Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 22.04.2020 – 28 U 345/20 Bau
Titel:

Fehlerhafte Beweiswürdigung, Eigene Beweiswürdigung, festgestellter Sachverhalt, Mängelrüge, Erstgericht, Darlegungs- und Beweislast, Werkvertrag, Rechtsfehler, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Abrechnungsverhältnis, Vergütungsabrede, Erstinstanzliche Feststellungen, Rücknahme der Berufung, Fliesenarbeiten, Überzeugungsbildung, Vorbringen erster Instanz, Fehlende Fälligkeit, Andere Schuldverhältnisse, Schlußrechnung, Aussicht auf Erfolg

Schlagworte:
Werkvertrag, Vergütungsabrede, Mängelrügen, Beweiswürdigung, Fälligkeit, Berufung, Rücknahme
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 13.12.2019 – 10 HK O 12809/18
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 04.06.2020 – 28 U 345/20 Bau
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 01.06.2022 – VII ZR 93/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63369

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13.12.2019, Az. 10 HK O 12809/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Entscheidungsgründe

I. Urteil des Landgerichts München I
1
Das Landgericht verurteilte die Beklagte u.a. zur Zahlung von etwa 36.000 Euro Werklohn für Fliesenarbeiten.
2
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Parteien einen BGB-Werkvertrag geschlossen hätten, eine Vergütungsabrede auf Stundenbasis erfolgt sei und die Arbeiten durchgeführt worden seien. Der Anspruch sei fällig sei, da die Parteien den Vertrag einvernehmlich beendet hätten und daher ein Abrechnungsverhältnis vorliege. Soweit Mängel im Raum stünden, sei der Vortrag der Beklagten unsubstantiiert und daher unbeachtlich.
II. Berufung der Beklagten
3
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die VOB/B in den Vertrag einbezogen worden sei und die Parteien einen Pauschalpreis für jedes geflieste Bad vereinbart hätten, jedenfalls habe – 2 – die Klägerin den Nachweis einer Stundenabrede nicht geführt. Auch sei der Anspruch nicht fällig und es bestünden zahlreiche Mängel.
III. Gegenwärtige Einschätzung des Senats
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Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung des Werklohns für Fliesenarbeiten im Umfang der erstinstanzlichen Verurteilung gem. § 631 Abs. 1 BGB:
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1. Soweit die Berufung den fehlerhaften Umgang mit § 39 ZPO rügt, ist diese Rüge vor dem Hintergrund des § 513 Abs. 2 ZPO nicht verständlich.
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2. Soweit die Beklagte rügt, die Klägerin hätte den erforderlichen Nachweis nicht erbracht, dass die Parteien eine Vergütung nach geleisteten Stunden getroffen haben, folgt der Senat dem nicht.
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Die Berufung ist der Ansicht, aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung (Verstoß gegen § 287 ZPO) bestünden konkrete Anhaltspunkte an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); die Beweiswürdigung sei fehlerhaft, da die Nullhypothese des BGH nicht ausreichend beachtet worden sei.
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a) Der Senat kann an dieser Stelle offen lassen, ob die VOB/B vereinbart wurde, da die Parteien sich vor Beginn der Arbeiten auf eine Abrechnung nach geleisteten Stunden geeinigt hatten.
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b) Die Beweiswürdigung ist frei von Rechtsfehlern.
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Nach der – angeblich verletzten – Nullhypothese muss das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO dem Umstand Rechnung tragen, dass der Zeuge das „schlechteste“ Beweismittel ist. Dieser im Strafprozess entwickelte Grundsatz der Beweiswürdigung wurde im Zivilprozess aufgrund der zentralen Wertungsunterschiede des Strafprozesses – unter anderem die Unschuldsvermutung – nur entsprechend übernommen und besagt, dass das Gericht seine Überzeugung nur dann auf die Angaben eines vernommenen Zeugen stützen darf, wenn positiv begründbar ist, warum die Angaben des Zeugen glaubhaft sind und/oder der Zeuge glaubwürdig ist. Diesen Vorgaben genügt die Beweiswürdigung des Erstgerichts ohne weiteres, da das Gericht sich auf vielen Seiten mit den Angaben der vernommenen Zeugen auseinandersetzt, die Aussagen vergleicht, eine Plausibilitätskontrolle durchführt und die Stimmigkeit der Angaben unter Beachtung des Parteivortrags und der von den Parteien vorgelegten Anlagen überprüft.
