist die sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergebende Verpflichtung des Verwenders, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Insoweit hat der BGH, Urteil vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17 (Rn. 9 gemäß Juris Zitierung) zutreffend ausgeführt: „Er [Anm.: der Verwender] muss folglich seinerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird.“
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Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Klausel nicht gerecht: Die Klausel sieht nämlich überhaupt keinerlei Regelung für die Frage vor, was konkret mit dem Honoraranspruch, zu dessen Befriedigung der Geschädigte verpflichtet bleiben soll, geschehen soll, wenn eine Zahlung durch die unfallgegnerische Haftpflichtversicherung an die Zessionar nicht oder nicht vollständig erfolgt. Der Geschädigte wird also in die Situation gebracht, dass seine eigene Haftung für die Honorarforderung ausdrücklich trotz Abtretung bestehen bleiben soll, während offen bleibt, unter welchen Voraussetzungen er sodann auf Zahlung der Honorarforderung durch die Klägerin in Anspruch genommen werden kann.
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Was im Fall der Zahlung durch den Unfallgegner bzw. die Beklagte mit dem Anspruch der Klägerin gegen den Geschädigten geschehen sollte, bleibt offen. Eine Regelung, nach der der Geschädigte durch Zahlung des Unfallgegners von seiner eigenen Verpflichtung (in Höhe der Zahlung) frei wird, ist nicht erkennbar. Damit besteht die Gefahr für den Abtretenden, auch nach Zahlung des Schädigers an die Klägerin von dieser zusätzlich in Anspruch genommen zu werden (so auch LG Stuttgart, Urteil vom 19.09.2019, Az. 5 S 49/19). Nach dem Urteil des BGH vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17, ist die Frage einer fehlenden Regelung, „was mit der vom Geschädigten an den Sachverständigen abgetretenen Schadensersatzforderung geschehen soll, wenn der Sachverständige nach der Abtretung seinen vertraglichen Honoraranspruch gegen den Geschädigten geltend macht“, zentral für die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung bzw. der Transparenzprüfung gemäß § 307 BGB.
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Nach Auffassung des erkennenden Gerichts kommt dies auch im vorliegenden Fall zum Tragen. Die zentralen Prüfungspunkte, wie sie aus dem Urteil des BGH vom 17.07.2018 (s.o.) hervorgehen, sind auch hier einschlägig. Dem steht nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall keine „Weiterabtretungsklausel“ im gleichen Formular vorgesehen ist. Der Umstand, dass nicht klar ist, was nun mit dem Honoraranspruch gegen den Geschädigten passieren soll, wenn die unfallgegnerische Haftpflichtversicherung nicht oder nicht vollständig zahlt, ist in gleicher Weise einschlägig. Für den Geschädigten besteht damit auch im vorliegenden Fall die Gefahr, seinerseits auf Zahlung des Honorars durch den Sachverständigen in Anspruch genommen zu werden, ohne ausreichend Klarheit darüber zu haben, ob und in welchem Umfang er sich gegenüber dem Unfallgegner schadlos halten kann.
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Zentraler Maßstab der Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung ist die Verpflichtung des Verwenders von AGB, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen: „Er muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird.“ (BGH, a.a.O., Rn. 9 gem. Juris-Zitierung).
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Fehlt eine derartige Eindeutigkeit, stellt dies eine unangemessene Benachteiligung des Geschädigten dar. So auch im vorliegenden Fall: Aus der Klausel geht nicht hervor, welche Rechte dem Geschädigten gegenüber dem Sachverständigenbüro zustehen sollen, wenn dieses nach Abtretung des Schadensersatzanspruchs den ihm nach der Klausel verbleibenden vertraglichen Honoraranspruch geltend macht. Raum für eine Auslegung der Abtretungserklärung dahingehend, dass eine Rückabtretungsverpflichtung der Klägerin bei Zahlung vorliegen soll, ergibt sich nicht.
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Mangels einer derartigen im Wortlaut der Erklärung angelegten Regelung ist kein Raum für eine solche Auslegung. Eine solche Auslegung kann vom Geschädigten als Laien nicht erwartet werden kann (BGH, Urteil vom 17.7.2018 – VI ZR 274/17).
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Daran ändert auch die Argumentation der Klagepartei nichts, wonach der Geschädigte ohnehin zur Begleichung der Werklohnforderung verpflichtet sei (S. 7 der Klageschrift). Welche Rechte dem Geschädigten zustehen, bleibt nämlich im Unklaren: Der Geschädigte würde sich durch die Abtretung der Möglichkeit einer eigenen Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gegenüber der Unfallgegnerseite begeben, ohne genau zu wissen, unter welchen Voraussetzungen die abgetretenen Ansprüche ggf. an ihn zurückfallen sollen. Vor dem Hintergrund der Transparenzprüfung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, genügt es nämlich nicht, wenn „erst interessenbezogene Erwägungen, die so von einem durchschnittlichen Unfallgeschädigten […] nicht erwartet werden können“, zu einem sachgerechten Auslegungsergebnis führen (BGH, a.a.O., Rn. 10 gem. Juris-Zitierung).
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Sämtliche Unklarheiten, also insbesondere offen bleibende Fragen, gehen zulasten des Verwenders und führen zu einer Unwirksamkeit der verwendeten Klausel.
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Daran anschließend war die als Anlage K3 zur Akte gereichte Abtretung unwirksam, weshalb es der Klägerin von vornherein an der Aktivlegitimation fehlte.
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Die Aktivlegitimation folgt auch nicht aus der seitens der Beklagten geleisteten Teilzahlung. Zwar kann sich aus der unbedingten Regulierungszusage des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Geschädigten ein Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs ergeben (BGH, Urteil vom 19.11.2008 – Az. IV ZR 293/05). Eine faktische Zahlung ohne Anerkennung der Rechtspflicht genügt zur Annahme eines Anerkenntnisses nicht. Die reine Zahlung eines Betrages reicht nicht aus (BGH NJW 1993, 2678). Vielmehr muss ein Rechtsbindungswille dergestalt erkennbar sein, dass auf Einwendungen gegen die Haftung verzichtet werden soll. Hierfür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich.
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Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Sachverständigenkosten ist daher nicht gegeben. Auf die weiteren zwischen den Parteien strittigen Fragen der inhaltlichen Angemessenheit der streitgegenständlichen Honorarrechnung kam es deshalb nicht entscheidungserheblich an.
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Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Verzugszinsen.
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Die Klage war insgesamt abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Dem Antrag der Klagepartei auf Berufungszulassung war nicht zu entsprechen. Die Voraussetzungen einer Berufungszulassung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO waren nicht gegeben. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu, auch ist eine Berufungszulassung hier nicht zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die hier zentral zur Begründung der obigen Rechtsauffassung herangezogene AGB-rechtliche Wertung ergibt sich aus Sicht des Gerichts eindeutig und zweifelsfrei aus dem oben zitierten Urteil des BGH vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17, sodass im Übrigen die relevante Rechtsfrage als geklärt anzusehen ist. Im Übrigen folgt das erkennende Gericht der Rechtsauffassung des Landgerichts Stuttgart (a.a.O.), wonach stets für den Tatrichter eine Prüfung der im konkreten Fall gewählten Abtretungsklausel und deren exakte Formulierung veranlasst ist, sodass auch insoweit bereits kein pauschalierungsfähiger Maßstab angelegt werden darf. Die konkret auf den Einzelfall und die exakte formulierungbezogene Klauselauslegung unterliegt der tatrichterlichen Würdigung.