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Das Berufungsvorbringen erschöpft sich überwiegend darin, die eigene Beweiswürdigung an Stelle der gerichtlichen Beweiswürdigung zu setzen, ohne dass Fehler aufgezeigt werden. Der Senat macht sich aufgrund eigener Überzeugungsbildung die Beweiswürdigung des Erstgerichts zu Eigen. So sind die protokollierten Angaben des Zeugen K. nachvollziehbar, überzeugend und allein unter Zugrundelegung dieser Angaben ergibt sich – anders als die gegenbeweislich vernommenen Zeugen – ein stimmiges Gesamtbild mit den Anlagen K1, 4, 7, 8, 10.
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c) Die Ausführungen, wonach das Erstgericht die Regeln zur Darlegungs- und Beweislast verletzt hat, sind nicht verständlich.
14
Das Erstgericht hat deutlich gemacht, dass die Klägerin den erforderlichen Nachweis erbracht hat, also die Klägerin beweisbelastet war. In der Berufung wird nun irritierenderweise gerügt, dass die Klägerin beweisbelastet sei.
15
d) Soweit die Berufung weiter argumentiert, dass – würde man dem Zeugen K. glauben – ein Dissens vorläge, folgt der Senat dem nicht, da der Zeuge den Vertragsschluss als solchen bestätigt hat.
16
e) Auch die Rügen zu § 2 Abs. 10 VOB/B bzw. § 15 Abs. 3 VOB/B greifen bereits dem Grunde nach nicht, so dass nach wie vor offen bleiben kann, ob die VOB/B wirksam einbezogen wurde.
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Erfolgt die Vergütung eines Werkvertrags insgesamt auf Stundenbasis, bleibt unklar, was die Klägerin hätte anzeigen sollen.
18
3. Soweit die Berufung rügt, die Stundenzettel seien als Nachweis nicht tauglich, folgt der Senat dem nicht.
19
a) Soweit die Beklagte materiell-rechtliche Fehler (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) rügt – eine ausreichende rechtliche Differenzierung fehlt – ist die Rüge unbeachtlich, weil die Beklagte nicht den gerichtlich festgestellten Sachverhalt einer rechtlichen Prüfung zuführt. Verfahrensfehlerhaft legt die Beklagte als Subsumtionsgrundlage ihre Interpretation der Geschehnisse zu Grunde.
20
b) Soweit die Rüge der Beklagten darauf abzielt, konkrete Anhaltspunkte an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen zu begründen, wohl weil die Beweiswürdigung des Erstgerichts fehlerhaft sein soll, hat das Berufungsvorbringen beim Senat keine entsprechende Zweifel wecken können.
21
Zunächst setzt sich das Berufungsvorbringen bereits nicht ausreichend mit der Würdigung des Erstgerichts auseinander, sondern meint, die Wiederholung des Vorbringens erster Instanz sei geeignet, die Fehlerhaftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zu begründen. Das wird den Anforderungen des § 529 Abs. 3 ZPO nicht gerecht.
22
Wie das Erstgericht erachtet der Senat die Angaben des Zeugen Y. für unglaubhaft und den Zeugen für unglaubwürdig. Der Senat tritt den Ausführungen des Erstgerichts bei und macht sie zum Gegenstand eigener Einschätzung. Die rechtlichen Schlussfolgerungen des Erstgerichts basierend auf dem von ihm festgestellten Sachverhalt lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
23
c) Die Ausführungen zum fehlenden Nachweis unterliegen dem Novenrecht, wobei auch die Beweisaufnahme ausreichend die klägerischen Behauptungen stützt.
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4. Soweit die Beklagte die fehlende Fälligkeit rügt, folgt der Senat dem nicht.
25
Die Ausführungen zum Abrechnungsverhältnis ergeben sich zwanglos aus der Schlussrechnung und den insoweit erfolgten Einwendungen.
26
5. Soweit das Erstgericht die Mängelrügen als unsubstantiiert behandelt hat, teilt der Senat diese Einschätzung.
27
Die Mängelrügen erfolgten im Verhältnis Hauptunternehmer / Beklagte und eigene Mängelrügen hat die Beklagte gegenüber der Klägerin zu keinem Zeitpunkt ausreichend substantiiert dargelegt. Das befremdet, zumal sich in der Anlage B 5 überwiegend ein Erledigungsvermerk findet. Der Senat ist – wie das Erstgericht – nicht verpflichtet, bloße, aus sich heraus unverständliche Anlagen eines anderen Schuldverhältnisses zu beachten. Genau das hat die Klägerin bereits in erster Instanz gerügt, ohne dass die Beklagte hierauf prozessual reagiert hat. Auch in der Berufung findet sich kein ausreichender Vortrag.
28
6. Hinsichtlich der Rüge zur fehlenden wirtschaftlichen Betriebsführung gilt das unter  Ziff. 5 ausgeführte entsprechend.
29
Erneut geht die Beklagte nicht von dem gerichtlich festgestellten Sachverhalt als Subsumtionsgrundlage aus.
30
Der Senat regt die Rücknahme der Berufung an. Hierzu bzw. zur Stellungnahme zu diesem Hinweis besteht Gelegenheit bis zum 25.05.2020.